Briefe an Wiebeke (XII) Ossi Oswalda im Haus ohne Männer

Ossi Oswalda
Die Römischen Zahlen am Heck

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Briefe an Wiebeke (XII) Ossi Oswalda im Haus ohne Männer

Hallo Wiebeke,

wie ich auf diesen Film komme? Das ist ganz einfach: Durch den Kontakt mit Mark Lissauer aus Australien! Du erinnerst Dich an den kleinen Jungen auf dem Balkon im vierten Stock? In der Grindelalllee 116 ?

Das ist Mark Lissauer. Damals mit Vornamen Hermann. Unten war das Kino von seiner Oma. Keine richtige Oma. Für eine Oma viel zu jung. Ihre Tochter Fanny, die neben Hermann auf dem Balkon steht, ist 11 Jahre alt und Hermann ist gerade acht Jahre alt geworden.

Anhand der Plakate, die in dem Schaukasten des Kinos hängen und einem Plakat von diesem Film: “Das Haus ohne Männer“ habe ich herausgefunden, wann das Foto entstanden ist: Im Sommer 1931. Wer es gemacht hat, wußte Mark nicht mehr. Ist ja auch schon ne Weile her. Im Thalia Kino konnten schon Tonfilme gezeigt werden, aber dies war noch ein Stummfilm. Übrigens einer, zu dem ein berühmter Komponist eine Musik komponiert hatte: Paul Dessau.

Oder ist der gar nicht so berühmt? Jedenfalls hat er mal bei mir gegenüber gewohnt. Da wo er gewohnt hatte, ist jetzt eine Tiefgarage und oben drauf eine Liegewiese, die man aus bestimmten Gründen besser nicht benutzt. Hunde können offensichtlich nicht lesen, das Ihnen der Zutritt zur Wiese verwehrt wird. Aber das gehört nicht hierher.

Die Hauptrolle hatte die damals (offensichtlich sehr berühmte) Schauspielerin Ossi Oswalda, die eigentlich Oswalda Amalie Anna Stäglich hieß. Sie war in vielen Lubitsch Filmen zu sehen. Es geht die Legende, sein Drehbuchautor Hanns Kräly, der mit Lubitsch zusammen nach Hollywood gegangen ist, habe die Schauspielerin entdeckt.

Ob es eine Kopie dieses Filmes gibt, weiss ich nicht. Leider fehlt bei Filmportal.de eine Inhaltsangabe. Und im Netz habe ich auch nichts gefunden. Eine Freudin, die ich von der dffb her kenne, hat mir das Filmheft auf den Scanner gelegt, das damals zu diesem Film erschienen ist. Die Inhaltsangabe ist so lang wie ein Roman. So kommt es mir jedenfalls vor. Wer hat so lange Texte vor dem Kinobesuch gelesen?

Aber wie wir uns schon denken können: Es ist ein Liebesfilm. Natürlich einer mit Hindernissen. Im Haus ohne Männer haben sich vier emanzipierte Frauen gefunden, denen das Haus gehört und die dort zusammen wohnen. Das Wort „emanzipiert“ stand 1928 noch im Fremdwörterbuch. Nur damit keine Rückfragen von Dir kommen: Da steht es immer noch: In der Ausgabe von 2001 der Firma Duden auf Seite 263.

Männern wird der Zutritt verwehrt: Eva, Elisa,Tamara und Marianne sind berufstätig und sorgen für sich selbst.

Eva wird von Ossi Oswalda gespielt. Sie ist selbständig und gut situiert.

Dann gibt es noch Friedel. Friedel hat völlig andere Ansichten vom Leben. Sie ist glücklich verliebt und mit Lothar verlobt. Doch dann gerät sie in Not. Sie wird verdächtigt 500 Mark (RM) unterschlagen zu haben.

Und dann kommt es zu allen möglichen Verwicklungen. Am Ende sind aber alle wieder glücklich und zufrieden. Der letzte Satz im Programmheft zeigt es: Es ist beabsichtigt „Das Haus ohne Männer“ anderweitig zu vermieten“.

Zur Biografie von Ossi Oswsalda schreibt Filmportal.de an anderer Stelle:

Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 emigrierte Oswalda mit ihrem jüdischen Ehemann Julius Aubenberg in die Tschechoslowakei und lebte in Prag“

Das ermuntert mich natürlich dazu, mal weiter zu suchen und ich denke bei mir, schon wieder so eine Geschichte aus Deutschland: Irgendwo kratzt man und was kommt hervor? Genau. Das, was man schon vermutet hatte.

Aus dem: „Illustrierter Film Kurier“: (Nummer 1003) mühevoll abgeschrieben. Hat sich was – mit markieren und einfügen (!!):

Das Haus ohne Männer:

Manuskript: Kurt J. Braun, Regie: Rolf Randolf, Photographie: Alfred Hansen, Titel: Max Ehrlich, Bauten: Heinrich Richter, Personen: Eva = Ossi Oswalda, Friedel = Iwa Wanja, Elisa = Ida Renard, Tamara = Valeria Blanka, Marianne = Jbolya Szekely, Ralf = Livio Pavanelli, Lothar = Hans Brausewetter, Der Nachtwächter = Fitz Kampers, Der Direktor = J. v. Szöreghy, Der Tanzmeister = Bruno Arno, Die Köchin = Trude Lehmann. Zeit und Ort der Handlung: Der Film spielt heute und morgen in einer Großstadt und ihrer Umgebung. Produktion: Olympia Film G.m.b.H., Berlin. Verleih: „DERUSSA“ . Deutsch-Russsische Film-Allianz A. G., Berlin SW 348, Friedrichstr. 8.

Leipzig*Hamburg*Frankfurt a. M.*Düsseldorf*Königsberg i. Pr.

Inhalt:

“Wenn eine Frau von der Liebe enttäuscht ist, so wird sie zur Männerfeindin – bis zu nächsten Liebe. Da haben sich vier moderne Mädels ein Haus eingerichtet, das kein Mann betreten darf. Tagsüber sind alle vier beruflich so sehr in Anspruch genommen, daß sie froh sind, die Abende ganz unter sich zu verbringen.

Hauptbedingung: nur möglichst wenig mit den Männern zusammenkommen, mit denen man schon im Laufe des Tages genug Ärger hat! – Die Führerin dieser Vier ist Eva, gutsituiert, hübsch und überaus selbstständig. In derselben Stadt lebt ein junges Mädel, Friedel, die ganz andere Ansichten vom Leben hat, denn sie ist glücklich verliebt und verlobt. Diese Friedel gerät eines Tages in den Verdacht, fünfhundert Mark unterschlagen zu haben.

In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an Lothar, ihren Verlobten, in der Hoffnung, daß er ihr helfen werde. Aber als sie ihn aufsucht, erwartet sie der zweite Schlag. Sie überrascht Lothar mit einer fremden Dame, ihn, von dessen Treue sie bis dahin fest überzeugt war. Friedel flüchtet, ohne daß Lothar sie über das Mißverständnis aufklären und ihr sagen kann, daß er mit jener Dame eben Friedels Angelegenheit in Ordnung bringen wollte.

Sie flüchtet in das „Haus ohne Männer“, in das man sie schon so oft eingeladen hat. Dort nimmt man sie auf, beruhigt sie, verwöhnt sie. –

Lothar versucht vergeblich, mit Friedel in Verbindung zu treten, um ihr zu sagen, daß er selbst schließlich bei seiner Bank fünfhundert Mark unterschlagen hat, um Friedels Fehlbetrag zu ersetzen und sie vor polizeilichen Recherchen zu schützen. Er selbst hofft, das Geld bis zur nächsten Revision längst von seinem Gehalt ersetzen zu können.

Aber er kann Friedel nicht sprechen, sie wird von ihren neuen Freundinnen vor dem „Treulosen“ bewahrt. – Da sie darunter mindestens ebenso leidet wie Lothar, entschließt sich Eva als die Chefin des Hauses eines Tages, diesen ominösen Lothar aufzusuchen und ihm beizubringen, daß er seine Nachstellungen aufzugeben habe. Das geschieht – nur passiert Eva ein kleiner Irrtum. Sie verwechselt Lothar, den sie nicht kennt, mit seinem besten Freund Ralf – und sie ist überrascht, einen charmanten Mann kennen zu lernen, der ganz anders ist, als sie erwartete. –

Das Unvermeidliche kommt. Es bleibt nicht bei dem ersten Zusammentreffen- sie sehen sich öfters – und plötzlich entdeckt Eva mit Schrecken, daß sie sich in den vermeintlichen Bräutigam ihrer kleinen Freundin verliebt hat. –

Inzwischen hat Lothar übrigens die Zeit nicht ungenützt verstreichen lassen. Er hat eines Nachts seine Friedel in dem Haus ohne Männer aufgesucht, ist unter allerlei Abenteuern zu ihr vorgedrungen, und sie haben sich wieder versöhnt. Davon hat Eva keine Ahnung. Sie sieht nur, daß dieser Flirt mit dem vermeintlichen Lothar nicht weitergehen darf. Sie will es ihm klarmachen. Statt einer Antwort lockt dieser entsetzliche Mensch sie auf ein Motorboot und entführt sie für zwei Tage. –

Inzwischen droht Friedels neues Glück wieder in Trümmer zu gehen: die Kassenrevision bei Lothars Bank findet unerwartet früh statt. Die Freundinnen aus dem „Haus ohne Männer“ springen ein. Alle legen zusammen, der Fehlbetrag wird gedeckt, alles wäre in Ordnung, wenn – wenn Eva noch da wäre.

Aber die ist für zwei Tage verschwunden. Sie sitzt ganz allein auf einem Motorboot mit Ralf und wehrt sich energisch gegen den Gedanken, daß sie diesen Mann liebt. Aber schließlich – die Einsamkeit- und er ist so nett und sie ist doch auch nur eine Frau. Also als die zwei Tage vorbei sind, kommt Eva zurück und erklärt ihrer kleinen Freundin Friedel kategorisch, daß es zwar skandalös sei, aber sie liebe den Mann und könne ohne ihn nicht mehr leben!

Zu ihrem Erstaunen ist Friedel gar nicht unglücklich – im Gegenteil: Sie präsentiert ihren richtigen Lothar – und reichlich spät kommt Ralf dazu, sich seiner Eva endlich vorzustellen und den kleinen Irrtum aufzuklären. –

Es ist beabsichtigt, das „Haus ohne Männer“ anderweitig zu vermieten.“

(aus dem Film Kurier, geschrieben von Herman Weist, Berlin Charlottenburg)

Filmportal.de zählt 54 Filme zwischen 1916 und 1943, in denen Ossi Oswalda mitgespielt hat. Einige davon, die unter der Regie von Ernst Lubitsch entstanden sind, werden auch heute noch hin und wieder gezeigt. Ob es von dem Film “Haus ohne Männer“ noch eine Kopie gibt, ist unklar. Und ob sich eine Suche nach diesem Film wirklich lohnt, weiss man erst, wenn die Suche erfolgreich war.

Biografie aus Filmportal.de:

“Ossi Oswalda (bürgerlich: Oswalda Amalie Anna Stäglich) wurde am 2. Februar 1898 in Niederschönhausen geboren. Als sie vier Jahre alt war, starb der Vater, sodass sie fortan bei ihrer taubstummen Mutter aufwuchs. Bereits als Kind erhielt Oswalda Tanzunterricht und ging schließlich nach Berlin, wo sie als Chortänzerin bei einem Theater arbeitete.

Dort erregte sie 1916 die Aufmerksamkeit des Schauspielers und Drehbuchautors Hanns Kräly, der sie zum Film brachte: Auf seine Empfehlung hin gab sein Freund und Weggefährte Ernst Lubitsch ihr eine Rolle als Lehrmädchen in „Schuhpalast Pinkus“ (1916), zu dem Kräly das Drehbuch mitgeschrieben hatte und in dem er selbst eine zentrale Rolle spielte. Im Jahr darauf bekam Oswalda ihre erste Hauptroller in Lubitschs „Wenn vier dasselbe tun“, der ein Publikumserfolg war.

In den nächsten Jahren avanciert Ossi Oswalda zum Star von Lubitschs frühen Komödien. Sie spielte die Herzogin in „Prinz Sami“ (1917), die Tanzmaus in „Das Mädel vom Ballett“ (1918) und die Diva in „Meine Frau, die Filmschauspielerin“ (1919). Zuweilen trug sie in Lubitschs ganz auf sie zugeschnittenen Filmen nicht einmal einen Rollennamen, sondern hieß schlichtweg „Ossi“, etwa in „Ossi’s Tagebuch“ (1917), „Ich möchte kein Mann sein“ (1918) und in dem Klassiker „Die Austernprinzessin“ (1919). Bis 1920 drehten die beiden insgesamt 13 gemeinsame Filme (oft nach Drehbüchern von Kräly, der auch zum Ensemble gehörte).

Die letzte Zusammenarbeit war der Film-Sketch „Die Wohnungsnot“ (1920), der heute als verschollen gilt. Nur vereinzelt arbeitete Oswalda während der Lubitsch-Jahre mit anderen Regisseuren, so etwa mit Adolf Gärtner bei dem Stuart-Webbs-Krimi „Der Hilferuf“ (1916) und mit Georg Jacobi bei dem Melodram „Das Schwabemädle“ (1918).

Von Kritik und Publikum wurde sie während dieser Phase als eine Art Nachfolgerin der 1916 verstorbenen Dorrit Weixler wahrgenommen. So schrieb der Kritiker Georg Popper 1920: „Ossi Oswalda als Backfisch ist so entzückend, so naiv-übermütig und spielt ihre etwas schablonenhafte Rolle so reizend, daß der Verlust, den die deutsche Filmindustrie mit dem Tode Dorrit Weixlers, der ersten und bisher unübertroffenen Backfischdarstellerin, erlitten hat, bei weitem wieder wettgemacht wird.“

Andererseits stieß Oswaldas oft etwas schrilles und überdrehtes Spiel manche Kritiker ab: „Ein Ossi-Oswalda-Film“, so Béla Balázs 1920, sei „an einer Reihe roher, bochesquer Geschmacklosigkeiten zu erkennen“. Unzweifelhaft ist, dass sie zusammen mit Henny Porten und Asta Nielsen eine der ersten großen Diven des deutschen Films war.

1921 gründete Oswalda die Ossi Oswalda-Film GmbH, geleitet von ihrem damaligen Ehemann Baron Gustav von Kocrzian. Bis 1924 produzierte sie fünf Filme, alle mit und unter der Regie von Victor Janson, der schon in einigen Lubitsch-Filmen ihr Partner war. Zugleich vollzog Ossi Oswalda in den 1920er Jahren einen Image-Wandel vom frechen Mädchen zum „Berliner Girl“, mit mondänen Attitüden und verzückten Tanzeinlagen in extravaganten Kostümen.

1925 kam sie bei der Ufa unter Vertrag, womit eine überaus produktive und erneut sehr erfolgreiche Phase ihrer Karriere begann: Bis 1929 wirkte sie in rund 20 Filmen mit, darunter „Die Fahrt ins Abenteuer“ (1926) mit Willy Fritsch, „Gräfin Plättmamsell“ (1926) mit Curt Bois, Carl Boeses „Ossi hat die Hosen an“ (1928) und Conrad Wienes „Die Vierte von rechts“ (1929). „Der Dieb im Schlafcoupée“ (1929) war ihr letzter Stummfilm. Auf der Bühne sah man sie 1929 in einer Leo-Fall-Operette, gefolgt von einem Auftritt bei den Wiener Festwochen in „Der Graf von Luxemburg“, unter musikalischer Leitung von Franz Léhar.

Im Tonfilm konnte Ossi Oswalda jedoch nicht an ihre früheren Erfolge anknüpfen.

Nur zweimal stand sie für deutsche Tonfilme vor der Kamera: als Messerwerferin in „Der keusche Josef“ (1930, Regie: Georg Jacoby) und als Varieté-Tänzerin in dem Kriminaldrama „Der Stern von Valencia“ (1933).

Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 emigrierte Oswalda mit ihrem jüdischen Ehemann Julius Aubenberg in die Tschechoslowakei und lebte in Prag. Dort entstand 1943 nach einer Vorlage von ihr die Gesellschaftskomödie „Čtrnáctý u stolu“ („Fourteen at the Table“). Danach wurde es still um den einstigen Stummfilmstar. Verarmt und von der Öffentlichkeit abgeschieden, starb Ossi Oswalda am 17. Juli 1947 mit nur 50 Jahren in Prag.“

(Aus: filmportal.de, abgerufen am 2. Juni 2022).

Béla Balázs (HerbertBauer) ca. 1910
Béla Balázs (Herbert Bauer) Foto von Emil Keglovich 1856-1912 (gemeinfrei) 1910

UFA Organisation des Verkaufsgeschäftes 27. Juli 1938

Abschrift: LBB vom 27. Juli 1938 Beilage zu NR. 174 (31. Jahrgang)

Die Organisation des Verkaufsgeschäfts der Ufa

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pdfAbschrift-LBB-vom-27-Juli-1938

Die Leitung

Dr. Kalbus und Dir. Zimmermann, geschäftsführende Direktoren der Ufa-Filmverleih G. m. b. H.: Dir. Meydam und Dir. Kuhnert, Vorstandsmitglieder der Universum Film A.-G.

Die Verkaufskräfte

Zentrale

Spielfilm-Vertrieb.

Sachbearbeiter: Dr. Künzig für Zentrale sowie die Geschäftsstellen Berlin, Düsseldorf und Wien, ferner für Zentrale sowie die Geschäftsstellen Hamburg, Frankfurt a. M. und München.

Kulturfilm Vertrieb.-

Leitung: Dr. Künzig; Nichtgewerbliche Spielstellen: Dr. Strohm (Verkauf), Paul Hapke (Verleih-Disposition); Spielzeugfilm: Bernard Brosterhues (Verkauf).

Weitere Büros.-

Kontrollbüro und Statistik: Walter Kühne; Bestellbüro: Frl. Margarete Bartels ; Disposition (Reservematerial): Frau Lotte Haube; Versand Abtlg. Tempelhof: Leitung Gustav Kluche; Hauptbuchhhaltung (Verleih): Kurt Müller; Verleih-Theaterkontrolle: Willy Killian; Technischer Kundendienst: Leo von Weiher.

Geschäftsstelle Berlin

Filialleiter: Hans Kubaschewski; Filialleiter-Assistent: Heinz Steckel. Reisevertreter Berlin: Hermann Hohmann (Berlin Stadt I) Lothar Bruns (Berlin Stadt II); Georg Rückert (Brandenburg und Pommern), Rudolf Jaeger (Ostpreußen); Hans Büttner (Schlesien); Rudolph Ernst (Mitteldeutschland I), Heinz Krüger (Mitteldeutschland II); Paul Bucher (Mitteldeutschland III); Buchhaltungsvorstand: Bruno Sallin- – Disposition: Frl. Edith David (Berlin Stadt I), Günther Kuhlwein (Berlin Stadt II), Fritz Wiedenhöft (Mitteldeutschland II);, Gustav Rücker (Mitteldeutschland I sowie alle Ufa-Theater ausgenommen Berlin Stadt); Fritz Wiedenhöft (Mitteldeutschland II); Joachim Fiedler (Mitteldeutschland III); Walter Sonnenburg (Mitteldeutschland IV); Frl. Else Bartholomäus (Ostpreußen und die östliche Hälfte von Pommern); Frau Frieda Heinrich (Teilbezirk Brandenburg und Teilbezirk der westlichen Hälfte von Pommern); Willy Langkammer (Teilbezirk Brandenburg und Teilbezirk der vwestlichen Hälfte von Pommern); Frl. Barbara Meyer (Schlesien I und nördlicher Teil Schlesiens einschl. Breslau), Bruno Kicherer (Schlesien II. südlicher Teil Schlesiens); Hans Joessel (Wochenschau); Paul Hapke (Nichtgewerbliche Spielstellen). – Lagerverwaltung und Expedition: Gustav Kluche. – Reklameverwaltung: Karl Meier.

Geschäftsstelle Hamburg

Filialleiter: Maximilian Fels; Filialleiter-Assistent: Kurt Kaelber; Reisevertreter: Walter Florian (Zonen I – X); Theodor Lange (Zonen IX und X ); Buchhaltungsvorstand: Karl Löwer.- Disposition: Louis Bodeck (Zonen I—IV); Frl. Gertrud Kempe (Zonen VII bis X links der Elbe), Frl. Marie Rubbert (Zonen VII- X rechts der Elbe und nichtgewerbliche Spielstellen); Gottlieb Bartels (Wochenschau)- Lagerverwaltung und Expedition: Wilhelm Tesmer.- Reklameverwaltung: Bruno Ewert.

Geschäftsstelle Frankfurt a. M.

Filialleiter: Oskar Mertz; Filialleiter-Asssistent: Julius Horch. – Reisevertreter Werner Heimann (Nord), Wilhelm Komm (West), Werner Dalchow (Süd) Peter Emmel (Wochenschauen und nichtgewerbliche Spielstellen); – Buchhaltungsvorstand: Julius Horch. – Disposition: Frau Viktoria Feurer (West( Saar, Pflaz, Rheinhessen, südl. Rheinprovinz, Birkenfeld) und Ufa-Theater). Frl. Fränze Mergler (Nord (Hessen-Nassau, Oberhessen, Unterfranken), Hans Hampel (Süd ( Baden, Hessen-Starkenburg, nordwestl. Württemberg, Peter Emmel (Wochenschauen und nichtgewerbliche Spielstellen)- Lagerverwalter: EgidiusKneis. -Expedient: Hans Haas. Reklameverwaltung: Karl Ruß.

Geschäftsstelle München

Filialleiter: Hanns Loebel; Filialleiter-Asssistent: Lothar Binder; Reisevertreter: Georg Fraundorfer (Zonen I-X). Josel Mühlbauer (Zonen IX und X)- Buchhaltungsvorstand: Lothar Binder.- Disposition Frau Josefine Matiegzeck (Bayern und Württemberg. Buchstabe A-K einschl. München einschließlich nichtgewerbliche Spielstellen). Frl. Hermine Stahl (Bayern und Württemberg. Buchstabe L-Z. ausschl. München einschl. nichtgewerbliche Spielstellen). Lothar Belck (Bayern und Württemberg . Buchstabe G-M der Zone X. Wochenschau und Gaufilmstellen)- Lagerverwaltung und und Expedition Hanns Ohlwerther-. – Reklameverwaltung: Ludwig Mayr.

Geschäftstelle Düsseldorf

Filialleiter: Fritz Mildner; Filialleiter-Asssistent: Frl. Albertine Reinhardt; Reisevertreter: Gerhard Hilsebein (Rheinland Zonen I-VIII); Kurt Hammer (Rheinland Zonen I-X). Fritz Patschke (Rheinland Zonen VIII- X) – Buchhaltungsvorstand : Wilhelm #schewe. – Disposition: Chedisponent Walther Zimmer, Paul Braun (Plätz A-F). Frl. Gertrud Lehnhausen (Plätze G-Qu und Konzerntheater), Erich Meißner (Plätze R-Z, Wochenschau und nichtgerwerliche Spielstellen). Lagerverwaltung und Expedition: Clemens Buse. – Reklameverwaltung: Frl. Maria Krämer.

Geschäftsstelle Wien

Filialleiter (kommissarisch): Hans Martin.- Stellvertreter in Verkaufsangelegenheiten: Franz Brandt.- Stellvertreter in Buchhaltungs-, Verwaltungs- und Personalfragen: Albert Rosvneck. – Reisevertreter : Franz Brandt (Wien Stadt). Karl Mayrhofer (Zonen VIII-X). – Verkaufsassistent: Eugen Lachowicz.- Buchhaltungsvorstand: Albert Rosynck. Disposition: Frau Ottilie Thausing (Wien-Stadt Gaubezirk), Frau Grete Castner (Gaue Oberdonau, Tirol und Salzburg einschl. nichtgewerbliche Spielstellen). Frau Josefine Toifl (Niederdonau einschl. nichtgewerbliche Speilstellen), Frl. Klara Mumb (Wochenschau), Ewugen Lachowicz (Hilfsdisposition). – Lagerverwaltung und Expedition: Rudolf Sarsteiner. – Reklameverwaltung: Leo Breitenlacher.

Ufa Abbruch Hamburg Foto Jens Meyer
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Briefe an Wiebeke (XI) Über Mark Twain. Die schreckliche deutsche Sprache (1880)

Romische Zahlen am BUG

Hallo Wiebeke, die Aufklärung über den wunderbaren Text von Mark Twain hätte ohne Dein Zutun nicht stattgefunden. Und damit die Erkenntnisse nicht verloren gehen und ohne Spuren zu hinterlassen gelesen und verbreitet werden können, habe ich den Text hier eingestellt. Nochmal Danke.

Die schreckliche deutsche Sprache Ein bisschen Bildung macht alle Welt verwandt. Sprüche 32,7

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Ich ging oft ins Heidelberger Schloss, um mir das Raritätenkabinett anzusehen, und eines Tages überraschte ich den Leiter mit meinem Deutsch, und zwar redete ich ausschließlich in dieser Sprache. Er zeigte großes Interesse; und nachdem ich eine Weile geredet hatte, sagte er, mein Deutsch sei sehr selten, möglicherweise ein «Unikat»; er wolle es in sein Museum aufnehmen.

Wenn er gewusst hätte, was es mich gekostet hat, meine Kunst zu erwerben, so hätte er auch gewusst, dass es jeden Sammler ruinieren würde, sie zu kaufen. Harris und ich arbeiteten zu dieser Zeit bereits seit mehreren Wochen hart an unserem Deutsch, und wir hatten zwar gute Fortschritte gemacht, aber doch nur unter großen Schwierigkeiten und allerhand Verdruss, denn drei unserer Lehrer waren in der Zwischenzeit gestorben.

Wer nie Deutsch gelernt hat, macht sich keinen Begriff, wie verwirrend diese Sprache ist. Es gibt ganz gewiss keine andere Sprache, die so unordentlich und systemlos daherkommt und dermaßen jedem Zugriff entschlüpft. Aufs Hilfloseste wird man in ihr hin und her geschwemmt, und wenn man glaubt, man habe endlich eine Regel zu fassen bekommen, die im tosenden Aufruhr der zehn Wortarten festen Boden zum Verschnaufen verspricht, blättert man um und liest: «Der Lernende merke sich die folgenden Ausnahmen.» Man überfliegt die Liste und stellt fest, dass es mehr Ausnahmen als Beispiele für diese Regel gibt. Also springt man abermals über Bord, um nach einem neuen Ararat zu suchen, und was man findet, ist neuer Treibsand.

Dies war und ist auch jetzt noch meine Erfahrung. Jedes Mal, wenn ich glaube, ich hätte einen dieser vier verwirrenden Fälle endlich da, wo ich ihn beherrsche, schleicht sich, mit furchtbarer und unvermuteter Macht ausgestattet, eine scheinbar unbedeutende Präposition in meinen Satz und zieht mir den Boden unter den Füßen weg. Zum Beispiel fragt mein Buch nach einem gewissen Vogel (es fragt immerzu nach Dingen, die für niemanden irgendwelche Bedeutung haben): «Wo ist der Vogel?»

Die Antwort auf diese Frage lautet – gemäß dem Buch – , dass der Vogel in der Schmiede wartet, wegen des Regens. Natürlich würde kein Vogel so etwas tun, aber «Die Koffer waren gepackt, und er reiste, nachdem er seine Mutter und seine Schwestern geküsst und noch ein letztes Mal sein angebetetes Gretchen an sich gedrückt hatte, das, in schlichten weißen Musselin gekleidet und mit einer einzelnen Nachthyazinthe im üppigen braunen Haar, kraftlos die Treppe herabgetaumelt war, immer noch blass von dem Entsetzen und der Aufregung des vorangegangenen Abends, aber voller Sehnsucht, ihren armen schmerzenden Kopf noch einmal an die Brust des Mannes zu legen, den sie mehr als ihr eigenes Leben liebte, ab.»

«The trunks being now ready, he de-after kissing his mother and sisters, and once more pressing to his bosom his adored Gretchen, who, dressed in simple white muslin, with a single tuberose in the ample folds of her rich brown hair, had tottered feebly down the stairs, still pale from the terror and excitement of the past evening, but longing to lay her poor aching head yet once again upon the breast of him whom she loved more dearly than life itself, parted.»

Es ist jedoch nicht ratsam, zu lange bei den trennbaren Verben zu verweilen. Man verliert bald unweigerlich die Beherrschung, und wenn man bei dem Thema bleibt und sich nicht warnen lässt, weicht schließlich das Gehirn davon auf oder versteinert. Personalpronomen und Adjektive sind eine ewige Plage in dieser Sprache, und man hätte sie besser weggelassen. Das Wort «sie» zum Beispiel bedeutet sowohl «you» als auch «she» als auch «her» als auch «it» als auch «they» als auch «them». Man stelle sich die bittere Armut einer Sprache vor, in der ein einziges Wort die Arbeit von sechs tun muss –noch dazu ein so armes, kleines, schwaches Ding von nur drei Buchstaben. Vor allem aber stelle man sich die Verzweiflung vor, nie zu wissen, welche dieser Bedeutungen der Sprecher gerade meint.

Das erklärt auch, warum ich im Allgemeinen jeden, der «sie» zu mir sagt, umzubringen versuche, sofern ich ihn nicht kenne. Nun zum Adjektiv. Hier haben wir einen Fall, in dem Einfachheit ein Vorzug gewesen wäre, und nur aus diesem und aus keinem anderen Grund hat der Erfinder das Adjektiv so kompliziert gestaltet, wie es eben ging. Wenn wir in unserer eigenen aufgeklärten Sprache von unserem «good friend» oder unseren «good friends» sprechen wollen, bleiben wir bei der einen Form, und es gibt deswegen keinen Ärger und kein böses Blut. Im Deutschen jedoch ist das anders.

Wenn einem Deutschen ein Adjektiv in die Finger fällt, dekliniert und dekliniert und dekliniert er es, bis aller gesunde Menschenverstand herausdekliniert ist. Es ist so schlimm wie im Lateinischen. Er sagt zum Beispiel: Singular Nominativ: Mein guter Freund (my good friend) Genitiv: Meines guten Freundes (of my good friend) Dativ: Meinem guten Freunde (to my good friend) Akkusativ: Meinen guten Freund (my good friend) Plural N.: Meine guten Freunde (my good friends) G.: Meiner guten Freunde (of my good friends) D.: Meinen guten Freunden (to my good friends) A.: Meine guten Freunde (my good friends) Nun darf der Kandidat fürs Irrenhaus versuchen, diese Variationen auswendig zu lernen – man wird ihn im Nu wählen.

Vielleicht sollte man in Deutschland lieber auf Freunde verzichten, als sich all diese Mühe mit ihnen zu machen. Ich habe gezeigt, wie lästig es ist, einen guten (männlichen) Freund zu deklinieren; das ist aber erst ein Drittel der Arbeit, denn man muss eine Vielzahl neuer Verdrehungen des Adjektivs dazulernen, wenn der Gegenstand der Bemühungen weiblich ist, und noch weitere, wenn er sächlich ist. Nun gibt es aber in dieser Sprache mehr Adjektive als schwarze Katzen in der Schweiz, und sie müssen alle ebenso kunstvoll gebeugt werden wie das oben angeführte Beispiel. Schwierig? Mühsam? Diese Worte können es nicht beschreiben. Ich habe einen Studenten aus Kalifornien in Heidelberg in einem seiner ruhigsten Augenblicke sagen hören, lieber beuge er hundertmal beide Knie als auch nur einmal ein einziges Adjektiv, und es handelte sich nicht etwa um einen Turner.

Der Erfinder dieser Sprache scheint sich einen Spaß daraus gemacht zu haben, sie auf jede Art, die ihm nur in den Sinn kam, zu komplizieren. Wenn man zum Beispiel ein Haus oder ein Pferd oder einen Hund beiläufig erwähnt, schreibt man diese Wörter wie angegeben; aber wenn man sich auf sie im Dativ bezieht, hängt man ein närrisches und unnötiges e an und schreibt sie «Hause», «Pferde», «Hunde».

Da nun ein e oft den Plural bezeichnet (wie bei uns das s), kann es dem Anfänger leicht passieren, dass er zwei Monate lang aus einem Dativhund Zwillinge macht, bevor er seinen Irrtum entdeckt; und auf der anderen Seite hat manch ein Anfänger, der sich solche Einbuße nur schlecht leisten konnte, zwei Hunde erworben und bezahlt und nur einen von ihnen erhalten, da er diesen Hund unwissentlich im Dativ Singular kaufte, während er im Plural zu sprechen glaubte – wobei das Recht gemäß den strengen Gesetzen der Grammatik natürlich auf Seiten des Verkäufers war und das verlorene Geld daher nicht eingeklagt werden konnte.

Im Deutschen beginnen alle Substantive mit einem großen Buchstaben. Das ist nun wahrhaftig mal eine gute Idee, und eine gute Idee fällt in dieser Sprache durch ihr Alleinstehen notwendigerweise auf. Ich halte diese Großschreibung der Substantive darum für eine gute Idee, weil man ihr zufolge ein Substantiv fast immer erkennen kann, sobald man es sieht. Hin und wieder irrt man sich allerdings und nimmt den Namen einer Person fälschlich für den einer Sache und verschwendet viel Zeit darauf, einen Sinn aus dem Ganzen herauszulesen. Deutsche Namen bedeuten fast immer etwas, und das fördert die Täuschung des Lernbeflissenen.

Ich übersetzte eines Tages einen Satz, in dem es hieß, die wütende Tigerin habe sich losgerissen und «den unglückseligen Tannenwald gänzlich aufgefressen». Schon rüstete ich mich, dies zu bezweifeln, da fand ich heraus, dass Tannenwald in diesem Falle der Name eines Mannes war. Jedes Substantiv hat sein grammatisches Geschlecht, und die Verteilung ist ohne Sinn und Methode. Man muss daher bei jedem Substantiv das Geschlecht eigens mitlernen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.

Um das fertig zu bringen, braucht man ein Gedächtnis wie ein Terminkalender. Im Deutschen hat ein Fräulein kein Geschlecht, eine Rübe dagegen schon. Welch eine übermäßige Hochachtung vor der Rübe und welch eine kaltherzige Missachtung des Mädchens verrät sich hier! Sehen Sie einmal, wie es sich gedruckt ausnimmt – ich übersetze im Folgenden ein Gespräch aus einem der besten deutschen Sonntagsschulbücher: Gretchen: «Wilhelm, wo ist die Rübe?» Wilhelm: «Sie ist in der Küche.» Gretchen: «Wo ist das vielseitig gebildete, schöne englische Mädchen?» Wilhelm: «Es ist in der Oper.» Gretchen: «Wilhelm, where is the turnip?» Wilhelm: «She has gone to the kitchen.» Gretchen: «Where is the accomplished and beautiful English maiden?» Wilhelm: «It has gone to the opera.»

Um mit den deutschen Geschlechtern fortzufahren: Ein Baum ist männlich, seine Knospen sind weiblich, seine Blätter sächlich; Pferde sind geschlechtslos, Hunde sind männlich, Katzen weiblich – Kater natürlich inbegriffen; Mund, Hals, Busen, Ellenbogen, Finger, Nägel, Füße und Rumpf eines Menschen sind männlichen Geschlechts; was auf dem Hals sitzt, ist entweder männlich oder sächlich, aber das richtet sich nach dem Wort, das man dafür benutzt, und nicht etwa nach dem Geschlecht des tragenden Individuums, denn in Deutschland haben alle Frauen entweder einen männlichen «Kopf» oder ein geschlechtsloses «Haupt». Nase, Lippen, Schultern, Brust, Hände, Hüften und Zehen eines Menschen sind weiblich, und sein Haar, seine Ohren, Augen, Beine, Knie, sein Kinn, sein Herz und sein Gewissen haben gar kein Geschlecht. Was der Erfinder der Sprache vom Gewissen wusste, wird er wohl vom Hörensagen gewusst haben. Aus obiger Sektion wird der Leser ersehen, dass in Deutschland ein Mann zwar glauben mag, er sei ein Mann, aber sobald er sich die Sache genauer ansieht, müssen ihm Zweifel kommen:

Er findet heraus, dass er in Wahrheit eine höchst lachhafte Mischung darstellt. Und wenn er sich dann mit dem Gedanken trösten möchte, dass doch immerhin ein verlässliches Drittel dieses Durcheinanders männlichen Geschlechts sei, wird der demütigende zweite Gedanke ihn sofort daran erinnern, dass er sich da um nichts besser steht als irgendeine Frau oder Kuh im Lande. Eine Frau ist zwar im Deutschen infolge eines Versehens des Erfinders der Sprache weiblich; ein Weib jedoch ist es zu seinem Pech nicht.

Ein Weib hat hier kein Geschlecht, es ist ein Neutrum; laut Grammatik ist also ein Fisch «er», seine Schuppen «sie», ein Fischweib aber keins von beiden. Ein Weib geschlechtslos zu nennen darf wohl als eine hinter dem Sachverhalt zurückbleibende Beschreibung gelten. Schlimm genug – aber übergroße Genauigkeit ist sicherlich noch schlimmer. Ein Deutscher nennt einen Bewohner Englands einen «Engländer». Zur Änderung des Geschlechts fügt er ein «-in» an und bezeichnet die weibliche Einwohnerin desselben Landes als «Engländerin». Damit scheint sie ausreichend beschrieben, aber für einen Deutschen ist das noch nicht exakt genug, also stellt er dem Wort den Artikel voran, der anzeigt, dass das nun folgende Geschöpf weiblich ist, und schreibt: «die Engländerin» (was soviel heißt wie «the she-Englishwoman»). Meiner Ansicht nach ist diese Person überbezeichnet. Schön. Aber auch wenn der Lernbegierige das Geschlecht einer großen Anzahl von Substantiven auswendig gelernt hat, hören die Schwierigkeiten noch nicht auf. Er kann nämlich seine Zunge einfach nicht dazu bringen, die Dinge, die er gewohnheitsmäßig mit «it» bezeichnet, nun auf einmal «he» und «she» bzw. «him» und «her» zu nennen.

Mag er sich auch im Geiste den deutschen Satz mit allen «hims» und «hers» an der richtigen Stelle zurechtgelegt haben und sich unter Aufbietung all seines Mutes anschicken, ihn auszusprechen – in dem Augenblick, in dem er den Mund aufmacht, bricht seine Zunge aus der Bahn aus, und die sorgfältig erarbeiteten männlichen und weiblichen Formen kommen als lauter «its» ans Licht. Und selbst wenn er für sich deutsch liest, nennt er diese Dinge immer «it», obwohl er doch eigentlich folgendermaßen lesen müsste: [Es folgt der Text «Tale of the Fishwife and its sad Fate»; dafür in der deutschen Übersetzung eingefügt: Sehen Sie den Tisch, es ist grün.]

Wohl in allen Sprachen sind Ähnlichkeiten in Aussehen und Klang zwischen Wörtern, bei denen keine Ähnlichkeit der Bedeutung besteht, eine ewige Quelle der Verwirrung für den Ausländer. Das ist in unserer eigenen Sprache so und ganz besonders auch im Deutschen. Da hätten wir zum Beispiel das lästige Wort «vermählt». Für mich hat es eine so große – wirkliche oder nur eingebildete – Ähnlichkeit mit drei oder vier anderen Wörtern, dass ich nie weiß, ob es tatsächlich «verheiratet» bedeutet (wie mir das Wörterbuch beim Nachschlagen immer wieder versichert) oder ob ich es nicht doch wieder einmal mit «verschmäht», «gemalt» oder «verdächtigt» verwechselt habe. Solche Wörter gibt es haufenweise, und sie sind eine echte Plage.

Damit die Schwierigkeiten noch größer werden, gibt es außerdem Wörter, die einander zu ähneln scheinen, sich jedoch in Wirklichkeit ganz und gar nicht ähneln; aber sie machen nicht weniger Ärger, als wenn sie es wirklich täten. Da haben wir zum Beispiel das Wort «vermieten» und das Wort «verheiraten». Ich habe von einem Engländer gehört, der in Heidelberg bei einem Mann anklopfte und in dem besten Deutsch, das ihm zur Verfügung stand, fragte, ob er ihm sein Haus verheiraten könne.

Dann gibt es da gewisse Wörter, die eins bedeuten, wenn man sie auf der ersten Silbe betont, aber etwas ganz anderes, wenn man den Ton auf die zweite oder letzte Silbe verschiebt. So kann man zum Beispiel mit einem Menschen umgehen oder aber ihn umgehen – je nachdem, wie man das Wort betont; und man darf sich darauf verlassen, dass man die Betonung in der Regel auf die falsche Silbe legt und Ärger bekommt.

Das Deutsche besitzt einige überaus nützliche Wörter. «Schlag», zum Beispiel, und «Zug». Im Wörterbuch ist eine Dreiviertelspalte mit «Schlag» gefüllt und eineinhalb Spalten mit «Zug». Das Wort «Schlag» kann Hieb, Stoß, Streich, Rasse, Haus (z. B. für Tauben), Lichtung, Feld, Enttäuschung, Portion, rasche Folge (wenn es zu «Schlag auf Schlag» gedoppelt wird), sodann einen Anfall, eine unangenehme Wirkung des Schicksals, eine ebensolche des elektrischen Stroms und wahrscheinlich noch einiges mehr bedeuten.

Alles das ist seine einfache und genaue, das heißt also: seine beschränkte, seine gefesselte Bedeutung; aber es gibt außerdem noch Möglichkeiten, es freizulassen, so dass es davonschweben kann wie auf den Schwingen des Morgens und nie wieder zur Ruhe kommt. Man kann ihm jedes beliebige Wort hinten anhängen und ihm so jede nur gewünschte Bedeutung geben. Man kann bei der «Schlagader» anfangen und dann Wort um Wort das ganze Wörterbuch anhängen, bis hin zu «Schlagwasser», einem anderen Wort für Bilgewasser, und «Schlagmutter», womit die Schwiegermutter gemeint ist. Nicht anders steht es mit «Zug».

Genau genommen bedeutet «Zug» eine Fortbewegungsform, Kennzeichen, Merkmal, Charaktereigenschaft, Teil des Gesichtsausdrucks, Neigung, Hang, Marsch, Prozession, Wagenreihe, Schublade, Luftströmung, Gespann, Richtung, Schwarm, Register (an der Orgel), Schluck, einen Vorgang beim Schachspiel und beim Atmen – aber was es nicht bedeutet, nachdem all seine rechtmäßigen Anhänglinge angehängt worden sind, hat man bisher noch nicht herausgefunden.

Der Nutzen von «Schlag» und «Zug» ist einfach nicht zu überschätzen. Mit weiter nichts als diesen beiden Wörtern und dem Wort «also» bewaffnet, bringt der Ausländer auf deutschem Boden fast alles zuwege. Das deutsche Wort «also» entspricht der englischen Wendung «you know» und bedeutet überhaupt nichts – jedenfalls nicht beim Reden, wenn auch manchmal in einem gedruckten Zusammenhang. Sooft ein Deutscher den Mund aufmacht, fällt ein «also» heraus, und sooft er ihn zuklappt, zerbeißt er eins, das gerade entwischen wollte. Mark Twain 1880

Meine gute Freundin Wiebeke, die mich auf diesen Text von Mark Twain aufmerksam gemacht hat, hat berichtet, dass Mark Twain diesen Text in Englisch geschrieben und veröffentlicht hat. Daher kommt es auch, dass es verschiedene deutsche Übersetzungen dieses Textes gibt. Leider wird der Namen der Übersetzerin oder der Namen des Übersetzer oft nicht genannt. Eine Übersetzung von 2003 hat Ana Maria Brock angefertigt. Diese findet sich in der Buchausgabe von der Manuscriptum Verlagsbuchhandlung Tomas Hoof KG, Waltrop und Leipzig 2003 (8. Auflage). ISBN 3-933497-41-8 herausgegeben. Im Nachwort von Herausgeber Helmut Winter wird Mark Twain zitiert: „Ich habe das Deutsche Sprache gelernt und bin ein glücklicher kind, you bet. Geborn 1835; 5 Fuss 1/2 inches hoch; weight doch aber about 145 pfund; dunkel braun Haar und rhotes Moustache, full Gesicht mit sehr hohe Oren und leicht grau practvolles strahlende Augen und Verdammtes gut moral character!“ (Marc Twain, Author von Bücher)

Fehlt nur noch, was Kurt Tucholsky über die Englische Sprache geschrieben hat: «Das Englische ist eine einfache, aber schwere Sprache. Es besteht aus lauter Fremdwörtern, die falsch ausgesprochen werden.» zitiert nach: Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke, Dünndruckausgabe, Band III, (1929 – 1932), Seite 833. Und ausserdem hat er in der Geschichte «Wo sind meine Schuhleisten – ? » auf Mark Twain hingewiesen. «Mark Twain hat mal eine Geschichte darüber geschrieben, wie Hausmädchen immer wichtige Briefe wegwerfen, dagegen irgendeinen alten Fetzen Papier einem beharrlich und vierzehn Tage lang immer wieder auf den Nachttisch packen . . . wo sind die Dinger? Unterm Bett . . . Jetzt muß ich armer, alter Mann mit meinem dicken Bauch mich auch noch bücken, das ist mir auch nicht an der Wiege gesungen worden. Mama konnte übrigens gar nicht singen. Da hätte sie eben das Grammophon andrehen sollen. Unterm Bett sind sie auch nicht. Also man sollte es nicht für möglich halten: haben denn diese Mädchen keine Leisten! Das ist doch keine so große Sache . . . Ich werde klingeln. Nein, ich werden nicht klingeln. Wir wollen doch mal sehen, ob die männliche Intelligenz nicht imstande ist, den Schleichwegen weiblichen Schafsinns zu folgen. Wahrscheinlich hat sie sie in den Nachttopf gelegt. Auch nicht. Im Schreibtisch . . . ? Mich soll das nicht wundern. Frauen sind zu allem fähig. Einmal in Gremsmühlen, lagen die Dinger in der Badewanne. « Ich dachte . . . » hat das Stubenmädchen nachher gesagt . . . » (Seite 854 Band III – Wo sind meine Schuhleisten -?) Erstveröffentlichung unter dem Namen Peter Panter in der Vossischen Zeitung, Verlag Ullstein, am 10. Mai 1931, zitiert nach der Gesamtausgabe Kurt Tucholsky, Band III, Dünndruckausgabe. Seite 854. Ich muß gestehen, dass ich mit dem Wort Schuhleiste nichts anfangen konnte. Deswegen habe ich mal nachgesehen. Das sind diese Dinger, die in Hamburg Schuhspanner heissen und die von Schustern gerne dazu benutzt werden, die Schuhe zu weiten.

Mit der Berliner S-Bahn zum (nach) Buch. Foto Jens Meyer.

Kurt Tucholsky. SO VERSCHIEDEN IST ES IM MENSCHLICHEN LEBEN (II)(26. Mai 1931)

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SO VERSCHIEDEN IST ES IM MENSCHLICHEN LEBEN! Ich reiste im Traum nach Kottbus und ließ dortselbst meine Handtasche stehen. Jetzt muß ich zurückträumen und sie holen.

Willst du eine reizende Damenbekanntschaft machen? Vergiß, dich zu rasieren.

Die Militaristen irren. Es ist gar nicht die Aufgabe der Pazifisten, sie zu überzeugen – sie sollen vielmehr in einem Kampf, der kein Krieg ist, besiegt, nämlich daran gehindert werden, über fremdes, ihnen nicht gehöriges Leben zu verfügen. Man mache sie unschädlich; einzusehen brauchen sie gar nichts. Ich bin für militaristischen Pazifismus.

Die meisten berliner Theater- und Kabarett-Abende gehören dem einen oder dem andern Typus an: jüdische Hochzeit oder münchner Atelierfest.

Die Apologetik der katholischen Kirche – : das ist wie ein Luftschiff auf Rädern.

«Wozu noch Lust? Ich liebe ihn doch!» Da war sie neunzehn Jahre. «Wozu noch Liebe? Sie belustigt mich doch!» Da war er vierzig Jahre. Als sie fünfzig wurden, kam er in die zweite Jugend und liebte, wieder. Sie hatte nie aufgehört, zu lieben.

Ein boxender Buchhändler, der mäßige Vorträge über Plato hält -: kein Mensch hörte danach hin. Zieht sich aber derselbe Mann einen Kaplansrock an: dann bibbert das Publikum. Bei den Männern tauchen die alten Kinderideen von der Größe der Kirche auf, und die Damen denken: «Darf er? Er darf nicht. Tut ers? Wenn ja, mit wem? Und warum nicht mit mir?» Wie interessant kann doch Plato sein!

Solch ein friedliches Land -! Da tragen die Polizisten noch Säbel. Welche Hochachtung hat doch der Franzose vor der Sprache! «Il a trouvé ce mot . . . » Das Wort war vorher da, der Autor hat es nur gefunden.

Es gibt Auslandskorrespondenten, die wollen die fremden Völker, zu denen man sie geschickt hat, nicht erkennen. Sie wollen sie durchschauen.

Manche Schriftsteller sammeln große Männer. «Haben Sie schon Mussolini? Ich habe ihn doppelt!»

Sie sprach so viel, dass ihre Zuhörer davon heiser wurden. Nie geraten die Deutschen so außer sich, wie wenn sie zu sich kommen wollen.

Er besuchte alle Premieren – nicht aus Liebe zur Kunst, sondern um als erster Nein sagen zu können.

Lungenhaschee . . . das sieht aus wie: «Haben Sie das gegessen, oder werden Sie das essen?»

Zwei Kriegsminister: Churchill kann Trotzki nur verhöhnen. Aber Trotzki kann Churchill mitdenken.

Gott schuf Kluge, Dumme, ganz Dumme und Geschäftsführer der SPD-Presse.

Die Engländer werden mit ihren Arbeitslosen nicht fertig; die Franzosen quälen ihre Strafgefangenen, die männlichen in Guayana und die weiblichen in Rennes, dass es einen Hund jammern kann; die Jugoslawen quetschen mißliebigen Politikern die Fingernägel ab, die Ungarn den ihren die Hoden, und die Rumänen befassen sich liebevoll mit den gefangenen Frauen – alle, alle aber sind sich darin einig, dass das Sowjetsystem ein verrottetes System sei. So verschieden ist es im menschlichen Leben! Peter Panter.

(Erstveröffentlichung unter dem Namen Peter Panter in Die Weltbühne vom 26. Mai 1931, Buchveröffentlichung in LL = Lerne lachen ohne zu weinen. Zitiert nach Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke, Band III, Dünndruckausgabe. Seite 864 – 865) Die Suchmaschine übersetzt: Il a trouvé ce mot = Er hat dieses Wort gefunden. Der VEB Duden von 1984 schreibt: Apologetik = die, – (Verteidigung, bes. der christl. Glaubenslehren)

Buchumschlag der ersten Ausgabe
Grafik Hans Hillmann

Kurt Tucholsky. SO VERSCHIEDEN IST ES IM MENSCHLICHEN LEBEN (I) (14. April 1931)

«Das Englische ist eine einfache, aber schwere Sprache. Es besteht aus lauter Fremdwörtern, die falsch ausgesprochen werden». (Kurt Tucholsky, Seite 833, Dritter Band der Gesamtausgabe)

PDF Tucholsky So verschieden ist es

SO VERSCHIEDEN IST ES IM MENSCHLICHEN LEBEN!

Neulich habe ich alte Jahrgänge des <Brenner> gelesen, einer Zeitschrift, die in Innsbruck erschienen ist und wohl noch erscheint . . . Das war eine merkwürdige Lektüre.

Es gibt eine Menge verhinderter Katholiken, meist sind es Juden, denen ist die katholische Kirche nicht katholisch genug, oder sie erscheint ihnen überhaupt nicht als katholisch. Ich mag mich nicht gern mit der Kirche auseinandersetzen; es hat ja keinen Sinn, mit einer Anschauungsweise zu diskutieren, die sich strafrechtlich hat schützen lassen.

Mit so unhonorigen Gegnern trete ich nicht gern an. Was aber jene verhinderten Katholiken angeht, die es gern sein möchten, es aber nicht sein können und die darunter leiden, wie nur ein Mensch leiden kann: es sind das nicht nur die forschen Konvertiten, die da toben. Es ist noch etwas andres.

Da ist eine ganze Literaturgattung, die schlägt der Welt ununterbrochen das <Neue Testament> auf den Kopf und wundert sich, daß es nicht gut klingt. Das höchste Pathos blüht hier; kaum einer kann gewaltigere Töne finden als der, der aufzeigt: Siehe, die Welt lebt nicht, wie Christus es gelehrt hat. Es gibt nur noch ein Pathos, das höher ist: das ist das Pathos über Christus hinweg.

Im <Brenner> nun, dessen Sauberkeit, Tapferkeit und Reinheit nicht bezweifelt werden kann, gehts hoch her. Und dabei ist mir etwas aufgefallen.

Da ist zum Beispiel Theodor Haecker, ein Schriftsteller von beachtlichem Format, wenn man nicht genau hinsieht. Wenn man aber genauer hinsieht, dann zeigt sich unter dem Lärm der donnernden Moralpauken ein kleiner Mann, der es dem Hermann Bahr aber ordentlich gibt, und, auf einmal, Hosianna, Amen und Ite missa est, sind wir mitten im fröhlichen Gezänk eines Literaturcafés. Frommer Schwannecke. Es scheint, als ob diese Sorte Literaten sich erst religiös sichern müssen, bevor sie loshacken.

Sie haben nie begriffen, daß es christlich, mehr: daß es philosophisch wäre, zu schweigen und vorüberzugehn. Ja, wenn ein Gläubiger aufschreit und dem Wahnwitz der Welt einen Spiegel entgegenhält, von dem jene nachher sagt, es sei ein Zerrspiegel, weil sie nicht glauben kann, daß sie so gemein aussähe! Wer dieses aber allmonatlich, regelmäßig und mit hitziger Wonne tut: der ist kein Christ, und wenn er zehnmal den ganzen Kierkegaard übersetzt hat. Der ist genau dasselbe wie Hermann Bahr, nur mit umgekehrtem Vorzeichen.

Und schließlich ist psychopathische Lebensuntüchtigkeit noch kein Christentum, und <das Böse> ist kein Schimpfwort. Wenn einer mit seinem Leben und nun gar mit dem Leben nicht fertig wird, so wird solch ein Anblick dadurch nicht schöner, daß er sich auf die Bibel beruft.

Die geheime Wonne, dem andern aber ordentlich eins zu versetzen, wird hier durch Moralinsäure legalisiert und durch eine verfälschte Himmelssüßigkeit, die nach Sacharin schmeckt und durchaus von dieser Erde stammt. Das Ziel ist vielleicht gut; die Kämpfer sind es mitnichten. Und die Hälfte ihrer Religion besteht in der Verachtung der Ungläubigen; das hält warm und ist ein schönes seelisches Unterfutter.

Viel Rauch um diesen Brenner. Schade um die reine Flamme.

Der Zustand der gesamten menschlichen Moral läßt sich in zwei Sätzen zusammenfassen: We ought to. But we don’t.

Wenn Stefan Zweig einen erkälteten Magen hat –: schreibt er sich dann etwas auf die eigne Bauchbinde –?

Das Englische ist eine einfache, aber schwere Sprache. Es besteht aus lauter Fremdwörtern, die falsch ausgesprochen werden.

Scharfe Sozialkritiker sind in ihren Nicht-Vaterländern sehr beliebt, nur dürfen es grade keine Kommunisten sein.

Sonst aber hat es der Deutsche gern, wenn der Amerikaner die amerikanische Kultur demoliert; wir haben uns immer sehr für die Freiheit der andern interessiert.

Man kann jeden schreibenden Menschen bis ins Mark daran erkennen, wie er das Wort <ich> setzt. Manche sollten es lieber nicht setzen. Hitler setzt es. «Wenn ich in Deutschland spreche, so strömen mir die Menschen zu . . . » Der Ton ist vom Kaiser entlehnt, und das Ganze hat etwas Gespenstisches: denn dieses <ich> ist überhaupt nicht da. Den Mann gibt es gar nicht; er ist nur der Lärm, den er verursacht.

Die einen haben nichts zu essen und machen sich darüber Gedanken, das kann zur Erkenntnis ihrer Lage führen: und das ist dann Marxismus; die andern haben zu essen und machen sich keine Gedanken darüber: und das ist dann die offizielle Religion. So verschieden ist es im menschlichen Leben! (Peter Panter, Die Weltbühne, 14. April 1931, erste Buchveröffentlichung in LL=Lerne Lachen ohne zu weinen)

Die Suchmaschine übersetzt: We ought to. But we don’t. = Wir sollen. Aber wir tun es nicht. Wikipedia schreibt: Ite missa est = spätlatteinisch für Gehet hin, ihr seid gesandt, wörtlich geht, das ist die Entlassung bzw. Geht, sie ist gesandt. In der deutschsprachigen Fassung Gehet hin in Frieden, ist es der Entlassungsruf am Ende der heiligen Messe im römischen Ritus. Er wird vom Diakon oder Zelebranten gerufen, die Gläubigen antworten mit Deo gratias. Dank sei Gott, bzw. Dank sei Gott dem Herrn.

(Die beiden Sätze (Das Englische ist eine einfache, aber schwere Sprache. Es besteht aus lauter Fremdwörtern, die falsch ausgesprochen werden.) sind herausgerissen aus dem Text: So verschieden ist es im menschlichen Leben. Aus Kurt Tucholsky. Gesammelte Werke, Band III, 1929- 1932, Dünndruckausgabe, Seite 832-834. Zuerst erschienen unter dem Namen Peter Panter, Die Weltbühne, vom 14. April 1931.)

Kurt Tucholsky. Was machen die Leute da oben eigentlich?

Was machen die Leute da oben eigentlich?

Motto: Der eigne Hund macht keinen Lärm – er bellt nur. (Alte Weisheit)

Donnerwetter, ist das ein Krach! Was ist das? (Achselzucken.) – «Das sind Lösers, die Leute, die über uns wohnen. Das ist jeden Abend so.» Und da sagt ihr nichts? – «Wir haben schon raufgeschickt: da ist nichts zu machen. Sie haben gesagt, unseretwegen können sie sich keinen Bodenbelag . . . Himmelkreuz, man glaubt reineweg, die kommen mit der Decke runter! Nu hör bloß mal an – der Kalk rieselt richtig . . . Ruhe! – Ruhe!»

Ja, Kuchen. Was machen die Leute da oben in ihrer Wohnung?

Sprechen wir nicht von den wildgewordenen Hausfrauen. Die Reinmache-Megären sind weniger zahlreich geworden; dafür sind auch die Wohnungen von vernünftigen Familien sauberer. Aber was stampfen, was klopfen, was rücken die Leute über uns?

Alles, was man nur mit einem einzigen Sinn wahrnehmen kann, wirkt merkwürdig; die andern vier Sinne liegen gespannt auf der Lauer, und das Gehirn ist gezwungen, aus der einen, unvollkommenen Wahrnehmung alles andere zu kombinieren. Und so kombinieren wir denn, nachdem das Ohr schmerzlich aufgenommen hat:

Lösers machen Manöver. Lösers räumen jeden Abend ihre Wohnung aus . . . sie hängen ihre sämtlichen Einrichtungsgegenstände zum Fenster hinaus, räumen sie wieder ein . . . Nein, sie rollen zwei kleine Kanonenkugeln, Andenken aus dem Weltkriege, fröhlichen Gemütes durch die Korridore. Sie spielen Zirkus: schlagen der Länge lang hin, stehen wieder auf, schlagen wieder hin . . . Sie haben einen Kraftmenschen engagiert, der – nu hör doch bloß mal einer an! – das Büfett aufhebt und probiert, ob es, wenn man es auf den Boden hinfallen läßt, federt – was machen diese Leute? Ruhe!

Ich will es dir genau sagen, was sie machen. Dasselbe wie du.

Sie gehen auf und ab. Sie rücken ein paarmal Möbelstücke hin und her, was deinem Ohr zweck- und sinnlos erscheint, was aber ganz vernünftig anmutet, wenn man bei ihnen oben ist. Sie lassen ihre Kinder tollen . . .

Zugegeben: es gibt rücksichtslose Wohnungsnarren. Es scheint, dass manche Leute ihrem am Tage im Geschäft unterdrückten Willen zu Hause Spielfreiheit geben – da toben sie sich aus. Es gibt ausdauernde Auf- und Abgeher, solche, die, vom Teufel der Ruhelosigkeit geplagt, durch die Wohnung jagen . . . es ist so viel unbefriedigtes Gefühl in dem, was sie so treiben . . . Ja, aber wo sollten sie das alles tun, wenn nicht zu Hause! Den Tag über ist ihr Leben mit lauter Schildern umgattert: DU DARFST NICHT! . . . VERBOTEN! . . . UNTERSAGT! – Einmal, ein einziges Mal will der Mensch das Überflüssige tun, das dem Leben erst die richtige Würze gibt. Und da toben sie sich denn aus.

Es ist ein Jammer. Was ist ein Jammer? Der Wohnungsbau ist ein Jammer. Denn da wir dem Idealzustand, wo jede Familie ihr Häuschen hat, noch sehr fern sind, ist die große Mehrzahl aller Leute in den Großstädten gezwungen, in Mietshäusern zu wohnen – sie sind schon so froh, wenn sie darin überhaupt eine Wohnung finden. Und was sind das für Häuser?

Was die Architekten machen, ist ziemlich klar. Sie bauen die neuen Häuser aus einer Mischung von kaltgewordener Zigarrenasche und gestoßenen Ziegeln. Jeder <Fachmann> wird hier aufbrausen und uns erklären, dass es so ist, dass es nicht so ist, warum es gar nicht anders sein kann . . . das müssen wir uns mit Gleichmut anhören. Genau so wie den Lärm über uns, unter uns, neben uns . . .

Es muß eine raffinierte Berechnungsmethode geben, nach der die Häuser grade noch stehenbleiben, wenn jemand das hohe C in ihnen singt. Es sind liebe Baulichkeiten: niest jemand im Keller, so kann man getrost auf dem Boden «Zur Gesundheit!» wünschen, und mit dieser Papparchitektur wird das immer schlimmer. Großstadthäuser aus den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wirken heute schon wie die alten Ritterburgen. Die neuen erzittern, wenn man sie nur ansieht, und wenn ein ungezogener Knabe in ihnen aufstampft, dann fallen die Hypotheken vom Dach. Was machen die Leute bloß da oben – ?

Eine Lärmsicherung gibt es nicht. Man hat Versuche mit Korkböden gemacht; die sind teuer, sie dämpfen den Schall wohl – aber sie ersticken ihn nicht ganz. Und so rumort es über den Köpfen hinweg, ganze Artillerieregimenter fahren auf und fahren wieder ab – was machen die Leute bloß?

Du mußt mit ihnen aufstehen und mit ihnen zu Bett gehen. Du lebst ein fremdes Leben mit. Stille, das kostbarste Gut, ist dir versagt. Und wenn sie selbst still sind, wenn sie dicke Teppiche haben, die Obermieter, wenn sie selbst – o seltener Fall! – aus Rücksicht für dich Hausschuhe tragen . . . dann ist da noch immer der schrecklichste der Schrecken.

vomiert «Huhu – huhu – haha – huhu – hiiiii –» Was ist das? Eine Lokomotive im Tunnel? Ach nein. Das ist Fräulein Lieschen Hasensprung, die sich im Gesang übt. Sie gleitet die Skalen gar oftmals hinauf und hinab; sie schleift die Töne im Hals, bis der Hals rauh und die Töne glatt sind, und wenn sie nicht singt, dann spielt sie Klavier. Das Klavier klingt, wie wenn man Wurstpellen auf eine Sardinenbüchse gespannt hat, das Spiel schmeckt nach Wurst und nach Sardinen. Und das geht den ganzen Tag – stunden – – stundenlang . . .

Und wenn sie nicht Klavier spielt, dann vomiert (*) der Lautsprecher, damit die andern Leute auch eine Freude haben. Krach muß sein, sonst macht das ganze Leben keinen Spaß.

Aber – aber – was machen sie bloß da oben? Rollen die ihren Ofen durch die Zimmer? Vielleicht haben sie dem Schreibtisch Punkte aufgemalt, und nun würfeln sie damit . . Oder die lieben Kinderchen spielen ein gemütliches Spiel, wie das Kinder so tun: <Schweineschlachten in Oberbayern> oder <Chaplin und die Flöhe>. Horch – welch ein Skandal! Unser Kronleuchter zittert und klingelt mit dem Glas. Man fühlt ordentlich den Boden schwanken. Alles in mir zittert. So –

So geht das nicht mehr weiter. Jetzt schreibe ich drei Briefe: einen an die Polizei, einen an den Hausverwalter und einen an die rücksichtslosen Mieter. Ich will mir nur noch den Tisch hierher rücken, die Lampen dahin, so – und den Stuhl hierhin, und noch den kleinen Rauchtisch daneben – so – und dann gehts los.

Und unter mir denkt sich einer: «Was macht dieser Panter da oben eigentlich?»

Er schreibt drei Briefe. Gegen den Lärm. Erstveröffentlichung unter dem Namen Peter Panter in Der Uhu, Das neue Monatsmagazin, Verlag Ullstein, Juni1930, Heft Nr. 9, Seite 89, zitiert nach Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke in drei Bänden, Dünndruckausgabe, Band III, Seite 459 – 461. (*) vomieren. Nein das Wort hat sich Tucholsky nicht ausgedacht, es ist sogar in meinem VEB Duden von 1984 abgedruckt und steht: Vomieren = sich erbrechen. Na sowas.

Kurt Tucholsky. Die deutsche Pest

Kurt Tucholsky Die deutsche Pest

«Es ist aber merkwürdig, wie leicht und glatt dieselben <korrekten> Historiker und Publizisten, welche das ganze Zeter-Alphabet und Flüchewörterbuch erschöpfen, um den rot-republikanischen Schrecken zu verdonnern, über die Abscheulichkeiten und Gräßlichkeiten hinwegschlüpfen, welche der weiß-royalistische Schrecken von 1794–95 in Szene gesetzt hat. Natürlich übrigens! Für Thron und Altar ist ja alles erlaubt. Mag jedoch der Grundsatz mit so schamloser Offenheit gepredigt und geübt werden, wie in unsrer niederträchtigen Zeit geschieht, immerhin gibt es noch einen über die trübe Sphäre der Knechtseligkeit, über die wüste Region zügelloser Parteileidenschaft hocherhabenen Standpunkt der Sittlichkeit, von welchem herab die echte und rechte Seherin Historia den Wahrspruch tut –: Die roten Schreckensmänner handelten sittlicher als die weißen, denn jene standen in Bann und Zwang einer großen Idee, während diese nur von der gemeinsten Selbstsucht getrieben wurden.» Johannes Scherr: <Menschliche Tragikomödie>

Die Schande des neuen Republikschutz-Gesetzes, das noch den kleinsten Schreiber, wenn er nur pensionsberechtigt ist, zu einer Rechtsperson höheren Grades erhebt und die unbequemen Links-Oppositionellen rechtlos läßt, wird Wahrheit werden. Die Stagnation der öffentlichen Moral ist vollkommen; kaum ein Windhauch geht über diese scheinbar so bewegte Fläche. Deutschland ist ein lautes Land – aber die Massen treten an Ort. Was das neue Gesetz uns bieten wird, geht aus der jetzigen Lage klar hervor. So instinktlos diese Republik ist, die sich noch niemals gegen ihre wirklichen und gefährlichen Gegner zu schützen gewußt hat, weil sie gar nicht geschützt sein will – in einer Beziehung haben Verwaltung und Rechtsprechung den richtigen Instinkt. Das zeigt sich in der Behandlung der Nationalsozialisten.Die behaupten, <revolutionär> zu sein, wie sie denn überhaupt der Linken ein ganzes Vokabular abgelauscht haben: <Volkspartei> und <Arbeiterpartei> und <revolutionär>; es ist wie ein Konkurrenzmanöver. Daß bei der herrschenden Arbeitslosigkeit des Landes und der Direktionslosigkeit der bürokratisierten Sozialdemokratie die Arbeiter scharenweise zu den Nazis laufen, darf uns nicht wundern.

Revolutionär sind die nie gewesen. Die Geldgeber dieser Bewegung sind erzkapitalistisch, der Groll, der sich in den Provinzzeitungen der Partei, in diesen unsäglichen <Beobachtern> ausspricht, ist durchaus der von kleinen Leuten: Erfolg und Grundton dieser Papiere beruhen auf Lokalklatsch und übler Nachrede. «Wir fragen Herrn Stadtrat Normauke, ob er die Lieferungen an die Stadt nicht durch Fürsprache seines Schwagers erhalten hat, der seinerseits dem Oberbürgermeister . . . » Das freut die einfachen Leute; es zeigt ihnen, dass sich die Partei ihrer Interessen annimmt, es befriedigt ihre tiefsten Instinkte – denn der Kleinbürger hat drei echte Leidenschaften: Bier, Klatsch und Antisemitismus. Das wird ihm hier alles reichlich geboten: Bier in den Versammlungen, Klatsch in den Blättern und Radau-Antisemitismus in den großmäuligen Parolen der Partei. Was ist nun an diesem Getriebe revolutionär? Junge Leute, die tagaus, tagein im Büro sitzen; Studenten, die mit ihren paar Groschen kaum das Brotstudium bezahlen können, von echtem Studium ist schon lange nicht mehr die Rede; Arbeitslose, denen jede Abwechslung recht ist . . . aus solchen Menschen setzen sich die <Sturm-Abteilungen> zusammen, die vor Gericht nicht einmal soviel Mut haben, auch nur den Namen aufrechtzuerhalten. «Wir SA-Leute sind Sportabteilungen . . . was dachten Sie?» Die Deutschen sind stets ein Gruppenvolk gewesen; wer an diesen ihren tiefsten Instinkt appelliert, siegt immer. Uniformen; Kommandos; Antreten; Bewegung in Kolonnen . . . da sind sie ganz. Der Zulauf zu diesen sehr risikolosen und romantisch scheinenden Unternehmungen ist groß; das moderne Leben mechanisiert die Menschen, das Kino allein kann das Bedürfnis nach Abwechslung nicht befriedigen. Also rauf auf die Lastwagen!

Wenn diese nationalsozialistische Bewegung eine echte Volksbewegung, eine revolutionäre Bewegung wäre, wenn eine rechte Revolution alte Rechtsbegriffe hinwegschwemmte und zur Durchsetzung ihres Systems eine Diktatur errichtete – so könnte man das sauber bekämpfen. Wer für den Klassenkampf eintritt, kann sich nicht grundsätzlich gegen Diktaturen wenden, höchstens gegen die Ziele, für die sie eingesetzt werden. Ein Belagerungszustand kann unter Umständen politisch zu bejahen sein – es kommt auf die Idee an, die ihn geboren hat. Von einer revolutionären Idee ist jedoch bei den Nazis nicht das Leiseste zu bemerken. Ich nehme hier ausdrücklich die ihnen nicht unmittelbar angeschlossenen und noch sehr einflußlosen Gruppen aus, die zunächst im geistigen Kampf stehen: die Handvoll Leute um Jünger, Schauwecker und die andern. Ich kann zwar nicht sehen, was damit gewonnen ist, dass man mit Ausdrücken wie <magisch> und <mitteleuropäischer Raum> um sich wirft . . . auch die Vokabel <Fronterlebnis> wird ja wohl nicht über die wahnwitzige Güterverteilung der kapitalistischen Gesellschaftsunordnung hinweghelfen – Romantiker glauben immer, wenn sie bewegt seien, bewegten sie auch schon dadurch die Welt. Selbst echte seelische Erschütterung ist noch kein Beweis für die Nützlichkeit und den Wert einer Idee. Die Straßennazis lassen von dieser Geistigkeit auch nicht einen Hauch verspüren. Politische Kinder . . . «Politische Kinder», heißt es einmal bei Scherr, «welchen man ja, vorab in Deutschland, bis zur Stunde einbilden, einpredigen, einschwindeln konnte und kann, Revolutionen würden willkürlich gemacht, von Sprudel- und Strudelköpfen, von Habenichtsen und Taugenichtsen, von einer Handvoll <Literaten, Advokaten und Juden>, willkürlich gemacht und aus purem Mutwillen.»

Und nun tobt das gegen einen <Bolschewismus> der nicht einmal da ist; denn die Arbeiter sind gespalten, und die typische Angestelltengesinnung haben die Kommunisten, von Moskau leider sehr falsch belehrt, in Deutschland niemals zu erfassen vermocht. Dergleichen ist wohl auch unvorstellbar für ein russisches Gehirn, aber nicht minder real. Die kommunistischen Parolen holen vielleicht die Arbeiter aus den Betrieben, niemals aber die Angestellten aus den Büros. Und ohne die kann man keine Revolution machen. Die Nazis terrorisieren viele kleine und manche Mittelstädte, und zwar tun sie das mit der Miene von Leuten, die ungeheuer viel riskieren; sie machen immer ein Gesicht, als seien sie und ihre Umzüge wer weiß wie illegal. Sie sind aber durchaus legal, geduldet, offiziös. Und hier beginnt die Schuld der Republik: eine Blutschuld. Polizei und Richter dulden diese Burschen, und sie dulden sie in der durchaus richtigen Anschauung: «Mitunter ist es ja etwas reichlich, was hier getrieben wird. Keinen Totschlag! Nicht immer gleich schießen . . . Aber, trotz allem: Diese da sind Blut von unserm Blut, sie sind nicht gegen, sondern für die Autorität – sie sind, im allertiefsten Grunde, für uns, und sie sind nur deshalb nicht ganz und gar für uns, weil wir ihnen nicht stramm genug sind und zu sehr republikanisch. Wir möchten ja auch gerne . . . aber wir dürfen nicht . . . Diese lächerlichen republikanischen Minister . . . die Geheimräte da oben am grünen Tisch . . . wir möchten ja ganz gerne. Und tun unser Möglichstes. Zurücktreten! Nicht stehen bleiben! Na ja . . . aber es sind unsre, unsre, unsre Leute.»

Es sind ihre Leute. Es sind so sehr ihre Leute, dass die verschiedenartige Behandlung, die Kommunisten und Nationalsozialisten durch Polizei und Rechtsprechung erfahren, gradezu grotesk ist. Man stelle sich einmal vor, was geschähe, wenn in der <Weltbühne> stände, man müsse den Führer der Zentrumspartei zum <Schweigen bringen . . . Nie davon sprechen – immer daran denken> –: zwölf Juristen erster Klasse zerbrächen sich die Dialektik, um aus diesen Sätzen herauszulesen, was sie für eine Verurteilung brauchten, und die Urteilsbegründung wäre eine reine Freude für jeden Kandidaten der großen Staatsprüfung. Man stelle sich vor, was geschähe, wenn – wie es umgekehrt in Schweidnitz geschehen ist – ein jüdischer Angeklagter in einem Strafprozeß die Geschmacklosigkeit besäße zu sagen: «Der Regierungsvertreter lächelt mich dauernd so hämisch an, wie das nur Gojims zu tun pflegen» – mit Recht ließe der Vorsitzende den Sprecher abführen, und der Prozeß ginge, was ja zulässig ist, ohne den Angeklagten zu Ende. Und man stelle sich vor, was geschähe, wenn der Vorsitzende dies zu tun unterließe. Aufforderung zur Berichterstattung an den Aufsichtführenden, Bericht ans Justizministerium, <anderweitige Verwendung> des Richters und wahrscheinlich unter Anwendung der üblichen Mittel: Pensionierung. Linksleute sind vogelfrei. Führen die Arbeiter einen der ihren zu Grabe, den üble Gefängnisärzte zu Tode gequält haben, dann stürzen sich hundert Polizisten dazwischen, «unter Anwendung des Gummiknüppels», wie es in den polizeiseligen Blättern der Mitte heißt.

Die scheuen sich, die Wahrheit zu sagen: es wird geprügelt, wie die Kosaken nicht saftiger geprügelt haben. Brüllen die Nationalsozialisten die Straßen entlang, so wird zwar von den Polizeibeamten nicht grade salutiert, aber sie lassen den Zug lächelnd passieren. Jugend muß sich austoben . .- . Hiervon gibt es nur sehr wenige Ausnahmen. Auf den Straßen fließt Blut, und die Republik unternimmt nichts, um dem Einhalt zu tun. Von Mordandrohungen schon gar nicht zu sprechen. Nach dem neuen Schutzgesetz, das diese Republik nötig hat, kann jeder satirische Vers gegen den Portier des Reichskanzlerpalais einem Staatsanwalt die Karriere verbessern; auf der andern Seite können die Nazis gegen <nichtbeamtete> Publizisten Drohungen ausstoßen, die selbst unter dem Seligen klar und eindeutig unter den § 111 des Strafgesetzbuches gefallen wären (Aufforderung zur Begehung strafbarer Handlungen). Heute geht das als Redeblümchen und Würze der Propaganda glatt durch. Und kommt es selbst einmal zu einem Prozeß: wie beschämend sehen diese Prozesse aus! Die Zeugen sind, wenn sie vom Reichsbanner oder gar aus Arbeiterkreisen kommen, die wahren Angeklagten, die Anwälte der Nazis treten wie die Staatsanwälte auf, und die Staatsanwälte sind klein und häßlich und kaum zu sehen. Die Richtersprüche entsprechend. Das große Wort vom <Landfriedensbruch> hat hier keine Geltung; und wenn eine ganze Stadt von den Hitlerbanden auf den Kopf gestellt wird, so erscheint das in den Begründungen der Freisprüche als harmlose Bierhausprügelei. Kein Wunder, wenn diesen Knaben der Kamm schwillt: sie riskieren ja nichts. Um so mehr riskiert der Arbeiter. Eifrige Polizeipräsidenten verhängen über ihren Machtbereich jedesmal einen kleinen privaten Belagerungszustand, wenn es bei einem Fabrikstreit Randal gibt, und wie da gehauen, geprügelt, verhaftet wird, daran ändert auch das Vokabular nichts, das dann von <zwangsgestellt> spricht. Der Zörgiebels gibt es viele im Reich, und alle, alle sehen nur nach links. Von rechts her scheint keine Gefahr zu drohen. Die Redakteure der <Roten Fahne> verfügen über ein reiches Schimpfwörterbuch, die Hitlergarden verfügen über Waffen, Autos und Geld . . . das ist der Unterschied.

Der Landfrieden aber wird bei uns nur von links her gebrochen. Es ist eine Schande. Solange solche Männer wie Klausener in den preußischen Ministerien, wo es noch am liberalsten zugeht, die Personalpolitik machen, kann das nicht besser werden. Einen deutschen Landfrieden gibt es nicht mehr. Stände heute ein Erzberger oder ein Maximilian Harden auf und sprächen sie in den Mittelstädten der Provinz und nun gar in Sachsen und Bayern: sie würden abermals niedergeschlagen werden. Vielleicht machte die Ortspolizei schwache Versuche, sie zu schützen; vor den Richtern kämen die Mörder mit einer vergnügten Verhandlung davon. Kein Wunder. Man höre sich die Vorlesungen der Universitäten an, man sehe die dort von den Behörden geduldeten Umtriebe, und man wird sich nicht wundem, dass eine so vorgebildete Richterschaft die Verbrechen der Nationalsozialisten im Herzen und im Grunde bejaht. Diese Unabsetzbaren halten derartige Morde für den Ausfluß des Volkswillens. Strafen? Die sind für die Arbeiter. Was die öffentliche Meinung anlangt, so geht sie mit den Völkischen zu milde um. Es liegt das zunächst an dem berliner Aberglauben, der Kurfürstendamm sei die Welt, und solange eine Reinhardt-Premiere nicht gestört würde, könne das Ganze doch unmöglich so schlimm sein. Die sehen die Gefahr immer erst, wenn ihnen die Gegner auf den Teppich des Eßzimmers spucken. Siegfried Jacobsohn hat mir einmal von Konrad Haenisch erzählt, wie er den in der Nacht vor dem Kapp-Putsch im Theater traf: der Gute lächelte und winkte auf alle Fragen beschwichtigend ab . . . Am nächsten Tage saßen die Herren im Auto, und Berlin wehrte sich allein. An dem völkischen Teil der deutschen Industrie hängt der Vorwurf, dass sie Mörder finanziert; sie wird diesen Vorwurf lächelnd einstecken wie ihre Tantiemen. Denn noch nie haben sich diese Menschen ein Geschäft durch die <Moral> verderben lassen. So wird unsre Luft verpestet. Und wenn wir uns diese einseitig geschützte Republik ansehen, diese Polizeibeamten und diese Richter, dann entringt sich unsern Herzen ein Wunsch:

Gebt uns unsern Kaiser wieder!

Erstveröffentlichung unter dem Namen Ignaz Wrobel, Die Weltbühne vom 13. Mai.1930, Nr. 20, S. 718. Zitiert nach: Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke, Dreibändige Ausgabe (Dünndruckpapier), Deutscher Bücherbund, Band III (1929 – 1932), Seite 439 – 443.

Kurt Tucholsky 1928 in Paris
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Kurt Tucholsky. Tucholskys Rezepte gegen Grippe

Rezepte gegen Grippe. Beim ersten Herannahen der Grippe, erkennbar an leichtem Kribbeln in der Nase, Ziehen in den Füßen, Hüsteln, Geldmangel und der Abneigung, morgens ins Geschäft zu gehen, gurgele man mit etwas gestoßenem Koks sowie einem halben Tropfen Jod. Darauf pflegt dann die Grippe einzusetzen. Die Grippe – auch <spanische Grippe>, Influenza, Erkältung (lateinisch: Schnuppen) genannt – wird durch nervöse Bakterien verbreitet, die ihrerseits erkältet sind: die sogenannten Infusionstierchen. Die Grippe ist manchmal von Fieber begleitet, das mit 128° Fahrenheit einsetzt; an festen Börsentagen ist es etwas schwächer, an schwachen fester – also meist fester. Man steckt sich am vorteilhaftesten an, indem man als männlicher Grippekranker eine Frau, als weibliche Grippekranke einen Mann küßt – über das Geschlecht befrage man seinen Hausarzt. Die Ansteckung kann auch erfolgen, indem man sich in ein Hustenhaus (sog. <Theater>) begibt; man vermeide es aber, sich beim Husten die Hand vor den Mund zu halten, weil dies nicht gesund für die Bazillen ist. Die Grippe steckt nicht an, sondern ist eine Infektionskrankheit. Sehr gut haben meinem Mann ja immer die kalten Packungen getan; wir machen das so, dass wir einen heißen Grießbrei kochen, diesen in ein Leinentuch packen, ihn aufessen und dem Kranken dann etwas Kognak geben – innerhalb zwei Stunden ist der Kranke hellblau, nach einer weiteren Stunde dunkelblau. Statt Kognak kann auch Möbelspiritus verabreicht werden. Fleisch, Gemüse, Suppe, Butter, Brot, Obst, Kompott und Nachspeise sind während der Grippe tunlichst zu vermeiden – Homöopathen lecken am besten täglich je dreimal eine Fünf-Pfennig-Marke, bei hohem Fieber eine Zehn-Pfennig-Marke. Bei Grippe muß unter allen Umständen das Bett gehütet werden – es braucht nicht das eigene zu sein. Während der Schüttelfröste trage man wollene Strümpfe, diese am besten um den Hals; damit die Beine unterdessen nicht unbedeckt bleiben, bekleide man sie mit je einem Stehumlegekragen. Die Hauptsache bei der Behandlung ist Wärme: also ein römisches Konkordats-Bad. Bei der Rückfahrt stelle man sich auf eine Omnibus-Plattform, schließe aber allen Mitfahrenden den Mund, damit es nicht zieht. Die Schulmedizin versagt vor der Grippe gänzlich. Es ist also sehr gut, sich ein siderisches Pendel über den Bauch zu hängen: schwingt es von rechts nach links, handelt es sich um Influenza; schwingt es aber von links nach rechts, so ist eine Erkältung im Anzuge. Darauf ziehe man den Anzug aus und begebe sich in die Behandlung Weißenbergs. Der von ihm verordnete weiße Käse muß unmittelbar auf die Grippe geschmiert werden; ihn unter das Bett zu kleben, zeugt von medizinischer Unkenntnis sowie von Herzensroheit. Keinesfalls vertraue man dieses geheimnisvolle Leiden einem sogenannten <Arzt> an; man frage vielmehr im Grippefall Frau Meyer. Frau Meyer weiß immer etwas gegen diese Krankheit. Bricht in einem Bekanntenkreis die Grippe aus, so genügt es, wenn sich ein Mitglied des Kreises in Behandlung begibt – die andern machen dann alles mit, was der Arzt verordnet. An hauptsächlichen Mitteln kommen in Betracht: Kamillentee. Fliedertee. Magnolientee. Gummibaumtee. Kakteentee. Diese Mittel stammen noch aus Großmutters Tagen und helfen in keiner Weise glänzend. Unsere moderne Zeit hat andere Mittel, der chemischen Industrie aufzuhelfen. An Grippemitteln seien genannt: Aspirol. Pyramidin. Bysopeptan. Ohrolax. Primadonna. Bellapholisiin. Aethyl-Phenil-Lekaryl-Parapherinan-Dynamit-Acethylen-Koollomban-Piporol. Bei letzterem Mittel genügt es schon, den Namen mehrere Male schnell hintereinander auszusprechen. Man nehme alle diese Mittel sofort, wenn sie aufkommen – solange sie noch helfen, und zwar in alphabetischer Reihenfolge, ch ist ein Buchstabe. Doppelkohlensaures Natron ist auch gesund. Besonders bewährt haben sich nach der Behandlung die sogenannten prophylaktischen Spritzen (lac, griechisch; so viel wie <Milch> oder <See>). Diese Spritzen heilen am besten Grippen, die bereits vorbei sind – diese aber immer. Amerikaner pflegen sich bei Grippe Umschläge mit heißem Schwedenpunsch zu machen; Italiener halten den rechten Arm längere Zeit in gestreckter Richtung in die Höhe; Franzosen ignorieren die Grippe so, wie sie den Winter ignorieren, und die Wiener machen ein Feuilleton aus dem jeweiligen Krankheitsfall. Wir Deutsche aber behandeln die Sache methodisch: Wir legen uns erst ins Bett, bekommen dann die Grippe und stehen nur auf, wenn wir wirklich hohes Fieber haben: dann müssen wir dringend in die Stadt, um etwas zu erledigen. Ein Telefon am Bett von weiblichen Patienten zieht den Krankheitsverlauf in die Länge. Die Grippe wurde im Jahre 1725 von dem englischen Pfarrer Jonathan Grips erfunden; wissenschaftlich heilbar ist sie seit dem Jahre 1724. Die glücklich erfolgte Heilung erkennt man an Kreuzschmerzen, Husten, Ziehen in den Füßen und einem leichten Kribbeln in der Nase. Diese Anzeichen gehören aber nicht, wie der Laie meint, der alten Grippe an – sondern einer neuen. Die Dauer einer gewöhnlichen Hausgrippe ist bei ärztlicher Behandlung drei Wochen, ohne ärztliche Behandlung 21 Tage. Bei Männern tritt noch die sog, <Wehleidigkeit> hinzu; mit diesem Aufwand an Getue kriegen Frauen Kinder. Das Hausmittel Cäsars gegen die Grippe war Lorbeerkranz-Suppe; das Palastmittel Vanderbilts ist Platinbouillon mit weichgekochten Perlen. Und so fasse ich denn meine Ausführungen in die Worte des bekannten Grippologen Professor Dr. Dr. Dr. Ovaritius zusammen: Die Grippe ist keine Krankheit – sie ist ein Zustand –! 

Zitiert nach der dreibändigen Ausgabe Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke, Band III (Dünndruckausgabe), Seite 777-779. Zuerst erschienen unter dem Namen Peter Panter in der Vossischen Zeitung, am 3. Februar 1931.

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Keine Bürste ohne Würste

Leute seid vernünftig lasst die Frau durch

Leute seid vernünftig, lasst die Frau durch, denn sie will noch schnell mal in Schauburg – Zur Geschichte eines jüdischen Kinokonzerns in Hamburg.

Video von Jens Meyer, BRD / USA / Brasilien 1994, Kamera: Dietmar Bruns, Recherchen: Reinhold Sögtrop, Jens Meyer, Reinhard Saloch, Geschichtswerkstatt Barmbek; Schnitt: Echtzeit Video Christian Lempp; Produktion: Otto Meyer Filmproduktion mit Unterstützung des Hamburger Filmbüro e. V. S-VHS, 68 Min. Farbe.

Vom 22. April 1897 bis zum 27. Januar 1933 dauerte die Geschichte der Kinobesitzer Familie Henschel in Hamburg, Berlin, Kiel und Lübeck. Als den deutschen Nazis die Macht übergeben wird, werden den Partei – und Volksgenossen viele Geschenke versprochen. Ein Geschenk davon sind die Kinos des Henschel Film – & Theaterkonzerns. Doch auch Deutsche wissen, was man verschenken will, muß man erst haben. Die Besitzer werden enteignet und mit dem Tode bedroht. Die neuen Herren haben keine lange Freude an den Geschenken ihres Führers. Englische und amerikanische Bomberpiloten machen 1943 – 44 elf Kinos des Henschel Konzerns dem Erdboden gleich. Nur ein Kino wird nicht bombardiert. Die Bomben haben Spuren im Gedächtnis der Beschenkten hinterlassen.

Als ich 1987 mit den Recherchen zu diesem Film beginne, finde ich zunächst nichts. Nicht in den Archiven, nicht in den Köpfen der Beteiligten, nichts bei ihren Söhnen und Töchtern. Alles verdrängt, vergessen, verbrannt. Nicht allen der enteigneten „arisierten“ Kinobesitzern glückte die Flucht ins Ausland. Und nur wenige Überlebende kamen nach dem Krieg zurück. Die Richter von damals, die die Enteignungen „begleitet“ hatten, waren schon wieder in Amt und Würden. Keine guten Voraussetzungen für eine Wiedergutmachung. Eines wußten die (neuen) Besitzer genau. Besser ist, wenn über ihre Rolle in jener Zeit nichts geschrieben, gedruckt oder im Fernsehen gezeigt wird. Meine Vermutung, dass die ehemaligen Besitzer Juden waren, bestätigt sich bald. Nur der Zufall hilft uns dann bei der Suche. Eine dreizehn Zeilen Meldung in der Tageszeitung Licht Bild Bühne (LBB) ist so ein Zufall. In der Samstag Ausgabe vom 28. Januar 1933 der (LBB) steht, daß ein Herr „Urich-Saß, eine leitende Persönlichkeit im Henschel Konzern in Hamburg, am 27. Januar, im Alter von 45 Jahren, einem Herzversagen erlegen ist“. Am 30. 1., am Montag dann die Ergänzung: „Seine Beerdigung findet heute um 3 Uhr statt“. Auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg Ohlsdorf, der durch einen Zaun vom Friedhof von Hamburg Ohlsdorf getrennt ist.

Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in Hamburg Ohlsdorf

Hier finde ich mit Hilfe des Friedhofswärters den Grabstein von Hermann Urich-Sass, geb. am 18. Juni 1887 (5647), gestorben am 27. Januar 1933 (5693). Der Stein ist gut erhalten. Das Grab wird gepflegt. Die jüdische Gemeinde hat viele Erfahrungen in Deutschland gemacht und hält Namen und Anschriften der Angehörigen der Toten geheim. Aber die Jüdische Gemeinde verspricht, meinen Brief an die Angehörigen des Toten weiterzuleiten. Nach einiger Zeit bekomme ich tatsächlich Ant-wort. Aus Mexiko, den USA und Brasilien. Verwunderung über den verrückten Hamburger, der nach 60 Jahren nach dem Verbleib des Henschel – Film und Theaterkonzerns sucht. Vor mir hatte noch keiner gefragt.

Ich danke Horst Urich-Sass, Beverly Hills / Mexico City, Norbert J. Kobler, Los Angeles, Rolf Arno Streit, Hilde Streit und Carl Heinz Streit, Belo Horizonte Brasilien d. 18. Oktober 1994.

Adolf Hitler verläßt um 12 Uhr 40 die Reichskanzlei dem damaligen Sitz des Reichspräsidenten in der Wilhelmstrasse.in Berlin.

Jetzt – zehn Jahre später- im August 2004 – nehme ich die Kontakte wieder auf. Meine damaligen Gesprächspartner: Norbert Kobler (Sohn des Hamburger Schauspielers Julius Kobler), Horst Urich-Sass (Sohn des Hamburger Kinobesitzers Hermann Urich-Sass), Rolf-Arno Streit (Sohn des Hamburger Kinobesitzers Hugo Streit, Carl Heinz Streit (ebenfalls Sohn des Hamburger Kinobesitzers Hugo Streit) sind verstorben. Damit bin ich auch von meinem Versprechen entbunden, das ich dem Sohn des Kinobesitzers Horst Urich Sass in Beverly Hills gegeben hatte. Über den Selbstmord seines Vaters nichts zur veröffentlichen, so lange, bis er und seine Frau Ciedra Urich Sass verstorben sind. An dieses Versprechen habe ich mich gehalten.

Hermann Urich Sass muß 1933 geahnt haben, was passieren wird. Er hat sich am 27. Januar 1933 das Leben genommen. Als er am Montag, den 30. Januar 1933 um 3 Uhr auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg Ohlsdorf beerdigt wird, hat der Reichspräsident Paul von Hindenburg um 12.30 Uhr die Macht an Adolf Hitler übergeben und ihn zum Reichskanzler ernannt.

Doch jetzt gibt es Zugang zu den damals verschlossenen Archiven. Die zutage kommenden Dokumente, beweisen, was schon immer vermutet wurde. 1938 wurden viele Juden beraubt. In einer bisher nicht genannten Dimension. 1930 gab es in Hamburg viele Kinos. Allein die Firma Henschel hatte 12 Kinos mit durchschnittlich 1200 Sitzplätzen pro Kino. 1930 betrug die Gesamtanzahl der Sitzplätze 50 Tausend. Die Enteignung im großen Stil begann 1933 mit der Machtübergabe an die Nazis. Nur rund 20 Tausend Sitzplätze verblieben bei Kinounternehmern, die schon vor 1932 aktiv gewesen waren.

Der Text des Schauburg Schlagers (gemacht für Werbezwecke 1925) „Kinder seid vernünftig lasst die Frau durch, denn sie will noch schnell mal in die Schauburg, das Fräulein Tochter, der Herr Sohn und der Papa und all die anderen Verwandten sind schon da.“ Der Text wird 3 x wiederholt. Die Schallplatte mit dem Lied hat Reinhard Saloch von der Geschichtswerkstatt Barmbek 1990 gefunden. Gespielt von Paul Godwin mit seinen Jazz Symphonikern (1925)

Briefe an Wiebeke (I) Die Freiheit des Andersdenkenden – (das klein gedruckte)

Romische Zahlen am BUG

PDF Freiheit359kleingedruckt

PDF Briefe an Wiebeke (I)

PDF RosaLuksenburgFreiheit

Hallo W., die erste Wahrheit (Prawda) im neuen Jahr: Ich hab herausgefunden, warum das Rozalia Luksenburg (richtige Schreibweise) Zitat oft ohne Quellenangabe abgedruckt wird. Dahinter verbirgt sich eine boese Absicht. Eine boese Absicht, die man nur herausfindet, wenn man das Zitat dann endlich gefunden hat. Ein Zufall fuehrte mich auf diese Spur. Ich hatte gerade ein Buch abgeschlossen und war sehr unzufrieden damit, wusste aber eigentlich nicht so recht, warum es mir nicht gefallen hat. Das Buch, dir kann ich das ja schreiben, ist von Florian Huber, erschienen im Berlin Verlag, was eine Unterabteilung vom Piper Verlag in Muenchen ist. Es heisst : „Die Rache der Verlierer, Die Erfindung des Rechtsterrors in Deutschland“. Leider verspricht der Umschlag mehr, als der Inhalt tatsaechlich hergibt.

Keine neuen Erkenntnisse, aber die alten Erkenntnisse sorgsam relativiert, so daß man mit den Nazis richtig Mitleid bekommt, wie schlecht man mit ihnen damals (AFD – NSU fehlt) und heute umgegangen ist und wird. Es ist langweilig und unnoetig. Besonders dann, wenn man vorher von Sebastian Haffner „Der Verrat“ gelesen hat. Aber ein Freund hat mir ein zweites Buch geschickt, was er vorher selber gelesen hatte und dieses Buch, ueber die gleiche Problematik (ebenfalls aus dem Piper Verlag in Muenchen), ist ein Jahr vorher erschienen und bringt tatsaechlich einige Informationen, von denen ich noch nicht wusste. Auf dem Umschlag der Titel „1918 Aufstand fuer die Freiheit – Die Revolution der Besonnenen“ von Joachim Käppner. Einzige Kritik an diesem Buch sind die Anmerkungen, die sehr unuebersichtlich und unpraktisch angeordnet sind, wenn man die Erklaerungen der Anmerkungen hinten im Buch sucht. Sie sind immer dem Haupttitel und nicht den Zwischenueberschriften zugeordnet.

Dort habe ich jedenfalls den Hinweis auf das Luksenburg (Luxemburg) Zitat gefunden und gleich mal das entsprechende Buch dazu bestellt, um zu ueberpruefen, was die Suche nicht gerade einfach macht, wenn man ueberpruefen will, wer was wann gesagt hat und ob die Quellenangaben tatsaechlich stimmen. Das mit der Freiheit und dem Andersdenken. Die Luksenburg Angabe stimmt jedenfalls. Das Zitat findet sich im Band 4, Rosa Luxemburg, Gesammelte Werke. August 1914 bis Januar 1919, erschienen im Dietz Verlag Berlin (Ost) 1983. Auf Seite 359. Damit Du erleben kannst, was der Hintergrund fuer die Quellenangabe, die fehlende ist, habe ich Dir die Seite auf den Skaenner gelegt. In einer 4 Punkt Schrift befindet sich das Zitat im Kleingedruckten und war der Dame offensichtlich nicht so wichtig, erschienen unter Nummer 3 findet sich:
„3) Bemerkung am linken Rand ohne Einordnungshinweis: „Freiheit nur fuer die Anhaenger der Regierung, nur fuer die Mitglieder einer Partei – moegen sie auch noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden. Nicht wegen des Fanatismus der ‚Gerechtigkeit‘, sondern weil all das Belebende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen haengt und seine Wirkung versagt, wenn die ‚Freiheit‘ zum Privilegium wird. (Im Kapitel Zur russischen Revolution)““.

Weil es bei Frau Luxemburg eben nur kleingedruckt am Rand erscheint, deswegen verzichten die Damen und Herren Zitate Sucher immer darauf, den Platz zu nennen, an dem es gedruckt erscheint. Das musste mal geschrieben werden. Und noch ein Hinweis: Der Band 4 der Gesamtausgabe hat ein Vorwort von 56 Seiten. So viele Seiten sind sehr selten bei Vorwoertern. Das koennte man schon „Vor Roman“ nennen. Dazu kommt noch eine redaktionelle Vorbemerkung von zwei Seiten. Aber so ist das bei Menschen, die schon so lange nicht mehr unter uns weilen. Die koennen sich gegen sechsundfuenfzig (56) Seiten Vorwörter und zwei Seiten Vorbemerkungen nicht wehren. Das haette Rosa bestimmt gemacht. Der letzte Text in diesem Buch wurde in der Roten Fahne vom 14. Januar 1919 unter dem Titel: „Die Ordnung herrscht in Berlin“ veröffentlicht. (Band 4, S. 536) (Ps: Im Register gibt es keinen Hinweis auf dieses Zitat, obwohl das Register achtzehn Seiten hat. Aber fuer eine Randnotiz reichte wohl der Platz nicht aus. Das war 1983 vermutlich nicht modern, oder? Den Dietz Verlag in Berlin gibt es doch noch? Oder gehoert der schon einem Andersdenkenden?

Rosa Luxemburg 1915 Foto Paul Bommel (Wikipedia cc)