ja, das brauchen wir. Den Elektronischen Briefverkehr. Und das kam so. Bei der Begutachtung meiner S-VHS und VHS Kopien, was ist aufbewahrenswert und was nicht, geriet ich an die Aufzeichnung eines Filmes, der sehr selten irgendwo gezeigt wird. Produziert in Irland mit dem Hauptdarsteller John Wayne, Regie John Ford. Im Original hieß der Film „The quiet man“. Die deutsche Synchronfassung bekam gleich zwei Titel: „Der Sieger“ und „Die Katze mit dem roten Haar“. Der Filmtitel kommt in seinem Buch „Ich & John Wayne“ nicht vor, aber die weibliche Hauptdarstellerin Maureen O’Hara, über die Kurt Scheel schreibt, wie er mit acht Jahren im Kino seines Vaters auf das andere Geschlecht, auf das weibliche, aufmerksam wurde:
„Bis dato hatten wir Achtjährigen ein eher ironisch-distanziertes Verhältnis zum Weibe gepflogen, im Leben wie im Kino. Mädchen waren okay, aber sie waren so anders, und man hatte mit Frau eigentlich nicht viel zu schaffen. Und nun also Maureen O’Hara, deren Namen ich damals zwar nicht kannte, die mir aber schon dadurch aufgefallen war, daß sie in manchen Filmen am Ende John Wayne zufiel — und was gut genug ist für John Wayne, würde ja wohl gut genug für mich sein! Außerdem war sie, bei Licht betrachtet, doch recht hübsch und rothaarig und kratzbürstig — ich habe schon damals starke, emanzipierte Frauen den Heulsusen und Petzen vorgezogen. . . “ (Aus dem Buch »Ich & John Wayne«, Edition Tiamat, in dem Artikel: »Und ewig lockt das Weib«, Seite 91)
Die VHS Kassette der Fernsehaufzeichnung (Links oben im Bild 4. Programm). Ein Kleinod dieser Film und kaum bekannt. Leider hat die Aufzeichnung mehrere Werbeunterbrechungen. Jedenfalls hatte ich überlegt, wem ich damit eine Freude machen könne. Also eine Mail an Kurt Scheel. Die kam zurück. Erst danach habe ich dann erfahren daß Kurt Scheel schon am 31. Juli 2018 gestorben ist. In der Taz immerhin ein gelungener Nachruf. Ein Text von Kurt Scheel.
Taz: »Am Dienstag verstarb im Alter von siebzig Jahren der frühere „Merkur“-Herausgeber und langjährige Wahrheit-Autor. Aus diesem traurigen Anlass veröffentlichen wir noch einmal seinen damaligen Beitrag zu unserer Serie „Wahre Lokale“ aus dem Jahr 2000. Eine Reminiszenz an seinen Kindheitsort.«
Kurt Scheel in der Taz: »Wenn ich die wichtigsten Kneipen meines Lebens vor meinem geistigen Auge vorüberziehen lasse, überkommt mich Wehmut: Ob groß oder klein, ob elegant oder schäbig, ob blond oder braun – sie waren alle schön in ihrer Weise, ich habe sie alle geliebt in meiner – zugegeben: bizarren – Weise. Aber das liegt jetzt lange hinter mir. Aus einem gefürchteten Kneipengänger und Spelunken-Roué ist ein nachdenklicher, selbstkritischer Mitbürger geworden, der nichts bereut, aber vielleicht doch einige seiner Erfahrungen weitergeben kann an jungeMenschenkinder, die das Leben noch vor sich haben.
So kehre ich also zurück zur Stätte meiner Kindheit und Jugend: Hier, auf dieser kleinen Elbinsel Altenwerder, begann alles. „Zur Schleuse“ steht über der Tür, und gleich darunter „Paul Schwartau“, das ist der Name des Wirtes. Doch was nützt es ihm? Jedermann nennt ihn „Paul Pogel“ – hier schon klingt das Vergeblichkeits- und Trauermotiv ein erstes Mal an, und das hat folgende Bewandtnis: Der Gründer des Lokals war ein gewisser „Pagel“ gewesen, und im Plattdeutschen, das die zweite Lautverschiebung bekanntlich nicht mitgemacht hat, wird ein A häufig als O ausgesprochen beziehungsweise aspiriert.
Durstige Seelen
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit aber auf etwas noch Wichtigeres lenken, den Namen der Kneipe. Sind nicht recht eigentlich betrachtet alle Lokale und besonders die „wahren“, die diese Serie ja angeblich porträtieren will, „Schleusen“? Also Örtlichkeiten, in denen es zuvörderst um die Verteilung von Flüssigem geht, in denen eine kundige Hand klüglich die Zufuhr von Kaltgetränken reguliert nach Maßgabe der Frage, ob eine durstige Seele bzw. Kehle weiterhin genetzt werden kann oder der zulässige Pegelstand vielleicht doch erreicht oder gar überschritten ward?
Schon der Name verweist also auf den Arche-Typos, auf den Anspruch des „wahrsten Lokals“; umso mehr die Figur des „Schleusenwärters“: Paul Pogel war ein begnadeter Kneipier, die Inkarnation des Wirtes als Freund und Zuchtmeister seiner bunt zusammengewürfelten Truppe. Aus aller Herren Länder waren sie gekommen und saßen nun stumpf stierend vor ihren schalen Bieren: ehemalige Obristen von den Gewürzinseln, eine abgetakelte Tippmamsell aus Elmshorn, „Halbstarke“ und Ganztagsschullehrer e tutti quanti. Was hinderte sie, übereinander herzufallen, „Pogo“ oder „Gabba“ zu machen, den „Bär“ tanzen zu lassen? Die Antwort: Paul Pogel.
Groß gewachsen, stattlich – aber behänd und flink; von natürlicher Autorität, mit einem prüfenden Blick die Meute kontrollierend, ja einschüchternd, doch dabei mit angelsächsischer Lässigkeit das schmackhafte Astra-Bier in die dafür eigens angeschafften „Tulpen“ beziehungsweise Halblitergläser zapfend und, hast du nicht gesehen, zwei eiskalte Körner aufs Tablett zaubernd: So steht er nun vor dir mit breitem Grinsen, und niemand wagt sich zu rühren. Man könnte eine Steckrübe fallen hören – doch da ertönt aus der Musikbox (ich weiß, dass Wichtigtuer „Jukebox“ sagen) „Ich hab Bohnen in die Ohrn“ von Gus Backus, und schon ist der Bann gebrochen, beginnt wieder das Plärren der ewig gleichenGespräche.
Steak in Bierdeckelgröße
Aber nicht nur Bier, Schnaps, Brause und Cola werden zügig ausgeschenkt, auch für den kleinen Hunger zwischendurch ist gesorgt. Spezialität des Hauses ist die Currywurst, wahlweise mit Brot oder Fritten; auch die Würstchen mit Kartoffelsalat werden gern genommen. Als Problemzone erweist sich indes das Rumpsteak. Ordert der Gast es „durchgebraten“, schrumpft es naturgemäß zu Bierdeckelgröße, was Maulen und Widerworte beim Kunden hervorruft – und in Sekundenschnelle verwandelt sich unser gutmütiger Wirt, dieser Bonhomme par excellence, in einen Wüterich, die Reklamation mit groben Worten zurückweisend, ja körperlicher Gewaltanwendung nicht abgeneigt. Noch ein Wort zur Einrichtung: Sie ist schlicht, Resopaltische der ersten Generation, bequeme Sitzbänke, strapazierfähige Stühle ohne Sitzkissen; große Aschenbecher („haizara“ auf japanisch, aber das nur nebenbei), Vasen mit Echtblumen: Das Auge trinkt ja mit. Also eigentlich nichts Besonderes, sagen Sie – aber sind wir nicht alle etwas Besonderes, einmalig wie Peter Rühmkorf? Ist es denn nicht mein einzigartiges, besonderes Leben, das hier verpfuscht wurde?Ich frage ja nur. Längst ist das Haus abgerissen, eine Menschen verachtende Politik der sogenannten Hafenerweiterung hat die schöne Elbinsel Altenwerder in den achtziger Jahren planiert – aber in meinem Herzen, in meiner Leber werden die „Schleuse“ und ihr Wirt unvergessen bleiben.«
Hallo Eugen, ich erinnere mich, daß ich Dir mal von der dicken Schwarte von Roeber und Jacoby erzaehlt hatte. Gestern habe ich im Philturm diese Schwarte noch mal in der Hand gehabt und einige Seiten daraus fotografiert. Das ist ja schon einfacher, als es vor Jahren war, wo man dann immer suchen mußte, wo man eine Kopie davon machen konnte. Das mochten die Bibliothekarinnen immer gar nicht, wenn man die Buecher auf dem Kopierer platt drueckte, damit man das spaeter auch lesen konnte. Jetzt fotografiert man das und weil die Datei so groß ist, das man sie nicht verschicken kann, faehrt man heim und schreibt das Bild mit einem zweiten Klapprechner von dem ersten Klapprechner ab. Natuerlich ohne sich dabei zu fragen, ob das nun wirklich praktischer als frueher ist. Hier kommt nun die Abschrift des Fotos:
Abschrift“2. Abschnitt:Das Besatzungsregime I. Vorbemerkung 1. Grundlagen. Nach dem Zusammenbruch gab es zunächst keine Filmtätigkeit im gesamten Gebiet des ehemaligen Deutschen Reiches mehr. In der Proklamation des alliierten Kontrollrates Nr. 2 vom 20. September 1945 war auch der Film unter alliierte Kontrolle gestellt. (1). Diese Proklamation war die allgemeine Grundlage auch für die Beschlagnahme der Vermögenswerte des reichsmittelbaren Filmvermögens. (2) Durch das Kontrollratsgesetz Nr. 2 (3) erfolgte im Rahmen der Auflösung sonstiger nationalsozialistischer Organisationen auch die Auflösung der Reichskulturkammer und damit der Reichsfilmkammer. (4) Die Besatzungsmächte erließen für ihren räumlichen Zuständigkeitsbereich (5) auf dem Gebiet des Films Gesetze und Verordnungen (6), die zum Teil unveröffentlicht blieben. (7) Solche Maßnahmen stimmten in der Amerikanischen Zone und der Britischen Zone weitgehend überein; die Französische Zone folgte mit entsprechenden Maßnahmen. Mit der Proklamation Nr. 1 des Oberbefehlshabers der Westalliierten Streitkräfte in Europa (Dwight D- Eisenhower) wurden alle deutschen Amtsstellen ihrer Befugnisse enthoben. (8) Auf Grund des Gesetzes Nr. 52 wurde das mittelbare und unmittelbare Filmvermögen der öffentlichen Hand beschlagnahmt (Property Control). (9)“ (Die Suchmaschine übersetzt: Eigenschaftskontrolle).
Eine erstaunliche Wortwahl von Roeber und Jacoby, wie ich finde. Besonders das Wort Besatzungsregime und das Wort Zusammenbruch. Das Wort Militärregierung und das Wort Kapitulation wollten sie offensichtlich nicht verwenden. Und wer ihre Geschichte kennt, den wird das nicht verwundern.
Nachtrag: Anmerkungen aus dem Handbuch der filmwirtschaftlichen Medienbereiche 1973, Verlag Dokumentation von Dr. Georg Roeber und Gerhard Jacoby
Anmerkung 11) Siehe Turatus, Die Entwicklung der deutschen Filmwirtschaft nach 1945, Seite 2 Anmerkung 167) Im Juli 1945 waren in Bayern die ersten Filmtheater wieder spielbereit (so in Tölz). München folgte im August 1945 mit acht lizensierten Filmtheatern. Anmerkung 168) Die ursprüngliche Bezeichnung war „Amerikanischer Filmverleih“. Der amerikanische Leiter war Sgt. Klinger. (früher Wien); ihm stand Hans Kubaschewski (früherer Bezirksvertreter der Deutschen Filmvertriebsgesellschaft in Berlin) als Deutscher zur Seite. Kubaschewski wurde später Deutschland-Chef des Warner Brothers-Verleihs und war anschließend Geschäftsführer der reprivatisierten Bavaria-Filmkunst. Anmerkung 169) Vergleiche Turatus, aaO. Seite 4. Anmerkung 170) Siehe Anm. 153. Anmerkung 171) Nachteilig vor allem für den Wiederverkauf einer deutschen Spielfilmproduktion. Anmerkung 172) Lizenträger war Dr. Berger, Zahnarzt in Burgkunstadt (Ofr.) Anmerkung 173) Später Bundeswirtschaftsminister und nachfolgend Bundeskanzler. Anmerkung 174) In dieser Richtung bewegten sich auch die Absichten britischer Besatzugsstellen die zur Gründung der Atlas-Film GmbH in Hamburg führten, jedoch mit dem Erfolg, daß die Atlas-Film den Militärfilmverleih ablöste und – auch nur vorübgehend – wurde. Anmerkung 175) Ehefrau von Hans Kubaschewski, ehemalige Chefdisponentin des Siegel-Monopol-Filmverleihs in Dresden, bei Einmarsch der amerikanischen Besatzungstruppen Filmtheaterbesitzerin in Oberstdorf. Siehe auch Anm. 168. Anmerkung 176) Mitgeschäftsführer war Erich Motzkus, später bei der National Film, Hamburg und zuletzt in Berlin auf verschiedenen Filmgebieten tätig. Hallo Eugen, noch Fragen? J.
Hallo Eugen, beim nochmaligen Lesen faellt mir auch der Begriff von Roeber und Jacoby: “ . . . und war anschließend Geschäftsführer der reprivatisierten Bavaria-Filmkunst. “ ins Auge. Soll vermutlich heissen ein Privatbetrieb wieder ein Privatbetrieb. Das Gegenteil ist der Fall, wie man den Nachforschungen von Roeber und Jacoby entnehmen kann. Und nun kommst wieder Du!, J.
Vierundundzwanzig Elektronische Briefe an und von Wiebeke
1) Hallo Jens, nein, ich meinte nicht, dass du das Foto nicht haettest online stellen sollen, nur stell bitte diesen Namen nicht rein. Ob MICS tatsaechlich dieser Michael Schaaf ist, ist ja halb geraten. Und mir waere es unangenehm, wenn das Foto aufgrund einer fuenfminuetigen Internetrecherche jemandem zugeschrieben wird, der es nicht gemacht hat. Oder jemandem, der tot ist, waehrend der tatsaechliche Fotograf noch lebt. Apropos tot, hast du denn anlaesslich des Todes deines Helden Belmondo eine Gedenkminute eingelegt? L.G. Wiebeke
2) Hallo Wiebeke, nein. Einen Gedenkabend. Bei Arte waren sie ganz schnell und haben erst einen ganz alten Belmondo Film gezeigt (2 Std.), den ich noch nicht kannte und dann einen Belmondo Film, den ich zwar kannte, aber nie im Kino gesehen hatte und der sehr komisch war. Der ist von Philippe de Broca. Im Original: „Les tribulations d’un Chinois en Chine“, der deutsche Verleihtitel war: „Die tollen Abenteuer des Monsieur L.“. Der Titel hatte mich 1965 wohl nicht angesprochen. Und auf meinem Fernseher kann sich die Leistung auch nicht richtig entfalten, aber es gibt eine Ahnung davon, das das moeglicherweise ein sehr guter Kinofilm gewesen war. Eben hatte ich das Foto von der Werft wieder runtergenommen und gleich schwupps mach ich es gleich wieder rauf, weil Svea gesagt hat, bereits beim ersten Mal der Veroeffentlichung ist das Copyright schon verletzt. Uebrigens hat sich der Herr aus Neuseeland, obwohl mit einem wunderbaren Brief bedacht, geschickt mit der herkoemmlichen Post, niemals bei mir gemeldet und schwupps waren die Fotos mit der cc Lizenz im Beipack vom Civic Kino der Fotografin Julia Kuttner aus Takapua auch schon hochgeladen. L. G. Jens
3) Hallo Jens, ich fuehle mich geehrt. Auch wenn ausser dir und mir natuerlich niemand weiss, dass ich das bin. Du konntest auf dem Foto nicht lesen, dass das „Gr. Marienstraße.“ heisst? Das kann ja sogar ich lesen und ich bin dreimal an den Augen operiert. Und sag mal, wieso hast du den Eintrag fuer Raupert im Hamburger Adressbuch gefunden; die Grosse Marienstraße war doch in Altona? Und die letzte Frage: Was heisst denn LGB? Ich kenne das nur als Abkuerzung fuer „Lesbian, gay, bisexual“ und wuerde mich doch sehr wundern, wenn das in diesem Zusammenhang gemeint waere. L. G. Wiebeke
4) Hallo Wiebeke, ja, so soll es sein. Lesen? Das Wort heisst „ahnen“ und das auch nur, weil in der Bildunterschrift ja nur ein kurzes Wort auftaucht. Johannesstraße hat acht Buchstaben und Marienstraße nur sechs. (Das Wort Straße ist ja bei beiden gleich lang). Die Adressbuecher bei Agora sind alle unter Hamburg geordnet. (Da steht dann immer heutiges Gebiet, ohne den Hinweis, wem das zu verdanken ist), aber Du hast natuerlich recht: Ich habs im Altonaer Adressbuch gefunden. Aber das Du die LGB nicht kennst! Wenn Du als Junge diese Erde betreten haettest, dann waere das nicht passiert. Jeder Junge der damals in meinem Alter war, kannte die LGB.. Das war die Alternative zu den eingebildeten Schnöseln. Die hatten [weil ihre Eltern so reich waren und sie selbst zu Angebern erzogen werden sollten], immer die Nase oben und hatten den Mercedes der Modelleisenbahn: „Maerklin“. Die war eigentlich scheisse, weil sie mit Wechselstrom fuhr und keine durchgehende Stromschiene hatte und deswegen dauernd stehenblieb, was den Angebern natuerlich egal war. Also »LGB« ist die Abkuerzung fuer »Lehmann Garten Bahn«. Inzwischen ist Maerklin zweimal pleite gegangen und fuenf mal verkauft worden. Lehmann Garten Bahn ist nur einmal pleite gegangen und jetzt an Maerklin verkauft worden. Uebrigens faehrt die heutige Maerklin auch mit Gleichstrom, das ham sie jetzt endlich verstanden. Das mit dem Hamburger Adressbuch muß ich natuerlich gleich aendern. L. G. Jens
5) Hallo Jens, er ist durch den Elbtunnel geradelt, und das Stempeln war garantiert einer der Gruende dafuer, dass er da wegwollte; das Einzige, was er von diesem Job je erzaehlt hat, war, dass er jeden Morgen zur Arbeit pedalt ist, als ob’s um den Tour de France-Sieg ginge, denn im Gegensatz zu mir ist er ein notorisch unpuenktlicher Mensch. Bei der Oper musste man auch frueh aufstehen – Schichtarbeit – aber jedenfalls nicht stempeln, und ausserdem war man da nach 15 Jahren unkuendbar, weil’s ein halbstaatlicher Betrieb war, also quasi verbeamtet. Aber bis dahin war’s ein weiter Weg; angefangen hat er als sogenannter »Deckenzwerg«, das waren die, die auf den Knien auf der Buehne rumgerutscht sind und die Teppiche festgekloppt haben. So dass ich, als ich in der 1. Klasse in der Grundschule gefragt wurde, was denn mein Vater von Beruf ist, erhobenen Hauptes sagte, „Deckenzwerg“ und die allgemeine Heiterkeit gar nicht verstehen konnte. L. G. Wiebeke
6) Hallo Wiebeke, ich bin eben noch mal vorbeigefahren und habe den aktuellen Stand von Blohm & Voss fotografiert. Es ist nicht wahr, dass beide Schwimmdocks verkauft sind. Eins haben sie noch. Vom anderen Ufer fotografiert sieht das natuerlich nicht so aus, wie auf Deinem Foto. Aber die Kraehne sind noch dieselben. Oder waren es die gleichen? L. G. Jens
7) Hallo Jens, grade nach da, das ist in der Tat lustig. Ich meine die Ehemals-Ökosan-Rechnung, nicht den fuenfseitigen Schrieb von der IFB, von dem ich mir bisher erst die ersten zwei Seiten angetan habe; man will sich ja nicht vollends die Laune verderben. Worauf fuehrst du zurueck, dass die das mit derartigen Enthusiasmus und Einsatz durchzusetzen versuchen? Man sollte meinen (ich jedenfalls), drei Fuenftel der Empfaenger*innen knicken eh ein und zahlen die Kohle auf Raten zurueck, einem Fuenftel koennen sie nix, und das verbleibende renitente Fuenftel ist die Muehe nicht wert, jedenfalls nicht, was die Summen angeht, um die es da geht. Man hat fast den Eindruck, den IFB-Federfuchsern geht selber der Arsch auf Grundeis, aber wer atmet ihnen da von hinten auf die Ohren? Und vor allem warum? Angesichts dessen, dass das alles ja sowieso (fast) unter Ausschluss der indifferenten Oeffentlichkeit stattfindet und eine gerichtliche Niederlage von dir und deinesgleichen deshalb ja nicht mal abschreckende Wirkung hat. Ich bitte um Interpretation. L. G. . Wiebeke
8) Hallo Wiebeke, falls Du also jemals einen autobiografischen Text [von einem Buch will ich gar nicht schreiben] in Angriff nehmen willst, dann solltest Du den Titel: „Mein Vater, der Deckenzwerg“ nehmen. Du koenntest es natuerlich auch mit dem Schwimmer probieren, allerdings ist „Mein Vater, der Elbdurchschwimmer“ kein Erfolgstitel, das muesste dann schon: „Mein Vater, der Atlantikdurchschwimmer“ sein. Eine Spur, die aber ins Abseits fuehrt und da willst Du ja bestimmt nicht hin. Und das alles koennte man auch „Die Tochter des Deckenzwergs“ nennen, auf Deine Schwester bezogen koennte ein Buch von ihr dann heissen: „Die Tochter des Deckenzwerges, die es einmal besser haben wollte oder sollte“ was natuerlich ziemlich lang ist. Aber lang, so scheint es mir, ist heute modern. Ich habe, da war ich aber schon in der vierten Klasse, sagen muessen, mein Vater sei Prokurist. Das, so wurde mir eingeschaerft, sei ein ziemlich wichtiger Mann, das, wie sich spaeter herausstellte auch nicht richtig war, denn er war der Prokurist einer ganz kleinen Maschinenfabrik und Prokurist war er nur geworden, weil sein Chef Wilhelm Busch [der hiess wirklich so] sich mehr mit seinen Urlaubsbreisen [Geschaeftsreisen nannte er das] beschaeftigte, als sich im Betrieb mit dem Unterschreiben von Briefen zu beschaeftigen. Wilhelm Busch haette sicher „Die Partei“ [Urlaub muss sich wieder lohnen!] gewaehlt, waehrend mein Vater, als ehemaliges NSDAP Mitglied lieber Erich Mende [ebenfalls ehemaliges NSDAP Mitglied steht zu vermuten, ich habe es nicht ueberprueft, nee passt nicht, war noch zu jung, war erst 17 Jahre alt] gewaehlt hat. Und am Sonntag haben meine Eltern zusammen im Bett die »Welt am Sonntag« gelesen. Gerade ist der Tuermer mit seiner Trompete fertig geworden und es scheint mir an der Zeit, Dich nicht laenger zu quaelen. Das war der Text zum Dienstag fuer die Tochter des Deckenzwergs und nicht der Text für die Schwester, ebenfalls Tochter des Deckenzwergs, die es einmal besser haben sollte, schoene Gruesse auch vom Erbeerschorsch. L. G. Jens
9) Hallo Wiebeke, grad habe ich Dein Foto von Blohm & Voss wieder hochgeladen und auf die Seite gestellt. Dabei ist mir aufgefallen: Man sieht den Schatten der Haende der Fotografierenden, deswegen kommt jetzt das Lied, das meine Freundin immer zitiert, wenn sie sich ueber eine Saengerin aus der DDR lustig machen will. Dann singt sie die Zeile: „Sind so kleine Haende, winzige Finger dran“ den Rest habe ich vergessen, bzw. verdraengt. Ich fand das Lied immer ganz schoen. So unterschiedlich koennen Geschmaecker sein. L. G. Jens
10) Hallo Wiebeke, ich guck ja im Moment viel Fernsehen. Am Sonntag gab es bei Arte noch mal »Fahr zur Hoelle Liebling«, den ich sehr gerne mag. Im Abspann des Filmes taucht der Name Jim Thompson auf. Das war mir frueher nie aufgefallen. Jim Thompson spielt den alten Ehegatten von Velma [Charlotte Rampling]. Es handelt sich tatsaechlich um den Autor dieser wunderbaren Buecher, den ich versucht habe, Dir schmackhaft zu machen. Und das zweite Erlebnis will ich auch nicht verschweigen. Es gibt ja diese Amis, die ueber die Weltwunder Filme machen und die dann berichten, was sie Neues gefunden haben. Darunter eben dieser Film ueber die Bauplaene der Cheops Pyramide die hundert Kilometer entfernt gefunden wurden. Auf Papyrus geschrieben. Ham sie entziffert. Ungefaehr fuenftausend Jahre altes Speichermedium. Gleichzeitig ist meine externe Festplatte, das Speichermedium der Gegenwart, von einem Brett, zwanzig Zentimeter ueber dem Fußboden liegend, heruntergefallen und ist tot. Kann nicht wiederbelebt werden. Da hatten es die alten Aegypter doch viel besser. L. G. Jens
11) Hallo Wiebeke, eben im Briefkasten: ein Brief von EWS. Ich bin jetzt mit 1.968 Kwh pro Jahr in der Stromverbrauchsgruppe A, sehr gut, schreiben sie mir aus dem Schönau-Schwarzwald. Im Vorjahr waren es 1.979 Kwh. Aber der wichtigere Brief kommt vom Bezirksamt Hamburg Mitte. Und da habe ich, was ich von der Stasi gelernt habe, den Umschlag so aufgemacht, dass mann ihn auch wieder verschliessen kann, ohne das die Betreffende oder der Betreffende es merkt. Die Nachricht ist folgende: Sie haben Briefwahl beantragt (Lob) und dabei folgende, von der Meldeanschrift abweichende Versandanschrift angegeben.„Bitte prüfen Sie die gespeicherten Angaben auf deren Richtigkeit und wenden sich bei Fehlern an die im Briefkopf angegebene Wahldienststelle. Ist der Versand an die oben genannte Adresse richtig, müssen Sie nichts weiter tun.“ Die oben angebene Adresse ist per E Mail und freundliche Gruesse schicken sie auch. Da ist mir natuerlich sofort das Zitat von Horst Urich Sass in den Kopf gekommen, als er am Flughafen Hamburg, zweimal Hamburg gelesen hatte und gemeint hatte: „Was muessen diese Idioten zweimal Hamburg schreiben!“ L. G. Jens
12) Hallo Wiebeke, die wichtigste Antwort zuerst (Die gilt natuerlich nur fuer die Jahrzehnte von 1949 – 1987): Meine Eltern, aber die sind beide schon lange tot. (1979 + 1987). Und die haben die FDP gewaehlt, weil dort die meisten von den Mitgliedern waren, deren Mitglieder sie vorher waren. Ich will nicht ungerecht sein. Meine Mutter hatte es nur bis zum Deutschen Frauenwerk geschafft. Wer nun die FDP in Hamburg waehlt, weiss man aus der letzten Hamburger Buergerschaftswahl. Die Einwohner von Blankenese. Ueberall sind sie an der Huerde der Prozente gescheitert, nur nicht die Kandidatin aus Blankenese. Ob der Adel angekauft, geliehen oder nur angeheiratet ist ― wie bei der Kekstochter in Bruessel, habe ich nicht ueberprueft. Gestern Abend jedenfalls hat es hier von Kindern (Fryday fuer Future) nur so gewimmelt, aber die Parteien schaetzen sich gluecklich, die Kinder duerfen ja noch nicht waehlen. Die Brieftraegerin muß ich in Schutz nehmen. Mir fallen bestimmt noch Argumente ein. Nur im Moment nicht richtig. Hast Du gesehen, wie Armin aus Aachen, die beiden Kinder angelogen hat? L. G. Jens
13) Hallo Jens, apropos Wahl, meine Briefwahlunterlagen sind am gleichen Tag bei mir angekommen wie der Brief, in dem nachgefragt wurde, ob es mit der Adresse auch seine Richtigkeit hat, wie bei dir. Und wenn ich nun gesagt haette, halt, nein, da ist ein Fehler drin? Diese Unterlagen waeren doch nie und nimmer ein zweites Mal rausgeschickt worden. Und weil wir hier in Sachsen-Anhalt sind, hat die Brieftraegerin diesen Brief, der nur persoenlich und gegen Vorlage des Ausweises usw. usf. ausgehaendigt werden darf, einfach in den (unabgeschlossenen) Briefkasten gestopft. Um deine Festplatte tut es mit Leid; ich hoffe, da ist nichts Unersetzliches verlorengegangen. Und mit dem Papyrus hast du natuerlich recht. Wobei aber dazu gesagt werden sollte, dass auch dieser Papyrus schon laengst vergammelt waere, wenn er irgendwo rumgelegen haette. Wahrscheinlich wurde er an einem luftdichten, staubtrockenen, abgeschlossenen Ort gefunden (z.B. einer Pyramide).
Wenn du deine Festplatten in einer Pyramide deponieren wurdest, waeren sie vielleicht nach 3000 Jahren noch so gut wie neu. Und zu guter Letzt: Wenn das ein echtes Wahlplakat waere, waere das glatt ein Grund, die FDP zu waehlen. Andere Gruende gibt’s ja nicht. Wer waehlt diese Partei, frage ich mich seit Jahrzehnten? L. G. Wiebeke
15) Hallo Wiebeke, so ging es mir auch. Aber ich glaube, da gabs auch nichts zu verstehen. Aber: schwarzweiss Fotografie und CinemaScope [und noch das Streichholzspiel 1/3/5/7 und wer das letzte Streichholz zieht, hat verloren, oder war es umgekehrt?] und ausserdem sehen die Frauen doch sehr attraktiv aus, und deswegen haben wir Jungs, die sich fuer was besseres hielten, diesen Film gerne angesehen und natuerlich auch den von Wes Anderson, wo ich mich immer gefragt habe, was diese verschiedenen Formate eigentlich sollen? Meine Doppelanfrage [bezueglich Wohnraum in Berlin] hat mich doch mal wieder in meinen Vorurteilen bestaetigt. Junge Frauen wollen alle, auch wenn kein Platz ist. Doch sobald sie die 40 ueberschritten haben, schon ist es vorbei. Bei Berlin faellt mir noch das Desaster mit den Wahlzetteln ein. Das hat aber die Titanic schon im März 1990 vorhergesagt, wie Du in der Anlage sehen kannst. L. G. Jens
16) Hallo Wiebeke, ich hab mal wieder was abgeschrieben, weil diese Fotokopien so schlecht zu lesen sind und natuerlich auch, damit die Kinder sie auch finden, falls sie denn auf die Idee kommen sollten, zu suchen. Ein Text, den Fritz Teufel [der mit der Wahrheitsfindung] mal geschrieben hat und in einem Buch erschienen ist, in dem auch andere Knackis, u. a. einer, der sich vom Anarchisten zum Realsozialisten und Schriftsteller verwandelt hat, dessen Krimis ich aber nie gelesen habe [bzw. immer nur den Anfang] [Robert Jarowoy]. Beide inzwischen in Freiheit und verstorben, jetzt habe ich doch glatt den Faden verloren und muss mal schnell zur Blutabnahme in die Praxis, wo ich schon seit 1983 bin (damals habe ich mir immer die gelben Zettel bei ihm abgeholt und war heilfroh, dass ich nicht wirklich krank war) und die zahlreiche Personalwechsel hinter sich hat [Karl Heinz Roth u.a.] und hier nun der Link auf das »Maerchen von Ali und Fatima«. L. G. Jens
17) Hallo Jens, diese Email musste ich zweimal lesen, bis sich mir erschlossen hat, wovon du eigentlich redest. Erst dachte ich, huch, ich habe ein Buch geschrieben? Das ist mir neu. Aber irgendwann fiel der Groschen dann doch. Freut mich, dass was Lesenswertes dabei ist. Aber was diesen Film betrifft: Das ist doch sehr unwahrscheinlich, dass der noch nicht auf die Muellhalde gewandert ist, oder? In welchem Format wurden solche Fernsehbeitraege denn eigentlich gefilmt? Nicht lachen, ich weiss es wirklich nicht. Die beiden Schreiben von deinem Anwalt lese ich morgen, sonst kriege ich schlechte Laune, und das will man ja nicht zum Feierabend. Ich meinerseits habe seit meiner „das kann doch nicht wirklich von Ihnen sein; ich wittere Betrug“-Email von vor zwei Monaten nichts mehr von der IFB gehoert. Aber die naechste Frechheit wird kommen; da koennen wir von ausgehen. Wie ist denn der Stand der Dinge bei D.; weisst du das? Zu deiner letzten Email: Robert Jarowoy kannte ich fluechtig, weil wir gemeinsame Bekannte hatten; schien mir ein netter Kerl zu sein, aber als Schriftsteller wenig beeindruckend. Fand ich jedenfalls. Im Gegensatz zu seinem Kampfgefaehrten Peter-Paul Zahl, mit dem ich ihn manchmal verwechsle, obwohl der eine ganz dick war und der andere ganz duenn. Gaehn. Wie dir wahrscheinlich aufgefallen ist, bin ich etwas braesig im Kopf. Ich habe den halben Tag Bilderrahmen lasiert, und jetzt ist mir schummrig vom Terpentin. Aber ich wollte nicht auch noch beim Malen und Lackieren eine Maske aufsetzen, wo man doch eh schon staendig mit so einem Kaffeefilter auf der Nase rumlaeuft. Also demnaechst mehr. Sag mal, wieso gehst du denn zum Blutabnehmen, wenn man mal fragen darf? L. G. Wiebeke
18) Hallo Wiebeke, dann fange ich mal von hinten an. Blut abnehmen, weil mein Hals irgendwie geschwollen ist und der Nachfolger von Karl Heinz Roth nach einem Blick in meinen Rachen auch nicht wußte, warum mein Hals geschwollen ist. Mit der Muellhalde, das traue ich weder dem WDR noch dem NDR noch Radio Bremen zu. Da sitzen die Gralshueter der Fernsehgeschichte, die schmeissen so was nicht weg. Den Film von Ulrike Meinhof ― Bambule ― haben sie ja auch nicht weggeschmissen und dann doch noch in irgend einem Nachtprogramm mal gezeigt. Im Studio haben sie mit großen Ampex Kameras gearbeitet, die mit zwei Zoll breiten Magnetbändern gearbeitet haben. Aber wenn sie in der Fabrik in Berlin-Kreuzberg bei DTW [nicht fuer dich aber fuer die Nachwelt: eigentlich De Te We, die Abkuerzung fuer Deutsche Telefon Werke, in Berlin 36, Wrangelstraße 100, die haben das Telefon W 48 gebaut] gedreht haben, dann sicher auf 16 mm Film, vorwiegend mit der Arri BL, aber auch mit der Aaton und der Eclair [aus Frankreich], die beide im Einsatz waren. Eine schoene Kamera. Die Eclair. Die 120 m Kassetten waren klasse. Da mußte man nicht die ganze Zeit im Dunkelsack rumfummeln, wenn man den Film in die Kassette eingelegt hat. Meist auf Umkehroriginal gedreht, manchmal aber auch mit Negativ Film. Die beiden Schreiben des Anwalts dienen eher der Erbauung und der Aufmunterung. Merkwuerdiger Weise hat bisher in Hamburg kein Sturm der Entruestung stattgefunden. Im Gegenteil. Wie ein Film von Bergmann: »Das Schweigen«. Der bescheuerte Innensenator [der aus Hamburg, nicht der aus Berlin von dem Wolfgang Neuss mal gedichtet hat: „Der Innensenator muß immer ne schnelle Fehlbesetzung sein“ oder so] laesst an der Flora immer die Beamten die Schrift uebermalen. Zugelernt haben sie nix. Und dann hat er auch noch zur Corona Rueckzahlung oeffentlich gesagt, dass die Leute, die dieses bekommen haben, ja auch in Raten zurueckzahlen koennen. L.G. Jens
19) Hallo Wiebeke, wird erledigt, ich freue mich ueber jede Begegnung mit Dir! Vorbeikommen immer! Gestern ist mir doch was Komisches passiert. Wieder ein Baustein zur Theorie des Aelterwerdens. Ich habe mit grosser Neugier das Buch, das Du mir geschenkt hast [das von den Scherben] bis zur letzten Seite gelesen. Manchmal hatte ich dabei den Eindruck, dass es sich um Wiederholungen handelt. Ich habe das meinem Gedaechtnis angelastet, da sind ja eine Menge Kenntnisse ueber Ralph und Gert Moebius angehaeuft. Irgendwie kam mir gestern die Idee, doch mal in meinem Buecherregal zu stoebern. Und siehe da, dort ist die Ausgabe von 2005 mit einem anderen Umschlag, den selben Texten und zehn Seiten dicker und sonst identisch, nicht mal die Schrift wurde veraendert. Das die Ausgabe etwas anders ist, kommt daher, das einige Bilder hinzugefuegt wurden. Wer haette das gedacht? Ich jedenfalls nicht. Den einen Text, den ich doof fand in der Neuausgabe, fand ich auch schon in der letzten Ausgabe doof, aber diesmal habe ich drei Seiten mehr gelesen, bevor ich abgebrochen habe. Jetzt kommt noch der Satz ueber Mae West, deren Auftritte in den verschiedenen Filmen ich immer sehr gemocht habe. Da hat jemand ueber sie geschrieben . . . „Sie verliert ihren gut Ruf den sie nie vermisst“. L. G. Jens
20) Hallo Wiebeke, der Brief ist im Kasten. Der Briefkasten, den ich sonst immer benutze, ist seit die gegenueber liegende Kirche in einen Laden umgebaut wird und sie deswegen den Briefkasten beseitigt haben, also der Briefkasten am Michel ist nicht mehr . . . wo war ich stehengeblieben? Ach ja, also der Briefkasten [grosse Version] auf dem Großneumarkt [versteckt hinter Hamburgs schoenster Litfaßsaeule], der hat mein Vertrauen nicht erringen koennen, weil er so voll war, dass man die obersten Sendungen gut haette entnehmen koennen. Also ich habe den genommen, der hundert Meter weiter im Alten Steinweg vor der Wirtschaftsbehoerde steht. Der soll ebenfalls um 16.30 Uhr geleert werden. Ich werde das jetzt nicht ueberwachen. Viel Spass beim Lesen, manchmal macht ja auch die Beamtensprache Freude in ihrem Unbeholfensein. L.G. Jens
Ps: Da faellt mir noch das Weihnachtsgedicht fuer die Beamtenkinder ein: „Der Gabentisch ist oed und leer, Die Kinder gucken bloed umher, Da laesst der Vater einen krachen, So kann man auch mit kleinen Sachen Beamtenkindern Freude machen“. [G. Klaut bei Dorle K.]
Mit dem Krachen ist ein bestimmter Laut gemeint, den der Vater [Beamter = Sesselfurzer] mithilfe einer seiner Koerperoeffungen zu Stande bringt.
Aber das kannst Du ja nicht wissen, weil Du kein Beamtenkind gewesen bist. Um den Rassismus rauszukriegen kann man auch was anderes einsetzen. Reimt sich auch mit: Arbeiterkindern -, Angestelltenkindern und Tischlerkindern usw.
21) Hallo Jens, das finde ich super. Zum einen, dass ich dir was geschenkt habe, das du schon hast, ohne dass du’s gemerkt hast, und zum zweiten, weil es einen Jahrmarkt der Moeglichkeiten fuer weitere Geschenke eroeffnet: Zu deinem 90. schleiche ich mich in deine Wohnung, stehle ein Buch, von dem ich weiss, dass es dir gefallen hat, mache einen neuen Umschlag und Geschenkpapier drum, und voilà. [Fremwoerterbuch = sieh da!]. Das erinnert mich ein bisschen an die Leute ― du kennst bestimmt auch welche ― die sich nie erinnern koennen, dass sie einen Film schon mal gesehen haben. 70 Minuten sitzt man mit ihnen vor der Glotze, Dramen spielen sich ab, Ehen gehen in die Brueche, Autos fliegen in die Luft, und in der 71. Minute sagen sie ganz langsam: „Ich glaub, den kenn ich schon.“ L. G. Wiebeke
22) Hallo Wiebeke, das klingt ja ganz traumatisiert. Man spuert die Gedanken, die Dir dabei durch den Kopf gegangen sind. Da faellt mir sofort die Geschichte von dem Kind (weiblich) ein, das nach ihrem Berufswunsch befragt wird und es, wie aus der Pistole geschossen antwortet: Lehrerin! Auf die Frage warum, kommt die Antwort: Dann kann ich Kinder zwiebeln! Was natuerlich uebersetzt heisst: Kinder quaelen. Ich hab das nur hier hingeschrieben, weil ich natuerlich annehme, dass Du noch nie Kinder gequaelt und noch nie den Wunsch gehabt hast, dieses zu tun, was ich von mir aber nicht behaupten kann. Uebrigens zu dem Scherben Buch mit dem neuen Umschlag und Deiner Receycling Idee der Wiederaufarbeitungs-Verwertung ist mir aufgefallen, das es sein koennte, das das Buch doch nicht so gut ist, wie ich erst angenommen hatte. Und zwar aus folgendem Grund: Buecher, die ich vor 15 Jahren gelesen und fuer gut befunden habe, wuerden mir, trotz fortgeschrittenen Alters, sofort in Erinnerung kommen, Alzheimer her oder hin. Da dies bei selbigen Buch nicht der Fall ist, laesst mich auf die Idee kommen, dass es damals bei mir keinen bleibenden Eindruck erzeugt und hinterlassen hat. Bei der »Insel des zweiten Gesichtes« [fuer die Nachgeborenen von Herrn Albert Vigoleis Thelen] ist das ganz anders. Alle Saetze, die Du der Lehrerin [oder dem Lehrer] in den Mund gelegt hast, sind sehr glaubwuerdig. Nur Dein letzter Satz sorgt fuer Irritationen. Als ich noch Lehrer in der Schule selbst erlebt hatte, haben sie niemals die Seitenzahl, die ausreichend sein sollte, angegeben, sondern immer nur die Zeit, die zur Verfuegung stand. Heute morgen habe ich [extra nur fuer Dich] Deutschlands [oder vielleicht Hamburgs] schoenste Litfasssaeule und den Briefkasten, in den ich immer die Briefe werfe, die ich an Dich schicke, fotografiert. L. G. Jens
23) Hallo Jens, das ist doch gar nicht maennerfeindlich, hoechstens eltern- oder trinkerfeindlich. Ich versteh das so, dass Mama hingefallen ist, weil sie auch schon stramm ist. Das waer doch mal ein Gedicht zum Interpretieren im Deutsch-Leistungskurs: „Wie kontrastiert der Autor das Verhalten der beiden Eltern? Laesst seine Schilderung Rueckschluesse auf seine eigene Haltung zu den Ereignissen zu? Welche Reaktion will er damit beim Leser hervorrufen? Und handelt es sich hier Ihrer Meinung nach um eine individualistische Zustandsbeschreibung oder um einen gesellschaftskritischen Kommentar? Mindestens 4 Seiten, bitte.“ L. G. Wiebeke
24) Hallo Jens, danke! Ich fuehle mich geehrt, dass ich persoenlich die Adressatin dieses Aufsatzes bin. Und das ist schon die 11. Epistel? Da habe ich einige der ersten 10 moeglicherweise verpasst. Das wird nachgeholt. Eine Ergaenzung zum Thema „Mobiltelefone in Drehbuechern“: Ich habe letztens ein Interview mit einer Krimiautorin gelesen, in dem sie Folgendes sagt – ich uebersetze aus dem Stegreif: „Mehr und mehr Krimis spielen in der Vergangenheit wegen dieser verdammten Mobiltelefone. Ein immer groesserer Teil der Ermittlungen gruendet sich auf Technologie. Aber die zwischenmenschliche Ebene, die uns an Krimis fasziniert, bleibt auf der Strecke. Man muss nicht mehr fuenf Leute verhoeren, um herauszufinden, wo Joe in der Nacht vom 15. auf den 16. war. Man verfolgt einfach sein Handy. Vor zehn oder zwanzig Jahren, wenn A seine Ex-Freundin gesagt hat, er war nicht bei ihr, und Joe sagt, er war bei ihr, wer hat dann gelogen? Will sie ihn in Schwierigkeiten bringen? Aber jetzt heisst es: „Wir haben Joes Handy. Bei ihr war er nicht.“ Das gilt fuer Fernsehkrimis sicher nicht im gleichen Masse wie fuer Kriminalromane, weil nicht-zeitgenoessische Drehorte das Budget in die Hoehe treiben. Aber ich fand es einen interessanten Gedanken. Ebenfalls interessant ist die Bildsprache, die sich in Krimis und Thrillern um den Einsatz moderner Technologien herum entwickelt hat. Von den Boesen oder einem Geistesblitz getrieben hechtet der Held zum naechstgelegenen Computer, um irgendwas rauszufinden, was die Handlung vorantreibt ― vorzugsweise naechtens in einem dunklen Buerohochhaus ― und wildes Rumgetippe auf einer Laptoptastatur macht natuerlich sowohl optisch als auch akustisch wesentlich weniger her als eine ordentliche Verfolgungsjagd.
Also muss Schweiss auf der Stirn her, blaeuliches Licht, ominoeses Gepiepe, blinkende Grafiken und Passwoerter in 36-Punkt, damit auch die Zuschauer zuhause sie gut lesen koennen. Okay, genug Kulturkritik fuer heute. Bis demnaechst.
Du hast natuerlich Recht. Wenn wir uns schon so lange mit der Millionaerin aus Luebars, bei Berlin, beschaeftigen, dann sollten wir uns auch mit ihrem ersten Ehegatten K. beschaeftigen. Und das geht natuerlich weit ueber das hinaus, was er selbst fuer die Oeffentlichkeit ueber sich preisgegeben hatte.
Schon bei Ilse K. und ihrem Biografen war mir aufgefallen, wie schnell Biografen gerne auf die Bewertungen der sog. »Entnazifizierung« zurueckgegriffen hatten. Dieses: „Unbelastet“ aus den Unterlagen wird gerne dazu benutzt, die Sache nicht weiter zu betrachten. Natuerlich wußten alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen, das dieses Wort „unbelastet“ in Zusammenhang mit der Zeit von 1933 – 1945 keinerlei Bedeutung hatte. Das wußten auch alle. Vor Jahren, als die gefaelschte Version von »Casablanca« ruchbar wurde, hatte ich in meiner Naivitaet angenommen, dies sei mit der Entfernung saemtlicher Nazis aus dem Film auch ein Akt der Entnazifizierung gewesen, was natuerlich falsch ist.
Nein, als K. den Major Strasser aus dem Film »Casablanca« entfernen ließ, war dies natuerlich ein voellig unpolitischer Akt gewesen. Das war, wie spaeter behauptet wurde, nur aus geschaeftlichem Interesse der Firma gewesen, bei der er nach dem verlorenen Krieg untergeschluepft gewesen war: Warner Broth. Deutschland. Am schlimmsten, so folgere ich daraus, sind immer noch die Leute, die von sich behaupten, sie seien unpolitisch, was natuerlich ueberhaupt nicht stimmt. Im Gegenteil. Durch ihre Nichteinmischung ermoeglichen sie, was sonst nicht moeglich waere. »Unbelastet« waren sie keineswegs.
Sehr schnell haben das auch die Militaerregierungen verstanden, das es in Deutschland keine »Unbelasteten« gab. Die waren bestenfalls gefluechtet, hatten vielleicht in den Gefaengnissen ueberlebt. Aber die meisten tatsaechlich »Unbelasteten« waren vertrieben und auf verschiedenste Art und Weise ermordet worden.
Der Fragebogen der amerikanischen Militaerregierung mit seinen 131 Fragen, wurde massenhaft gefaelscht. Gegenseitig hatten sich Taeter und Zuschauer »Persilscheine« ausgestellt, wie tapfer und erfolglos er oder sie in seinem oder ihrem Widerstand gegen die Nazis jeder und jede gekaempft hatte.
Von den sieben Hauptaetern (Hitler, Goebbels, Goering u. a.) hatten sich mehrere schon das Leben genommen. Joseph Goebbels hatte erst seine fuenf Kinder, dann seine Frau und anschließend sich selbst vergiftet. Komisch eigentlich, wo Gift in der Kriminalgeschichte doch eher ein Gelaende weiblicher Personen ist. Ihr Fuehrer dagegen, so berichteten sie, sei im Kampf gefallen: Alle anderen waren Opfer eines »terroristischen Bombenkrieges« geworden. Jetzt gab es ein »Besatzungsregime«, wie einer der Taeter (Dr. Georg Roeber) aus jener Zeit von damals 1973 in einem Buch, das der »Innenminister« herausgab, schrieb. Und diese Taeter wollten die Militaerregierungen und die neuen Machthaber nach dem Kriege zur Verantwortung ziehen? Welch ein Ansinnen!
Da kommt dann auch die Rede ihres Propagandaministers J. G., die er am 28. März 1933 im Kaiserhof gehalten hatte, wieder ins Spiel. Vergleiche hinken, wie wir alle wissen, aber mir faellt dabei sofort der Bremsweg eines Oeltankers von sagen wir mal dreihundert Meter Laenge ein. Eine internationale Vorschrift sagt, dass der Bremsweg eines Schiffes hoechstens 20 Schiffslaengen ausmachen darf. Ein 300 m langes Schiff hat also einen Bremsweg von 6 Kilometern. (6000 Meter hoert sich viel länger an)
Filmgeschichtler der deutschen Filmgeschichte haben vielfach behauptet, das die Kuendigungen aus rassistischen Gruenden, die der UFA Vorstand am 29. März 1933 beschlossen hatte, auf Anweisung von Joseph Goebbels erfolgt seien. Zum Beweis wird seine Rede im Hotel Kaiserhof vom Vortage, dem 28. März 1933, herangezogen. Liest man diese Rede bei Dr. Gerd Albrecht nach, so stellt sich heraus: Das ist komplett an den Haaren herbeigezogen! Der Mann war erst ein paar Wochen im Amt und seine Macht war keineswegs stabilisiert. Im Gegenteil.
Er lobte in der Rede sogar die Filme von Sergej Eisenstein, denen man nacheifern solle, was, wenn man die spaeteren Produkte der deutschen Filmproduktion aus jener Zeit heute bewertet, keineswegs der Fall gewesen ist.
Nein, der UFA Vorstand hatte bei der Entlassung der juedischen Mitarbeiter keineswegs auf Anweisungen des Propagandaministers gehandelt. Zum Beweis dient mir der Tankervergleich: Der Bremsweg des UFA Tankers, der wie ausgerechnet, mindestens 6000 Meter beträgt.
Auch der „vorauseilende Gehorsam“, von dem Dr. Klaus Kreimeier in seinem Buch die »UFA Story« auf Seite 250 schreibt, kann es nicht gewesen sein. Viel eher ist glaublich, was Dr. Klaus Kreimeier auf Seite 247 dem Papier anvertraut: „Jedenfalls überrascht die guillotineartige Perfektion, mit der schon am darauffolgenden Tag die Direktion der Universum-Film AG als Vollstreckungsmaschine in Aktion trat und die antisemitische »Säuberung« des Unternehmens in die Tat umsetzte. Die schwarzen Listen müssen vorbereitet gewesen sein.“
Aus heutiger Sicht kann man sogar davon ausgehen, daß die Entlassung dieser Mitarbeiter, diese »antisemitische Säuberung« des Unternehmens dem Vorstand der UFA im Gegenteil wie gerufen kam. Eine günstige Gelegenheit endlich das zu vollziehen, was schon lange geplant gewesen war.
Und falls die Sache schief gehen sollte, der Minister war ja erst vor kurzem ins Amt gekommen, und sich die Dinge anders entwickeln sollten, dann konnte man sich auf jeden Fall darauf berufen, das man gezwungen worden sei. Eine Technik, die nach Kriegsende von den selben Taetern wieder massenhaft angewendet wurde. Aber soweit sind wir nocht nicht.
Zurück zu Herrn K.. Schauen wir doch mal genau hin. 1925 arbeitet er bei der Parufamet, eine Verbindung von Paramount und MGM und UFA. 1928 ist er Volontär bei der Berliner Filmgesellschaft: Deutsche First National (DEFINA). 1928 wird er bei der Firma Starfilm in der Friedrichstraße Hilfsdisponent. Ein Jahr später, 1929, steigt er auf und wird dort Disponent.
K. hat eine schnelle Aufassungsgabe: »Als sich im Fruehjahr 1933 in der Filmbranche das Geruecht verbreitete, dass den amerikanischen Firmen die Konzession entzogen wuerde, riet mir mein damaliger Chef, F. L. D. Strengholt (Frits L. D. Strengholt) nach mehrmaligen Besprechungen, eine mir von der UFA angebotene, sehr guenstige Stellung, anzunehmen. Ich schied daraufhin im besten Einvernehmen von der Metro-Goldwyn-Mayer aus.« (zitiert nach Michael Kamp, Glanz und Gloria Seite 46, DIF-Frankfurt, Lebenslauf K.).
K. ist wirklich sehr geschickt. Nein. Er hat diesen Karrieresprung gar nicht gewollt. Der wurde ihm aufgedraengt! Von seinem damaligen Chef, der ihm diesen Ratschlag gegeben hatte. Und auch gleich mehrfach. Er wurde also praktisch gezwungen, sich auf einen der frei gewordenen Arbeitsplaetze bei der UFA zu bewerben! Zur Erinnerung: Dort waren, wegen der »antisemitischen Saeuberung« viele Fuehrungsposten »frei geworden.« Wo Frits Strengholm nach dem Krieg weilte, wer weiß das schon?
Nebenbei: Die Geruechte von der schnellen Konzessionsentziehung fuer die amerikanischen Filmgesellschaften waren eben nur Geruechte. 1935 hatte die Firma MGM, mit ihrem Geschaeftsfuehrer Frits L. D. Strengholt, Filialen in Berlin, Duesseldorf, Frankfurt und Muenchen. (The film daily year book of motion pictures-1935).
»1936 hatte Hans Wilhelm Kubaschewski die Filialleitung fuer die Verleihbezirke: Berlin Stadt, Ostdeutschland, Schlesien, Sudentenland und Mitteldeutschland.« (Michael Kamp, Glanz und Gloria, Seite 46, Anmerkung 22 in Kapitel 2)
Aus anderer Quelle, der Lichbildbühne LBB vom 27. Juli 1938, Beilage zur Nr. 174 (31. Jahrgang), kann man hinzufügen, das die Filiale Berlin, deren Vorgesetzter Kubaschewski war, 27 Mitarbeiter hatte. Stellvertreter war Heinz Steckel, der es später immerhin bis ins Familiengrab der Kubaschewskis geschafft hatte. Zum Vergleich: Die Hamburger Filiale der UFA hatte nur 10 Mitarbeiter. Und nun kommst Du, J.
Hallo Wiebeke, was ich uebrigens vergessen hatte zu erwaehnen: Der »Karriereknick« von K. 1943 bei der UFA, so will ich das mal nennen, war sehr zu seinem Vorteil geraten. Der Obernazi, der sein neuer Vorgesetzter wurde, hatte seinen weiteren Aufstieg bei der UFA gestoppt und in seiner Boshaftigkeit auch noch dafuer gesorgt, das seine UK Stellung aufgehoben wurde und K. zur Wehrmacht mußte. [Fritz Kaelber, seit 1942 Generaldirektor der UFA*]. Nicht so schlimm, weil er durch glueckliche Umstaende nicht an die Front, sondern in eine Schreibstube der Wehrmacht gelangte. Das hat ihm auch spaeter sehr geholfen, seine Rolle bei der UFA herabzustufen. Dieses Glueck verbindet ihn biografisch mit Dr. Alfred Bauer (dem spaeteren Direktor der Berlinale), der in dieser Hinsicht sogar zweimal Glueck hatte. Einmal vernichteten die Bomberpiloten seine Doktorarbeit in Würzburg und dann wurde auch noch seine UK Stellung bei der Reichsfilmkammer aufgehoben und so mußte der arme Mannn kurz vor Kriegsende auch noch zur Wehrmacht. Und ist aber natuerlich auch in der Schreibstube und nicht an der Front gelandet. Weil, Kameraden helfen sich, und nun kommst wieder Du, J.
*Ach ja , da kommt noch was zur Person des genannten Fritz Kaelber. Juergen Spiker schreibt dazu (in seinem Buch Film und Kapital auf Seite 294: „KAELBER, Fritz (geb. 14. 3. 1893) (28) Seit 1919 als Verleihexperte in der Filmwirtschaft taetig. Vorstandsmitglied der Tobis-Rota, stieg, als diese mit dem Verleih Terra vereinigt wurde, zum geschaeftsfuehrenden Direktor der Terra auf. 1942 als leitender Direktor der Deutschen Filmvertriebs GmbH zugleich Vorstand der Ufa AG. Im Herbst 1943 Nachfolger Klitzschs als Generaldirektor der Ufa AG mit Mandat im Ufi-Vorstand. Seit 1.3.1933 in der NSDAP. Er hatte, wie in seinen Personalakten ausdruecklich vermerkt ist, schon vorher die Partei aktiv, inbesondere illegal in der „Ostmark“, unterstuezt.“ Und nun kommst wieder Du!
noch mal vielen Dank für den Hinweis auf den Link »Kino im Zwielicht«. Nach einer kurzen Lesephase habe ich mir dann doch die gedruckte Ausgabe bestellt und da ist mir dann diese komische Geschichte begegnet, die ich wegen ihrer Tragik und Komik abgeschrieben habe.
Auf den Seiten 102 – 103 von »Kino im Zwielicht« gibt es die Geschichte von den Bananenkisten des Alfred Bauer: „Neben der Literatur- und Presseauswertung etwa im Pressearchiv der Filmuniversität Babelsberg bestand ein wichtiger Teil der Recherche zudem in der Suche nach dem persönlichen Nachlass von Alfred Bauer. Verschiedene Hinweise führten schließlich zu einem bemerkenswerten Fund, der an dieser Stelle etwas ausführlicher beschrieben werden soll.
In den 1970er-Jahren lernte Alfred Bauer den Sammler und Verleger Christoph Winterberg kennen. Winterberg half Bauer bei der Neuauflage seines Spielfilm-Almanachs und brachte dessen zweiten Band „Der deutsche Spielfilm-Almanach 1946 bis 1955“ im namenseigenen Verlag heraus. Offenbar verstanden sich Bauer und Winterberg gut. Jedenfalls erhielt Winterberg einen umfangreichen Bestand aus dem Nachlass Alfred Bauers.
Diesen verpackte Winterberg wiederum in Bananenkisten und lagerte ihn in seinem Haus im bayerischen Rennertshofen ein. Zusammen mit seinen eigenen Sammlungen von Plakaten, Magazinen und Filmkopien besaß Winterberg nach eigenen Schätzungen etwa 550 000 Standfotos, 60 000 Plakate, Hunderte Drehbücher und unzählige Bücher zu Filmthemen.Nachdem sich Winterberg aus dem Verleger- und Filmsammlergeschäft zurückgezogen hatte, verbrachte er schließlich seine letzten Lebensjahre in seinem hoffnungslos überfüllten Haus, in dem er einen Raum bewohnte und das ansonsten nur noch zwischen deckenhoch gestapelten Bananenkisten durch schmale Korridore begangen werden konnte.Dort fand man Christoph Winterberg schließlich im Februar 2018, begraben unter zwei mit Filmmaterial gefüllten Bananenkisten, tot auf. Der Generalerbe veräußerte den gesamten Bestand schließlich an den Sammler und Filmhändler Werner Bock, der nach eigenen Aussagen von den insgesamt etwa 14 000 Bananenkisten noch 4000 behielt und diese in verschiedenen Lagerräumen in Hannover unterbrachte.“ (Kino im Zwielicht, Hrsg. Andreas Wirsching. Seite 102-103, Metropol Verlag Berlin, 19– Euro, ISBN: 978-3-86331-728-7))
Die Suchmaschine hat es übersetzt : Hello Eugen, thank you again for pointing out the link “Cinema in Twilight”. After a short reading phase I ordered the printed edition and there I have it then came across this strange story, which I wrote off because of its tragedian and humor have. The story of them begins on page 102 of “Cinema in the Twilight”.
Banana boxes.„In addition to the literature and press evaluation, for example in the press archive of the film university Babelsberg, an important part of the research was also the search for the personal estate of Alfred Bauer. Various clues eventually led toa remarkable find that will be described in more detail hereshould.In the 1970s, Alfred Bauer met the collector and publisher Christoph Winterberg know. Winterberg helped Bauer reissue his feature film almanac and broughtits second volume “The German Feature Film Almanac 1946 to 1955” in its own name Publisher out. Apparently Bauer and Winterberg got along well. Anyway received Winterberg has an extensive inventory from Alfred Bauer’s estate. Winterberg packed this in banana boxes and stored it in his house Bavarian Rennertshofen. Along with his own collections of posters,According to his own estimates, Winterberg owned around 550,000 magazines and film copies Still photos, 60,000 posters, hundreds of scripts and countless books on film topics.After Winterberg with drew from the publishing and film collecting business. He ended up spending the last years of his life feeling hopeless crowded house in which he lived in one room and otherwise only between Banana crates stacked high on ceilings could be walked through narrow corridors. Christoph Winterberg was finally found there in February 2018, buried under two Banana crates filled with footage, dead. The general heir sold the entire property. Finally passed to the collector and film dealer Werner Bock, who, according to his own According to statements, out of a total of around 14,000 banana boxes, 4,000 were kept and they were stored various storage rooms in Hanover.“ (Kino im Twilight, ed. Andreas Wirsching. Pages 102-103, Metropol Verlag Berlin)
Briefe an Eugen (XXIII) Versteckt im Nachtprogramm
Hallo Eugen,
der Film beginnt und endet im Knast. Durch den Anfang und die Filmbeschreibung sollte man sich nicht täuschen lassen. Auch den Vorspann sollte man mühelos ertragen. Erst was danach kommt, ist sehens- und hörenswert. Ein Film, der zwanzig Jahre lang versteckt wurde. (2003)
Jedenfalls vor mir. Der dann irgendwann per Zufall, ich konnte nicht schlafen, zwischen null und zwei Uhr morgens in einem öffentlichen Kanal auftaucht. Die erkannten Schauspieler: Hinnerk Schönemann, Tilo Prückner und mit Einschränkungen auch Peter Lohmeyer halten mich fest.
Woher die Heiratschwindlergeschichte in der Beschreibung kommt? Ich weiß es nicht. Die Regie hatte eine Regisseurin, deren Produkte ich bisher sorgsam gemieden hatte: Bibby Blocksberg, Du machst dein Ding, Vier Meter ohne Kopf undsoweiter gehören dazu.
Geboren am 13.11.1957 in Paderborn. Ein Nachname, dessen Schreibweise erst ermittelt werden muß: Huntgeburth. Hermine Huntgeburth. Ein Name, mit dem sie es sicher nicht leicht hatte. Eben nicht so wie man es spricht. Dieses Produkt, so spät in der Nacht, hebt sich von der üblichen, langweiligen Fernsehware deutlich ab. Sonst hätte man es ja auch nicht hier versteckt.
Der Film macht eine Kreisbewegung. Er beginnt nicht nur im Knast, sondern er endet auch dort. Und zwar nicht in der üblichen Weise der Wiederholungstäter. Nein, sie stellen es so an, das sie auf jeden Fall erwischt und verurteilt werden müssen.
Und das ist doch sehr ungewöhnlich im Zeitalter der Resozialisierungsbewegung. Wer sich den irreführenden Titel: »Der Boxer und die Friseuse« ausgedacht hat, weiß ich nicht. Ziemlich bekloppt. Vielleicht abgeleitet von der Prinz und die Tänzerin. Und auch der Drehbuchautor Eckhard Theophil und der Kameramann Sebastian Edschmid haben große Anteile am Reiz, den dieser Film auslöst, J.
Und hier die voellig beknackte Inhaltsbeschreibung der ARD: (Januar 2024)
„Der begabte Starfriseur Fränki verfügt noch über eine weitere lukrative Einnahmequelle: Er lässt sich hier und da mit wohlsituierten älteren Damen ein. Die großzügige Vergütung bringt er dann mit knackigen Männern durch. Bis eines Tages Charlotte auftaucht und ihn heiratet. Als sie erkennt, dass sie einem Heiratsschwindler aufgesessen ist, bringt sie ihn hinter Gitter. Dort verliebt sich Fränki in den einfältigen, aber durchaus liebenswerten Boxer Mirco.
Der arbeitet an seinem Volksschulabschluss, während Fränki ihm in der gemeinsamen Zelle seine Lieblingsspeisen zubereitet. Nach der Haftentlassung erfährt Fränki, dass Mirco nur im Knast mit Männern kann. Damit nicht genug, sieht er sich der verliebten Charlotte gegenüber, die beschlossen hat, um ihn zu kämpfen. Mirco stürzt sich voller Energie in das nächstbeste Abenteuer mit der zuckersüßen Jenny, während Fränki damit beschäftigt ist, Charlotte abzuschütteln. Gleichzeitig sucht Fränki nach einer soliden Perspektive, seinen Angebeteten zurückzuerobern.
Er ebnet Mirco den Weg als Boxprofi und wird sein Manager. Als besondere Überraschung kauft er einen Hund. Doch dann erwischt Fränki Mirco mit besagter Frau in flagranti und wirft ihn aus der Wohnung. In seiner Trauer um die verlorene Liebe beschließt Fränki, ins Wasser zu gehen.
Der Freitod misslingt. Mirco trifft indes seinen ehemaligen Knastbruder Enno und versucht sich mit wenig Erfolg im Straßengeschäft. Der Boxpromoter ist ihm auch auf den Fersen, weil Mirco seine Termine nicht eingehalten hat. In seiner Not und weil er auch erkennt, dass Frauen und Männer einfach nicht zusammenpassen, findet Mirco den Weg zurück zur gemeinsamen Wohnung. Der Hund begrüßt ihn überschwänglich, während Fränki unversöhnlich scheint. Dann aber siegt die Liebe, und zwei Menschen erobern sich den Platz zurück, an dem das Glück perfekt war. Überraschung inbegriffen!“ (Originalton ARD)
Kein Wunder, daß ich diesen Film, dem sie eine solche Beschreibung verpasst haben, ausgelassen habe. J.
Du hast Recht. Der »Heilige Abend« ist so recht geeignet, sich Filme anzusehen, die man bisher vermied. So wie Georg Kreisler in seinem Lied singt: “ . . . und am Weihnachtsabend wie erquicklich, man speist mit den Verwandten, die mans ganze Jahr vermied. Nach dem Essen fuehlt man sich so gluecklich, weil man die Verwandten nun ein Jahr lang nicht mehr sieht“. (Siehe Schallplatte)
Auf diese Weise habe ich mir einen DVD Abend gemacht und mir unter anderem den Film von Reinhard Hauff von 1982 angesehen. Der Mann war immerhin einige Jahre lang Direktor meiner damaligen Filmschule dffb gewesen. Da hatte ich aber schon abgemustert.
Jetzt weiß ich endlich, der Mann mit dem Doppelnamen war nicht nur ein schlechter Schlagersänger, sondern eben auch ein noch schlechterer Schauspieler. In dem Film von Peter F. Brinkmann, so einen Buchstaben wollte ich mir immer auch dazwischen reintun, das macht die Sache so geheimnisvoll, heißt er nun Friedrich, heißt er Fritz oder gar Ferdinand? Ja in diesem LKW Film, der ihm geklaut wurde, kommt er noch einigermaßen durch, obwohl ich den Selbstversuch nach vierzig Jahren nicht mehr gesehen, noch nicht gemacht habe.
Aber in diesem Film von 1982 ist er völlig verkrampft. Der Drehbuchautor, von dessen Texten ich lange Zeit begeistert war, hat auch nicht grade eine Spitzenleistung abgeliefert. Es reicht eben nicht, keine Ideen zu haben, man muß auch unfähig sein, sie umzusetzen. (Nicht von mir. Geklaut bei Wolfgang Neuss). Einzig die Frauenrollen in dem Film sind einigermaßen gelungen.
Großartig ist die Schauspielerin Karin Baal als Stasi Mitarbeiterin. Die macht ihre Sache wirklich gut. Wie das mit dem Pässe tauschen wirklich geht, hat uns Peter Timm im Tapezierer Film »Meier« vorgeführt. Jedenfalls wenn man den »Mann auf der Mauer« nach »Funny Bones« von Peter Chelsom und vor »Leoparden küßt man nicht« von Howard Hawks gesehen hat, dann weiß man genau, in welcher Klasse der deutsche Film so spielte und leider auch spielt. Christian Petzold hin oder her.
Kein Wunder, wenn jedes Jahr die »Feuerzangenbohlenrache« von Joseph G. mit seinem Lieblingsschauspieler Heinz R. im Fernsehen läuft. J.
Hallo Eugen, ja, ich habe das Buch gekauft. Obwohl es so teuer ist. Aber es ist auch dick. Es hat den etwas komplizierten Titel: Ein treuer Diener vieler Herrn: Max Winkler. Pressetreuhänder der Weimarer Republik und der nationalsozialistischen Diktatur. Es hat 654 Seiten und kostet 49,00 Euro. Geschrieben hat es Ulrich Döge. Von dem hatte ich schon das Buch über den Verleger und Kinobesitzer Karl Wolffsohn gekauft und gelesen. Döge scheint lange Buchtitel zu mögen. Das Buch, das er über Karl Wolffsohn geschrieben hatte, hat auch so einen langen Titel: „Er hat eben das heiße Herz“ Der Verleger und Filmunternehmer Karl Wolffsohn. Nachdem ich es gelesen habe, kann ich schreiben, ein Kauf lohnt sich. Und außerdem bekommt man ja einen Euro wieder, wenn man mit einem 50 Euro Schein bezahlt. Nein im Ernst, Eugen. Endlich mal ein Buch, wo man hinterher nicht das Gefühl hat, das es sich um eine Auftragsarbeit handelt, die die beschriebene Person selber bezahlt hat. Beim Abschreiben des Buchtitels ist mir versehentlich ein -L- mit reingerutscht, sodaß dort zuerst Pressetreuhändler stand, was ja auch stimmen würde. Nur das Wort treu ist in diesem Zusammenhang ein wenig mißverständlich. Leider gibt es nicht viele Bilder in dem Buch. Aber auf Seite 562 sieht man Max Winkler vor dem Entnazifizierungs-Hauptausschuss in Lüneburg am Tag des Urteils, am 10.08.1949. Man beachte die Vorschriften rechts oben im Bild.
In einem Schlund ist die Geschichte der jüdischen Kinobesitzer in Hamburg verschwunden.
Erst den Nachgeborenen ist aufgefallen, dass große Teile der Kinogeschichte fehlen. Und das dieses Fehlen Gründe hat. Der »Henschel Film— & Theaterkonzern OHG«. Eine Geschichte, die im Dezember 1895 in Paris begann und erst mit ihrer vollständigen Aufklärung endet.
Sie haben uns angelogen, als sie behaupteten, sie hätten gekauft oder geerbt. So war es nicht. Sie haben nicht gekauft und auch nicht geerbt. Sie haben geraubt und gestohlen. Sie haben die jüdischen Kinobesitzer bestohlen. Und viele haben ihnen dabei geholfen.
Vier Fotos, die uns Rolf Arno Streit aus Belo Horizonte in Brasilien 1990 zur Verfügung gestellt hat. Hamburg.
[Fotos aus Hamburg von links oben nach rechts unten: Hamburger Hauptbahnhof vom Glockengiesserwall mit Straßenbahnschienen, Gänsemarkt mit Lessingtheater und Hamburger Anzeiger, Alster in Richtung Hotel Vier Jahreszeiten mit Alsterpavillon, Karl Muck Platz in Richtung Innenstadt, rechts das Hochhaus des DHV. [Deutschnationaler Handlungsgehilfen Verband]
In der Mitte die Kaiser Wilhelm Straße. Die heißt heute noch so. Der Karl Muck Platz wurde vor einigen Jahren umbenannt in: Johannes Brahms Platz. Das Gebäude des DHV wurde auch umbenannt in »Johannes Brahms Kontor«. Vermutlich dachte man bei der Umbenennung daran, so kriegt man endlich die braune Farbe runter, die vom DHV.
Die Geschichte der jüdischen Kinobesitzer in Hamburg begann im Jahre 1895 in Paris und endete in Brasilien, Mexiko, USA und Australien. Überall dort, wohin die geflohen waren, denen man in Deutschland ihre Kinos geraubt hatte und die auch noch nach dem Krieg ihre Stimme erheben konnten, weil sie den deutschen Mördern entkommen waren.
Eine erste Spur fand ich auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg Ohlsdorf. Der Grabstein von Hermann Urich Sass.
Meine Suche begann – eher zufällig – 1970 in Berlin. Während meines Studiums an der Deutschen Film- und Fernsehakademie (dffb): Ich interessierte mich auch für die Geschichte der Kinos. Hier gab es die Tageszeitungen des deutschen Films: die »Licht Bild Bühne« (LBB) und den »Kinematograph«. In Hamburg waren diese Zeitungen zu der Zeit nicht vorhanden, bzw. nicht zugänglich.
Wer einmal längere Zeit vor einem solchen Mikrofilm Lesegerät gesessen hat, kennt die Langweiligkeit dieser Arbeit. Diese vielen Nachrichten, die man alle nicht braucht. Ich hatte natürlich Vermutungen. Aber eigentlich wußte ich nicht, was ich suchte. Die Licht Bild Bühne erschien täglich, sechs mal in der Woche. Sie hatte viele Seiten. Gezählt habe ich nicht. Aber dann half mir der Zufall. Der Zufall hieß Paul von Hindenburg.
Jener Mann, der Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt hatte. Sehr schlecht für die deutsche Geschichte. Aber gut für mich. Ohne diesen Zufall hätte ich die Meldung vom Tode des Kinounternehmers Hermann Urich Sass niemals gefunden. Sie steht in der selben Ausgabe, in der auch von der Machtübertragung an Adolf Hitler berichtet wird. Ein paar Jahre später bekomme ich darüber Kenntnis, das beide Meldungen in einem Zusammenhang stehen.
Am Sonnabend, den 28. Januar1933 erscheint eine 13 Zeilen Meldung, die mit folgenden Worten endet: . . . dass “ . . . Herr Urich Sass, eine leitende Persönlichkeit im Henschel Konzern in Hamburg, am 27. Januar im Alter von 45 Jahren, einem Herzversagen erlegen“ sei.
Wäre er an einem anderen Datum verstorben, hätte ich die Suche nach dem Henschel Film- und Theaterkonzern vermutlich abgebrochen. Die Beerdigung soll am Montag, d. 30. Januar 1933 auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg Ohlsdorf um 3 Uhr stattfinden, so wird es angekündigt.
Die Geschichte der Kinobesitzerfamilie Henschel begann mit Frida und James Henschel und ihrer Reise nach Paris.
Ursprünglich war Jeremias Henschel in die Fußstapfen seines Vaters getreten und hatte sich im Verkauf von Stoffen und Herrengarderobe versucht. Erfolglos. Heute nennt man es modern Insolvenz.
Mit dem selbstgewählten Vornamen James begann eine neue Episode im Leben der Familie Henschel. Eigentlich sollte es ein Laden mit Schallplatten werden. Aber dann entdeckte Frida in Paris eine lange Schlange. Dort wurden zum ersten Mal diese beweglichen Bilder gezeigt, die sie damals »Lebende Photographien« nannten. Frida erkannte als erste die ungeheuren Möglichkeiten, die ein solches Geschäft in Hamburg haben würde.
[Das Foto entstand am 18. Oktober 1930 vor dem Hotel Europäischer Hof in Baden-Baden in Deutschland. (v. l. n. r. Frida (Frederica) Henschel (geb. Blumenthal), James Henschel und ihre Tochter Bianca Henschel (Bianca Kahn, die am 5. Mai 1931 den portugiesischen Konsul Dr. Isidor Kahn in Den Haag heiratete und nach Holland auswanderte].
Das Foto stammt von Rolf Arno Streit (Enkel von Frida und James Henschel) aus Belo Horizonte, (Brasilien).
Wann Frida und James Henschel nach Paris gefahren waren, das konnten die Enkelkinder (in Mexiko und Brasilien) von James Henschel nur vermuten. Es könnte am 28. Dezember 1895 gewesen sein, als die Brüder Lumiere im Grand Cafe im Boulevard des Capucines zum ersten Mal ihren Projektor vorgestellt haben.
Verbürgt ist der Besuch der Brüder Skladanowsky in Paris am 28. Dezember 1895. Ein paar Tage vorher (Im November 1895 waren sie mit ihrem Projektor in Hamburg gewesen). Sie hatten eine Einladung nach Paris, ihren Projektor im Folies Bergère vorzustellen und haben dafür ein Honorar verlangt und bekommen. (Die Angaben schwanken zwischen 2.500,00 und 4.500,00 französischen Franc). Aber zu einer Vorstellung ihres Projektors in Paris ist es nicht mehr gekommen. Frida und James Henschel haben damals erkannt, welches Potential in dieser neuen Technik der Lebenden Photographien steckt.
Sie eröffneten im Dezember 1905 in der Bergstrasse (große) Nr. 11 in Altona ihr erstes Kino: Das Helios Theater mit 500 Sitzplätzen. Einen Monat später im Januar 1906 begann der Mietvertrag des »Belle-Alliance-Theater Vorführung lebender Photographien« an der Ecke Eimsbütteler Str. 2 / Schulterblatt 115. Das Kino wurde in den ehemaligen Ballsaal des Belle Alliance eingebaut, hatte 1.400 Sitzplätze und spielte von 15.00 Uhr Nachmittags bis 1.00 Uhr in der Nacht.
Die Eröffnung des Kinos war am 1. Mai 1906. (Aus: James Henschel erzählt Hamburgs Kino Geschichte. Artikel von Hermann Lobbes in der Licht Bild Bühne, Beilage vom Sonnabend, d. 16. August 1930).
Vor dem Kino war eine Haltestelle der elektrischen Straßenbahn. Der Licht Bild Bühne berichtete James Henschel im August 1930, dass der Tag mit den geringsten Einnahmen (56,00 RM) der Tag war, an dem die Zuschauer des Kinos sich lieber den Brand der Michaelis Kirche angesehen hatten, als ins Kino zu gehen. Das war Dienstag, der 3. Juli 1906.
Frida und Jeremias hatten fünf Kinder: Hedwig, Sophie, Bianca, Hanns und Gretel, die zwischen 1888 – 1895 geboren werden. Hanns meldete sich als Freiwilliger und „fiel“ am 31. Oktober 1916 als Unteroffizier an der Front in Frankreich (?). Jürgen Sielemann, Experte in Sachen jüdischer Geschichte, gibt einen anderen Ort an.
Zitat: „Ihr Bruder (Bianca Henschel) Hans Henschel (geb. 21. September 1893) fiel am 31. Oktober als Unteroffizier in einem Gefecht in Siebenbürgen.“
(Aus Liskor-Erinnern Heft 14, Seite 26).
Als Quelle nennt Jürgen Sielemann: 332-8 Meldewesen, A 30 Toten- und Verzogenenkartei 1892-1925, Mikrofilm K 6238, Karte Hans Henschel.
Da war Hanns Henschel 23 Jahre alt. Wie ich mir die Fotos angesehen habe, habe ich gedacht, zwischen die Bilder gehört noch unbedingt ein Text. Und da man bei Tucholsky inzwischen klauen darf, habe ich dies getan.
Auf Seite 1159 im Band 1 – (1907 – 1924 meiner dreibändigen Gesamtausgabe) gibt es zwei Texte »Wie uns aus« und »Sechzig Fotografien«. In dem zweiten Text geht es um sechzig Fotografien, über den Weltkrieg (1) die man in Paris kaufen kann.
Der Text ist von 1924. Da wurde der Weltkrieg noch nicht nummeriert. Am Ende schreibt Tucholsky: (Seite 1162 Band 1)
“Du schießt drüben immer den Kamerad Werkmeister tot – niemals den einzigen Feind, den du wirklich hast. Dein Blut verströmt für Dividende. Dein bißchen Sterben, dein armseliges Verrecken wird mühsam mit einer Gloriole von Romantik umkleidet, erborgt aus den Emblemen von Jahrhunderten, entliehen aus verschollenen Zeiten. Wirf deine Flinte weg, Mensch! Es wird immer Kriege geben? Solange du willst, wird es sie geben. Nagle dir diese Bilder an die Wand, zeig deinen Kindern, was das für eine Schweinerei ist: der Krieg; was das für eine Lüge ist: der Krieg; was das für ein Wahnsinn ist: der Krieg! Und dann setze dich mit deinen Arbeitsgenossen auf der anderen Seite hin, vertraue ihnen, denn es sind dieselben armen Luder wie du – und gib ihnen die Hand. Nieder mit dem Staat! Es lebe die Heimat!“
Grabstein auf dem Friedhof für die “Gefallenen“ des ersten Weltkrieges in Hamburg Ohlsdorf. Die Inschrift im Grabstein ist schwer lesbar. Unteroffz. (Unteroffizier) HANNS HENSCHEL, GEB. 21. September 1893, 5654 (Geboren), GEF. 31. Oktober 1916 5677 (Gefallen/Gestorben), INHABER (Inhaber) DESEIS. KREUZES (des Eisernen Kreuzes) UND DES (und des) HANSEAT. KREUZES (Hanseatischen Kreuzes).
Hanns Henschel wurde nur 23 Jahre alt. Bei Kriegsende (am 11. 11. 1918) war James Henschel 55 Jahre alt und die neu gegründete UFA (Gründung am 18. Dezember 1917) trat an ihn heran und unterbreitete ihm ein Kaufangebot für seine acht Kinos.
Eine Reihe von Kinos hatte das Ehepaar Henschel auf eigenen Grundstücken neu bauen lassen. So das Waterloo Theater in der Dammtorstrasse 14, das Lessingtheater am Gänsemarkt 46/48, das Palast Theater in der Wandsbeker Chaussee (bei späteren Recherchen stelle ich fest, dass die Ortsangabe falsch ist – das Palast Theater war nicht in der Wandsbeker Chaussee sondern in der Hamburger Strasse 5/7/9), die Harvestehuder Lichtspiele am Eppendorfer Baum 15.
James Henschel setzte die Bedingungen für den Verkauf an die UFA. Am 21. Februar 1918 wandelte er seine Kino Firma »J. Henschel« in die »J. Henschel GmbH« um. Der Vertrag sah vor, das seine beiden Schwiegersöhne Hermann Urich Sass (verheiratet mit Hedwig Urich Sass, geb. Henschel) und Hugo Streit (verheiratet mit Sophie Streit geb. Henschel) Geschäftsführer der »J. Henschel GmbH« wurden. Der Vertrag sah weiterhin vor, das alle Angestellten von der neu gegründeten Firma »J. Henschel GmbH« übernommen wurden. Weiterhin enthielt der Vertrag einen Passus, daß Hermann Urich Sass und Hugo Streit zu Direktoren der UFA für Norddeutschland ernannt wurden.
Ein »Organ Vertrag« wurde am 29. November 1919 zwischen James Henschel und der UFA geschlossen. Danach wurde die »J. Henschel GmbH« eine 100 %ige Tochtergesellschaft der UFA. Die »J. Henschel GmbH« blieb weiterhin Eigentümer der Grundstücke, auf denen die Kinos: »Palasttheater« (Hamburger Straße 5/7/9), »Lessingtheater« (Gänsemarkt 43), »Harvestehuder Lichtspiele« (Eppendorfer Baum 35), »Zentral Theater« (Wandsbeker Chaussee 162) standen, die an die UFA verpachtet wurden.
Das »Waterloo Theater« in der Dammtorstrasse 14 verkaufte James Henschel an Manfred Hirschel, der mit einer Schwester seines Schwiegersohnes Hugo Streit verheiratet war.
James Henschel erhielt aus diesem Vertrag einen Barerlös, der ausreichte, vierzehn Wohnhäuser mit über 100 Wohnungen zu kaufen.
Weiterhin sah der Vertrag eine Beteiligung auf 25 Jahre vor, in denen er mit 5 % an den Bruttoeinnahmen der verkauften Kinos und mit weiteren 2,5 % an den später erworbenen oder neu erbauten Kinos der UFA beteiligt ist.
1921 + 1926 verließen Hermann Urich Sass und Hugo Streit die UFA und gründeten die offene Handelsgesellschaft, den »Henschel Film- und Theaterkonzern«.
Acht Kinos wurden neu gebaut. Im Februar 1927 wurde an der Ecke Zirkusweg Reeperbahn 1 ein Neubau mit einem Kino mit 1556 Sitzplätzen eröffnet.
Der erste deutsche Tonfilm »Ich küsse ihre Hand Madam« mit Marlene Dietrich und Harry Liedtke wurde hier am 23. Januar 1929 gezeigt.
Architekt war Carl Winand. Die Baukosten betrugen etwa 500.000,00 RM. Hugo Streit und Hermann Urich Sass nannten das Kino »Schauburg am Millerntor«.
Die Tonpassage im Film war nur zwei Minuten und 12 Sekunden lang. Hugo Streit, Sophie Streit (geb. Henschel) mit der Schauburg Zeitung. Die Schlagzeile: Prominente sehen dich an: Lil Dagover, Emil Jannings
In der »Schauburg Millerntor» war am 21. Oktober 1929Sergej Eisenstein mit »zwei Akten« aus dem Film »Panzerkreuzer Potemkin«, dem »ersten Akt« aus dem Film »Generallinie« und »zwei Akten« aus dem Film »Zehn Tage, die die Welt erschütterten« zu Gast.
Der dunkle Teil der Geschichte, der von Selbstmord, Mord, Enteignung, Vertreibung und Zerstörung handelt. Und der Verdrängung all dieser Verbrechen. Der vom Reinwaschen und der angeblichen »Wiedergutmachung« handelt. Und wie bereitwillig alle bei den Ausplünderungen geholfen hatten. Die Geschichte der Täter, Opfer und der Zuschauer. Glaubwürdige Zeitzeugen waren in Hamburg, in Deutschland, nicht zu finden. In Brasilien, Mexiko und in Los Angeles wurde ich gefragt, warum das alles so lange gedauert hatte, bis endlich jemand kam und diese Fragen stellte. Mir fehlte damals eine Antwort.
Die Täter waren schon lange tot. Inzwischen waren auch die Erben der Täter gestorben. Und dennoch gibt es immer wieder Menschen, die das Unrecht von damals verstecken wollen. Es fällt ihnen nicht einmal auf. Im Gegenteil. Das vorhandene Material ist inzwischen auf zwölf Leitz Ordner, fünfzig CDs mit kopierten Akten und einem kurzen Film von der Eröffnung der Schauburg am Millerntor, Ecke Zirkusweg, angewachsen.
Dazu gehört ein kleiner Film mit den Interviews der Söhne, (Horst Urich Sass, Rolf Arno Streit, Carl Heinz Streit) die damals aus Deutschland fliehen konnten. Aus Belo Horizonte kommt dieses Bild vom »Palast Theater« von Frida und James Henschel in der Hamburger Strasse.
Wann dieses Foto entstanden ist, konnten mir die Enkelkinder von James Henschel (Die Brüder Rolf Arno Streit und Carl Heinz Streit) nicht mitteilen. Vermutlich ist das Foto nach der Eröffnung des Neubaus entstanden.
Hallo Jens, ich habe den Eindruck, dass Du da gerade das Rad neu erfinden willst. Zu Alfred Bauer ist doch schon ganz schoen viel geschrieben worden. Und in den Einzelnachweisen der Wikipedia – Seite ueber Alfred Bauer findet sich auch so einiges, was vielversprechend aussieht. Was genau versuchst du denn rauszufinden, was noch nicht bekannt ist? Ob der Mann mal ueber einer Kneipe gewohnt hat, ist doch fuer die deutsche Film- oder politische Geschichte unerheblich. (wieder mal): Wiebeke
Hallo Wiebeke, nein das Rad will ich nicht erfinden. Aus dem Link der Berlinale erklaert sich der schnelle Aufstieg Bauers nach dem Krieg. (Louise Schröder, Dr. Joachim Tiburtius, Ernst Reuter, Oscar Martay, Thomas Beansch u. a., die da weggesehen haben). Nur die Zeit zwischen der Fertigstellung seiner Doktorarbeit und seiner Anstellung in hoher Position bei der neugegründeten Abteilung »Reichsfilmintendanz« war mir nicht klar. Jetzt ist alles bueschen klarer. Sein Papa war Dr. phil. Fritz Bauer und in der Uni Beamter in der Bibliothek. [Staatsoberbibliothekar der Universitätsbibliothek Würzburg]. 1930 wurde er pensioniert.
Alfred hatte zwei Schwestern (Betty geb. 1901, Louise geb.1905) als er am 18. 11. 1911 geboren wurde. Die Familie Bauer wohnte 1911 in Würzburg Ludwigkai 17. [Manchmal auch Ludwigskai geschrieben]. 1936 starb sein Vater Friedrich (Fritz) Bauer.
Im Juli 1938 promovierte Alfred Bauer an der „Julius-Maximilians-Universität Würzburg“. Doktorvater war der Professor Dr. Wilhelm Laforet. So lautet die Behauptung. Und da Dr. Wilhelm Laforet auch Mitgründer der CSU war, hätte er nach dem Krieg für eine Richtigstellung genügend Zeit gehabt. Aber die hat er genutzt, um am Grundgesetz mit zu arbeiten. Wie auch die von Dir so verehrte Louise Schröder, die in Hamburg immerhin eine Straße und in Berlin eine Turnhalle bekommen hat.
Auch Wiederholungen sind manchmal nützlich. Was schreibt Wikipedia? 1939 legte Dr. jur. Alfred Bauer in Berlin „sein Assessor Examen ab.“
Vielleicht so wie Dr. Hans Bernd Gisevius, der danach bei der Gestapo landete? Hier kommt der Originalton von H. B. Gisevius: “ . . . Und da läßt es sich nicht vermeiden, daß ich mit der erschreckenden Beichte beginne, daß meine berufliche Laufbahn — in der Gestapo angefangen hat. Allerdings hört sich das schlimmer an, als es in Wirklichkeit war. Denn erstens war es noch nicht die Gestapo des Herrn Himmler, der Name Gestapo war den meisten überhaupt noch nicht geläufig, und zweitens kam ich in dieses Institut im Zuge eines beinahe normalen Berufsganges.Juli 1933 machte ich mein juristisches Assessorexamen. Anschließend meldete ich mich zum Dienst in der Preußischen Verwaltung. An sich war es dort sowieso üblich, daß neuernannnte Assessoren, die aus irgendeinem Grunde qualifiziert waren, ihre Laufbahn bei der politischen Polizei begannen. Insoweit brauchte ich mich gar nicht sonderlich zu bemühen.“ [H. B. Gisevius, BIS ZUM BITTERN ENDE, Fretz & Wasmuth Verlag AG. Zürich. 5. Auflage, Seite 55]
Zurück zu Alfred Bauer: Im Scherl Adressbuch von Berlin gibt es von 1939-1940-1941-1942-1943 (danach kein Scherl Adressbuch mehr im Netz): 34-35-36-37-33 x Alfred Bauer.
Ab 1942 gibt es einen Wehrm. Angeh. Bauer, Alfred in Berlin N 65 in der Triftstraße 3. Ein Haus mit 15 Wohnungen. [Scherl Adressbuch Berlin Seite 112, Haushaltsvorstände, Seite 890, Straßenverzeichnis]. Das Haus gehört Feistl, der im gleichen Haus wohnte.
Nach Kriegsbeginn, schreibt Wikipedia, wurde Alfred Bauer zur Wehrmacht eingezogen [Die Wehrpflicht dauerte 1938 zwei Jahre] und er wurde „aufgrund gesundheitlicher Probleme“ am 23. März 1942 von dieser entlassen.
Alfred Bauer wird Referent bei Reichsfilmintendant Fritz Hippler. [Fritz Hippler 1942 – 1943, SS-Sturmbannführer = Major]. [Das ist jener Verbrecher, der den widerlichsten antisemitischen Film »Der ewige Jude« gemacht hat, den ich je gesehen habe]. Sein Nachfolger [Seit April 1944] ist auch nicht besser: Hans Hinkel [Reichsfilmintendant und SS-Gruppenführer = Generalleutnant (1943)]
Die erste Berlinale 1951 findet in dem Kino statt, das bis 1938 von dem jüdischen Filmunternehmer Karl Wolffsohn betrieben wurde. Hier eine Abschrift aus dem Klappentext des Buches von Ulrich Döge »Er hat eben das heiße Herz«. Da wird der Verleger und Filmunternehmer Karl Wolffsohn so beschrieben:
„Geboren 1881, erlernte Karl Wolffsohn im väterlichen Betrieb und Ullstein Verlag das Druckerhandwerk. 1910 übernahm er in Berlin erst den Druck, dann den Verlag der später zweitgrößten deutschen Filmfachzeitung „Lichtbildbühne“. Für die im Entstehen begriffene Filmwissenschaft stellte Wolffsohn ein stetig erweitertes Sortiment an Fachbüchern und seine international einzigartige Fachbibliothek bereit.Unterstützt vom Minderheitsgesellschafter Ullstein, pachtete er außerdem Kinos in Essen [Lichtburg], Berlin [Lichtburg], Köln und Düsseldorf, zudem ein Varieté in Dortmund. Doch die Nationalsozialisten zwangen ihn, sich umgehend von fast allen Unternehmen zu trennen. Sein Kino als Teil der Berliner Gartenstadt Atlantic konnte Wolffsohn zunächst weiterbetreiben, weil er 1937 heimlich Eigentümer der gesamten Wohnanlage wurde. Angeklagt, sich an deren überfälliger „Arisierung“ bereichert zu haben, hielt ihn die Gestapo sechs Monate gefangen. 1939 flüchtete er mit seiner Ehefrau Recha nach Palästina. Wegen zahlreicher Rückerstattungsprozesse kehrte das Ehepaar ein Jahrzehnt später nach Deutschland zurück. Karl Wolffsohn starb 1957 in Berlin.“
Die »Lichtburg« war ein Teil der »Gartenstadt Atlantic«: Ein Wohnhausbau mit integriertem Cafe, Restaurant und einem großen Kino am Gesundbrunnen. Und nun kommst Du, J.
Hallo Wiebeke, natürlich gebe ich Dir Recht, das ist ein richtiger Flickenteppich geworden. Hier noch ein Stück davon: Ulrich Döge schreibt auf Seite 378: „Mitte März 1933 hatte Rudolf Sutthoff-Groß (1894-1945?) den sozialdemokratischen Weddinger Bürgermeister Carl Leid abgesetzt und sich zu seinem Nachfolger ernannt, ein Willkürakt, bestätigt von der nationalsozialistisch dominierten Bezirksverordnetenversammlung. Vermutlich Ende Mai oder Anfang Juni [1933], wurde Karl Wolffsohn ins preußische Kultusministerium bestellt. Ihn begleiteten der nationalsozialistische Rechtsanwalt Wolfgang Schirmer und der Steuerberater Eduard Pissel. Hans Hinkel, Staatskommissar dieses Ministerium zu besonderen Verwendung, Leiter des preußischen Kampfbundes für deutsche Kultur und Mitglied des Reichstages isolierte den Lichtburg Pächter [Karl Wolffsohn] von seinen beiden Begleitern und teilte im Beisein von SA- und SS-Männer mit, als Jude dürfe er das Theater nicht mehr führen.“ (LBB Nr. 82, 05. 04. 1933; Die neue Kulturpolitik, in Vossische Zeitung , Nr. 161, 5.4.1933.)
Ernst Klee schreibt in seinem Buch: »Das Kulturlexikon zum Dritten Reich« über Hans Hinkel: „Hinkel, Hans. SS-Gruppenführer (1943)* 22.6.1901 Worms. 1920 Freikorps Oberland. 1921 NSDAP. 1930 MdR. 1930-1932 Berliner Schriftleiter des Völkischen Beobachters. 1933 Staatskommissar im preuß. Wissenschaftsministerium (»Reichskulturverwalter«) mit besonderen Aufgaben wie Überwachung und »Entjudung«. Goebbels am 19.9. 1935 »Ein geborener Intrigant und Lügner.« 1936 Geschäftsführer der Reichskulturkammer. 1944 Reichsfilmintendant. † 8.2.1960 Göttingen. Lit. Benz Enzyklopädie..“ [Die 16SS-Ränge, bei Ernst Klee, Personenlexikon zum Dritten Reich, Seite 719] Sturmmann = Gefreiter Rottenführer = Obergefreiter Unterscharführer (Uscha.) = Unteroffizier Scharführer = Unterfeldwebel Oberscharführer (Oscha.) = Feldwebel Untersturmführer (Ustuf.) = Leutnant Obersturmführer (Ostuf.) = Oberleutnant Hauptsturmführer (Hstuf.) = Hauptmann Sturmbannnführer (Subaf.) = Major Obersturmbannführer (OStubaf.) = Oberstleutnant Standartenführer (Staf.) = Oberst Oberführer (Oberf.) = Oberst Brigadeführer (Brif.) = Generalmajor Gruppenführer (Gruf.) = Generalleutnant Obergruppenführer (OGruf.) = General Oberstgruppenführer = Generaloberst
Und dann das Absurde und zugleich Komische: Da erzaehlt der Berliner Kulturfilmproduzent Theodor Blomberg nach dem Krieg der in Paris lebenden Filmhistorikerin Dr. Lotte Eisner — Alfred Bauer sei „die Rechte Hand von Oswald Lehnich“ [Präsident der Reichsfilmkammer 1935 und SS-Oberführer = Oberst] gewesen. Als Alfred Bauer über Umwege davon erfährt, bestreitet er dies ― und dann kommt 34 Jahre nach seinem Tod (1986) heraus, dass er tatsächlich nicht bei Oswald Lehnich die Rechte Hand war, sondern bei dem SS-Sturmbannführer [Major] Fritz Hippler und seinem Nachfolger SS-Gruppenführer [Generalleutnant] Hans Hinkel (1943) [zwei SS-Dienstgrade hoeher als SS-Oberführer = Oberst] Oswald Lehnich die Rechte Hand gewesen ist.
Und dann findet die erste Berlinale 1951 auch noch in einem Kino statt, das 1938 geraubt [arisiert] wurde und Karl Wolffsohn gehörte. Und weil sich Spuren besser verwischen lassen, bekam es nach dem Raub einen anderen Namen. Aus »Lichtburg« wurde »Corso Kino« . Der Standort, Gesundbrunnen, war von Dr. Alfred Bauer für die erste Berlinale 1951 gut gewählt. Es lag an der Sektorengrenze zum Russischen Sektor. Das Kino hatte nach der Wiedereröffnung am 22. Dezember 1947 im ersten Jahr 2 Millionen „Grenzkinobesucher“. So wurden jene Zuschauer genannt, die aus Ost-Berlin kamen.
Bei der Eröffnung am 25.12.1929 hatte die »Lichtburg« 1600 Sitzplätze im Parkett und 400 im Rang und in den Logen. [2000 Sitzplätze] [Eintritt 1949: 0,25 Pfennig West und 1,50 Ost.
Der Vorgesetzte von Alfred Bauer, SS-Gruppenführer Hans Hinkel von der Reichsfilmkammer kannte dieses Kino gut. Die Enteignung der Jüdischen Kinobesitzer gehörte zu seinem Aufgabenbereich. J.
Hallo Wiebeke, jetzt habe ich doch noch ein Adressbuch von 1937 von Wuerzburg gefunden. Da stellt sich Folgendes heraus: Seine Mutter hieß Frieda Bauer und ist 1937 im Namensverzeichnis als Witwe bezeichnet und wohnt am Ludwigkai 4 (sehr nobel am Wasser) im zweiten Stock. Sohn Alfred Bauer wohnt als Dr. jur. Alfred Bauer in der Martin Luther St. 1 im ersten Stock. (1937). Dort wohnt im gleichen Stockwerk auch noch ein Mensch mit Namen Bauer, E., mit dem Beruf: Abteilungsleit.. Ebenfalls im ersten Stock. Nicht sehr komfortabel, weil im Erdgeschoss ist die Kneipe »Louisengarten«.
Im Scherl Adressbuch von Berlin gibt es in der fraglichen Zeit mehrere Seiten mit dem Namen Bauer. Im fraglichen Zeitraum von 1938-1943 verzeichnen die Scherl Adress Bücher 1937 —35 x Alfred Bauer 1939 —34 x Alfred Bauer 1940 —36 x Alfred Bauer 1942 — 33 x Alfred Bauer 1943 ― 35 x Alfred Bauer
Unter den 33 Alfred Bauers aus dem Jahr 1942 gibt es einen Alfred Bauer im Strassenverzeichnis des Scherl Adressbuches mit der Berufsangabe Wehrm. Angeh. N 65 in der Triftstraße 3. Dort steht heute noch ein Haus, das so aussieht, als hätte man es so wiederaufgebaut, wie es 1943 dort stand. Dicht am U – und S – Bahnhof Wedding. Ein zweiter Alfred Bauer mit der Berufsangabe Reichsangest. wohnt in Tempelhof in der Gontermannstraße 73. Von 1944 – 1954 stehen keine Adressbücher von Berlin im Netz. Wikipedia schreibt: Alfred Bauer hat 1939 in Berlin das Assessor Examen bestanden. Bei Kriegsbeginn wurde er in Berlin zum zweijährigen Wehrdienst einberufen. Bei Kriegsbeginn am 1. September 1939 ist Alfred Bauer (geb. am 18. November 1911) 28 Jahre alt.
In Würzburg gibt es 1937 — ca. 300 Personen mit dem Namen Bauer, aber nur einen Alfred. Der wohnt Ludwigkai 28. Seine Mutter (Witwe) wohnt im gleichen Haus im zweiten Stock. Der Eintrag im Adressbuch Würzburg aus dem Jahr 1937 lautet: Dr. jur. Alfred Bauer, Martin Lutherstraße 1 (I. Stock). 1953-1959 ist der „Pressereferent“ wie er sich nennt, Dr. Alfred Bauer, im Berliner Telefonbuch mit der Anschrift Berlin Charlottenburg, Westendallee 105 zu finden. J.
Hallo Wiebeke, Wiederholungen sind manchmal angebracht, wenn man so schoene Postkarten findet. J.
Hallo Wiebeke, ja die Familie Bauer hatte urspruenglich (als das Kind Alfred geboren wurde) am Ludwigkai 28 gewohnt. Und das NSDAP Gebaeude war im Haus Ludwigkai 4 auf der gleichen Strassenseite. Und nun rate mal wer der Ehrenbürger in Würzburg seit 1. Mai 1933 ist. Besonders interessant ist die Begründung: „wurde in dankbarer Anerkennung seiner hohen Verdienste am Volk und Vaterland durch einstimmigen Beschluß des Stadtrates vom 2. Mai 1933 zum Ehrenbürger der Stadt Würzburg ernannt“. Ehrenbürger, weil er den 1. Mai 1933 zum gesetzlichen Feiertag gemacht hatte?
Aber ich finde, das ist immer noch kein Grund für die Royal Air Force mit 380.000 Stabbrandbomben und 1.124 Sprengbomben aus 280 Flugzeugen am 16. März 1945 innerhalb von 20 Minuten Würzburg in Schutt und Asche zu legen. Und das alles nur um die verräterische Doktorarbeit von Dr. Alfred Bauer zu verbrennen? Und hier kommen noch meine Fotofundstücke, alle unter cc Lizenz, bis auf das von der SDK, da muß ich noch mal fragen, J.