Briefe an Wiebeke Über langweilige Märchen (XXIII)

Briefe an Wiebeke (XXIII)

Romische Zahlen am BUG

Hallo Wiebeke,

ich hab ein wenig geschummelt mit den zwei Baenden Hans Christian Andersen. Die letzten dreissig Seiten vom zweiten Band sind genauso langweilig wie der Rest. Einen Satz habe mir jedoch rausgeschrieben.

Der ist im zweiten Band auf Seite 536:

„Die Kammerraetin nannte davon keins: sie sagte ihr Mann waere unter dem Zeichen der Schiebkarre geboren, man haette ihn stets schieben muessen.“ (Zitat aus dem Maerchen: Der Hausschluessel, Andersens Maerchen Band 2, Seite 536).

Den Satz kann man doch noch gebrauchen, oder? Das ist fast so gut, wie der Satz den meine Mutter immmer fuer die traegen Maenner (und auch Frauen) hatte:

“Dem kann man beim Gehen die Schuhe besohlen“, die weibliche Form gab es aber glaube ich nicht. Gerade habe ich mit dem Lederladen telefoniert. Die IFB will jetzt von Ihnen das ganze Geld zurueck. Bleibt vermutlich auch nur die Klage.

Und das ist ja auch eine ziemlich lange Bank. Martin K. hat erzählt, dass er in einer anderen Sache seit drei Jahren auf einen Termin beim Verwaltungsgericht wartet. Vermutlich sind wir schon alle tot, wenn die Urteile gesprochen werden.

Das war das Wort zum Donnerstag. Es hat eben hier ein wenig geregnet, J.

Hallo J.,

als du geschrieben hast, du waerst „schon auf S. 507“, dachte ich kurz, du meintest damit dein eigenes Buch, das ja immerhin auch noch zu Ende geschrieben werden muss. Waere das nicht eine gewinnbringendere Beschaeftigung, als sich durch ein halbes tausend Seiten Andersen zu quaelen?

Andererseits: Der Spruch mit der Schiebkarre ist wirklich schoen, und den hat wahrscheinlich seit Jahrzehnten kein Mensch mehr gelesen, weil niemand es schafft, sich bis auf S. 500 – plus durchzukaempfen, also vielen Dank.

»Das mit dem beim Gehen die Schuhe besohlen« ist super; das kannte ich nicht. Leider werde ich selten dazu kommen, es zu benutzen, denn die Personen in meinem Bekanntenkreis, auf die es am ehesten zutrifft, sind maennliche Teenager, und die wissen nicht, was Schuhe besohlen ist.

Ich bin in Prag, und hier ist es auch krachheiss (wer haette das gedacht). An den meisten Tagen fahre ich mittags ins Schwimmbad, schwimme ein Stuendchen und fahre dann wieder nach Hause.

Dieses Schwimmbad ist eine Neuentdeckung; bisher hatte ich die Prager Freibaeder im Sommer immer gemieden, weil: voll, laut, Sonnencreme, Pommes, Musike, Tourist*innen, fiese Kronenkorken im Gras, alte Maenner in Liegestuehlen, die Frauenhintern benoten . . . die Liste ist lang.

Aber jetzt habe ich das Slavia-Bad entdeckt, einen haesslichen, extrem schmucklosen 70er – Jahre – Komplex (Betonrechtecke mit einem Streifen Kunstrasen drumrum, fertig), der nur von Anwohner*innen frequentiert wird.

Da ist es zwar auch krachvoll, aber die 450 Leute (wie mich der Zaehler am Eingang informiert) verteilen sich wie folgt: Planschbecken (Muetter mit kleinen Kindern): 200; Erlebnisbecken mit Wasserrutsche (aeltere Kinder und Teenager) 200; Schwimmerbecken: fuffzig. Und da bin ich und ziehe meine Bahnen.

Das ist sehr friedlich. Und die oben erwaehnten aelteren Herren in ihren Liegestuehlen scharen sich natuerlich ums Teeniebecken.

Links das Bier, rechts die Kippe (beides in tschechischen Schwimmbaedern erlaubt), und der Blick schweift ueber die Bikinis.

Das Slavia-Bad hat fuer alle was. So, und da fahre ich jetzt hin.

Es ist neun Uhr morgens, und das Außenthermometer steht auf 34 Grad. Bis die Tage. Das mit dem heiligen Stuhl ist schoen. Ich hab hier auch Stuehle, aber die geben keine Warnungen ab. Sehen auch nicht so heilig aus; ist vielleicht ganz gut, dass sie den Mund halten.

Was Dryaden sind, wusste ich uebrigens, aber das andere Wort – das ich nun auch prompt wieder vergessen habe – kannte ich nicht. Muss ich noch mal nachgucken; Woerter fuer Ueberlaeufer braucht man – ich jedenfalls – ja oefter als Woerter fuer Baumnymphen. (Diszession = Uebertritt zu einer anderen Partei)

W.

PDF Briefe an Wiebeke (XXIII)

Briefe an Wiebeke (XII) Ossi Oswalda im Haus ohne Männer

Ossi Oswalda
Die Römischen Zahlen am Heck

pdf-Briefe-an-Wiebeke-XII-Das-Haus-ohne-Maenner

Briefe an Wiebeke (XII) Ossi Oswalda im Haus ohne Männer

Hallo Wiebeke,

wie ich auf diesen Film komme? Das ist ganz einfach: Durch den Kontakt mit Mark Lissauer aus Australien! Du erinnerst Dich an den kleinen Jungen auf dem Balkon im vierten Stock? In der Grindelalllee 116 ?

Das ist Mark Lissauer. Damals mit Vornamen Hermann. Unten war das Kino von seiner Oma. Keine richtige Oma. Für eine Oma viel zu jung. Ihre Tochter Fanny, die neben Hermann auf dem Balkon steht, ist 11 Jahre alt und Hermann ist gerade acht Jahre alt geworden.

Anhand der Plakate, die in dem Schaukasten des Kinos hängen und einem Plakat von diesem Film: “Das Haus ohne Männer“ habe ich herausgefunden, wann das Foto entstanden ist: Im Sommer 1931. Wer es gemacht hat, wußte Mark nicht mehr. Ist ja auch schon ne Weile her. Im Thalia Kino konnten schon Tonfilme gezeigt werden, aber dies war noch ein Stummfilm. Übrigens einer, zu dem ein berühmter Komponist eine Musik komponiert hatte: Paul Dessau.

Oder ist der gar nicht so berühmt? Jedenfalls hat er mal bei mir gegenüber gewohnt. Da wo er gewohnt hatte, ist jetzt eine Tiefgarage und oben drauf eine Liegewiese, die man aus bestimmten Gründen besser nicht benutzt. Hunde können offensichtlich nicht lesen, das Ihnen der Zutritt zur Wiese verwehrt wird. Aber das gehört nicht hierher.

Die Hauptrolle hatte die damals (offensichtlich sehr berühmte) Schauspielerin Ossi Oswalda, die eigentlich Oswalda Amalie Anna Stäglich hieß. Sie war in vielen Lubitsch Filmen zu sehen. Es geht die Legende, sein Drehbuchautor Hanns Kräly, der mit Lubitsch zusammen nach Hollywood gegangen ist, habe die Schauspielerin entdeckt.

Ob es eine Kopie dieses Filmes gibt, weiss ich nicht. Leider fehlt bei Filmportal.de eine Inhaltsangabe. Und im Netz habe ich auch nichts gefunden. Eine Freudin, die ich von der dffb her kenne, hat mir das Filmheft auf den Scanner gelegt, das damals zu diesem Film erschienen ist. Die Inhaltsangabe ist so lang wie ein Roman. So kommt es mir jedenfalls vor. Wer hat so lange Texte vor dem Kinobesuch gelesen?

Aber wie wir uns schon denken können: Es ist ein Liebesfilm. Natürlich einer mit Hindernissen. Im Haus ohne Männer haben sich vier emanzipierte Frauen gefunden, denen das Haus gehört und die dort zusammen wohnen. Das Wort „emanzipiert“ stand 1928 noch im Fremdwörterbuch. Nur damit keine Rückfragen von Dir kommen: Da steht es immer noch: In der Ausgabe von 2001 der Firma Duden auf Seite 263.

Männern wird der Zutritt verwehrt: Eva, Elisa,Tamara und Marianne sind berufstätig und sorgen für sich selbst.

Eva wird von Ossi Oswalda gespielt. Sie ist selbständig und gut situiert.

Dann gibt es noch Friedel. Friedel hat völlig andere Ansichten vom Leben. Sie ist glücklich verliebt und mit Lothar verlobt. Doch dann gerät sie in Not. Sie wird verdächtigt 500 Mark (RM) unterschlagen zu haben.

Und dann kommt es zu allen möglichen Verwicklungen. Am Ende sind aber alle wieder glücklich und zufrieden. Der letzte Satz im Programmheft zeigt es: Es ist beabsichtigt „Das Haus ohne Männer“ anderweitig zu vermieten“.

Zur Biografie von Ossi Oswsalda schreibt Filmportal.de an anderer Stelle:

Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 emigrierte Oswalda mit ihrem jüdischen Ehemann Julius Aubenberg in die Tschechoslowakei und lebte in Prag“

Das ermuntert mich natürlich dazu, mal weiter zu suchen und ich denke bei mir, schon wieder so eine Geschichte aus Deutschland: Irgendwo kratzt man und was kommt hervor? Genau. Das, was man schon vermutet hatte.

Aus dem: „Illustrierter Film Kurier“: (Nummer 1003) mühevoll abgeschrieben. Hat sich was – mit markieren und einfügen (!!):

Das Haus ohne Männer:

Manuskript: Kurt J. Braun, Regie: Rolf Randolf, Photographie: Alfred Hansen, Titel: Max Ehrlich, Bauten: Heinrich Richter, Personen: Eva = Ossi Oswalda, Friedel = Iwa Wanja, Elisa = Ida Renard, Tamara = Valeria Blanka, Marianne = Jbolya Szekely, Ralf = Livio Pavanelli, Lothar = Hans Brausewetter, Der Nachtwächter = Fitz Kampers, Der Direktor = J. v. Szöreghy, Der Tanzmeister = Bruno Arno, Die Köchin = Trude Lehmann. Zeit und Ort der Handlung: Der Film spielt heute und morgen in einer Großstadt und ihrer Umgebung. Produktion: Olympia Film G.m.b.H., Berlin. Verleih: „DERUSSA“ . Deutsch-Russsische Film-Allianz A. G., Berlin SW 348, Friedrichstr. 8.

Leipzig*Hamburg*Frankfurt a. M.*Düsseldorf*Königsberg i. Pr.

Inhalt:

“Wenn eine Frau von der Liebe enttäuscht ist, so wird sie zur Männerfeindin – bis zu nächsten Liebe. Da haben sich vier moderne Mädels ein Haus eingerichtet, das kein Mann betreten darf. Tagsüber sind alle vier beruflich so sehr in Anspruch genommen, daß sie froh sind, die Abende ganz unter sich zu verbringen.

Hauptbedingung: nur möglichst wenig mit den Männern zusammenkommen, mit denen man schon im Laufe des Tages genug Ärger hat! – Die Führerin dieser Vier ist Eva, gutsituiert, hübsch und überaus selbstständig. In derselben Stadt lebt ein junges Mädel, Friedel, die ganz andere Ansichten vom Leben hat, denn sie ist glücklich verliebt und verlobt. Diese Friedel gerät eines Tages in den Verdacht, fünfhundert Mark unterschlagen zu haben.

In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an Lothar, ihren Verlobten, in der Hoffnung, daß er ihr helfen werde. Aber als sie ihn aufsucht, erwartet sie der zweite Schlag. Sie überrascht Lothar mit einer fremden Dame, ihn, von dessen Treue sie bis dahin fest überzeugt war. Friedel flüchtet, ohne daß Lothar sie über das Mißverständnis aufklären und ihr sagen kann, daß er mit jener Dame eben Friedels Angelegenheit in Ordnung bringen wollte.

Sie flüchtet in das „Haus ohne Männer“, in das man sie schon so oft eingeladen hat. Dort nimmt man sie auf, beruhigt sie, verwöhnt sie. –

Lothar versucht vergeblich, mit Friedel in Verbindung zu treten, um ihr zu sagen, daß er selbst schließlich bei seiner Bank fünfhundert Mark unterschlagen hat, um Friedels Fehlbetrag zu ersetzen und sie vor polizeilichen Recherchen zu schützen. Er selbst hofft, das Geld bis zur nächsten Revision längst von seinem Gehalt ersetzen zu können.

Aber er kann Friedel nicht sprechen, sie wird von ihren neuen Freundinnen vor dem „Treulosen“ bewahrt. – Da sie darunter mindestens ebenso leidet wie Lothar, entschließt sich Eva als die Chefin des Hauses eines Tages, diesen ominösen Lothar aufzusuchen und ihm beizubringen, daß er seine Nachstellungen aufzugeben habe. Das geschieht – nur passiert Eva ein kleiner Irrtum. Sie verwechselt Lothar, den sie nicht kennt, mit seinem besten Freund Ralf – und sie ist überrascht, einen charmanten Mann kennen zu lernen, der ganz anders ist, als sie erwartete. –

Das Unvermeidliche kommt. Es bleibt nicht bei dem ersten Zusammentreffen- sie sehen sich öfters – und plötzlich entdeckt Eva mit Schrecken, daß sie sich in den vermeintlichen Bräutigam ihrer kleinen Freundin verliebt hat. –

Inzwischen hat Lothar übrigens die Zeit nicht ungenützt verstreichen lassen. Er hat eines Nachts seine Friedel in dem Haus ohne Männer aufgesucht, ist unter allerlei Abenteuern zu ihr vorgedrungen, und sie haben sich wieder versöhnt. Davon hat Eva keine Ahnung. Sie sieht nur, daß dieser Flirt mit dem vermeintlichen Lothar nicht weitergehen darf. Sie will es ihm klarmachen. Statt einer Antwort lockt dieser entsetzliche Mensch sie auf ein Motorboot und entführt sie für zwei Tage. –

Inzwischen droht Friedels neues Glück wieder in Trümmer zu gehen: die Kassenrevision bei Lothars Bank findet unerwartet früh statt. Die Freundinnen aus dem „Haus ohne Männer“ springen ein. Alle legen zusammen, der Fehlbetrag wird gedeckt, alles wäre in Ordnung, wenn – wenn Eva noch da wäre.

Aber die ist für zwei Tage verschwunden. Sie sitzt ganz allein auf einem Motorboot mit Ralf und wehrt sich energisch gegen den Gedanken, daß sie diesen Mann liebt. Aber schließlich – die Einsamkeit- und er ist so nett und sie ist doch auch nur eine Frau. Also als die zwei Tage vorbei sind, kommt Eva zurück und erklärt ihrer kleinen Freundin Friedel kategorisch, daß es zwar skandalös sei, aber sie liebe den Mann und könne ohne ihn nicht mehr leben!

Zu ihrem Erstaunen ist Friedel gar nicht unglücklich – im Gegenteil: Sie präsentiert ihren richtigen Lothar – und reichlich spät kommt Ralf dazu, sich seiner Eva endlich vorzustellen und den kleinen Irrtum aufzuklären. –

Es ist beabsichtigt, das „Haus ohne Männer“ anderweitig zu vermieten.“

(aus dem Film Kurier, geschrieben von Herman Weist, Berlin Charlottenburg)

Filmportal.de zählt 54 Filme zwischen 1916 und 1943, in denen Ossi Oswalda mitgespielt hat. Einige davon, die unter der Regie von Ernst Lubitsch entstanden sind, werden auch heute noch hin und wieder gezeigt. Ob es von dem Film “Haus ohne Männer“ noch eine Kopie gibt, ist unklar. Und ob sich eine Suche nach diesem Film wirklich lohnt, weiss man erst, wenn die Suche erfolgreich war.

Biografie aus Filmportal.de:

“Ossi Oswalda (bürgerlich: Oswalda Amalie Anna Stäglich) wurde am 2. Februar 1898 in Niederschönhausen geboren. Als sie vier Jahre alt war, starb der Vater, sodass sie fortan bei ihrer taubstummen Mutter aufwuchs. Bereits als Kind erhielt Oswalda Tanzunterricht und ging schließlich nach Berlin, wo sie als Chortänzerin bei einem Theater arbeitete.

Dort erregte sie 1916 die Aufmerksamkeit des Schauspielers und Drehbuchautors Hanns Kräly, der sie zum Film brachte: Auf seine Empfehlung hin gab sein Freund und Weggefährte Ernst Lubitsch ihr eine Rolle als Lehrmädchen in „Schuhpalast Pinkus“ (1916), zu dem Kräly das Drehbuch mitgeschrieben hatte und in dem er selbst eine zentrale Rolle spielte. Im Jahr darauf bekam Oswalda ihre erste Hauptroller in Lubitschs „Wenn vier dasselbe tun“, der ein Publikumserfolg war.

In den nächsten Jahren avanciert Ossi Oswalda zum Star von Lubitschs frühen Komödien. Sie spielte die Herzogin in „Prinz Sami“ (1917), die Tanzmaus in „Das Mädel vom Ballett“ (1918) und die Diva in „Meine Frau, die Filmschauspielerin“ (1919). Zuweilen trug sie in Lubitschs ganz auf sie zugeschnittenen Filmen nicht einmal einen Rollennamen, sondern hieß schlichtweg „Ossi“, etwa in „Ossi’s Tagebuch“ (1917), „Ich möchte kein Mann sein“ (1918) und in dem Klassiker „Die Austernprinzessin“ (1919). Bis 1920 drehten die beiden insgesamt 13 gemeinsame Filme (oft nach Drehbüchern von Kräly, der auch zum Ensemble gehörte).

Die letzte Zusammenarbeit war der Film-Sketch „Die Wohnungsnot“ (1920), der heute als verschollen gilt. Nur vereinzelt arbeitete Oswalda während der Lubitsch-Jahre mit anderen Regisseuren, so etwa mit Adolf Gärtner bei dem Stuart-Webbs-Krimi „Der Hilferuf“ (1916) und mit Georg Jacobi bei dem Melodram „Das Schwabemädle“ (1918).

Von Kritik und Publikum wurde sie während dieser Phase als eine Art Nachfolgerin der 1916 verstorbenen Dorrit Weixler wahrgenommen. So schrieb der Kritiker Georg Popper 1920: „Ossi Oswalda als Backfisch ist so entzückend, so naiv-übermütig und spielt ihre etwas schablonenhafte Rolle so reizend, daß der Verlust, den die deutsche Filmindustrie mit dem Tode Dorrit Weixlers, der ersten und bisher unübertroffenen Backfischdarstellerin, erlitten hat, bei weitem wieder wettgemacht wird.“

Andererseits stieß Oswaldas oft etwas schrilles und überdrehtes Spiel manche Kritiker ab: „Ein Ossi-Oswalda-Film“, so Béla Balázs 1920, sei „an einer Reihe roher, bochesquer Geschmacklosigkeiten zu erkennen“. Unzweifelhaft ist, dass sie zusammen mit Henny Porten und Asta Nielsen eine der ersten großen Diven des deutschen Films war.

1921 gründete Oswalda die Ossi Oswalda-Film GmbH, geleitet von ihrem damaligen Ehemann Baron Gustav von Kocrzian. Bis 1924 produzierte sie fünf Filme, alle mit und unter der Regie von Victor Janson, der schon in einigen Lubitsch-Filmen ihr Partner war. Zugleich vollzog Ossi Oswalda in den 1920er Jahren einen Image-Wandel vom frechen Mädchen zum „Berliner Girl“, mit mondänen Attitüden und verzückten Tanzeinlagen in extravaganten Kostümen.

1925 kam sie bei der Ufa unter Vertrag, womit eine überaus produktive und erneut sehr erfolgreiche Phase ihrer Karriere begann: Bis 1929 wirkte sie in rund 20 Filmen mit, darunter „Die Fahrt ins Abenteuer“ (1926) mit Willy Fritsch, „Gräfin Plättmamsell“ (1926) mit Curt Bois, Carl Boeses „Ossi hat die Hosen an“ (1928) und Conrad Wienes „Die Vierte von rechts“ (1929). „Der Dieb im Schlafcoupée“ (1929) war ihr letzter Stummfilm. Auf der Bühne sah man sie 1929 in einer Leo-Fall-Operette, gefolgt von einem Auftritt bei den Wiener Festwochen in „Der Graf von Luxemburg“, unter musikalischer Leitung von Franz Léhar.

Im Tonfilm konnte Ossi Oswalda jedoch nicht an ihre früheren Erfolge anknüpfen.

Nur zweimal stand sie für deutsche Tonfilme vor der Kamera: als Messerwerferin in „Der keusche Josef“ (1930, Regie: Georg Jacoby) und als Varieté-Tänzerin in dem Kriminaldrama „Der Stern von Valencia“ (1933).

Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 emigrierte Oswalda mit ihrem jüdischen Ehemann Julius Aubenberg in die Tschechoslowakei und lebte in Prag. Dort entstand 1943 nach einer Vorlage von ihr die Gesellschaftskomödie „Čtrnáctý u stolu“ („Fourteen at the Table“). Danach wurde es still um den einstigen Stummfilmstar. Verarmt und von der Öffentlichkeit abgeschieden, starb Ossi Oswalda am 17. Juli 1947 mit nur 50 Jahren in Prag.“

(Aus: filmportal.de, abgerufen am 2. Juni 2022).

Béla Balázs (HerbertBauer) ca. 1910
Béla Balázs (Herbert Bauer) Foto von Emil Keglovich 1856-1912 (gemeinfrei) 1910

Briefe an Wiebeke (XIII) Der § 5 Schein:

Romische Zahlen am BUG

PDF Apropos § 5 Schein

Oder: Nachrichten aus dem Bezirksamt. (Ein Brief an einen Rechtsanwalt)

Es ist doch erstaunlich, wie eine Behörde, die doch eigentlich für die Bürger da sein soll, sich gegen die Bürger wendet. Das erinnert mich ein wenig an die Methoden der Bild Zeitung „Bild kämpft für Sie“, die den Lesern dieser Zeitung signalisiert, sie sei auf ihrer Seite, um sie anschliessend mit einer Skandalgeschichte an den Pranger zu stellen.

Damit verstanden wird, was mit diesem Vergleich gemeint ist, hier meine Geschichte über den § Schein für die Englische Planke mit dem Bezirksamt Altona .

Seit 1995 bin ich in der Wohngruppe Pauline, die sich damals vorgenommen hatte, gemeinsam ein Haus zu planen. Wir liessen uns auf der Warteliste der Baubehörde für ein Grundstück der Liegenschaft registrieren.

Nach vielen Mißerfolgen meldete sich 2002 der Bauverein der Elbgemeinden bei uns, bei dem ich selber seit 1983 Mitglied bin und bot uns ein Grundstück für eine Wohngruppe in der Englischen Planke an. Es handelt sich um Genossenschaftswohnungen, die im sozialen Wohnungsbau errichtet werden sollten.

Die Planungen gingen zügig voran und im Herbst 2005 war es dann so weit, daß die § 5 Scheine für die geplanten Wohnungen der Wohnungsbaukreditanstalt vorgelegt werden sollten, damit die Kreditvergabe an den Bauverein der Elbgemeinden erfolgen könne.

An dieser Stelle kommt das Bezirksamt Altona ins Spiel. Mit den notwendigen Unterlagen (Gehaltsbescheinigungen, Ausbildungsvertrag u. a.), erschien ich am 15. Dezember 2005 im Bezirksamt Altona und wollte einen gemeinsamen § 5 Schein für mich und meinen Sohn beantragen. Die Mitarbeiterin stellte mir die Frage, ob ich schon früher einen § 5 Schein erhalten habe und ich antwortete wahrheitsgemäß mit Ja.

Darauf hin erklärte mir die Mitarbeiterin, daß dieser ein Jahr gültig sei und wenn ein neuer ausgestellt werde, dann müsse erst der alte § 5 Schein vorher zurückgeben werden.

Ich erwiderte darauf hin, daß der neue § Schein erst im März 2007 zur Anwendung käme und dann der alte § 5 Schein ohnehin (ausgestellt im Mai 2005) abgelaufen sei. Für diese Lage wusste sie keinen Rat und ich bat darauf hin, mit ihrem Vorgesetzten sprechen zu können.

Herr Siegmann, der damalige Leiter der Wohnungswirtschaftlichen Abteilung, war nicht in seinem Büro und ich wartete geduldig 1,5 Stunden vor seiner Tür, bis er endlich erschien.

Er war sehr freundlich und er wurde von mir umfassend informiert, durch welche Umstände ich gezwungen war, einen zweiten § 5 Schein zu beantragen, obwohl der erste noch vier Monate gültig war.

Das Gespräch dauerte ca. 15 Minuten. Herr Siegmann erhielt von meiner Seite aus alle Informationen, mit denen jetzt von Mitarbeiterinnen des Bezirksamtes versucht wird in rhetorisch denunziatorischer Weise “ . . . zwischenzeitlich habe ich festgestellt . . . “ “ . . . dieser Verdacht erhärtet sich dann noch noch“ . . . usw. diese gegen mich zu verwenden.

Jedenfalls versprach Herr Siegmann am 15. 12. 2005 sich um eine Lösung des Problemes zu kümmern. Herr Siegmann wolle sich bei mir melden, so wurde mir von ihm versprochen. “ . . . notfalls müsse ich eben, in den sauren Apfel der Zweitwohnungssteuer beissen“, meinte Herr Siegmann am Ende unseres Gespräches.

In diesem Zusammenhang weise ich ausdrücklich darauf hin, daß ich in keinem dieser beiden Gespräche von den Mitarbeitern des Bezirksamtes Altona darauf hingewiesen wurde, daß es sozusagen strafbar sei, in Hamburg zwei verschiedene Mietverträge mit § 5 Schein Wohnungen zu haben.

Hätte ich tatsächlich die Absicht gehabt, wie jetzt von MitarbeiterInnen des Bezirksamtes behauptet wird, in “ . . . betrügerischer Absicht ein Gesetz umgehen zu wollen“, dann hätte ich in dem Gespräch mit dem Leiter der Abteilung nicht alle Umstände offen gelegt.

Jedenfalls meldete sich Herr Siegmann in den folgenden Wochen nicht bei mir und ich beschloss darauf hin, in den sauren Apfel der Zweitwohnungssteuer zu beissen und mich mit Hauptwohnsitz in der Billrothstrasse anzumelden und auf diese Weise die Situation für die Verwaltung der § 5 Scheine ein wenig einfacher zu machen.

Aus der Tatsache, daß Herr Siegmann sich nicht bei mir gemeldet hat, gehe ich heute davon aus, daß er gar nicht die Absicht hatte, einen Verwaltungsvorgang zu vereinfachen, sondern lediglich, die von mir erhalten Informationen dazu verwendet hat, um seine Mitarbeiter anzuweisen, ein entsprechendes Verfahren gegen mich einzuleiten. Das entspricht dann dem zitierten „Bild kämpft für Sie“ Vorwurf.

Der Brief ist vom 13. 05. 2006 und könnte auch vom 13.05. 2022 sein. Vermutlich sind die handelnden Personen andere.

UFA Organisation des Verkaufsgeschäftes 27. Juli 1938

Abschrift: LBB vom 27. Juli 1938 Beilage zu NR. 174 (31. Jahrgang)

Die Organisation des Verkaufsgeschäfts der Ufa

LBB_19370727_Nr174_Beilage_Einzelheiten-1

pdfAbschrift-LBB-vom-27-Juli-1938

Die Leitung

Dr. Kalbus und Dir. Zimmermann, geschäftsführende Direktoren der Ufa-Filmverleih G. m. b. H.: Dir. Meydam und Dir. Kuhnert, Vorstandsmitglieder der Universum Film A.-G.

Die Verkaufskräfte

Zentrale

Spielfilm-Vertrieb.

Sachbearbeiter: Dr. Künzig für Zentrale sowie die Geschäftsstellen Berlin, Düsseldorf und Wien, ferner für Zentrale sowie die Geschäftsstellen Hamburg, Frankfurt a. M. und München.

Kulturfilm Vertrieb.-

Leitung: Dr. Künzig; Nichtgewerbliche Spielstellen: Dr. Strohm (Verkauf), Paul Hapke (Verleih-Disposition); Spielzeugfilm: Bernard Brosterhues (Verkauf).

Weitere Büros.-

Kontrollbüro und Statistik: Walter Kühne; Bestellbüro: Frl. Margarete Bartels ; Disposition (Reservematerial): Frau Lotte Haube; Versand Abtlg. Tempelhof: Leitung Gustav Kluche; Hauptbuchhhaltung (Verleih): Kurt Müller; Verleih-Theaterkontrolle: Willy Killian; Technischer Kundendienst: Leo von Weiher.

Geschäftsstelle Berlin

Filialleiter: Hans Kubaschewski; Filialleiter-Assistent: Heinz Steckel. Reisevertreter Berlin: Hermann Hohmann (Berlin Stadt I) Lothar Bruns (Berlin Stadt II); Georg Rückert (Brandenburg und Pommern), Rudolf Jaeger (Ostpreußen); Hans Büttner (Schlesien); Rudolph Ernst (Mitteldeutschland I), Heinz Krüger (Mitteldeutschland II); Paul Bucher (Mitteldeutschland III); Buchhaltungsvorstand: Bruno Sallin- – Disposition: Frl. Edith David (Berlin Stadt I), Günther Kuhlwein (Berlin Stadt II), Fritz Wiedenhöft (Mitteldeutschland II);, Gustav Rücker (Mitteldeutschland I sowie alle Ufa-Theater ausgenommen Berlin Stadt); Fritz Wiedenhöft (Mitteldeutschland II); Joachim Fiedler (Mitteldeutschland III); Walter Sonnenburg (Mitteldeutschland IV); Frl. Else Bartholomäus (Ostpreußen und die östliche Hälfte von Pommern); Frau Frieda Heinrich (Teilbezirk Brandenburg und Teilbezirk der westlichen Hälfte von Pommern); Willy Langkammer (Teilbezirk Brandenburg und Teilbezirk der vwestlichen Hälfte von Pommern); Frl. Barbara Meyer (Schlesien I und nördlicher Teil Schlesiens einschl. Breslau), Bruno Kicherer (Schlesien II. südlicher Teil Schlesiens); Hans Joessel (Wochenschau); Paul Hapke (Nichtgewerbliche Spielstellen). – Lagerverwaltung und Expedition: Gustav Kluche. – Reklameverwaltung: Karl Meier.

Geschäftsstelle Hamburg

Filialleiter: Maximilian Fels; Filialleiter-Assistent: Kurt Kaelber; Reisevertreter: Walter Florian (Zonen I – X); Theodor Lange (Zonen IX und X ); Buchhaltungsvorstand: Karl Löwer.- Disposition: Louis Bodeck (Zonen I—IV); Frl. Gertrud Kempe (Zonen VII bis X links der Elbe), Frl. Marie Rubbert (Zonen VII- X rechts der Elbe und nichtgewerbliche Spielstellen); Gottlieb Bartels (Wochenschau)- Lagerverwaltung und Expedition: Wilhelm Tesmer.- Reklameverwaltung: Bruno Ewert.

Geschäftsstelle Frankfurt a. M.

Filialleiter: Oskar Mertz; Filialleiter-Asssistent: Julius Horch. – Reisevertreter Werner Heimann (Nord), Wilhelm Komm (West), Werner Dalchow (Süd) Peter Emmel (Wochenschauen und nichtgewerbliche Spielstellen); – Buchhaltungsvorstand: Julius Horch. – Disposition: Frau Viktoria Feurer (West( Saar, Pflaz, Rheinhessen, südl. Rheinprovinz, Birkenfeld) und Ufa-Theater). Frl. Fränze Mergler (Nord (Hessen-Nassau, Oberhessen, Unterfranken), Hans Hampel (Süd ( Baden, Hessen-Starkenburg, nordwestl. Württemberg, Peter Emmel (Wochenschauen und nichtgewerbliche Spielstellen)- Lagerverwalter: EgidiusKneis. -Expedient: Hans Haas. Reklameverwaltung: Karl Ruß.

Geschäftsstelle München

Filialleiter: Hanns Loebel; Filialleiter-Asssistent: Lothar Binder; Reisevertreter: Georg Fraundorfer (Zonen I-X). Josel Mühlbauer (Zonen IX und X)- Buchhaltungsvorstand: Lothar Binder.- Disposition Frau Josefine Matiegzeck (Bayern und Württemberg. Buchstabe A-K einschl. München einschließlich nichtgewerbliche Spielstellen). Frl. Hermine Stahl (Bayern und Württemberg. Buchstabe L-Z. ausschl. München einschl. nichtgewerbliche Spielstellen). Lothar Belck (Bayern und Württemberg . Buchstabe G-M der Zone X. Wochenschau und Gaufilmstellen)- Lagerverwaltung und und Expedition Hanns Ohlwerther-. – Reklameverwaltung: Ludwig Mayr.

Geschäftstelle Düsseldorf

Filialleiter: Fritz Mildner; Filialleiter-Asssistent: Frl. Albertine Reinhardt; Reisevertreter: Gerhard Hilsebein (Rheinland Zonen I-VIII); Kurt Hammer (Rheinland Zonen I-X). Fritz Patschke (Rheinland Zonen VIII- X) – Buchhaltungsvorstand : Wilhelm #schewe. – Disposition: Chedisponent Walther Zimmer, Paul Braun (Plätz A-F). Frl. Gertrud Lehnhausen (Plätze G-Qu und Konzerntheater), Erich Meißner (Plätze R-Z, Wochenschau und nichtgerwerliche Spielstellen). Lagerverwaltung und Expedition: Clemens Buse. – Reklameverwaltung: Frl. Maria Krämer.

Geschäftsstelle Wien

Filialleiter (kommissarisch): Hans Martin.- Stellvertreter in Verkaufsangelegenheiten: Franz Brandt.- Stellvertreter in Buchhaltungs-, Verwaltungs- und Personalfragen: Albert Rosvneck. – Reisevertreter : Franz Brandt (Wien Stadt). Karl Mayrhofer (Zonen VIII-X). – Verkaufsassistent: Eugen Lachowicz.- Buchhaltungsvorstand: Albert Rosynck. Disposition: Frau Ottilie Thausing (Wien-Stadt Gaubezirk), Frau Grete Castner (Gaue Oberdonau, Tirol und Salzburg einschl. nichtgewerbliche Spielstellen). Frau Josefine Toifl (Niederdonau einschl. nichtgewerbliche Speilstellen), Frl. Klara Mumb (Wochenschau), Ewugen Lachowicz (Hilfsdisposition). – Lagerverwaltung und Expedition: Rudolf Sarsteiner. – Reklameverwaltung: Leo Breitenlacher.

Ufa Abbruch Hamburg Foto Jens Meyer
Tier
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Die weniger glückliche Begegnung des Filmbeobachters M. (I)

Die weniger glückliche Begegnung des Filmbeobachters M. in einem Kino des Cinemaxx Konzerns. Schadenfreude (I). Gehört Schadenfreude eigentlich zu den Todsünden der Christen? So wie Geiz und Gewinnsucht? Da ich 1978 aus dem Verein ausgetreten war, darf ich schadenfreudig sein. Ohne damit automatisch in der Hölle zu landen, wo es vermutlich ohnehin wärmer ist. Es scheint so, dass die Führungsspitze des Konzerns nur noch aus den Fachleuten besteht, die nur eine dieser Todsünden praktizieren und wirklich beherrschen: Geld zählen. Ein Bauernopfer wird es mit Sicherheit nach diesem Vorfall geben. Wie immer. Oder handelt es sich gar um eine neue Verleihstrategie der Firma Constantin? Es ist schon ungewöhnlich, wenn nur eine Presssevorführung angesetzt wird. Und das nur zwei Tage vor dem Start des Filmes. Bei dem ersten Film der aufgelegten Serie gab es immerhin zwei Pressevorführungen. Ich bekenne mich zur Schadenfreude. Heute morgen erhielt ich die Nachricht, dass um 12.30 Uhr eine Pressevorführung des Filmes “Fuck yu Göthe 2” (ich weiss immer noch nicht, wie man das schreibt) im Cinemaxx am Dammtor stattfindet. Und da ich den ersten Film auch per Zufall in einer Pressevorführung gesehen hatte, war es klar, dass ich mir die zweite dafür ans Bein binden würde. Auch wenns naturgemäß so ist, das der zweite Teil schlechter ist, als der erste Teil. Die Eingangshilfe leitete mich ins Kino drei. Ich belegte (wie üblich) einen Fluchtplatz, um notfalls, ohne große Aufmerksamkeit zu erregen, das Kino verlassen zu können, wenns gar zu dicke kommt. Das Kino ist gut gefüllt. Pünktlicher Beginn. Vorspann mit einem witzig gemeinten Hinweis der Firma Constantin, das man den folgenden Film nicht mitschneiden dürfe. Das hatte ich auch nicht vor. Dann der Film. Ich bemerke, dass das Kino inzwischen sowohl den Seitenkasch, als auch den unteren Kasch bewegen kann. Das soll vermutlich CinemaScope sein. Nach gefühlten 5 Minuten wird das Publikum unruhig. Das kann doch nicht wahr sein. Der Anfang des Filmes sieht genauso aus, wie der erste Film. Nur das mit dem Knast, ganz am Anfang, hatte ich nicht mehr in Erinnerung. Nach 20 Minuten fällt es (nach Hinweisen aus dem Publikum) auch den Verantwortlichen der Cinemaxx AG auf. Dies hier ist nicht der angekündigte zweite Teil des Filmes, sondern der erste. Das Licht geht an, der Saal leert sich. Es geht das Gerücht, dass die Vorführung im Kino 6 stattfindet. Das Gerücht stellt sich als Irrtum heraus. Der Film sei zwar im Haus, aber man sei technisch nicht in der Lage, in der zur Verfügung stehenden Zeit, den Film auf den Server des Kino drei zu transportieren. Eine Pressevorführung wird für 17.30 Uhr angekündigt. Für viele angeblich freie Journalisten ein Desaster. Und was lerne ich daraus? Das Cinemaxx ist technisch schlechter aufgestellt, als ich vermutet hatte. So ist das eben bei einer Führungsebene, die nur noch Geld zählt und die statt Menschen, lieber Automaten aufstellt und bezahlt. (Ich zähle neun im Foyer). Filmbeoachter M. Gruesse an Stinki Mueller.

Eine Besatzung im Streik

Fotos Jens Meyer
Tier
cc
Fotos Otto Meyer

Die kurze, aber unglückliche Begegnung des Gewerkschaftsmitgliedes M. mit seiner gemeinen Wirtschaftsbank (BfG)

PDF Die kurze, aber unglückliche Begegnung

Bordmontage Neubau
Foto Jens Meyer

Glücklicher wäre die Verbindung sicher gelaufen, wenn ich mit einem maßgeschneiderten Anzug bei der BfG aufgetaucht wäre. Aber ich wollte nicht als Schauspieler dort auftreten. Schließlich ist es ja eine Gewerkschaftsbank und der Arbeiterbewegung fest verbunden. 11 Jahre zahle ich jetzt meinen Beitrag und da muß man ja auch mal im Schmierpäckchen Verständnis erwecken können. Der erste Versuch zu einem Ratenkredit (mit) 24 Monate(n) Laufzeit bei der Zweigstelle Rathaus der BfG ließ sich ganz gut (an). Auch die Sparkasse hatte gleich einen Ratenkredit zugesagt doch die BfG, so hörte ich, sei hundert Mark billiger. 1 % weniger Zinsen.

Die Sachbearbeiterin der BfG sah sich drei Lohnbescheinigungen (August/September/Oktober) an und wollte mir auf meine geringe Gage als Maschinenschlosser von 2.000,00 DM netto (bei 30 Überstunden) auch gleich einen Kredit von 6.000,00 DM geben. Wofür ich das Geld brauchte, interessierte sie nicht. Das Geld könne ich gleich mitnehmen, kein Wunder, denn schließlich verdient die BfG daran fast 1.500,00 DM.

Aber das Geld brauchte ich erst im Januar, und bis dann fallen ja vielleicht noch die Zinssätze, dachte ich. Schon damals hätte ich eigentlich stutzen müssen. Eine Abrechnung mit Akkordlohn hatte die Sachbearbeiterin der Gewerkschaftsbank noch nie gesehen. Jedenfalls: Wenn ich eine Bescheinigung vom DGB bringen würde, daß ich mindestens 3 Jahre Mitglied einer DGB Gewerkschaft bin, würde ich nochmal 1 % der Summe sparen.

Auch 60 DM pro Jahr. Meine Freundin also hin zum Besenbinderhof mit meinen Mitgliedsbüchern. Besenbinderhof: Essig- „Die Bescheinigungen bekommen sie nur über die Einzelgewerkschaften.“ Anruf dort. Die Gewerkschaftssekretärin verspricht, die Bescheinigung gleich abzuschicken. Am Dienstag ist sie immer noch nicht da. Was ich denn eigentlich haben wolle? Na diese Bescheinigung für die BfG. Ja gut, sie schickt sie gleich ab. Nächste Woche Dienstag immer noch nicht da. Anruf. Ja sie hat es noch nicht geschafft. Der nächste Dienstag ist da. Bescheinigung nicht da. Anruf: „Schließlich haben wir ja einige Tausend Mitglieder.“ Ob die alle eine Bescheinigung für die BfG brauchen? Am nächsten Freitag kommt sie endlich an. Ich das Ding gleich genommen und wieder hin zur BfG. Inzwischen ist der Winter ins Land gezogen. Wieder alle Bescheinigungen mit. Ich hatte einen Arbeitsunfall, deswegen ist auf der November Abrechnung 000 DM aufgedruckt. Die DM 1,80, die davon abgezogen wurden, hält die Sachbearbeiterin für den Monatslohn. „Ich habe mein Geld von der Berufsgenossenschaft bekommen, mehr als den Nettolohn, den ich sonst bekomme.“

Nützt nichts. Die Überweisungen der Krankenkasse will sie nicht sehen. Die BfG zittert um das Geld, das sie nach Polen geschickt haben. „Nein mit dieser November Gehaltsbescheinigung könne ich bei der BfG keinen Kredit bekommen“. Ich möchte den Zweigstellenleiter sprechen, dafür muß es doch bei einer Gewerkschaftsbank eine Regelung geben. Da liegen doch laufend Arbeiter im Krankenhaus mit Arbeitsunfällen. Der Zweigstellenleiter spricht mit einer gutgekleideten Dame in einem teuren Pelzmantel. Ich habe mir drei Stunden unbezahlten Urlaub geben lassen. Ich warte.

Eine halbe Stunde habe ich Zeit, die Kunden dieser Bank nach ihrem Äußeren zu beurteilen. Die unteren Gehaltsklassen sind augenscheinlich nicht dabei. „Aber natürlich“, sagt der Zweigstellenleiter, „allerdings müssen sie uns noch eine Bescheinigung ihrer Firma bringen. Und wenn die Lohnabteilung dann durchschnittlich 1.200,00 DM für die letzten drei Monate einträgt, dann sollen sie hinschreiben “krankheitsbedingt“.

Ich bekomme meine Bescheinigung vom Lohnbüro, auf diese Weise erfahre ich auch gleich meine Kündigungsfrist – eine Woche. Ich nehme einen Tag Urlaub und wieder hin zur BfG. Der Vertrag wird fertiggemacht. Ich bin geschieden. „Ja dann müssen sie noch eine Restschuldversicherung bei der Volksfürsorge abschließen“. Kostet 60,– DM .

Der Vorteil der 11jährigen Gewerkschaftsmitgliedschaft geht an eine anderes Gewerkschaftsunternehmen. Einfache Umverteilung. „Ein Anruf bei der Schufa – das muß sein,“ meint die BfG-Angestellte: „So sind unsere Vorschriften“. Ihr Gesicht hellt sich auf, ich bin noch nicht als Kreditbetrüger überführt. Doch die Lohnbescheinigung der Firma. Das ist da Wort NICHT gestrichen in dem Satz: „Lohnpfändungen werden nicht ausgeschlossen.“

Ja aber sie doch sowieso nur über das Gericht pfänden lassen. Ich will den Zweigstellenleiter sprechen. Der hat Urlaub. „Könnte aber auch nichts anderes entscheiden“ meint die Gewerkschaftsbänkerin. „Ich solle doch lieber zur Sparkasse gehen.“ 20 Formulare werden zerrissen. Meine Gewerkschaftlegitimation hänge zuhause in einen Rahmen.

Otto Meyer (Mein Name, den ich damals (1984) für Zeitungsveröfffentlichungen benutzt habe)

Elbtunnel
Tier

Fotos Jens Meyer

cc

Toluol, Wechselschicht und Rotationsdruckmaschinen

von Gaston Kirsche

pdf-Toluol-Wechselschicht-Rotationsdruckmaschinen

https://jungle.world/artikel/2020/45/monotonie-und-rotation

Toluol, Wechselschicht und Rotationsdruckmaschinen

1984 begann ich eine Ausbildung zum Tiefdrucker, nach der Lehre wurde ich bei Broschek übernommen. Das Arbeiten mit krebserregenden Farben, Nachtschichten für die schnellere Akkumulation der kapitalintensiven großen Rotationsdruckmaschinen, aber auch die Hilfsbereitschaft der Kollegen haben mich geprägt.

Der Tiefpunkt war meistens so zwischen zwei und drei Uhr morgens. Der Körper will schlafen und versteht nicht, warum er hier an der Rotation steht. Die Papierbahn rast durch die zehn Druckwerke, überall Papierstaub, trotz der Ohrstöpsel ist es laut. Der Maschinenkontrollstand ist außerhalb der Box, in der die dreistöckige Druckmaschine läuft. Aber für jeden Arbeitsschritt direkt an der Maschine wird die Tür der Box geöffnet, ran an die vibrierenden Druckwerke, es ist stickig und warm, eine Verständigung ist hier nur durch Brüllen möglich. Im Sommer läuft der Schweiß. Die tonnenschweren Druckzylinder rotieren, auf der Druckmaschinenverkleidung klebt ein dünner Film. Eine Verbindung aus dem Schmieröl, das bei der hohen Laufgeschwindigkeit zwischen den Achsen der Druckzylinder und den Lagern verdunstet, Metallabrieb von den Rakelmessern, mit welchen die überschüssige Farbe vom Druckzylinder abgezogen wird, unzähligen kleinsten Papierfasern und Lösemitteldämpfen. Wenn es einen Reißer gibt, müssen alle Drucker rein und die über drei Meter sechzig breite Papierbahn über die Laufstangen wieder durch die zehn Druckwerke führen. Fünf für den Schöndruck, fünf für den Widerdruck. In den Farbwannen schwimmt die dünnflüssige Druckfarbe auf Toluolbasis. Toluol stand da schon lange im Verdacht, krebserregend zu sein. Dass wurde durch die Studie „Toluol in Tiefdruckereien* des Instituts für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund aus dem Jahr 2001 aber nicht bestätigt. Allerdings wurden Gesundheitsschäden im Allgemeinen durch Toluol in der Studie auch nicht ausgeschlossen.

Toluol verdunstet bei niedrigeren Temperaturen als Wasser, etwa bei 80 Grad Celsius. Im menschlichen Körper reichert es sich leicht an. Dass meiste verdunstete Toluol aus den Farbwannen wird über riesige Rohre mit Trichterförmigen Öffnungen abgesaugt, aber nicht alles. Gearbeitet wird ohne Handschuhe, Farbreste werden mit in Toluol getränkten Lappen abgewischt. Andere, nicht gesundheitsgefährdende Lösungsmittel für die Tiefdruckfarben sind teurer. Also Toluol.

In einem Artikel stand 1994 in drei Absätzen etwas über die schädliche Wirkung von Toluol auf Menschen: Münchner Wissenschaftler hatten das Blut von Druckereiarbeitern aus Baden-Württemberg analysiert. „Bei Beschäftigten, die länger als 16 Jahre im Tiefdruck arbeiteten, war die Anzahl von deformierten Erbinformationsträgern in den Zellen wesentlich höher als bei den Kollegen, die erst kürzer dabei waren. Da gab es Brüche in den Chromosomenärmchen, winzig kleine Verbindungsteilchen fehlten oder waren vertauscht. Solcherart Fehler in der genetischen Information können vermehrt entstehen, wenn die Reparaturmechanismen in der Zelle nicht mehr richtig funktionieren, hieß es unter der Überschrift: „Wir lassen sie sterben“: „Bei ersten Gesundheitsuntersuchungen hatten die Drucker sich über ständig trockene Schleimhäute in Mund, Nase und Rachen beklagt. Sonst war nichts weiter aufgefallen.

Durchhalten, keine Schwäche zeigen: „Als die Forscher sie jedoch einige Jahre später zur Nachuntersuchung baten, gab es eine böse Überraschung: 4 der insgesamt 60 untersuchten Tiefdrucker waren mittlerweile an Krebs gestorben“. Der nicht namentlich gezeichnete Artikel erschien am 7. März 1994 in der Ausgabe 10/1994 von „Der Spiegel“. Gedruckt wurde auch diese Ausgabe in der Tiefdruckerei des Axel-Springer-Konzerns in Ahrensburg bei Hamburg wie üblich mit Farben auf Toluolbasis. Eine Umweltschutzorganisation, meiner Erinnerung nach Greenpeace, ließ in den 80iger Jahren Exemplare von „Der Spiegel“ in einer einmaligen Aktion ohne Toluolfarben nachdrucken und verteilen. Die Leser*innen sollten sich nicht mit den Rückständen der toluolhaltigen Farben vergiften, war der Tenor der Aktion. Über die in der Druckerei Arbeitenden, die am meisten unter der Schadstoffbelastung litten, wurde bei der Aktion geschwiegen. Selten wurde mir deutlicher, wie falsch es ist, ökologische Forderungen ohne gleichzeitige Kritik an den Produktionsbedingungen und dem Dogma der Kapitalverwertung zu stellen.

Zurück zur Nachtschicht an der Tiefdruckrotationsmaschine. Gedruckt wird der jährliche IKEA-Katalog, in Millionenauflage. Heute ist der Druckbogen mit den Betten dran, die ganze Nacht durch: 32 Katalogseiten mit Betten, Matratzen, Decken, Bezügen. Aber anstatt im Bett zu liegen, achte ich auf den Passer beim Fortdruck. Die gesamte Maschinenbesetzung reagiert nachts um zwei fahriger als sonst, wenn beim Rollenwechsel die Papierbahn reißt, der Passer nicht mehr stimmt oder Dreck an einem Rakelmesser ist. Es arbeiten mehr Drucker an den Maschinen als der Verband der Druckindustrie möchte. Einer kann immer Pause machen. Tarifvertraglich geregelt, durch Streiks erkämpft: Der Manteltarifvertrag mit genauen Angaben zur Maschinenbesetzung. Gilt und galt aber nur in tarifgebundenen Betrieben. Die Druckerei Broschek, in der ich arbeitete, war für ihren hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad und einen kämpferischen Betriebsrat bekannt. In der Belegschaft wurde auf die Einhaltung der tariflichen Vereinbarungen seitens der Geschäftsleitung und der Vorgensetzen geachtet. Zwei von der Maschinenbesetzung, ein Drucker und ein Helfer, waren im Pausenraum neben dem Drucksaal, wie die unwirtliche, rein funktional eingerichtete Fabrikhalle genannt wurde. Wenn sie nach 30 Minuten aus der Pause zurückkamen, konnten die nächsten gehen.

Noch weit entfernt war in den 80iger Jahren eine Besserung bei den gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen. Denn: der Lärm, die Toluoldämpfe all das musste nicht sein. Erst im Laufe der 1990er Jahre wurde Toluol als Lösungsmittel in den Farbrezepturen ersetzt. Maßgeblich hierfür waren Kampagnen von Seiten der damaligen Industriegewerkschaft Druck und Papier und ihrer Schwesterorganisationen in Europa. Tatsächlich ist die Druckindustrie seitdem, was Gesundheitsschutz und dann auch Umweltschutz betrifft, ziemlich weit vorne es hat viel Einsatz der Drucker und ihrer Gewerkschaften erfordert. Was erstmal blieb, war die Kontaminierung der Böden. Broschek war eine der ersten Industriedruckereien, die saniert wurden. Am 30. August 2019 erklärte der Hamburger Senat als Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage eines Abgeordneten der CDU in der Drucksache 21/18127: Im Jahr 1992 wurden auf dem Gelände der Firma Broschek Bodenuntersuchungen durchgeführt, bei denen großflächig Bodenverunreinigungen mit dem eingesetzten Lösungsmittel Toluol festgestellt wurden. Danach erfolgten umfangreiche Sanierungsmaßnahmen, die im Jahr 1996 abgeschlossen wurden.

Neben dem Lösungsmittel Toluol waren auch der Lärm und der Schichtbetrieb an den großen Rotationsmaschinen gesundheitlich stark belastend. Gearbeitet wurde in drei Schichten rund um die Uhr. Im wöchentlichen Wechsel, Frühschicht, Spätschicht und die Nachtschicht: Um 22 Uhr fängt die Arbeit an, um sechs Uhr morgens ist Feierabend. Freitagabends um 22 Uhr zum Schichtbeginn an der Rotationsdruckmaschine anzutreten war surreal. Klar gibt es gesellschaftlich notwendige Arbeit, die rund um die Uhr erledigt werden muss. Drucken gehört nicht dazu. Die großen Rotationsmaschinen sind teure Investitionen damit sie sich schneller amortisieren, laufen sie rund um die Uhr. Nachtschicht, Gesundheitsgefährdung für den Profit. Die starke Vernutzung durch Arbeit hat ihren Preis. Nicht alle erreichen überhaupt das Rentenalter.

Für Frauen war Nachtarbeit im produktiven Gewerbe aus Arbeitsschutz bis 1992 verboten – für Männer nicht. Dementsprechend war der Drucksaal eine absolute Männerdomäne, selbst die weiblichen Betriebsrätinnen aus anderen Abteilungen trauten sich kaum in den Drucksaal. In der Verwaltung arbeiteten viele Frauen, auch in der Buchbinderei. Die Druckvorstufe, wo die Druckvorlagen und die Druckformen in einer kleineren Abteilung hergestellt wurden die schweren Kupferzylinder mit Stahlkern arbeitete auch in Dreischicht und war eine Männerdomäne. In der Buchbinderei in einer weiteren Fabrikhalle wurden die an der Druckmaschine bereits gefalzten Vorprodukte durch Heftung oder Klebebindung zu Zeitschriften oder Katalogen weiterverarbeitet. Hier arbeiteten viele Frauen. Im Zweischichtbetrieb, keine Nachtschicht. Die Arbeitsbereiche waren strikt voneinander getrennt, wer in der Buchbinderei arbeitete sollte nicht in den Drucksaal gehen und umgekehrt man hatte auch genug mit der eigenen Arbeit zu tun und in den Pausen blieb man unter sich im eigenen Pausenraum der Abteilung.

Durch das Arbeiten nur unter Männern, durch die gegenseitige Selbstbestätigung im Lebensmittelpunkt Drucksaal wurden patriarchale Muster reproduziert: Frauen sieht man Zuhause oder in der Freizeit. An der Längsseite des Drucksaals standen verbeulte Metallschränke. In diesen persönlichen Spinden für Essen und Trinken hingen meist Fotos von nackten Frauen. Broschek war eine Akzidenzdruckerei das heißt, sie war nicht an einen Verlag gebunden, sondern es wurden alle möglichen Aufträge angenommen interessant fand ich die Angebotskataloge der großen Supermarktkette Kmart aus den USA und die Unterschiede in der Präsentation für das dortige Publikum. Über einen großen Auftrag wurde im Drucksaal schon Tage vor dem Andruck begeistert gesprochen, Kollegen hatten schon Teile davon in der Druckvorstufe gesehen: Ein dickes Sonderheft vom Playboy mit Klebebindung, es hieß Best-Of oder so. Einige Kollegen wollten für sich ein Heft mitnehmen, die Anderen schwiegen dazu. Als an der Andruckmaschine die üblichen Proben hergestellt wurden, um zu prüfen, ob die Druckzylinder richtig graviert waren, der Passer stimmte, die verschiedenen Farben passend übereinander gedruckt wurden und die Farbdichte, die Farbtöne und die Brillanz okay waren, kamen wesentlich mehr Kollegen als sonst von den Fortdruckmaschinen mal zum Schauen in die Hallenecke, wo die Andruckmaschine stand. Die nackten Frauen auf den Abbildungen werden ausführlich bewertet.

Patriarchat und Rassismus prägen auch die Lohnarbeit und finden durch die Rangordnung an den Arbeitsplätzen scheinbar Bestätigung, werden im Bewusstsein reproduziert. Die qualifizierten Drucker am Maschinenpult sind meist weiß und einsprachig, die Hilfsarbeiter im Papierkeller und an den Maschinenauslagen, wo die gedruckten und gefalzten Produkte abgelegt werden, sind in der Regel schwarzhaarig und mehrsprachig. Wenn bei Stoppern Alle anpacken, um die Rotation wieder ins Laufen zu bringen, oder beim Wechsel der Druckzylinder, beim Wechsel der Rakelmesser immer haben der Maschinenführer und die anderen Drucker das Kommando. Die anspruchsvollsten Arbeiten, etwa die Farbdichtemessung mit dem Densitometer, um die Volltondichte, die optische Dichte der Farben zu kontrollieren, erledigen Maschinenführer und Drucker. Eine prägende Hierarchisierung. Typisch für die traditionell verstandene Klasse aus weißen, männlichen Facharbeitern. Frauen und Migrant*innen waren in der klassischen Vorstellung von der Arbeiterklasse unsichtbar, der Arbeiterstolz wurde von Männlichkeit und Stärke geprägt, das körperliche Leiden an den Arbeitsbedingungen ignoriert.

Während der Lehre zum Drucker Tiefdruck/Offset liefen der andere Auszubildende und ich an den Maschinen mit, wir sollten in der laufenden Produktion lernen. Eine Lehrwerkstatt gab es 1984 bei Broschek nicht mehr wir versuchten uns möglichst viel abzugucken. Einen Maschinenleitstand selbst zu dirigieren, habe ich erst zwei Tage vor meiner praktischen Abschlussprüfung länger üben können. Die große, dreistöckige Rotation selbst hochzufahren war eine tolle Erfahrung. Aber in der laufenden Produktion war meine Tätigkeit ich in der Regel auf das Erledigen kleinerer Arbeiten auf Zuruf beschränkt. Und es gab Zuarbeiten, welche die Maschinenführer an uns Auszubildende delegierten: Den Ölstand der Motorenblöcke der Druckmaschinenmotoren im Papierkeller zu kontrollieren, oder neue Rakelmesser in die Halterungen zu spannen. Die Rakelmesser nutzten sich ab, spätestens wenn ein Druckzylinder sich eine halbe Million Mal gedreht hatte, war die Schneide runter. Sie waren unverzichtbar, denn an ihnen wurde die überschüssige Farbe abgestreift, wenn nachdem ein Druckzylinder durch die Farbwanne gelaufen war: Nur in den napfförmigen Vertiefungen, in den mikroskopisch klein eingravierten Löchern in der Kupferbeschichtung der Druckzylinder sollte die Farbe verbleiben, um auf die Papierbahn gedruckt zu werden. Durch die unterschiedliche Tiefe der Löcher wurde unterschiedlich viel Farbe auf das Papier gedruckt, so entstand die feine Farbbrillanz, für die der Illustrationstiefdruck bekannt ist. Die Rakelmesser waren dünne Stahlbänder, so lang wie die Druckzylinder breit waren etwa 2, 64 Meter, wenn ich mich richtig erinnere mit einer superscharfen feinen Schneide: dem Rakel, das sich an den Druckzylinder andrückte. Beim Einsetzen der Rakelmesser in die Halterungen brauchte man eigentlich Handschuhe, um sich nicht zu schneiden aber dann hätte man nicht genug Feingefühl in den Fingern, um das Blech millimetergenau und ohne Wellen zu justieren. Die Narben an den Händen von den Schnitten, wenn mal was schiefging, sind mir geblieben. Da wir Auszubildenden nur zwei Pausen hatten, entzog ich mich dem Lärm, den Tolouldämpfen und der Monotonie an der Rotation manchmal in eine Toilette. Die meisten Kollegen deckten es hilfsbereit, wenn wir Azubis mal raus wollten. Wenn ich dort ein paar Minuten saß, spürte ich, wie ich mich in meinem eigenen Körper ins Innerste verkrochen hatte. Die äußere Hülle meines Körpers war mir fremd, schmutzig, Farb- und Lösemittelrückstände bis in die Haarspitzen. Die Gemeinschaftsduschen waren zum Feierabend der Ort des Auflebens.

Diese Erfahrung von mir liegt über dreißig Jahre zurück, meine erste Erfahrung mit Lohnarbeit. Die Tiefdruckerei Broschek, in der ich in den 80igern arbeitete, hatte einen links dominierten Betriebsrat dessen damalige stellvertretende Vorsitzende der Zeitschrift Konkret ein Interview zum Thema „Sexismus im Betrieb“ gegeben hatte, woraufhin sie fristlos gekündigt wurde. Es waren vor allem die Chefs mit Schlips in der Verwaltung, deren sexistisches Verhalten, deren Sprüche sie im Interview prägnant kritisiert hatte. Die engagierte Betriebsrätin gewann aber die Prozesse auf Wiedereinstellung. Mehrere Betriebsräte auch sie – waren erst wieder in die Industriegewerkschaft (IG) Druck und Papier aufgenommen worden, nachdem sie infolge der „Unvereinbarkeitsbeschlüsse der DGB-Gewerkschaften als Mitglieder des Kommunistischen Bundes (KB) in den 1970iger Jahren ausgeschlossen worden waren. In der IG Druck und Papier hieß die entsprechende Maßgabe zwar „Abgrenzungsbeschluss”, aber es ging um das gleiche: Den Ausschluss gewerkschaftsoppositioneller radikaler Linker, vor allem von betrieblich aktiven Mitgliedern von „K-Gruppen – kommunistischen Vereinigungen links von der DKP.

Bei Warnstreiks in den Tarifrunden war Broschek immer vorneweg dabei: Mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen dafür stand eine Mehrheit der Beschäftigten ein. Wenn es nötig war, was alle zwei, drei Jahre vorkam, ließ sich die Belegschaft in Tarifrunden innerhalb weniger Stunden zum Warnstreik vor das Fabriktor am Bargkoppelweg 61 rufen, um einer Gewerkschaftsforderung Nachdruck zu verleihen. Als Auszubildender und danach habe ich im Drucksaal viel kollegiale Unterstützung erleben können. Trotzdem war das Klassenbewusstsein durchwachsen. Klar für mehr Lohn, für einen starken Betriebsrat. Aber schon beim Einsatz für eine kämpferische Gewerkschaft war den meisten das eigene kleine Glück wichtiger. Es gab Konkurrenz, es gab Sexismus, Rassismus. Ein Kollege schwärmte davon, nach Südafrika auswandern zu wollen, das damals noch ein Apartheidsstaat war. Und der eigene Hausbau war wichtiger als Politik. Sicher hing dass auch mit Enttäuschungen zusammen, mit Resignation. Aber das Bewusstsein, sich als Klasse formieren zu wollen, politisch kämpfen zu wollen, über den eigenen Tellerrand hinaus dass war eher randständig. 

Die Druckindustrie hatte in den 80igern schon die technologische Umwälzung durch elektronische Daten- und Textverarbeitung und den Einsatz von Mikroprozessoren hinter sich der Bleisatz etwa war Geschichte. Während die Streiks 1973 und 1976 noch vorrangig Lohnstreiks gewesen waren, versuchte die IG Druck und Papier danach, die durch Digitalisierung neu mögliche Rationalisierung zu entschleunigen und sozial zu gestalten. Auch der Arbeitsschutz spielte schon eine Rolle. Bei den Streiks 1978 ging es um den Rationalisierungsschutz für Setzer. So gab es einen von beiden Seiten hart geführten Arbeitskampf in der Druckindustrie: Die im DGB damals Linksaußen stehende IG Druck und Papier forderte einen Ausgleich für Rationalisierungen, sichere Arbeitsplätze und menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Der Streik endete mit der Vereinbarung des als RTS-Vertrag in die Gewerkschaftsgeschichte eingegangenen Vereinbarung: Den Tarifvertrag über die Einführung und Anwendung rechnergestützter Textsysteme. Auch wenn die Berufsgruppe der Schriftsetzer trotzdem verschwand: Der Arbeitsplatzabbau konnte zum einen verlangsamt werden, zum anderen wurden viele Setzer zu Angestellten in den Redaktionen. Beim Streik 1984 ging es um die 35-Stundenwoche, nach 12 langen und harten Wochen Streik konnte deren stufenweise Einführung bis im Jahr 1996 im Tarifvertrag erreicht werden allerdings war der Unternehmerverband der Druckindustrie nur um den Preis der Zustimmung der IG Druck und Papier zu weitgehenden Flexibilisierungsmöglichkeiten zu Lasten der Beschäftigten dazu bereit. Die Zustimmung zur Flexibilisierung hat bis heute negative Folgen für die Beschäftigten der Druckindustrie.

Nicht nur der Beruf des Setzers ist verschwunden aus sieben Berufen der Druckvorstufe, von der Reprofotografie über Elektronische Bildbearbeitung bis hin zur Tiefdruckretusche, ist mittlerweile ein einziger geworden: Die Mediengestalterin print/digital. 2018 arbeiteten nur noch 131.700 Menschen in der Druckindustrie in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Die Zahl der Beschäftigten ist seit 1975 rückläufig. Gegenüber dem Stand von 1980 (223.864) ist die Zahl der Beschäftigten um rund 41 Prozent gesunken (Zahlen des Bundesverbandes Druck und Medien). Der Umsatz ist dabei bis 2000 stark angestiegen und stagniert seitdem bei etwa 20 Milliarden Euro. Seit 2001 nahm die Zahl der Druck-Betriebe innerhalb von etwas mehr als 10 Jahren bundesweit um 30 Prozent ab, ebenfalls die Zahl der Beschäftigten”, so Martin Dieckmann, der frühere Leiter des Fachbereichs Medien in der Gewerkschaft ver.di in Hamburg und Nord einen guten Überblick erworben hat: Besonders hart traf es die Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten, mit einem Niedergang um 60 Prozent und der Beschäftigten dort ebenfalls um 60 Prozent, teils durch Schließungen, teils durch reines Schrumpfen” Hier wurde am stärksten rationalisiert: „Bei den Zahlen spielt auch die dramatische Schrumpfung des Personals durch neue Maschinengenerationen eine Rolle: Seit Anfang der 200er Jahre kamen etwa im Zeitungs-Druck und auch in der Weiterverarbeitung auf den Markt, die teilweise zur Halbierung nicht nur des Drucksaals sondern auch der Weiterverarbeitung führten”, so Martin Dieckmann.

Insbesondere im Tiefdruck gab und gibt es europaweit große Überkapazitäten. Seit 2005 hat sich die Konkurrenz verschärft, infolge der kapitalintensiven Konzentration auf zwei Konzerne: 2002 weitete sich die süddeutsche Schlott-Firmengruppe zum Konzern aus, gab Aktien aus und kaufte massiv zu; 2002 auch Broschek. Dagegen formierte sich mit Prinovis die EU-weit größte Zusammenschluss von Tiefdruckereien der Konzerne Springer, Bertelsmann und Gruner + Jahr. Überkapazitäten und der folgende „brutale Preiskampf“, wie Martin Dieckmann es auf den Punkt bringt, führten zu einer Serie von Betriebsschließungen, darunter Prinovis Darmstadt, Bauer-Druck in Köln und 2011 zur Insolvenz der Schlott AG. Während sich für fünf süddeutsche Schlott-Betriebe neue Besitzer fanden, wurde die Hamburger Druckerei Broschek nicht verkauft, sondern geschlossen. Seriöse Kaufangebote gab es nicht, stattdessen hatten Betriebsrat, Gewerkschaft und Stadt einige Mühe, ein windiges Angebot eines branchenweit bekannten Abenteurers abzuwehren.

In der Nacht vom 12. auf den 13. April 2011 wurden die Druckmaschinen bei Broschek eine nach der anderen ein letztes Mal runtergefahren. Stille im Drucksaal. Im Dezember, einen Tag vor Weihnachten, verließ der Betriebsratsvorsitzende Kai Schliemann als Letzter den Betrieb. Broschek war Geschichte. Heute gibt es nur noch wenige Tiefdruckereien, selbst der Ikea-Katalog erscheint nicht mehr gedruckt.

Die Schrumpfung und Konzentration im Tiefdruck gingen weiter: Am 2. Mai 2014 verließ die letzte Schicht die seitdem geschlossene Tiefdruckerei von Prinovis in Itzehoe. Anders als bei Broschek konnte die Belegschaft in Itzehoe mit ihren in der Stadt breit unterstützten Aktionen immerhin einen sehr guten Sozialplan mit hohen Abfindungen und einer Transfergesellschaft erreichen. Denn die Schließung von Prinovis Itzehoe wurde anderthalb Jahre zuvor angekündigt und der Bertelsmann-Konzern kam am Ende für die Kosten des gesamten Sozialplans auf. Bei Broschek war es schwieriger. Hier ließ die Insolvenz der gesamten Schlott AG keinen Spielraum für Verhandlungen über einen guten Sozialplan zu: Es war kein Geld mehr für Abfindungen vorhanden, geschweige denn für eine zusätzliche Transfergesellschaft. Die modernen Tiefdruckaggregate bei Broschek wurden an andere Druckereien verkauft. Das Gelände von Broschek liegt heute brach, die Gebäude wurden vorletztes Jahr abgerissen. Gaston Kirsche

*Die Studie »Toluol in Tiefdruckereien« war vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften beauftragt und u.a. vom Bundesverband Druck und Medien sowie ver.di unterstützt worden.

Der Niedergang des Tiefdrucks

Komplett geschlossen wurden

-1997: Burda, Darmstadt (600 Beschäftigte)

-2008: Prinovis in Darmstadt (fast 300)

-2008: Metz, Aachen (40)

-2010: Bauer Druck, Köln (knapp 400)

-2011: Broschek in Hamburg (200)

-2011: Schlott in Freudenstadt (300)

-2013: Badenia in Karlsruhe (100)

-2014: Prinovis in Itzehoe (750 plus 250*)

-2015: Bruckmann, Oberschleißheim (130)

-2021: Prinovis in Nürnberg (zuletzt 460)

*Werkvertrags- und Leiharbeitskräfte

Innerhalb von 24 Jahren haben alleine durch Betriebsschließungen über 3.500 Menschen ihre Arbeit im Tiefdruck verloren. Insgesamt wurden viel mehr Leute entlassen: Viele gingen vorzeitig in Rente, schieden per Freiwilligenprogramm aus, bei der Fluktuation im Betrieb freiwerdende Stellen wurden nicht wieder besetzt. Auch in anderen europäischen Ländern sind komplette Tiefdruckereien geschlossen worden. Quelle: ver.di/Fachbereich 8 Auf den Fotos sind Proteste gegen die Schließung von Prinovis Itzehoe 2013 zu sehen. Nachweis: verdi/Fachbereich 8

Interview mit Olaf Berg über seine dreijährige Ausbildung in der Druckerei der Axel Springer Verlag AG in Ahrensburg.

In den 80iger Jahren wurde in der Druckindustrie stark rationalisiert und Arbeit verdichtet. Durch Flexibilisierung und Auslagerung von Betriebsteilen wurden ehemals kämpferische Belegschaften verkleinert, Abteilungen gegeneinander Konkurrenz gesetzt. So wurden die Lohnarbeitenden der Branche, welche 1984 erfolgreich als erste die Arbeitszeitverkürzung zur 35-Stundenwoche erstreikt hatten nachhaltig verunsichert. (Gaston Kirsche)

Du hast 1987 in der Druckerei von Springer in Ahrensburg eine Lehre als Druckvorlagenhersteller begonnen?

Ja, als ich 1987 bei Springer angefangen habe, war der große Druckerstreik von 1984 schon Geschichte. Aber es gab noch eine grundsätzliche Kampf- und Streikbereitschaft und das Bewusstsein, etwas durchsetzen zu können. Es gab aber keine systematische Ansprache von uns neuen Azubis auf Mitgliedschaft in der Gewerkschaft. Ich musste da von mir aus aktiv werden und geriet auf das Treffen der IG Druck & Papier Jugend, auf dem diese sich gerade auflösen wollte, weil sich die Teilnehmenden alle als zu alt empfanden. Den Ortsverein in Ahrensburg, fast identisch mit der Betriebsgruppe von Springer in Ahrensburg, habe ich als ziemlich verschnarchte Versammlung älterer Männer empfunden. Gewerkschaftsarbeit war da weitestgehend kooptiertes Mitregulieren von Kleinigkeiten im Betriebsablauf und Umsetzen von Ansagen der Gewerkschaftsleitung.

Aber die Auswirkungen des 12-wöchigen Erzwingungsstreiks von 1984 waren für dich spürbar?

Ja, auf mehreren Ebenen war der zu spüren. Ganz deutlich durch den erreichten Einstieg in die 35- Stundenwoche, der während meiner Lehre stattfand. Die 37-Stundenwoche wurde jedenfalls in der Zeit meiner Ausbildung in Stufen eingeführt. Auch wenn wir die 35-Stundenwoche da noch nicht erreicht haben, war die halbe Stunde weniger arbeiten am Tag für mich sehr deutlich zu spüren. Es war nicht nur die halbe Stunde mehr Zeit, ich war auch einfach weniger kaputt, um mit der Freizeit sinnvolles anzufangen.Die Forderung nach der 35-Stundenwoche war in der Gewerkschaft nicht unumstritten. Als gemeinsamer Nenner hat sie sich letztlich durchgesetzt, weil diejenigen, die lieber mehr Lohn als mehr Zeit haben wollten, darin das Potential für mehr Überstunden mit entsprechendem Zuschlag entdeckten. Aber Jugendarbeitslosigkeit war damals ein großes Thema. Die offiziellen Argumente waren selbstverständlich gerechtere Verteilung der vorhandenen Arbeit auf alle Arbeitenden und mehr Lebensqualität. Aus Klassenperspektive hätte es besser gerechtere Verteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit heißen müssen.

War noch etwas von der Erfahrung von 1984 zu spüren, durch einen harten Streik eine Arbeitszeitverkürzung erzwungen zu haben?

Es gab eine Grundstimmung im Betrieb, gemeinsam etwas erreichen zu können. Ich würde das nicht als Klassenbewusstsein überschätzen. Es war eher die Erfahrung, über die Gewerkschaft Lohnerhöhungen und Arbeitsverbesserungen durchzusetzen. Dafür gab es eingespielte Rituale der Eskalationsstufen, bei denen die große Mehrheit der Arbeitenden mitmachte. Dass lernte ich als drei Stufen kennen:Zuerst spontane Betriebsversammlungen, wenn die Tarifrunde angelaufen war und in den Abteilungen die Ansage die Runde machte, sich um 13 Uhr in der Kantine zu versammeln, um sich vom Betriebsrat über den Stand der Verhandlungen informieren zu lassen.Zweite Stufe waren Warnstreiks von ein paar Stunden, zu denen während der laufenden Tarifverhandlungen aufgerufen wurde. Irgendwann wurde es dann ernst  die dritte Stufe  und es gab ein oder zwei Wochen Streik.Den Streik habe ich nur sehr bedingt mitbekommen, weil der in meinen Berufsschulblock fiel und es die Absprache gab, das es keinen Sinn macht, den Unterricht zu bestreiken. Auch die Azubis im Betrieb sollten weiter zur Ausbildung gehen. Sie durften nur in der Lehrwerkstatt arbeiten und konnten so auch die Arbeitskraft der Ausbilder binden, damit die nicht in der Produktion eingesetzt werden konnten. Das klappte soweit ich das mitbekommen habe, ganz gut, aber die Gewerkschaft insgesamt war da nicht sehr kampflustig und hat sich recht schnell geeinigt.

Wie reagierte die Kapitalseite?

Die Unternehmer reagierten auf die durchgesetzten Verbesserungen der Arbeitsbedingungen mit Tarifflucht und Auslagerung. Als ich bei Springer anfing, hatte Gruner & Jahr mit seiner Druckerei in Itzehoe gerade den Austritt aus dem Tarif erklärt und ein flexibilisiertes 4-Schicht-Modell eingeführt, mit dem die Maschinen 24/7 liefen, ohne angemessene Nacht- und Wochenend-Zuschläge zu zahlen. Zusammen mit technologischem Fortschritt bei verbesserten Offset- und Tiefdruckverfahren wurde dadurch die Produktionskapazität erhöht und Gruner & Jahr zog die einige Jahre zuvor erworbene Option, den Druckauftrag des „Spiegel“ an sich zu ziehen. Darum wurde mir zur Einstellung als erstes gesagt: Wenn ihr ausgelernt habt, geht der „Spiegel“ an Gruner & Jahr und ihr Azubis werdet nicht übernommen. So kam es dann auch. Wobei der „Spiegel“-Auftrag nur ein Teil des Grundes war, man kann sogar sagen, nur ein Vorwand.

Springer hatte genug Arbeit?

Ja, in den drei Jahren meiner Ausbildung hat Springer durchaus neue Aufträge akquiriert. Aber in den drei Jahren wurden ganz viele Arbeiten in der Druckvorstufe, wo ich ausgebildet wurde, rationalisiert Stichwort OT-Verfahren und vor allem an Kleinstbetriebe, die oft von ehemaligen Mitarbeiter*innen geführt wurden, ausgelagert. Die aktuellen Teile, die sehr genau in die redaktionellen Abläufe eingebunden produziert werden mussten, blieben im Haus, alles andere, wie etwa die in der Produktion aufwändigen Werbeanzeigen, wurden als Werkaufträge extern vergeben.

Rationalisierung und Auslagerung um den Profit zu erhöhen?

Als ich ausgelernt hatte, wurde rund ein Drittel der Belegschaft entlassen beziehungsweise mit Abfindungen und Vorruhestandsregelungen aus dem Arbeitsleben gedrängt. Der Betriebsrat rechnete damals vor, dass alle gehalten werden könnten, wenn die externen Aufträge wieder ins Haus geholt werden, aber die waren halt billiger, weil dort keine Tariflöhne galten und die Betriebe oft auf einer Abrufbasis arbeiteten. Einige meiner Mit-Azubis waren nach der Ausbildung bei solchen Betrieben auf der Liste. Im Betrieb stand das Gerät, wenn es einen Auftrag gab, wurden sie angerufen und auf Stundenbasis bezahlt.

Und die Belegschaft hat sich dagegen nicht offen gewehrt?

Der Widerstand im Betrieb gegen die Entlassungen war ziemlich handzahm. Wie das mit dem Betriebsrat rechtlich so ist. Das Unternehmen entscheidet, wie viele gehen müssen, der Betriebsrat darf mitreden, nach welchen sozialen Kriterien ausgewählt wird, wer gehen muss. Gelingt es ihm, die Älteren mit Abfindungen und Vorruhestandsregelungen zufrieden zu stellen und den jüngeren eine Weiterbeschäftigungsperspektive zu bieten, ist der Betriebsrat zufrieden. Auf eine echte Konfrontation wollten sie sich nicht einlassen und ich vermute, die Belegschaft war dafür auch nicht geschlossen genug. Entsprechend angespannt waren die freigestellten Betriebsräte und meine Auseinandersetzung mit dem Personalchef über meine Übernahme musste ich vor Ort nahezu alleine austragen.

Hattest du einen Rechtsanspruch auf Übernahme?

Als Mitglied der Auszubildenden- und Jugendvertretung, der an Betriebsratssitzungen teilgenommen hat, hätte der Betrieb mich eigentlich auf mein Verlangen übernehmen müssen. Aber der für mich zuständige Freigestellte weigerte sich offen, an dem Gespräch als Zeuge teilzunehmen, weil er nicht ins offene Messer laufen wollte. Der für Drucker zuständige Freigestellte ging dann doch noch mit. Unter den Bedingungen, keinen Rückhalt zu haben, habe ich mich dann letztlich auch mit Geld abfinden lassen aber dabei immerhin den Preis von zuerstangebotenen 2.500 auf 10.000 DM hochgetrieben. Insgesamt herrschte beim Springer Verlag, nachdem der Gründerchef Axel Springer gestorben war und das ganze zur Aktiengesellschaft geworden war, bei vielen die Vorstellung vom guten alten Springer, der familiär-patriarchal für das Wohl seiner Arbeiter gesorgt habe. Der neue neoliberale Ton im Betrieb wurde dem Wandel zur Aktiengesellschaft zugeschrieben: Die buchhalterische Aufteilung in Crop-Center, also jeweils für sich profitabel arbeiten müssende Abteilungen, gerade auch in Konkurrenz zu anderen Abteilungen gerechnet, setzte jede Abteilung unter Druck, für sich Gewinn abzuwerfen, sonst wurde ausgelagert, wie ich es schon geschildert habe.

Keine guten Aussichten für Gegenwehr

Klassenbewusstsein gab es nur noch vereinzelt. Das hing sehr von der Abteilung und dort auch noch der Schicht ab. Ich erinnere mich, dass es eine Schicht in der Montage gab, der Abteilung, wo Text und Bild zur Vorlage für den fertigen Druckbogen zusammengefügt werden, wo es Mitglieder der DKP, der Deutschen Kommunistischen Partei, gab, die mit mir als Lehrling politische Gespräche anfingen. Und es gab eine Schicht in der Elektronischen Bildverarbeitung, die kämpferisch war und mich bei meinem Kampf um die Übernahme unterstützte. In der Elektronischen Bildverarbeitung war es vor allem eine Genossin, die auch Betriebsrätin war, aber nicht freigestellt, die mir mal erzählte, dass sie früher als sie bei Broschek Druck gearbeitet hat, Mitglied im KB, dem Kommunistischen Bund war, deswegen sie zuerst aus der Gewerkschaft ausgeschlossen und dann vom Betrieb entlassen worden war. Aber dann konnte sie bei Springer anfangen zu Arbeiten. Im KB war sie zu dem Zeitpunkt aber nicht mehr. Jedenfalls war das eine Schicht wo alle dahinter standen, dass alle Azubis zumindest für drei Monate übernommen werden sollten, um einen ordentlichen Start ins Berufsleben zu haben und die sich trotz Produktionsdruck nicht davon abbringen ließen, den Azubis was zu zeigen und beizubringen.

Gedanken zu Klasse und Kampf

Die Klassenverhältnisse sind nicht verschwunden, sondern entrechteter und flexibilisierter worden. Dass es kaum kollektiven Klassenkampf von unten gibt ist kein Grund, den antagonistischen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit zu übersehen.

Sicher habe ich einiges vergessen von den frühen Einführungen in die Kritik der politischen Ökonomie, von den Schulungstexten „Lohn, Preis, Profit“ und „Lohnarbeit und Kapital von Karl Marx, die wir in den Jugendgruppen des Kommunistischen Bundes gemeinsam gelesen haben, aber die eigene Erfahrung nicht. In der Grafischen Jugend haben wir während meiner Lehre und später der Arbeit als ausgelernter Drucker über ein Verbot der Nachtarbeit in der Druckindustrie gesprochen. Die Studierenden in meiner WG haben die Probleme durch die Dreischichtarbeit nur ansatzweise verstanden. Wenn sie lange frühstücken wollten, war an Schlaf nicht zu denken. Für sie waren meine Arbeitsbedingungen einfach außerhalb ihrer Vorstellungswelt. Dabei kellnerten oder jobbten sie selbst auch.

Meine Lehre und Arbeit als Drucker war das eigentümliche Gegenstück zu meinen späteren Arbeitserfahrungen in linken Verlagen und Zeitungen. Während in der Druckerei darauf geachtet wurde, die Arbeitskraft möglichst teuer zu verkaufen und politische Fragen darüber hinaus kaum eine Rolle spielten, so ging es in den alternativen Betrieben nur um politische Fragen, ohne den Verkauf der Arbeitskraft zu thematisieren. Eine Hinterfragung der durch die Besitzverhältnisse determinierten Entscheidungsstrukturen habe ich bisher nicht erlebt. Meine Lohnarbeit begann in einer Phase des Rollbacks in fast allen Bereichen, nachdem es in den 60iger Jahren in der Hochphase der fordistischen Massenproduktion gerade an den Fließbändern eine Phase der Revolte und der harten, auch wilden Streiks quer durch Westeuropa gab. Und parallel Aufbrüche im Gender, im universitären, (sub-) kulturellen Bereich und in der Reproduktion. Die Lohnquote am gesellschaftlichen Eigentum stieg, es gab eine Umverteilung von oben nach unten. Auch deswegen forcierten die Kapitalbesitzenden den durch die Entwicklung der Mikroprozessoren technisch plötzlich möglichen Umbau weg von der fordistischen Großserienproduktion für Standardmilieus hin zur postfordistischen Kleinserienproduktion für sich auch dadurch im Konsum ausdifferenzierende Submilieus: Weg vom reinen Taylorismus, hin zur Kombination von Fließband und Gruppenarbeit. Weg vom tarifvertraglich regulierten Normalarbeitsverhältnis hin zur Spannbreite vom prekären Teilzeitjob bis zur ausgebauten privilegierten Innovationsmittelschicht. Die Klassenverhältnisse sind dabei nicht verschwunden, sondern entrechtet und flexibilisiert worden. Weg vom nationalen Markt hin zum globalisierten kapitalistischen Weltsystem, mit seinen immer schon existierenden, mittlerweile aber stark ausgebauten Produktions- und Wertschöpfungsketten über Grenzen hinweg. Klassenkampf macht so nationalstaatsbezogen keinen Sinn mehr, sowohl das Zusammenfließen der Klassenkerne als auch der Kämpfe hat immer auch eine transnationale Ebene. Durch die technologische Entwicklung wurde eine Internationalisierung von Produktionsabläufen möglich, mit der von den Besitzenden der Produktionsanlagen eine extreme Zunahme von entgrenzter Konkurrenz durchgesetzt wurde: Mit der zunehmenden weltweiten Standortkonkurrenz zwischen den nationalen Wettbewerbsstaaten wurden funktionierende nationale Absatzmärkte und deren Stabilisierung durch garantierte Lohnquoten und Sozialstaat überflüssig. Austeritätspolitik und Deregulierung ermöglichten auch in den kapitalistischen Metropolen den Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen aus der gesellschaftlichen Teilhabe, wie sie bis dahin nur in den Staaten der Peripherie im Süden üblich war. Durch die Entgarantierung traditioneller Lohnarbeitsverhältnisse in Vollzeit brach auch die Rolle des Familienernährers auf. So kam es nicht nur zur materiellen Verunsicherung der männlichen weißen Facharbeiter, sondern auch zu neuen flexiblen Chancen für Frauen, Eingewanderte, Minderheiten, niedrig wie höher Qualifizierte im Bereich der Lohnarbeit.

Dass diese Chancen genutzt werden, ist nicht die Ursache der Abwertung der männlichen weißen Arbeiter. Ebenso wenig wie ein nebulöser „Neoliberalismus“: Ein Begriff wie ein Feindbild, der nicht politökonomisch hergeleitet wird, sondern mit Ressentiments gegen „die da oben gegen die „ein Prozent, die „Eliten einhergeht. Und von einer ideologisch motivierten Trennung von produktivem Industrie- versus spekulativem Finanzkapital ausgeht, die es in der grausamen politökonomischen Realität nicht gibt. Charakteristisch sind die fließenden Übergänge zwischen Industrie- und Finanzkapital. Antikapitalismus braucht eine radikale Kritik der politischen Ökonomie, die auf der Ablehnung der Lohnarbeit und des stummen Zwanges in sie basiert. Es gilt, Verteilungskämpfe innerhalb des Kapitalismus, darum, sich möglichst teuer zu verkaufen, nicht als den ganzen Klassenkampf zu verstehen. Es ist bestenfalls der Halbe und wird erst dann eine runde Sache, wenn in die Verteilungskämpfe das Aufbegehren gegen die Lohnarbeit, gegen Ausbeutung, Entfremdung und Zwang eingeschrieben ist. Sonst sind es legitime, notwendige, aber nicht an den notwendigen Bruch mit dem Kapitalverhältnis anschlussfähige Verteilungs-, gegenwärtig meist Abwehrkämpfe. Klassenkampf ist nicht denkbar ohne die Absicht, die Klassenverhältnisse positiv in einer ausbeutungsfreien Gesellschaft aufzuheben. Dies im Bewusstsein darum, dass die Arbeiterklasse in Deutschland im Nationalsozialismus negativ in die Volksgemeinschaft der Täter*innen der Shoah überführt wurde. Die Arbeiterklasse für sich oder Fragmente von ihr kann und können sich nach dieser Geschichte nur als sozialer Prozess neu konstituieren, mit einer transnationalen, antideutschen und antiherrschaftlichen Ausrichtung. Die Vorstellung einer statischen Klasse, wie sie im Arbeiterbewegungsmarxismus verstanden wird, ist obsolet. Traditionelle Linke behaupten gerne die Existenz „der“ Klasse für sich, um etwas zum vertreten zu haben, eine Legitimation für ihre Stellvertreterpolitik. Eine Arbeiterklasse für sich, als politisches Subjekt der Befreiung, als Selbstermächtigung, ist aber nur punktuell als verdichtetes Kräfteverhältnis möglich, nicht als quasi institutionalisierte soziale Einheit. Arbeiterklasse als politisches Subjekt hat und ist keine unveränderliche Essenz, sondern kann im Moment des Ausbruchs, des widerständigen sich Findens zusammenkommen, eine kritische Masse werden. Hilfreich können dafür Organisationen sein, Träger*innen von Flaschenpost voller Erfahrungen aus Kämpfen und der marxistischen Kritik der politischen Ökonomie – antagonistischer Theorie.

Klassenkampf ist nicht mit einer kapitalismusimmanenten Zielvorstellung denkbar. Durch die Perspektive des Bruchs mit der Kapitalverwertung an sich, durch sein revolutionäres Moment ist Klassenkampf an den Bruch mit dem umweltzerstörerischen Wachstumsfetischismus der Kapitalverwertung anschlussfähig. Der Kampf gegen die Lohnarbeit kann mit dem Kampf gegen die Klimazerstörung zusammengehen, wenn beides radikal gedacht wird. Sonst nicht. Gegen die Vernutzung der Natur, gegen die Vernutzung der Lohnarbeitenden. Das Eine macht ohne dass Andere auch keinen Sinn.

Wichtig ist dabei, Befreiung von der Lohnarbeit und der Naturzerstörung von unten heranzugehen. Nicht über die Apparate von Wahlparteien, welche durch die Parlamentsarbeit dominiert werden, sondern über soziale Bewegungen von unten, über radikale, organisierte Kerne in ihnen. Gaston Kirsche

Der Umbau von einer Kirche zum Supermarkt – geht flott voran!

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Fotos Jens Meyer

Mein Opa bei Broschek

Ist mir aus meiner fernen Sicht nicht aufgefallen. Nun ist es wohl weg, das Druck- und Verlagshaus des A. Caesar Springer. Meine Erinnerungen sind vielfältig: Mein Großvater, August Holler, arbeitete dort zuletzt als Briefkastenonkel und Archivar, und ich konnte ihn dort besuchen und eine kostenlose Zeitung mitnehmen: Hamburger Echo, Hamburger Abendblatt mit der bunten Seite. Der Opa arbeitete ursprünglich für das Hamburger Fremdenblatt, Broschek-Verlag, mehr als 50 Jahre. Er redigierte Bücher, las Korrektur, war das „Hamburg-Gedächtnis“ des Verlags, und er schrieb Bücher, u.a. Die alten Hamburger Friedhöfe. Nach dem Krieg war es schwer für die Hamburger Zeitungen. Springer drängte auf den Markt, Geld war kaum da, der Anzeigenmarkt umkämpft. Der alte Broschek mogelte bei der Zahl der Auflage, um höhere Anzeigenerlöse zu gewinnen. Springer merkte das und drohte Broschek mit Prozess und Skandal, wenn er, Broschek, ihm nicht das Fremdenblatt verkaufte. Broschek stimmte notgedrungen zu.

Das Fremdenblatt wurde daraufhin eingestellt und blieb nur als Erinnerungszeile unter dem Titel des Abendblattes erhalten. Springer entledigte sich der meisten Angestellten und schickte sie zur Arbeitslosenversicherung, So wollte er auch mit meinem Opa verfahren. Pikantes Detail: Das Fremdenblatt hatte einen Pensionsfonds, der höher war als der Kaufpreis des Fremdenblattes. Den hatten sich die Arbeiter und Angestellten bei Broschek verdient und dafür eingezahlt. Springer strich diesen Pensionsfonds (ca. 2 Mio. Mark) lautlos ein und war daraufhin in der Lage, sein schmutziges Zeitungsimperium aufzubauen.

Mein Großvater klagte als Einziger gegen die Einziehung des Pensionsfonds, auf die Weiterbeschäftigung und seine rechtmäßige Rente aus dem Fonds und er bekam in allen Punkten Recht. Leider hat es die Justiz damals versäumt williger Weise, Springer für diesen Großdiebstahl haftbar zu machen und zu bestrafen. Es wäre der Hamburger Zeitungslandschaft und den Lesern und Leserinnen vieles Schlechte erspart geblieben. Pidder Holler 15. September 2021

Springer wird abgerissen
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Fuhlentwiete
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Fotos Jens Meyer