Aus gegebenem Anlass aus Hamburg

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20.9.2019 – Der blinde Fleck (Podcast)

Ein Kommentar von Dagmar Henn.

Wenn heute die große Volksgemeinschaft der Klimafreunde auf die Straße geht, dann gibt es ein Thema, mit dem sie sich gewiss nicht befasst: die Containerschifffahrt. Eigenartig, oder? Schließlich sind Containerschiffe so ziemlich die größten Dreckschleudern und CO2-Emittenten, die man sich denken kann.

Allein die fünfzehn größten Schiffe der Welt stoßen pro Jahr so viele Schadstoffe aus wie 750 Millionen Autos,“ (1) berichtete das Schweizer Fernsehen unter dem charmanten Titel ‚Das schmutzigste Gewerbe der Welt‘ und berief sich auf eine Studie des Naturschutzbundes (2). Und diese fünfzehn größten Schiffe sind mit hoher Wahrscheinlichkeit in deutschem Besitz.

Nur selten ist von diesen Schiffen zu hören. Eine der wenigen Erwähnungen der Schiffe in deutschem Besitz findet sich auf der Seite des Verteidigungsministeriums (3): „Deutsche Reedereien besitzen die viertgrößte Handels- und die größte Containerschiffsflotte der Welt.“ Wenn man es noch genauer sagen will: über die Hälfte der größten Containerschiffe haben deutsche Besitzer.

Das erklärt natürlich einiges. Unter anderem, warum ausgerechnet die Grünen so erbitterte Gegner der chinesischen One Road- One Belt- Initiative sind, die den Warentransport per Containerschiff weitgehend durch einen Transport per Bahn ersetzen will, der den Schadstoffausstoß verringern würde. Immerhin müssen die Schiffe, die auf dreißig Jahre Einsatz berechnet sind, erst einmal genügend Rendite einfahren, Umwelt hin oder her. Sonst müsste die HSH-Nordbank, deren Geschäft vor allem in der Finanzierung solcher Schiffe lag und die für die Erweiterung der deutschen Containerflotte zeitweilig zum größten Schiffsfinanzierer der Welt aufstieg, ein drittes Mal mit staatlichen Geldern gerettet werden (4).

Nirgends ist der Einfluss der norddeutschen Pfeffersäcke direkter zu sehen als bei Fridays for Future. Schließlich steht die Familie Reemtsma an der Spitze der ‚Bewegung‘. In den USA nennt man solche ‚Bewegungen‘ Astroturfing; weil natürlich entstandene Bewegungen Graswurzel-Bewegungen genannt werden, und Astroturf der größte US-amerikanische Hersteller für Kunstrasen ist.

Die Reemstmas dürften, wie die meisten ihrer Hamburger Klassengenossen (5), die Ottos (Otto Versand), die Jahrs (vorm. Gruner + Jahr Verlag) oder die Claussens (vorm. Beiersdorf Konsumgüterkonzern), das eine oder andere Milliönchen in diesen Schiffen stecken haben. Warum sollte also die eigene Brut den Blick auf diese Renditequelle lenken, nur weil sie gar so dreckig ist?

Übrigens ist auch die transatlantische Treue für die Pfeffersäcke und ihre politischen Ableger kein Selbstzweck; wer die größte Containerflotte betreibt, hat gern ein wenig militärischen Schutz in brenzligen Gegenden, und es ist immer noch günstiger, den bundesdeutschen Steuerzahler die Dienste der US-Navy entgelten zu lassen, als für andere Varianten womöglich selbst Steuern zahlen zu müssen.

Denn selbstverständlich kann man davon ausgehen, dass nicht nur die Flaggen, unter denen diese Schiffe fahren, nicht deutsch sind (weil man damit keine deutschen Tarife zahlen muss), sondern auch die Firmen, die die Schiffe betreiben, in irgendeinem Steuerparadies angesiedelt sind; deutsch ist da nur das Geld, das in die Schiffe geflossen ist, und die Eigentümer, die gelegentlich die Schecks einstreichen.

Es wäre übrigens, so der Bund Naturschutz, gar nicht so teuer, zumindest Ruß und Schwefel aus den Abgasen der Schiffe zu entfernen. 500 000 Euro kostet so eine Anlage, für ein Schiff, das hundert Millionen Euro kostet. Ein Schnäppchen, geradezu. Aber schon klar, Rendite ist wichtiger.

Dabei wäre das die wirkungsvollste CO2-Steuer, und sie würde weder die Pendler noch die Armen belasten: eine Strafsteuer für die Eigner der Containerschiffe, sofern diese nicht nachweisen können, dass ihre Schiffe auf die aktuell mögliche umweltfreundlichste Art betrieben werden. Wie oben bereits zitiert, fünfzehn Schiffe entsprechen 750 Millionen Autos. Hier mal zu den Daumenschrauben zu greifen und die Gelegenheit zu nutzen, weil die Eigner ja Landsleute und damit dem deutschen Recht unterworfen sind, wäre wirkungsvoll und nützlich. Und es müssten nur jene verzichten, denen es im Alltag ohnehin nicht auffallen dürfte.

Was den Pfeffersäcken und ihren Compagnons am Herzen liegt, ist allerdings etwas gänzlich Anderes. Goldman Sachs und weitere Finanzriesen haben gestern erst eine Erklärung ‚für Klimaschutz‘ abgegeben (6). Was sie dabei treibt, lässt sich erkennen, wenn man ihre ‚Forderungen‘ genau liest (für hiesige Regierungen sind das schlicht Befehle, schließlich steht die Allianz auch mit auf der Liste). Ganz unschuldig ist da auf der einen Seite von einer Besteuerung von CO2 die Rede, wie es die Jugendabteilung gerade auf der Straße gefordert hat, und dann von Förderung für private Investitionen in CO2-arme Energieerzeugung.

Um zu erläutern, wozu das dient, muss man an die Privatisierung der Autobahnen erinnern. Das eigentliche Ziel dieses Raubs öffentlichen Eigentums war die Rendite-Garantie von 5% jährlich, die aus Steuermitteln erfolgt. Also nicht nur, dass die normalen Erwerbstätigen dieses Landes gemeinschaftliches Eigentum verloren haben, sie sollen auch noch aus ihren Steuern den großen Kapitalanlegern eine garantierte Rendite von 5% jährlich finanzieren, die ansonsten nur noch unter hohem Risiko zu haben ist, weil die Zinsen global nach wie vor niedrig sind…

Es gibt zu viel anlagebedürftiges Kapital, und zu wenige Anlagemöglichkeiten. Leider muss man hinzufügen, dass die Hinnahme von ‚Lohnzurückhaltung‘ und serienweisen Kürzungen im Sozialbereich auch noch dazu beigetragen haben, die Menge dieses heimat- wie nutzlosen Kapitals zu erhöhen; die deutsche Exportwalze, die auf der Verarmung der deutschen Bevölkerung beruhte und unsere europäischen Nachbarn deindustrialisiert, schadet noch einmal, wenn die Gewinne zurückfließen und nach einer neuen profitablen Heimat suchen. Weil in der Produktion nichts mehr zu holen ist, fließen sie in Krankenhäuser, Privatschulen, Autobahnen und, demnächst in diesem Theater, in CO2-arme Energieerzeugung.

Denn es ist letztlich ganz egal, ob diese Energieerzeugung für die Bedürfnisse der Bevölkerung funktioniert, ob sie wirklich CO2-arm ist oder ob sie überhaupt eine positive Energiebilanz hat, die Bilanz, um die es wirklich geht, ist die der Investoren, die schon dafür sorgen werden, dass sie eine garantierte Rendite erhalten. Darauf ist die Bundesregierung schließlich inzwischen dressiert, siehe Autobahnprivatisierung. Reinholen kann man das ja über die Besteuerung (und noch höhere Energiepreise). Womit ein weiterer Grund für das Schweigen zum Thema Containerschiffe erkennbar wird.

Aus sauberer Containerschifffahrt lässt sich keine zusätzliche Rendite zaubern. Im Gegenteil, das würde die Rendite für die Eigner senken. Und man schießt sich nicht gern ins eigene Knie.

Nicht wahr, Frau Neuhaus und Frau Reemtsma?

Alles richtig Frau Henn, was Sie nicht berücksichtigen: Vermutlich fahren alle diese Schiffe mit dem sog. Masut (Mazut) Treibstoff! Der war schon damals, als ich noch zur See gefahren bin (1968), besonders billig und besonders schädlich. Hier ein Angebot aus dem Internet von heute (30.09.2019):

MAZUT M100 FOB Referenz Preis: 290,00 USD ($) – 300,00 USD ($) / Metrische Tonne | 50000 Metrische Tonne/Metrische Tonnen (Min. Order).

Das ist so was wie Teer. Das wird (so war es 1968) erst bei 350 Grad flüssig. Viel waere gewonnen, wenn diese Schiffe normales Gasöl tanken (Diesel) würden. (Der ehemalige Schiffsingenieursassistent von der OPDR)

Der Deutschlandfunk teilt mit: (Montag, 30.09.2019)

Schmutziger Treibstoff  Aber: Schweröl ist einer der schmutzigsten Treibstoffe überhaupt. Vor allem aufgrund seiner Schwefelemissionen. Ein Kreuzfahrtschiff zum Beispiel, so der Naturschutzbund Deutschland NABU, stößt an einem einzigen Tag so viele Schadstoffe aus wie eine Million PKW.

Deshalb werden die Umweltvorschriften für Schiffe auf See 2020 verschärft: Dann dürfen weltweit nur noch Treibstoffe eingesetzt werden, die höchstens 0,5 Prozent Schwefel enthalten. Viele Schiffsschornsteine wurden deshalb bereits mit speziellen Filtern ausgerüstet. Eine Alternative für Schweröl wäre LNG – Liquid Natural Gas, verflüssigtes Erdgas. Oder Marinediesel. Der ist zwar weniger umweltschädlich als Schweröl, aber immer noch hundertmal dreckiger als Straßendiesel.

Doch Marinediesel ist sehr viel teurer als Schweröl. Und bei LNG ist die Umrüstung teuer und die Verfügbarkeit ungewiss, erklärt Niels Groenewold, als er per SMS erfährt, dass die Vorstenbosch endlich eingelaufen ist. Mit dem Auto geht es Richtung Hafen. Es stürmt. Und es hat angefangen zu schneien.“

Deutschlandfunk 30.09.2019 

3. Oktober 2019

Neuere Informationen besagen, daß den Reedern das Verfeuern von Schweröl und Mazut in der deutschen Bucht und auf Elbe und Weser verboten ist. Es konnte mir allerdings Niemand darüber Informationen geben, ob, wie und vom wem das Verbot kontrolliert wird.

(Der Assi von der OPDR)

Alte Postkarte: Patria (Vaterland) im Dock gekentert

 

Schiff-Jens-MitKontrastFoto  Willi Beutler. Das Foto entstand  am 9. Juli 1938, nach 8.10 Uhr. Die Patria (Vaterland) wurde bei der Deutschen Werft Finkenwerder für die HAPAG gebaut. Stapellauf war am 15. Januar 1938. Die Probefahrt fand am 12. Juli 1938 (Norwegen) statt. Am 17. Juli 1938 war die Jungfernfahrt.

Aus dem Bericht des Seeamtes: „Dockarbeiter Wilhelm Gries ertrunken. Am 9. Juli 1938, gegen 8.10 Uhr, ist das Dock III der Deutschen Werft in Hamburg beim Eindocken des Elektroschiffes “Patria” nach der Stromseite bis auf etwa 36 Gr. übergekränkt. Hierbei fiel das Schiff gegen die Deckwand, die leichte Beschädigungen erlitt. Das Schiff blieb unbeschädigt bis auf leichte Einbeulungen, durch welche die Seefähigkeit nicht beeinträchtigt worden ist. Durch Kanten des auf dem Grunde wurde ein weiteres Krängen verhindert. Mit Hilfe der herangeholten Pumpendampfer der Feuerwehr gelang es die an der Landseite zu fluten und dadurch das Gleichgewicht wiederherzustellen. Beim Verlassen des Schiffes übers Dock haben mehrere Mitglieder der Besatzung Verletzungen erlitten. Ferner ist der Dockarbeiter Wilhelm Gries ertrunken. Der Unfall ist durch den Einbruch mehrerer Kimmpallen in die Tankdecks verursacht worden. Das derzeit in der Dockwanne befindliche Wasser ist durch Einbruchstellen in die Tanks der Stromseite gedrungen, und hat auf diese Weise die Schlagseite hervorgerufen. Das Einbrechen der Kimmpallen ist vermutlich auf leichtes Überkrängen infolge einer Bö zurückzuführen, der das fast bis zur Grenze seiner Tragfähigkeit ausgenutzte Dock nicht gewachsen war.” (Seeamt Hamburg 18.7.1938)

PDF Bericht des Seeamtes

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MS Wilhelm Gustloff

MS Wilhelm Gustloff. Foto Werner Hensel. Die weitere Geschichte dieses Schiffes ist bei Wikipedia beschrieben.milpferd_einauge1By-nc-sa_color