Leseproben aus dem Büchlein Ossis, rettet die Bundesrepublik!
“Irgendeiner dieser farblosen schwarzen Politker ließ die staunenende Noch-DDR-Öffentlichkeit des Jahres 1990 wissen, er habe sich seit dem 17. Juni 1953 – da war er grade dreizehn – im inneren Widerstand gegen das herrschende SED-Regime befunden. Gottlob war es ihm gelungen, den Tatbestand so konspirativ zu behandeln, daß nie eine Menschenseele von seinem zur Faust geballten Innenleben erfuhr.“ So beginnt der Text: “Mein 17. Juni und die literarischen Folgen“ von Renate Holland-Mortiz, die leider vor einigen Jahren gestorben ist. Hier kommt noch mal eine kleine Erinnerung an sie. Das Buch ist im Dietz Verlag, Berlin erschienen. Die 5. Auflage ist 1996 erschienen und hat die ISBN 3-320-01827-2- In Corona Zeiten ist der Buchkauf etwas schwieriger als sonst, deswegen hier zwei kleine Ausschnitte zur Leseprobe.
Renate Holland-Moritz Abschrift aus dem Buch: Ossis, rettet die Bundesrepublik! Dietz Verlag Berlin. 5. Auflage 1996, Seite 21-30 “Stasi-Kontakt mit Happy-End“
“Infolge ihrer eklatanten Überflüssigkeit wurde die »Friedenspost«, Zentralorgan der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, im Herbst 1953 des sozialistischen Blätterwaldes verwiesen. Ich konnte meine journalistische Ausbildung in der »BZ am Abend« fortsetzen, die sich selbstbewußt als das »Herzblatt des Berliners« offerierte. Mir allerdings beschwerte es allmorgendlich das Herz, denn ich schaffte es fast nie, pünktlich um 6.30 Uhr (sonnabends und montags gar um 5.30 Uhr) in der Redaktion einzutreffen. Eines griesegrauen Wintermorgends im Jahre 1954 hatte ich mich wieder einmal erheblich verspätet und hoffte inständig, der Allmächtige möge mich ungesehen an meinen Schreibtisch gelangen lassen. Doch schon auf dem ersten Treppenabsatz erwartete mich das Strafgericht in Person unseres Chefredakteurs Ernst Hansch. Er war totenbleich, zitterte am ganzen Leib und fragte mit tonloser Stimme: »Was haben sie getan?« »Verschlafen«, gestand ich kleinlaut, »aber es soll nie wieder vorkommen.« »Lenken Sie nicht ab«, unterbrach er mich schroff, »sagen sie frei heraus, was Sie wieder angestellt haben. Wenn, wie so oft, Ihre Kodderschnauze mit Ihnen durchgegangen ist, kann ich mich vielleicht für Sie verwenden.« Nun verstand ich überhaupt nichts mehr. »Wovon reden Sie eigentlich?« »Wovon ich rede?« Ernst Hansch kiekste wie ein hysterischer Countertenor. »Ich rede davon, daß Sie zum Ministerium für Staatssicherheit bestellt sind. Der Genosse Ernst Wollweber will Sie sprechen, und zwar sofort!« Mir viel eine Zentnerlast vom Herzen. Also kein Trouble mit meinem Chef! Der Chef der Staatssicherheit interessierte mich überhaupt nicht. Seine Klientel bestand doch wohl vorrangig aus Diversanten und Umstürzlern, und nichts dergleichen traf auf mich zu. »Bin schon auf dem Wege«, sagte ich munter, »wo residiert denn seine Heiligkeit?« »Um Gottes Willen, Kindchen« flüsterte Ernst Hansch, »nehmen Sie das nicht auf die leichte Schulter. Auf jeden Fall erstatten Sie mir sofort nach Ihrer Rückkehr Bericht. Falls Sie zurückkommen«, fügt er noch leiser hinzu. Auf dem kurzen Weg vom Berliner Verlag in der Otto-Nuschke-Straße bis zum Ministerium für Staatssicherheit in der Glinkastrasse bemächtigte sich meiner doch eine gewisse Nervosität. Konnte es sein, daß mich irgend jemand wegen Verbreitung des einen oder anderen politischen Witzes denunziert hatte? Und wenn schon, dachte ich trotzig. Wegen solcher Delikte hatte man sich in der Nazizeit zu fürchten gehabt. Daß auch Opfer der Nazis in der gleichen Weise reagieren würden, hielt ich für üble feindliche Nachrede. Am Portal wurde ich von einem Wachtposten im Empfang genommen und im barschen Ton an den nächsten weitergereicht. Die Prozedur wieder-holte sich noch einigemal, bis ich endlich einen riesigen Raum betreten durfte. Am Horizont machte ich einen ebenfalls riesigen Schreibtisch aus, hinter dem ein unscheinbares Männchen trohnte: Ernst Wollweber. Etwa zwei Meter entfernt von ihm hockte auf einem Stuhl ein in sich zusammengerutschtes Menschenbündel. Als sich unsere Blicke trafen, erkannte ich den Mann. Ich wollte spontan auf ihn zugehen, aber Wollweber befahl mit schneidender Stimme: »Stehenbleiben!« Ich verstand nicht, warum ich den Besetzer des Armsünderstuhls nicht wenigstens begrüßen durfte. Er hieß Günther Hoffmann, wohnte in Strausberg und war ein Freund eines mir befreundeten Kollegen . Vor zwei Tagen waren wir bei ihm und seiner Frau Karin zu Gast gewesen. Die mir bis dato unbekannten Hoffmanns hatten auch mich herzlich aufgenommen. Es wurde ein ausgesprochen angenehmer Abend. Wir schwatzten über Gott und die Welt und zogen feixend prominente Politiker und Künstler durch den Kakao. Da die Hoffmanns regelmäßige Leser der »BZ am Abend« waren, interessierten sie sich besonders für die Art meiner Tätigkeit. Ich berichtete, daß ich – genau wie die anderen Volontäre und Assistenten der Lokalredaktion – mit einer ebenso langweiligen wie unnützen Arbeit betraut sei. In den damals noch gar nicht existierenden Mauern unserer Stadt wurde das Außenministertreffen der alliierten Siegermächte vorbereitet, und wir sollten die Bürger befragen, was sie sich von dieser historischen Viererkonferenz versprächen. Es war nicht das erstemal, daß wir die Volksmundpropaganda erforschen mußten, und es war nicht das letztemal, daß wir es auf die für uns am wenigsten peinliche Weise taten. Indem wir nämlich in der Redaktion blieben und uns die höheren Orts gewünschten positiven Lesermeinungen samt Namen und Adressen einfach ausdachten. »Was haltet ihr eigentlich von der Konferenz?« fragte ich unsere Gastgeber. »Meint ihr, da kommt wirklich was Vernünftiges für die Deutschen heraus?« »Glaub ich nicht«, sagte Günter Hoffmann, »sie wird vermutlich ausgehen wie alle diese Treffen, nämlich wie das Hornberger Schießen.« Die Formulierung gefiel mir, und ich beschloß, endlich einmal eine echte, noch dazu kritische Leserstimme ins Blatt zu bringen. Am nächsten Morgen tippte ich den Satz vom Hornberger Schießen, und ab mittags um 12. Uhr konnten sich die Leser vom Skeptizismus irgendeines Günter Hoffmann aus Strausberg überzeugen. Minister Wollweber hielt eine Exemplar der »BZ am Abend« in der rechten Hand. Mit der Linken zeigte er auf das vor mir sitzende Häufchen Unglück und fragte mich in inquisitorischem Ton: »Kennen sie diesen Mann?« Ich war zwar ein reichlich naiver Teenager, hatte aber doch genügend Krimis gelesen, um zu wissen, daß man sich nicht in allzu offenkundige Widersprüche verwickeln dürfe. Wollweber mußte bemerkt haben, daß ich Günter Hoffmann kannte, seine Frage war also rein rhetorischer Natur. »Ich habe Herrn Hoffmann und seine Frau vorgestern kennengelernt«, antwortete ich wahrheitsgemäß, »er ist ein Freund meines derzeitigen Freundes. Was hat der denn gemacht?« Wollweber lief dunkelrot an. »Hier stelle ich die Fragen«, donnerte er. »Also, worüber haben sie gesprochen?« Ich sah zu Günter Hoffmann und glaubte, in seinen glanzlosen Augen ein flehentliches Blinzeln zu bemerken. »Über alles Mögliche und nichts Besonderes«, sagte ich leichthin. »In erster Linie habe ich mich mit Frau Hoffmann unterhalten. Sie ist ein Handarbeitsgenie und will mir aus Wollresten einen Pullover stricken. Außerdem . . . « Wollweber fiel mir gereizt ins Wort. »Ich präzisiere: Haben sie mit Hoffmann über die Berliner Vierkonferenz gesprochen?« »Aber nein«, sagte ich mit Nachdruck. »Gleich am Anfang des Abends hatte sich Frau Hoffmann nämlich ausgebeten, daß die Themenbereiche Politik und Arbeit ausgespart werden sollten. Ich fand das, ehrlich gesagt, ein bißchen kleinbürgerlich.« Wollweber drosch mit einem Lineal auf die »BZ am Abend« ein. »Und wie kam es dann zu dieser Veröffentlichung?« Ich tat, als bemerke ich das Corpus delicti erst jetzt. »Ach das meinen Sie«, sagte ich mit gespielter Betretenheit, »das ist nun wirklich ein bißchen peinlich. Natürlich kann ich Ihnen alles erklären, aber Sie müßten mir versprechen, die Angelegenheit unbedingt vertraulich zu behandeln. Kann ich mich auf Ihre Verschwiegenheit verlassen?« Die oberste Sicherheitsnadel wurde ganz spitz im Gesicht. Doch dem fälligen Wutausbruch kam ich zuvor, indem ich detailliert über die Plage des kampagneartiken Stimmensammelns berichtete. Ich verriet Wollweber sogar, daß es durchaus nicht ungefährlich sei, Bürger zu politischen Ereignissen zu befragen. Nicht selten bekäme man anstelle einer Antwort Ohrfeigen angeboten. Bekanntermaßen gehöre es doch aber nicht zu den Aufgaben der sozialistischen Presse, den Unmut des Volkes öffentlich zu machen. Also seien wir dazu übergegangen, den Fragen gleich die politisch richtigen Antworten beizufügen. »Leider« fuhr ich fort, »ist da das Problem mit den Namen. Sie sollen nicht zu gewöhnlich sein. Müller, Meier, Schulze und Lehmann nimmt mir mein Ressortleiter Klaus Poche schon seit Tagen nicht mehr ab. Absonderlich oder gar lächerlich dürfen sie aber auch nicht sein. Allein aus diesem Grunde konnte eine äußerst positive Meinungsäußerung eines gewissen Gustav Niedergesäß aus Oberschöneweide nicht erscheinen.« »Schluß mit dem Blödsinn«, brüllte Wollweber, kalt vor Wut. »Ich will auf der Stelle wissen, ob diese defätistische Bemerkung über die Viererkonferenz von unserem Genossen Hoffmann stammt!« Erst jetzt wurde mir klar, daß Günter Hoffman auch zur Firma gehörte. Diese Erkenntnis berührte mich irgend wie seltsam, denn unter einem »Kundschafter« hatte ich mir immer etwas Heldenhaftes, vielleicht Dämonisches, auf jeden Fall Geheimnisvolleres als diesen netten Mann vorgestellt. »Natürlich nicht«, wehrte ich entschieden ab, »wir haben ja überhaupt nicht über die Viererkonferenz gesprochen. Es verhielt sich nur so, daß mein Chef Klaus Poche auch einmal eine kritische Stimme abdrucken wollte, der Ausgewogenheit halber. Als ich den Auftrag ausgeführt hatte, stand ich wieder vor dem Namenproblem. Und das muß mir das mit Günter Hoffmann, Straußberg, einfach unterlaufen sein. Weil die Adresse so schön allgemein und doch nicht fiktiv war. Wenn ich allerdings geahnt hätte, daß ich Herrn Hoffmann damit in Schwierigkeiten bringe . . . « »Sie behaupten also«, resümierte Wollweber, »sich den Satz selbst ausgedacht und den Namen Hoffmann mißbräuchlich benutzt zu haben. Ist das so?« Ich nickte heftig. Wollweber sah mich lange und durchdringend an. Offenbar wurde er sich nicht klar darüber, ob er es hier mit blanker Dreistigkeit oder mit echter jugendlicher Naivität zu tun hatte. Schließlich forderte er mich in scharfem Ton zum Gehen auf. Ich stand noch einen Moment unschlüssig in dem kahlen Raum herum und versuchte, mit Günter Hoffmann einen Blick zu wechseln. Aber er stierte verbissen auf seine Schuhspitzen. »Sie sollen gehen«, raunzte Wollweber. Wenig später umarmte mich Chefredakteur Ernst Hansch wie den verloren geglaubten Sohn, zeigte sich nach meiner Berichterstattung aber keineswegs beruhigt. Noch tagelang wagte er sich kaum aus seinem Zimmer, immer in Erwartung des gefürchteten Anrufs. Der kam übrigens nie. Im Frühjahr 1984 war ich von den Mitarbeitern der Studiotechnik zu einer Lesung ins Café des DDR Fernsehens eingeladen worden. Dem literarischen Horsd’œuvre folgte eine mittleres Gelage, das als sogenanntes geselliges Beisammensein ebenfalls aus dem Kultur- und Sozialfonds des Betriebes finanziert wurde. Ich saß mit einigen Studiotechnikern am Tisch und gab bereitwillig Auskunft über Möglichkeiten und Grenzen der Satire unter gerontokratischen Zensurbedingungen. Ein Mann im besten Vorruhestandsalter bat Platz nehmen zu dürfen und drückte mir ein Glas Sekt in die Hand. »Was sagst du nun?« fragte er strahlend. »Danke« antwortete ich verwirrt, denn ich hatte nicht die Spur einer Ahnung, wer der edle Spender sein könnte. »Zugegeben, es ist lange her« räumte er ein,»aber meine Adresse lautet noch immer: Günter Hoffmann, Strausberg.« Ich erlitt fast einen Schock. In all den Jahren hatte ich die Erinnerung an meinen einzigen Direktkontakt mit der Stasi zu verdrängen versucht. Doch das Bild des gebrochenen Mannes vor dem Schreibtisch des damals ranghöchsten Schnüfflers (Ernst Wollweber wurde 1958 zusammen mit Karl Schirdewan wegen »Fraktionsbildung« entmachtet und aus dem Zentralkomitee ausgeschlossen) verlor sich nie ganz aus meinem Gedächtnis. Immer wieder belastete mich der Gedanke, einem Menschen aus Unüberlegtheit Schaden zugefügt zu haben. Dann wieder beruhigte ich mein Gewissen mit der Harmlosigkeit des Tatbestandes. Wenn dieser Günter Hoffmann Zweifel in die Effektivität der Viererkonferenz gesetzt hatte, so war das sein verbrieftes Grundrecht, nachzulesen in der Verfassung der DDR. Daß diese für die amtlich bestallten Schützer des Staates nur wertloses Papier darstellte, lag im Zynismus des Sicherheitssystems begründet. Nun aber saß mir der einst so jämmerlich Gedemütigte lächelnd gegenüber und erzählte mir seine Geschichte. Günter Hoffmann war das Kind ermordeter Antifaschisten. Nach 1945 ersetzte ihm die Partei die Familie, und als sie beschloß ihn im Bereich der Staatssicherheit als Nachrichteningenieur ausbilden zu lassen, wäre er nie auf die Idee gekommen, Widerspruch einzulegen. Doch spätestens seit den Ereignissen vom 17. Juni 1953 fühlte er sich nicht mehr in Übereinstimmung mit den politischen Idealen seiner Eltern und empfand seine Tätigkeit mehr und mehr als drückende Last. Allerdings sah er nicht die geringste Chance, aus der Verpflichtung entlassen zu werden, ohne sich der Republikflucht schuldig zu machen. Das aber stand für ihn nicht zur Debatte. Als Günter Hoffman nach seinem unfreiwilligen Leserbrief von Minister Wollweber hochnotpeinlich in die Zange genommen wurde, bestritt er zwar nicht, mich zu kennen, leugnete aber die Urheberschaft an der kritischen Bemerkung in der »BZ am Abend«. Mein Erscheinen vor dem Allerhöchsten machte seine vage Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang der Sache endgültig zunichte. Natürlich war er überzeugt davon, Wollweber würde mich einschüchtern und so die Wahrheit ans Licht befördern. Allein meine grenzenlose Naivität und der mir innewohnende Spieltrieb retteten Günter Hoffman. Selbstverständlich wurde er fristlos aus dem Staatssicherheitsdienst entlassen, doch mangels Beweises immerhin in Ehren. Das erschloß sich ihm im Jahre 1954 die unschätzbare Möglichkeit einer bürgerlichen Existenz. Ob Günter Hoffmann allerdings nach fast vierzigjähriger Stasi-Abstinenz mit der Absolution des gottesfürchtigen Hexenjägers Gauck rechnen kann, darf bezweifelt werden.1991 Renate Holland Moritz. Am 14. Juni 2017 ist Renate Holland-Moritz gestorben. Ich habe, wie vermutlich die meisten Hamburger, erst von Ihrer Existenz erfahren, als der Eulenspiegel dann auch bei uns am Zeitungskiosk zu erwerben war. Leider konnten wir sie nicht ins 3001 Kino nach Hamburg locken. Aber wir haben es versucht.
Inschrift auf dem Stadtbrunnen Hornberg, Baden Württemberg Jedwedes Kind auf der weiten Erd v. Hornberger Schiessen schon hat gehört, das Pulver ging aus zur schönsten Stund, so dass man nicht mehr schiessen kunnt! Anno 1564
Seite aus Berlin Buchplan Umschlag Rückseite. (VEB Tourist Verlag) 8. Auflage 1989. ca. 1:25 000 Besonderheit dieses Planes: Der Westteil von Berlin ist weiss.
Renate Holland-Moritz
Abschrift von Mein 17. Juni und die literarischen Folgen
Aus: Ossis, rettet die Bundesrepublik Seite 16 -20
Renate Holland-Moritz schreibt seit 50 Jahren in der Satire-Zeitschrift Eulenspiegel ihre Filmkritiken,. Sie waren zu DDR-Zeiten Kult: Die Kinoeule. Interview mit Andreas Kurtz. Irgendeiner dieser farblosen schwarzen Politiker ließ die staunende Noch-DDR-Öffentlichkeit des Jahres 1990 wissen, er habe sich seit dem 17. Juni 1953 – da war er grade dreizehn – in innerem Widerstand gegen das herrschende SED-Regime befunden. Gottlob war es ihm gelungen, den Tatbestand so konspirativ zu behandeln, daß nie eine Menschenseele von seinem zur Faust geballten Innenleben erfuhr. Ähnlich heldenhaft habe ich mich leider nicht betragen. Meine Einwände gegen eine antifaschistische, den Sozialismus anvisierende Gesellschaftsordnung waren allerdings auch nicht derart gravierend. Genau genommen beschränkten sie sich auf dogmatische Auswüchse und so lächerliche Behauptungen, Ringelsocken, Schuhe mit Kreppsohlen und Jazz seien die Insignien der Dekadenz und gäben Zeugnis vom verfaulenden, demnächst untergehenden Kapitalismus. Um zu beweisen, wie gut sich westliche Mode und Musik mit östlicher Weltanschauung vertrugen, marschierte ich auf den Kreppsohlen der Firma Leineweber und ließ mich während des sogenannten Selbststudiums der marxistischen Klassiker von den Klängen des amerikanischen Soldatensenders AFN berieseln. Das hatte gar manche Aussprache mit anschließender Strafaktion zur Folge, deren angenehmste war, daß ich nie mit einer Funktion im Jugendverband betraut wurde. 1953 arbeitete ich, gerade 18 Jahre alt geworden, als Volontärin einer unsäglich langweiligen Wochenzeitschrift namens »Friedenspost«. Die Redaktion befand sich in der 6. Etage des Zentralvorstandes der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft auf dem Berliner Thälmannplatz. Hier teilte ich das Zimmer mit meiner Kollegin Hilde Linden, die später unter dem Pseudonym Hiltrud Lind vielgelesene Kinderbücher schrieb. An einem schönen sonnigen Junitag sah Hilde aus dem Fenster auf die Wihelmstraße und fragte mich: »Kannst du mir sagen, vor welcher Demonstration wir uns heute mal wieder gedrückt haben?« Ich konnte es nicht, überzeugte mich aber davon, daß sich ein langer Zug in Richtung Haus der Ministerien bewegte. Der Thälmannplatz war von erregten, teilweise wild gestikulierenden Menschen besetzt. Hilde bekam es mit der Angst zu tun, ich hingegen war nur neugierig. Deshalb beschloß ich, mich der geheimnisvollen Veranstaltung beizugesellen, um ihr auf den Grund zu kommen. Vor dem Haus, in unmittelbarer Nähe des U-Bahn-Einganges, geriet ich in einen Kreis wütend diskutierender Männer. Als sie mich sahen, verstummten sie. Dann allerdings war ich einem Schwall wüster Beschimpfungen und Drohungen ausgesetzt, die sich nur in der Rüdigkeit von denen meiner empörten FDJ-Funktionäre unterschieden. Wie diese nahmen die Demonstranten Anstoß an meinem Outfit. Aber nicht die eindeutig westliche Herkunft meines Kord-Lumberjacks störte sie, sondern die an der linken Jackenseite zweireihig befestigten Blechsymbole. Da prangte neben dem FDJ-Abzeichen das des Komsomol, eingetauscht beim organisierten und streng bewachten Freundschaftstreffen mit Sowjetsoldaten. Ferner erglänzten die Anstecker der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, der Gesellschaft für Sport und Technik, des Deutschen Turn- und Sportbundes sowie in der Reihenfolge des persönlichen Erwerbs die Abzeichen »Für gutes Wissen« in Bronze, Silber und Gold. »Runter mit det Lametta«, brüllten die staatsverdrossenen Aufrührer. Ich weigerte mich standhaft, beharrte gar auf meinem demokratischen Recht, mich mit allem zu schmücken, was nicht Krieg oder Nazismus verherrlichte. Das war Öl aufs Feuer. Wenn ich provozieren wolle, könne man auch anders. Ein Männerarm erhob sich schlagfertig. Doch ehe mir die Arbeiterfaust an die Wäsche konnte, wurde der Kreis um mich von einem energischen kleinen Mann zerteilt. Mit befehlsgewohnter Stimme fragte er, ob man sich nicht schäme, seinen Zorn an Unschuldigen abzureagieren, sein Mütchen gar an halben Kindern zu kühlen. Gehorsam traten die Leute einen Schritt zurück, so daß dem kleinen Mann Gelegenheit wurde, mich mit festem Griff aus der Gefahrenzone zu ziehen. »Räum deinen Klempnerladen ab«, schnauzte er mich an. Und ich, die ich eben noch bereit gewesen war, der vermeintlichen Konterrevolution zu trotzen, tat wie geheißen. Dann fragte der Mann noch, wo ich arbeite und wer mein Chef sei, und stieß mich schließlich unsanft durch die Tür meines Redaktionshauses. Der Lift war wieder mal kaputt, und ich mußte die sechs Etagen zu Fuß erklimmen. Auf dem Gang kam mir mein Chefredakteur Rudi Wetzel in heller Aufregung entgegen. Er hatte gerade eine telefonische Abreibung erfahren wegen »Vernachlässigung der Aufsichtspflicht gegenüber einer jugendlichen Spinnerin«. Der Anrufer war niemand anders als mein kleiner Retter. Er hieß Wilhelm Girnus und befehligte die Abteilung Kultur in der Redaktion des SED-Zentralorgans »Neues Deutschland«. Da ich Girnus nur dieses eine Mal getroffen habe, weiß ich nicht, ob er an jenem denkwürdigen 17. Juni 1953 noch eine weitere schicksalhafte Begegnung mit einem jungen Mädchen auf dem Thälmannplatz hatte. Sollte das nicht der Fall gewesen sein, so hat das Erlebnis mit mir eine äußerst seltsame Metamorphose in seinem Gedächtnis durchgemacht. In seinem autobiographischen Buch »Aus den Papieren des Germain Tawordschus« (erschienen 1982 in Hinstorff Verlag Rostock) schrieb Wilhelm Girnus: »Germain ging zum U-Bahn-Eingang. Dort stand ein Mädchen, etwa fünfzehn Jahre alt, im blauen Hemd der Freien Deutschen Jugend, blickte auf die zerstörten U-Bahn-Schilder und weinte. Germain trat an sie heran, legte den Arm um sie und blickte ihr in die verweinten Augen. Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren empfand er Mitleid mit einem deutschen Menschen, eine zarten, leidenden Wesen, das nicht um den Tod von Vater und Mutter weinte, nicht um einen verlorenen Geliebten, sondern darum, das etwas vernichtet wurden, was sie als das ihrige empfand, weil sie es selbst mitgeschaffen hatte. Germain wußte natürlich, warum sie weinte, aber er wollte es aus ihrem Munde hören, er kannte, wie wohl es tat, von seinem Schmerz zu einem anderen zu sprechen. Er hatte sie in diesem Augenblick wirklich gern, er drückte sie an sich und fragte: ›Warum weinst du?‹ Schluchzend sagte sie: ›Da haben wir jahrelang aufgebaut, und jetzt kommen die und machen alles wieder kaputt.‹ Ein Strom von Tränen und Schluchzen brach aus ihr hervor, und gebrochen lehnte sie sich an Germain.« In nämlichen Jahr 1953 schrieb Wilhelm Girnus, später Professor für Literaturtheorie und langjähriger Chefredakteur der Literaturzeitschrift »Sinn und Form«, seine Doktorarbeit. Sie trug den Titel: »Goethe, der größte Realist der deutschen Sprache.« Ob Girnus auch seiner heimlichen Ahnfrau Hedwig Courths-Mahler würdigend gedachte, ist nicht überliefert. Renate Holland-Moritz (1990)
Brief an meinen Freund Dietrich. Über ein Buch: Die Geschichte des Films im Dritten Reich von Francis Courtade / Pierre Cadars, Hamburg 25. Januar 2021
Hallo Dietrich, hier kommt nun die positive Seite der Pandemie zum Vorschein. Ich lese viel. Erst habe ich mit Vergnügen das Buch, das Du mir geschickt hast (David Wittenberg) gelesen, und jetzt habe aus der Bürosammlung ein Buch mitgenommen, das ich noch nie gelesen hatte. Und das mit gutem Grund. Wer liest schon Bücher über die Filmgeschichte? Ich jedenfalls habe alle Filmgeschichtsbücher (Gregor Patalas und was es sonst noch so alles gibt) immer nur zum Nachschlagen benutzt, aber niemals von vorn nach hinten durchgelesen. Jetzt bin ich bereits auf Seite 181 in der deutschen Übersetzung von Francis Courtade und Pierre Cadars „Geschichte des Films im Dritten Reich“, von 1976 von der Büchergilde Gutenberg herausgebracht, übersetzt hat das Buch Florian Hopf. Ich finde das Buch, die Nazis aus der Sicht der Franzosen, richtig charmant. Was mir gut gefällt sind die Beschreibungen der Nazi Filme. Kein deutscher Buchautor (den ich kenne) traut sich aus Mein Kampf wörtlich zu zitieren, was der Führer aller Nazis da so gemeint haben könnte. Auch bestimmte Worte, die es scheint, das es sie im Französischen nicht gibt, kommen manchmal vor. (Der schreibt nie von einer Kamerafahrt, sondern nimmt immer das englische Wort). Auch das macht die Sache flott. Damit Du das Buch in Deinem Regal schnell findest, habe ich den Umschlag auf den Scanner gelegt. Das Nachwort von Gerd Albrecht werde ich vermutlich auslassen. Ich hatte ein Seminar in der dffb mit ihm, das nannte sich „Vorurteilsminderung“ – ich habe so in Erinnerung, das ich der einzige Student war, der damals sein Seminar besucht hat, die anderen Studenten und Studentinnen (bei uns gab es einen Frauenüberschuss) haben gesagt, es gehe ihnen nicht um Vorurteilsminderung, sondern es gehe um die Revolution. Das konnte ich damals gar nicht glauben, ich kam ja direkt von der Werft zu Ihnen und hatte mir nur gemerkt: Nicht schnell laufen, weil, wer schnell läuft, das hatten mir die Werftkollegen beigebracht, wird erschossen. Und das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Ich war schon immer mehr füt Daumendrücken (Siehe: Sein oder Nichtsein von Lubitsch), Jens
das Buch kam in meine Hände, weil mein Freund Dietrich Leder das Nachwort geschrieben hat. Wie es sich für ein Nachwort gehört, ist es hinten im Buch auf den Seiten 403 – 422. Ich habe deswegen die Krimi Lese Methode angewandt und zuerst die letzten Seiten des Buches gelesen. So erfährt man bei Krimis immer vorher, wer der Mörder ist und kann dann entscheiden, ob man den Rest auch lesen will. Habe ich gemacht:
Den Rest auch gelesen. Das Nachwort ist nicht der letzte Text in diesem Buch. Bevor das Buch zu Ende geht, kommt noch eine Filmographie, denn David Wittenberg ist Filmemacher. Es folgt eine „Editorische Nachbemerkung“ (Zwei Seiten) von Irma Wittenberg, die die Texte aus den Jahren 1965 – 2010 herausgesucht hat. Ich kenne einige Filme von ihm und habe, in meiner kurzen Karriere als Filmverleiher bei Zentral Film, einige Filme von ihm und Edith Schmidt, mehr oder weniger erfolglos, verliehen. (Der Lip Film gehoerte dazu). Zu schreiben, in dem Buch werden die Filme gezeigt, wäre falsch, beschrieben wäre auch nicht richtig, vielleicht passt am besten:
Mit Hinweisen versehen. Ein spannendes und manchmal kurzweiliges Buch. Man merkt den Texten an, hier war jemand mit Freude unterwegs. Keine Fleißarbeit, die die Mühe zeigt, mit der sie entstanden ist. Manchmal sind es spannende Gespräche, die von D. W. geführt werden. Besondere Freude machen mir Fundstücke, so wie dieses (willkürlich herausgesucht):
Im Kapitel : Zeitsprung – Von Menschen und Denkmälern auf Seite 101. Überschrift: Der kleine Alltag.
»“Berlin, Alt Rudow 43, Auf einer Gedenktafel heißt es: Hier stand das Geburtshaus von Heinrich Stahl, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin 1933 – 1942. Dazu gab es einen Festakt des Berliner Senats, 1993, Stahl war aber Vorsitzender nur bis 1940, da wurde er von den Nazis aus dem Amt gejagt. Er wurde 1942 in Theresienstadt ermordet. Die Tafel hängt auch am falschen Haus. Das Geburtshaus, Alt Rudow 41 gehört einem Bäckermeister, der ein halbes Jahr nachdachte und dann die Gedenktafel doch lieber nicht am Haus haben wollte. Jetzt ist sie am Nachbarhaus befestigt. Das wird im Herbst 1993 abgerissen.“«
Quelle. Film und Text. Seite 101, David Wittenberg, Sa.Ga. Verlag für die Gesellschaft. 1. Auflage, Tbilissi, Georgien 2020. ISBN 978-9941-8-24812-4
Nur als Hinweis für Menschen, die die Ecke von Berlin nicht kennen. Der Ausschnitt aus dem Falkplan. Alt Rudow 41 hat die Postleitzahl 12357 und ist im Planquadrat W 5 des Berliner Falk Planes zu finden.
David Wittenberg- Film und Text, Seite 111 (Aus dem Kapitel Zeitsprung- Von Menschen und Denkmälern).
„Die Neue Wache von Schinkel war zu DDR -Zeiten den „Opfern des Faschismus und Militarismus“ gewidmet, mit zwei symbolischen Urnen, eine „Dem unbekannten Soldaten“, die andere „Dem unbekannten Widerstandskämpfer“; es war nicht klar, ob vielleicht der unbekannte Soldat den unbekannten Widerstandskämpfer ermordet hatte“.
(David Wittenberg- Film und Text, Verlag für die Gesellschaft. 2020)
Diese Texte finden sich unter der Überschrift:„Was ist zumutbar?
Ein zurück gekehrter Emigrant berichtet, nach Besuch einer Ausstellung über Anne Frank habe eine ältere Dame ganz bewegt gemeint: „Aber warum hat man dieses Mädchen nicht wenigstens retten können?“
Ein Mitarbeiter der Gedenkstätte Buchenwald führte 1993 im Frühjahr eine Gruppe junger Frauen durch das KZ-Gelände. Sie waren zu Tränen gerührt vom Schicksal der Kinder in Buchenwald . Beim Gang über den ehemaligen Appellplatz kam ein Punk mit bunter Frisur vorbei. Da hieß es: „Na, der hätte auch hier herein gehört.“
David Wittenberg- Film und Text, Verlag für die Gesellschaft, Seite 110.
Herausgeberin: Irma Wittenberg Mitarbeit: Soso Dumbadze Buchlayout: Giorgi Bagrationi Umschlagdesign: Ani Asatiani Vorwort : Detlev Claussen Nachwort: Dietrich Leder
Frage an den Nachwortschreiber: Hallo Dietrich, meine Freundin Wiebecke und ich natuerlich auch, wir haben uns die Frage gestellt, wie kommt das Buch nach Tbilissi in Georgien und warum? Ist es dort besonders billig zu drucken, oder wie oder was? Jens
Hallo Jens, Irma (Wittenberg) hatte nach einem Verlag gesucht. Die einen wollten nicht, die anderen zuviel Geld. Dann gab es vor 15 Monaten eine Veranstaltung von LaDOC zu Agnes Varda in der KHM (Kunsthochschule für Medien), die ich moderierte. Da waren Irma und David (Wittenberg). Und Soso Dumbatze, der bei mir Diplom machte und der einst in einem Seminar zum Essayfilm war, zu dem ich nach Hartmut B. (Bitomsky) und Harun F. (Farocki) auch David (Wittenberg) eingeladen hatte. Soso ging deshalb auf David zu, den und seine Filme er sehr schaetzt, und so kamen sie ohne mein Zutun ins Gespraech. Soso kommt aus Georgien und hat dort einen Verlag gegruendet, um philosophische und medienhistorische Texte in Englisch, Deutsch und Georgisch zu veroeffentlichen.
Schoene Geschichte finde ich. Gruesse nach HH! Dietrich
Kinogänger
kennen ihn. Er war das Neue Cinema. Er war immer da. Morgens mit dem
Staubsauger und Schraubenzieher. Abends beim Filmeinlegen und
Kartenabreissen. Der kleine Mann mit dem kodderigen Maul, dem nichts
und niemand heilig war.
Er war schon da, als das Neue Cinema noch zur Ufa gehörte. Ich weiß gar nicht mehr, welche Filme damals dort gezeigt wurden. Uwe Schulz hätte es gewußt. Er kannte alle Kinos, ihre Maschinen (die Projektortypen), die Besitzverhältnisse.
Auch nach der Bestuhlung in den Kinos konnte man ihn fragen. Quinette ist große Scheiße. Alles aus Plastik, nach fünf Jahren bricht alles auseinander. Von seinem Chef (H. J. Flebbe) waren da ganz andere Urteile – „der Rolls Royce unter den Stuhlfirmen“ – zu hören. Uwe Schulz wußte es besser.
Er kannte alle Disponenten der Filmverleihe. Schon in der Zeit, als sie alle am Steindamm ihre Filialen hatten: Centfox, Warner, Columbia, Filmverlag, Filmwelt, Endfilm und wie sie alle hießen. Ich weiß es nicht mehr – Uwe Schulz hätte es gewusst. Auch für hochgelobte Kino-Innenarchitekten war seine Kodderschnauze gut: „Der Dempe Wolff läßt überall die gleichen Teppiche an die Wand nageln“.
Was mir
immer besonders gut gefallen hat: Man konnte ihm nichts vormachen.
Titel und gesellschaftliche Stellung waren ihm wurscht. Ob nun einer
Chef des Filmbüros, Chef des Filmfonds oder sonstwas war. Ihm
imponierten nur Leistungen, die man auf der Leinwand sehen konnte.
Eine Zeitlang hat er selbst ein Landkino betrieben. Aber sie haben ihm die Filme nicht gegeben, die er für das Kino brauchte.
Manchmal habe ich ihn geärgert mit dem Ausruf „Schulz!“ aus dem Lubitsch Film „Sein oder Nichtsein“.
Uwe Schulz ist tot. Er starb am 19. Juli in seiner Wohnung über dem Kino. Er wurde nur 53 Jahre alt. Die besten sterben immer zuerst. Jens Meyer
Abschrift des Artikels aus der Lichtbildbühne (LBB)vom Montag, d. 30. Januar 1933:
“Hermann Urich-Saß zum Gedenken
Wie im größten Teil unserer Sonnabend-Ausgabe mitgeteilt, ist Hermann Urich-Saß am Freitag abend im blühenden Alter von 45 Jahren einem Herzschlag erlegen. Seine Beerdigung findet heute Montag, d. 30. Januar, 3 Uhr nachmittags, in Hamburg Ohlsdorf auf dem Israelitischen Friedhof statt. Tief erschüttert steht die Fachwelt des Films vor dieser furchtbaren Kunde. Einer der an Schaffensdrang und an Erfolg reichsten Pioniere ist mitten aus der Blüte der Jahre und der Arbeit aus dem Sein gerissen worden. Hermann Urich-Saß – ein Name, der nicht nur mit dem stolzen Henschel-Film- und Theaterkonzern in Hamburg, sondern mit dem deutschen Lichtspielwesen überhaupt untrennbar verbunden war und bleibt. Sein Lebenswerk: Hamburgs Schauburgen. Neun Theater. Außerdem drei andere Kinos, die zum Konzern gehören. Ein rundes Dutzend maßgebender Filmstätten, das betreut und verwaltet sein mußte. . . . Und Hermann Urich-Saß, unterstützt von einer Reihe tatkräftiger Mitarbeiter wie seinem Schwager und Sozius Hugo Streit und den Brüdern Traugott, verwaltete seinen Besitz mit Umsicht, gesellschaftlichem Weitblick, Klugheit und Wagemut. Wie hätte sich sonst der Henschel-Konzern zu einem der größten und führendsten Deutschlands entwickeln können! Das konnte nur durch einen Menschen geschehen, der seinem Unternehmen auch den Stempel seiner Persönlichkeit aufzuprägen verstand. Wie als Unternehmer so war Hermann Urich-Saß eine Persönlichkeit auch als Mensch. Seinem bescheidenen Charakter lag es nicht, hervorzutreten und nach außen hin eine Rolle zu spielen. Um so mehr trat sein Können in den Auswirkungen seiner Arbeit in Erscheinung. Streng in der Pflichterfüllung gegen andere und vor allem gegen sich selbst. Der korrekte Hamburger Kaufmann. Voll Ausdauer und Ehrgeiz und voller Vitalität, der er die Verwirklichung seiner Pläne verdankte. Ein Charakter voll Zuverlässigkeit. Ein Mann von untadeliger Gesinnung. Einer, dem Hochschätzung und Sympathien bis über das Grab hinaus bei allen sicher ist, die ihm, wie wir, in langen Jahren näher treten durften. Hätte er diese Eigenschaften nicht besessen, er wäre niemals Konzern-Beherrscher geworden. So aber erntete er bald die Erfolge seiner Arbeit; es dauerte nicht lange und er landet seinen ersten großen Schlag: Auf dem Trichtergelände am Millerntor will er ein Großkino bauen lassen. Das war, in Anbetracht der damaligen Zeit ein beinahe phantastisches Projekt. Er verwirklichte es: im Februar 1927 wurde die Schauburg Millerntor eröffnet. Und nun folgen rasch aufeinander jene großen Bauprojekte, die Hamburg aufhorchen ließen, und die den Namen des Henschel Film- und Theaterkonzerns so bekannt machten. Nachdem das ehemalige Astoria-Theater in den Besitz von Saß übergegangen und den Namen Schauburg Barmbeck erhalten hatte, folgte der Neubau Schauburg Nord. Später (das ehemalige Alhambra-Theater war inzwischen zur Schauburg Uhlenhorst geworden) wurden innerhalb von 3 Jahren die Schauburgen Hammerbrook, Wandsbeck und Hamm erbaut. Auch Altona bekam eine Schauburg. In Harburg erwarb der Henschel-Konzern zwei Theater, den Gloria Palast und das Union-Theater. Die beiden Innenstadtkinos, Schauburg Hauptbahnhof und City Theater vervollständigen die Reihe der Henschelbesitzungen. In dem Zeitraum von wenigen Jahren also hatte sich Hermann Urich-Saß vom kleinen Kinobesitzer zum Inhaber des größten Hamburger Lichtspieltheater-Konzern emporgearbeitet. Der 45jährige hatte damit ein Werk vollendet, auf das er nicht nur mit Stolz blicken durfte, sondern das er weiter mit seinem Geiste hätte erfüllen und ausbauen können. Ein vergängliches Menschenleben ist nicht mehr, – aber sein Werk lebt!“ (Aus Lichtbildbühne (LBB) vom 30.01. 1933)
Foyer Schauburg Millerntor
Cópia do LichtBildBühne em 30 de janeiro de 1933Hermann Urich-Saß em memória
Conforme
comunicado na maioria de nossa edição de sábado, Hermann
Urich-Sass sucumbiu a um batimento cardíaco na noite de sexta-feira,
aos 45 anos de idade. Seu funeral acontecerá hoje segunda-feira, 30
de janeiro, 15h, em Hamburgo Ohlsdorf, no Cemitério Israelita. O
mundo profissional do filme está profundamente abalado por esse
cliente terrível. Um dos pioneiros mais ricos em desejo e sucesso
criativos foi arrancado de ser no meio da florada de anos e trabalho.
Hermann Urich-Saß – um nome que estava e permanece inextricavelmente
ligado não apenas ao orgulhoso grupo de cinema e teatro Henschel em
Hamburgo, mas também à indústria cinematográfica alemã. O
trabalho de sua vida: os castelos de espetáculos de Hamburgo. Nove
teatros. Além disso, outros três cinemas pertencentes ao grupo. Uma
dúzia de locais de filmes relevantes que precisavam ser
supervisionados e gerenciados. . . . E Hermann Urich-Sass, apoiado
por vários funcionários ativos, como seu cunhado e sócio Hugo
Streit e os irmãos Traugott, administrava sua propriedade com
cuidado, previsão social, prudência e ousadia. De que outra forma o
Grupo Henschel poderia se tornar um dos maiores e líderes da
Alemanha! Isso só poderia ser feito por uma pessoa que sabia como
estragar sua empresa em sua personalidade. Como empresário, Hermann
Urich-Saß era uma personalidade como pessoa. Não era seu caráter
humilde se destacar e desempenhar um papel externamente. Além disso,
suas habilidades se tornaram evidentes nos efeitos de seu trabalho.
Rigoroso no desempenho de tarefas para com os outros e, acima de
tudo, contra si mesmo: o comerciante correto de Hamburgo. Cheio de
perseverança e ambição e cheio de vitalidade, a que devia a
realização de seus planos. Um personagem cheio de confiabilidade.
Um homem de disposição impecável. Alguém que tem certeza de
apreço e simpatia além da sepultura por todos que, como nós,
conseguem se aproximar dele há muitos anos. Se ele não tivesse
essas qualidades, nunca teria se tornado um governante corporativo.
Mas assim ele logo colheu o sucesso de seu trabalho; Não demorou
muito para que ele desse seu primeiro grande golpe: ele queria ter um
grande cinema construído no local do funil no Millerntor. Em vista
do tempo, esse foi um projeto quase fantástico. Ele percebeu: o
Schauburg Millerntor foi inaugurado em fevereiro de 1927. E agora
esses grandes projetos de construção, que fizeram Hamburgo prestar
atenção e que tornaram tão conhecido o nome do grupo de cinema e
teatro Henschel, se sucedem rapidamente. Depois que o antigo Astoria
Theatre se tornou propriedade de Sass e recebeu o nome Schauburg
Barmbeck, o novo edifício Schauburg Nord se seguiu. Mais tarde (o
antigo Alhambra Theatre tornou-se Schauburg Uhlenhorst), os castelos
Hammerbrook, Wandsbeck e Hamm foram construídos em três anos.
Altona também ganhou um castelo de espetáculos. Em Harburg, o Grupo
Henschel adquiriu dois teatros, o Gloria Palast e o Union Theatre. Os
dois cinemas da cidade, Schauburg Hauptbahnhof e City Theatre,
completam a série de propriedades de Henschel. No espaço de alguns
anos, Hermann Urich-Sass passou de um pequeno dono de cinema para o
dono da maior companhia de teatro de Hamburgo. Assim, o jogador de 45
anos completou um trabalho que ele não apenas se orgulhava de ver,
mas que poderia ter continuado a realizar e expandir com seu
espírito. Uma vida humana efêmera não existe mais, mas seu
trabalho vive! ”(De Lichtbildbühne (LBB) de 30 de janeiro de 1933)
Diesen Satz hat der Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt, der Schauspielerin Katja Danowski, die die stellvertretende Staatsanwältin Agnes Sonntag in dem Film »Mörderische Jagd« von Markus Imboden spielt, in das Drehbuch geschrieben. Wer den Satz sucht, findet ihn in der 82 Minute, kurz vor Ende des Filmes. Wunderbar. Es gibt nicht viele, die in Deutschland solche Drehbücher verfassen können. Obwohl Herr Schmidt hat auch schon mal danebengehauen, wie wir uns erinnern.
Daneben gehauen: Nebel im August, Pressevorführung im Abaton, 23. August (2016) 10.00 Uhr. Regie: Kai Wessel, Drehbuch: Holger Karsten Schmidt; Produzent: Ulrich Limmer, Start am 29. September 2016. Ein Presseheft ohne Starttermin, das ist selten. Das Heft ist aufwendig gestaltet. Vier- Farb -Druck, 31 Seiten, viele Fotos. In den Texten wimmelt es von deutscher Betroffenheitslürick, so will ich das mal nennen: “Bewegendes Drama”, “Tatsachenroman” (was ist das?), “tief beeindruckend” und anderen sprachlichen Lapsen. (ist das wirklich die Mehrzahl von Lapsus?) Nur ein Beispiel: ”Das Drehbuch legte Ulrich Limmer in die Hände des erfahrenen Holger Karsten Schmidt”. Das kann man sich richtig vorstellen. Aber warum? Erschüttert und berührt sollen wir sein. Leider stellt sich das Gegenteil ein. Sogar eine Zeittafel ist auf einer Seite abgedruckt. Sie beginnt mit dem 30. Januar 1933 und endet mit dem 8. 5. 1945, das Datum ist bekanntlich das offizielle Datum für die “Kapitulation des Deutschen Reiches”, wie das Presseheft noch mal in Erinnerung bringt. Kurz, das Presseheft sieht so aus, als wenn die Bundeszentrale für politische Bildung dieses selbst hergestellt hätte. Und der ist es bekanntlich egal, wann so ein Film in die Kinos kommt, also gestartet wird und ob er dort Erfolg haben kann oder eben nicht. Schließlich haben es die Besucher, die die Hefte der Bundeszentrale für politische Bildung in der Hand haben, nicht in der Hand, wenn sie das Kino verlassen wollen. Kino ist in diesem Zusammenhang keine unterrichtsfreie Zeit. Und wenn man vorzeitig geht, wirkt sich das auf die Fehlzeiten im Zeugnis aus. Nun ist das Presseheft das eine und der Film das andere. Am Anfang des Filmes wird dem Hauptdarsteller der Kopf rasiert. (Vermutlich, wegen der Läuse, die sich auf seinem Kopf befinden), was durch eine Sequenz vorher signalisiert wird. (Stellt sich die Frage: Gab es damals noch keinen Goldgeist?). Aber während der Dreharbeiten wachsen die Haare auch nicht nach und am Ende, als der Junge umgebracht wird, ist er noch genauso kahl geschoren, wie am Anfang. Aber es fehlt die Szene einer erneuten Rasur, aus der man erkennen würde, um welche Art Maßnahme es sich bei der Kopfrasur handelt. Nebensächlichkeiten. Die Mörder, die hier gezeigt werden, sind eindeutige Sympathieträger, obwohl sie doch eigentlich Mörder und Mörderinnen sind. Eine bildhübsche Krankenschwester vermischt das Gift mit Himbeersaft, damit die Kinder das nicht wieder ausspucken. Die gute Krankenschwester ist nicht halb so hübsch. Der Obermörder ist eben auch ein guter Mensch, der liebevoll mit den Kindern spielt, bevor er sie umbringen lässt. Und er ist der etwas weniger hübschen Krankenschwester auch gedanklich weit überlegen. Weist er sie doch auf den Widerspruch hin, dass es nicht besonders konsequent sei, sich gegen den Abtransport mit dem LKW in die Gaskammern nicht zu wehren, aber dann, wenn der Mord im Haus selbst vorgenommen wird, plötzlich dagegen zu opponieren. Ja, gar die Sache hintertreiben und mögliche Todeskandidaten auch noch zu verstecken. Da kommt die Krankenschwester ins Grübeln und der Zuschauer auch. Nein, dieser hier ist ein moderner Nazi. Einer mit “innovativen Methoden”, wie man das heute nennen würde. So ist er der Erfinder der Suppe, der durch langstündiges Kochen sämtliche Nährstoffe und Vitamine entzogen werden, so dass, wie er stolz verkündet, “der Patient gefüttert wird und dabei verhungert”. Das spart teure Medikamente, die sonst für die Ermordung eingesetzt werden müssten. Die deutsche Bürokratie, an einem großen Tisch versammelt, ist begeistert. Ich finde, der Film ist in eine Falle gelaufen, die er sich selbst gestellt hat. Und warum die Haare des Hauptdarstellers, der den Ernst Lossau spielt, nicht während der Dreharbeiten nachwachsen, bleibt leider in der Dunkelheit des Drehbuchs verborgen. Ergebnis: die NSDAP war eben doch eine fortschrittliche Partei, die schon damals Sachen gedacht und gemacht hat, die erst heute wieder bei uns salonfähig werden. Und diese Wirkung haben die Produzenten des Filmes mit Sicherheit nicht beabsichtigt, aber erreicht. Nur das mit dem Nebel im August, das wird uns nicht klar. Sollte es sich eventuell um den Nebel handeln, den Ulrich Limmer mit diesem Film unbeabsichtigt, vermute ich mal, erzeugt. Wie war das noch?
Er hat das Drehbuch in die Hände des erfahrenen Holger Carsten Schmidt gelegt. Was zu zwei Fragen ermuntert: War es da schon fertig? Und wenn, sei die Frage gestattet, ob die Arbeit Drehbücher zu schreiben wirklich nur Handarbeit ist? Manchmal gehört sicher auch ein wenig Kopfarbeit dazu, die wir hier leider vermissen. Jens Meyer, 23. August 2016 (Da ist mir doch noch eingefallen wo Holger Karsten Schmidt daneben gehauen hat. Aber vermutlich ist er daran gar nicht schuld. Man muss ja auch für die Brötchen arbeiten. (Jedenfalls hat er andrerseits bewiesen, dass er kann, wenn er will und gelassen wird, Herr Limmer!)
SRolf Arno Streit: ”Mein Großvater Jeremias genannt James Henschel war der Erste in Hamburg, der Kinos gemacht hat. Er ist auf folgende Weise auf diese Idee gekommen.In Paris, so hat er gehört, gibt es einen Grammophon-Laden, dass heisst Leute konnten in den Laden gehen, sich . . . wie heisst das? . . . Telefone an die Ohren legen und konnten dann eine Musik wählen, die sie bekommen haben durch die . . . durch das Grammophon. Übertragenen. Das wollte er in Hamburg auch machen und deshalb sind sie dann in Paris gewesen, wo dieser . . . wo dieses Grammophongeschäft existierte und sich mit dem Inhaber darüber zu unterhalten . . . Auf dem Wege dorthin sind . . . stehengeblieben an vor einer riesigen Schlange von Menschen, die alle in ein sogenanntes Cine gehen wollte. Das war eine Neuigkeit für meine Großeltern und . . . da wurden eben die ersten Filme vorgeführt. Dann sind sie zu dem Grammophonmann gegangen und sind nachher in ihr Hotel gegangen und haben geschlafen.
Meine Großmutter-Frida Henschel – hat zu Madam . . . zu meinem Großvater gesagt, weißt du James ich hab es mir überlegt, wir machen nicht Grammophon, wir machen Kinos. Und das war die Idee, das mein Großvater der Erste in Hamburg war, der Kinos eröffnete. So ist auch der Henschel Film und Theaterkonzern nach ihm benannt worden.“
Frage:
Das erste Kino war das Belle Alliance Kino? Das war ein sehr
großes Kino?
Rolf
Arno Streit: „Das kann ich nicht genau sagen, wie groß es war.
Auf jeden Fall war das das erste Kino – richtige Kino – in
Hamburg . . . Hamburg Altona . . . wenn ich mich nicht irre.
Frage:
Der Großvater hat dann mit Ende des Krieges alle Kinos verkauft, sie
haben erzählt an die Ufa. Können sie mal sagen, warum er die Kinos
verkauft hat?
Rolf
Arno Streit: “Die Ufa ist an meinen Großvater herangetreten .
(LkW Geräusch) . . . Die Ufa ist an meinen Großvater herangegangen
und hat ihm gesagt, entweder verkaufen sie uns ihre ganzen Kinos,
oder wir machen ihnen Konkurrenz . . . das war der . . . da hat mein
Großvater sich entschlossen, seine Kinos an die Ufa zu verkaufen . .
. hat sich für das Geld, das er bekommen hat, sofort Häuser gekauft
. . . Immobilien . . . und ist dadurch . . . durch die Inflation
schadlos herausgekommen. Zu dem Entschluß von meinem Großvater, die
Kinos zu verkaufen mußte die Ufa damit einverstanden sein, daß
seine Schwiegersöhne -nämlich unser Vater Hugo Streit und unser
Onkel Hermann Urich-Saß . . . also seine Schwiegersöhne Direktoren
der Ufa wurden für Norddeutschland, was geschah“.
Frage:
Bis wann waren Hugo Streit und Hermann Urich Sass Direktoren der Ufa?
Rolf
Arno Streit: “Die waren Direktoren bis . . . ungefähr 1926 .
Ein ganz genaues Datum kann ich nicht sagen, aber . . . Mitte der
20iger Jahre ist es wohl gewesen.“
Carl
Heinz Streit:
Das
ist aber richtig. Ich mein, ich erinnere das auch nicht mehr so
genau.
Hilde
Streit:
(zu
ihrem Mann): Du weisst es noch besser.
Rolf Arno Streit: “Ja, durch die ganze Wiedergutmachungsgeschichte . . . bin ich wieder da . . . irgendwie erinnert worden. Das ist ja auch nun schon viele Jahre her.“Hilde Streit:. Jetzt ist leise . . . Carl Heinz Streit: Das kommt aber immer wenn der Omnibus kommt. Hilde Streit: Ja überall, kommt immer . . . bei uns viel mehr noch.Frage: 1918 wurde die Ufa gegründet und die Ufa trat an ihren Vater heran und er hat seine Kinos verkauft. Können sie das noch mal erzählen?Rolf Arno Streit: ”Ja . . . nachdem . . . ist schon . . . Carl Heinz Streit: ”Nein, wenn das Licht angeht.“ Rolf Arno Streit: „Also . . . nach dem Kriege 14/18 ist die Ufa an meinen Großvater herangetreten und hat ihm gesagt, wir bauen hier Kinos, oder sie verkaufen uns ihre Kinos, und da ist mein . . . hat mein Großvater den Entschluss gefasst, seine Kinos zu verkaufen . . . mit der Bestimmung, dass mein Vater und mein Onkel . . . Hugo . . . Hermann Urich Sass Direktoren der Ufa werden von Norddeutschland, was geschah, außerdem war mein Großvater mit 5 % über viele Jahre an allen Ufa Einnahmen beteiligt . . . und späterhin . . . auch mit 2,5 % für alle . . . von allen Kinos, die noch erbaut worden sind später von der Ufa . . . Mein Großvater selbst hat seine . . . hat die Inflation überstanden durch Ankauf von Immobilien . . . das Geld, was er damals von der Ufa bekommen hatte, hat er sofort angelegt in Immobilien und dadurch ist er aus der Inflation schadlos herausgegangen:“ Frage: Wissen sie noch welche Kinos das waren, die ihr Großvater dort verkauft hat? Rolf Arno Streit: “Ich kenn einige . . . weiß ich . . . das . . . zum Beispiel das Lessingtheater, das Passage Theater, das Harvestehuder Lichtspiele und einige andere . . . ich entsinne die Namen nicht mehr genau. Auf jeden Fall . . . vielleicht sechs Kinos, die mein Großvater der Ufa verkauft hat“. Frage: Das Waterloo Theater gehörte das auch dazu? Rolf Arno Streit: ”Das Waterloo Theater gehörte dazu, ja. Das hat mein Großvater erbaut. Das war damals das vornehmste Kino in Hamburg.“ Frage: Und dann hat ihr Vater Hugo Streit und Hermann Urich Sass . . . haben sich selbstständig gemacht und haben neue Kinos aufgemacht. Wann war das?
Rolf Arno Streit: ”Sie waren, wie gesagt, Direktoren der Ufa bis 1925 oder 1926 . . . und haben sich dann selbstständig gemacht und haben die erste . . . das erste Kino . . . gekauft, die Schauburg Hauptbahnhof . . . die damals anders hieß . . . der Name ist mir entfallen . . . das ist die spätere Barke gewesen. Am Hauptbahnhof. Dadurch . . . Nach und nach haben sie andere Kinos gebaut . . . im ganzen waren . . . bestand der Henschel Film und Theaterkonzern . . . wie er sich nannte . . . aus 12 Kinos. Schauburg Hamm, Schauburg Hammerbrook, Schauburg Wandsbek, Schauburg Harburg und diverse andere . . . die mir im Moment nicht einfallen. Auf jeden Fall waren es zwölf Großkinos und der Konzern war dadurch . . . der größte Konzern in Hamburg . . . was die Theaterbranche . . . die Kinobranche anbelangt“. Frage: Sie hatten mir erzählt, sie haben auch mal eine Eröffnung miterlebt . . . von der Schauburg am Millerntor (1927) . . . das war ja ein sehr großes Kino und zur Eröffnung ist Henny Porten gekommen . . . können sie da noch mal was erzählen? Rolf Arno Streit: ”Ja ich kann darüber erzählen, aber ich weiß, ob es die Schauburg Haupt . . . Schauburg Millerntor war . . . es kann irgend eine andere Schauburg gewesen sein. Alle Schauburgen wurden eröffnet mit irgendeiner Sensation, so auch eine . . . (LKW Lärm) . . . so auch eine Schauburg mit der Henny Porten. Die Henny Porten kam in Hamburg an . . . am Hauptbahnhof. Es waren viel mehr Menschen dort . . . als seiner Zeit der Reichspräsident Ebert ankam, das schrieben die Zeitungen . . . später. Andere Schauburgen wurden eröffnet mit anderen Filmschauspielern unter anderem auch einmal durch einen Ball bei . . . Sarasa . . . bei . . . in . . . dem Saal . . . ich komm nicht auf den Namen . . . (vermutlich Sagebiel) . . . auf dem größten Saal in Hamburg. Da wurden dann die Leute gefilmt, entweder die getanzt haben oder selbst gesprochen haben und dieser Film wurde vorgeführt in den Schauburgen und die ganzen Leute die gefilmt wurden, haben sich natürlich die Filme angeguckt. Das war ein gutes Geschäft. Nicht nur eine gut Idee, sondern auch ein gutes Geschäft . . . Es wurden auch andere eröffnet mit Emil Jannings, soweit ich erinnere und durch andere Sensationen . . . ich kann nicht auf die ganzen Sachen eingehen, weil die Erinnerung mir nicht die . . . Carl Heinz Streit: (der ältere Bruder) ”Lucie Englisch war auch einmal da.” Rolf Arno Streit: ”Lucie Englisch ja . . . sprich du mal weiter. Carl Heinz Streit: ”Ja ich weiß ja nicht so viel wie du. Du hast doch die ganze Wiedergutmachung betrieben. Dadurch bist du mehr im laufenden.” Frage(an Carl Heinz Streit): Sie haben doch auch mal im Henschel Film und Theaterkonzern gearbeitet? Ein Jahr lang . . . ? Carl Heinz Streit: “Ja in der . . . in dem Booking Department . . . wie heisst das auf Deutsch? Programmation gearbeitet . . . Aber ganz kurze Zeit nur. Frage: Was gab es da für Filme . . . wissen sie das noch? Carl Heinz Streit: “Boh ! . . . an die Filme kann ich mich nicht mehr erinnern. (lacht) Rolf Arno Streit: “Es gab zum Beispiel . . . es wurde in den Schauburgen gezeigt. Der erste Tonfilm mit Harry Liedtke und Marlene Dietrich, der hiess „Ich küsse ihre Hand Madam“. Es waren aber nur einige Minuten, die der Ton herausgekommen ist, nämlich das Lied, ich küsse ihre Hand Madam wurde gesungen von Marlene Dietrich mit dem Harry Liedtke zusammen . . . (Richard Tauber war der Sänger – Länge: 2 Minuten 38 Sekunden). Das war eine Sensation. So fing der Tonfilm in Hamburg an. Später natürlich kamen andere Filme wie zum Beispiel: „Der letzte Mann“ mit Emil Jannings. Das war ein . . . erfolgreicher Film und auch der „Blaue Engel mit Marlene Dietrich . . . Carl Heinz Streit : “ . . . und Emil Jannings“. Rolf Arno Streit: “Ja und Emil Jannings. So nun erzähl du mal wieder was (zu seinem Bruder).“ Carl Heinz Streit: “Dann wurde aufgeführt der Film . . . ich weiß nicht mehr den Namen . . . aber es war dieser Schwarze . . . , der sich als Schwarzer verkleidet hat . . . Al Jolson . . . der Jazzsinger“. Frage: Das war der erste Tonfilm denn auch . . . der erste richtige Tonfilm.
Carl Heinz Streit: “Das war der Tonfilm, der nicht mehr über Grammophon ging. Die ersten . . . die ersten Tonfilme wurden mit Platten bedient. Nachher kam der optische Film. Das war der erste mit Al Jolson“. Frage: Die Schauburgen – also die Schauburg Hamm und die Schauburg Millerntor . . . das waren ja alles Neubauten . . . das muss ja ne enorme Stange Geld gekostet haben. Wissen sie da irgendwie . . . wieviel das gekostet haben mag? Carl Heinz Streit: “Nein“. Rolf Arno Streit: “Das waren einige Millionen. Ich glaube, mein Großvater – James Henschel- hat das Anfangskapital zur Verfügung gestellt. Vielleicht wurden nachher auch Bankkredite aufgenommen. Ich kann das nicht genau sagen. Aber auf jeden Fall war das ein Großunternehmen und die meisten Kinos sind erbaut worden durch den Verdienst, der schon bestehenden Kinos (Moped im Hintergrund) . . . Die meisten Kinos sind erbaut worden, durch den Verdienst der schon bestehenden Kinos. Die ganzen Schauburgen, bis auf einigen . . . bis auf einigen . . . wurden vom Henschel Film und Theaterkonzern selbst erbaut. Also es waren eigene Grundstücke.“ Frage: Dann waren es . . . wenn ich das so richtig recherchiere . . . dann waren es imgrunde nur zwei . . . zwei große Filmtheaterbetriebe in Hamburg . . . das war der Henschel und die Ufa. Die müssen doch in starker Konkurrenz auch gestanden haben? Rolf Arno Streit: “Ja, solange sie nicht den Ufa Palast gebaut hatten, war das . . . gab es keine große Konkurrenz . . . aber nachdem der Ufa Palast . . . ich glaube es war im Jahre 19 und . . . Ende 1920 . . . vielleicht 1929 . . . oder 28 . . . ich weiß nicht genau . . . da wurde es natürlich eine Konkurrenz. Aber die hat dem Henschel Film und Theater Konzern auch nichts ausgemacht . . . er ist . . . er ist sehr solide geblieben . . . bis zum Ende . . . bis zum Anfang der Nazizeit . . . Da wurde der Henschel Film und Theater Konzern sehr stark betroffen . . . und . . . es wurde ein . . . ein . . . ein Programm gegen die Theater ausgeübt“. Frage: Wann hat das begonnen . . . das man gegen den Henschel Film und Theater Konzern . . . Rolf Arno Streit: “Mit Anfang der Nazizeit . . . 1933 . . . Da wurde der . . . Henschel Film und Theaterkonzern gestempelt als jüdisches Unternehmen . . . und dadurch sind die . . . Besucher ziemlich heruntergegangen . . . .1936 . . . ich glaube mich nicht zu irren . . . (gemeint ist vermutlich der reichsweite Pogrom in der Nacht vom 9/10 November 1938) . . . in der Kristallnacht wurden die Kinos geschändet . . . und zerstört . . . zum Teil, dann haben sie . . . dann haben sich die Nazis davorgestellt und haben keine Juden mehr . . . keine Ar . . . keine Besucher mehr hereingelassen. Dadurch hat der Konzern natürlich sehr stark gelitten.” Frage: Der Henschel Konzern war eine OHG zwischen Hermann Urich – Sass und Hugo Streit und das gab es eine Phase wo . . . ihre . . . ihre Väter das wohl schon voraus gesehen haben . . . sie hatten mir erzählt, er wär . . . der Hugo Streit wär zusammen mit dem einen Geschäftsführer nach Berlin gefahren und wollte das verkaufen . . . das Kino. Können sie darüber was sagen? Rolf Arno Streit: “Ja mein Vater . . . Hugo Streit ist mit Romahn . . . der damals . . . Prokurist gewesen ist, von den Schauburgen nach Berlin gefahren, um mit der Ufa zu verhandeln . . . k . . . önnen wir mal einen Augenblick Schluß machen? ..zu Carl Heinz:. Weshalb ist Papa nach Berlin gefahren? Achso ja . . . kann ich weitermachen . . . Mein Vater ist mit Romahn nach Berlin gefahren, um mit der Ufa . . . (lauter LKW) um mit der Ufa zwecks Verkauf zu verhandeln, die Ufa war interessiert daran, die Kinos zu übernehmen . . . in dieser . . . selben Zeit . . . in diesem selben Zeitabschnitt starb Hermann Urich Sass . . . und Romahn wurde benachrichtigt von dem Tode von Hermann Urich Sass . . . aber sollte nicht stören . . . störend auf die Verhandlungen meines Vaters mit der Ufa wirken . . . Das geschah aber doch aus irgendeinem Grunde, der mir entfallen ist . . . ich glaube durch die Zeitung . . . ich weiß es nicht genau . . . und mein Vater hat die Verhandlungen abbrechen müssen . . . daraus ist nichts . . . leider nichts geworden“. Frage: Das ist ein historisches Datum in zweierlei Hinsicht. Am 27. Januar starb Hermann Urich Sass und am 30. Januar . . . wurde er beerdigt . . . Rolf Arno Streit: „Am 30 . . . wurde Hermann Urich Sass beerdigt, das war an dem Tag als Hitler zum Reichkanzler ausgerufen wurde . . . von Hindenburg . . . später wurde er der sogenannte Fü . . . Führer im möchte lieber sagen Verführer, denn er hat die ganze Welt verführt und sechs Millionen Juden ermordet . . . aber das gehört nicht zu . . . (LKW Geräusch) . . . Soll ich wiederholen. Anfangen mit Hermann Urich Sass, das er starb?“ Frager: Ja Rolf Arno Streit: Mein Vater war mit Romahn dem Prokuristen des Henschel Konzerns in Berlin um mit der Ufa zwecks Verkauf der Kinos zu verhandeln. Während der Verhandlungen ist Hermann Urich Sass gestorben. Das sollte meinem Vater aber nicht mitgeteilt werden, um die Verhandlungen nicht . . . mit der Ufa nicht zu stören . . . und Romahn wurde benachrichtigt, aber er konnte es leider nicht verschweigen, wahrscheinlich hat mein Vater es aus der Zeitung erfahren . . . und ist dann zurückgekommen und die Verhandlungen wurden abgebrochen . . . inzwischen ist der Nazismus weiter gegangen, die Theater wurden weiter geschädigt und die Ufa war nicht mehr interessiert an einem Kauf der Kinos . . . . Später wurde mein Vater gezwungen die . . . nein später wurde eine Kommanditgesellschaft gegründet . . . in dem mein Vater der alleinige Gesellschafter war und die Kommanditisten die Erben des verstorbenen Hermann Urich Sass . . . Später wurde mein Vater gezwungen, die Sachen zu verkaufen . . . oder zu realisiseren, damit . . . die Kinos . . . wie heisst das auf gut deutsch? (An Carl Heinz Streit ) Carl Heinz: “arisiert“. Rolf Arno Streit: “Arisiert worden sind . . . arisiert wurden“. Carl Heinz Streit: “Gleichschalter wurden eingesetzt“ Rolf Arno Streit: “Gleichschalter wurden eingesetzt, das waren Romahn und Schümann . . . die nachher als die Inhaber des Henschel Film und Theaterkonzerns fungierten. Gezahlt haben sie nichts dafür. Dafür hat schon die Partei gesorgt, daß den Juden kein Geld zugefügt worden ist. Und wenn . . . das entsinne ich nicht . . . .ein ganz kleiner . . . Betrag . . . der überhaupt nicht . . . dem Unternehmen entsprach . . . ” Frage: Die Schauburg Lichtspieltheatergesellschaft Romahn und Schümann GmbH . . . wurde ja 1933 schon gegründet mit 20.000,– RM. Nun hab ich mich so gefragt, wie kann man denn mit 20.000,– RM ein Gebäude übernehmen das schon allein 500.000,–RM gekostet hat? Rolf Arno Streit: „Ich glaube sie irren, das war nicht 1930, sondern . . . 1934 oder 1935 . . . Das war nicht 1930. 1930 gehörte doch der Henschel Film und Theater Konzern . . . Frage: Nee 1933 . . . Rolf Arno Streit: Ja 1933 . . . gehörte der Henschel Film und Theater Konzern . . . wurde der Henschel Film und Theater Konzern . . . nach dem Tode von Hermann Urich Sass . . . in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt . . . wie ich bereits beschrieben hatte . . . gesagt hatte . . . Aber ich glaube . . . die Gesellschaft Romahn und Schümann wurde gegründet . . . 1935 . . . oder 1936 . . . das war nicht 1930. Frage: Also ich hab nur die Handelsregister Eintragung und danach ist es schon 1933 passiert. Die Gründung selber und die Eintragung ins Handelsregister. Der Widerspruch ist nur der, das man mit so wenig Grundkapital . . . sag ich mal . . . mit 20.000,– RM so teure Kinos dann später übernehmen kann . . . Rolf Arno Streit: “Ja das weiß ich nicht ganz genau, wie die Sachen gewesen sind, ich weiß nur, daß Romahn und Schümann, die ja kein Geld hatten . . . die erste Zeit meinem Vater Zuwendungen gemacht hatten. Das wurde auch von den Nazis so vorgeschrieben, daß die Juden . . . eben die Geschäfte übergeben mußten, das war ein Zwang . . . es lag ein Zwang dahinter . . . ich glaube nicht . . . daß man . . . das Romahn und Schümann . . . ich weiß das Romahn und Schümann kein Geld hatten um das Unternehmen zu kaufen . . . Deshalb ist vielleicht die Eintragung gewesen . . . 20.000 Mark . . . das war eine Schein . . . eine Schein . . . wie nennt man das auf Deutsch? . . . .Eine Schein . . . Sache.“ Frage(An Carl Heinz Streit) Sie haben ja noch in Berlin lange im Filmverleih gearbeitet? Können sie darüber noch was sagen? Carl Heinz Streit: „Ja ich hab bei der Universal Films gearbeitet . . . wo ich nachher . . . in Brasilien auch angestellt wurde.“ Frage: Universal ist ja eine amerikanische Firma, hat die auch . . . Juden entlassen schon . . . zu der Zeit oder . . . Carl Heinz Streit: Es war eine vollkommen amerikanische Firma und der Präsident seinerzeit, als ich anfing bei der Universal war Carl Laemmle . . . das war ja auch ein Jude . . . die waren in ganz Südamerika . . . in ganz Südamerika vertreten durch den Direktor . . . der vorher in Deutschland . . . Direktor für ganz Europa war . . . Al Szeckler * . . . und als ich in Rio de Janeiro ankam, hat der mich sofort angestellt . . . bei der Universal Films . . . da hab ich gearbeitet als . . . zuerst als Buchhalter, nachher wurde ich versetzt nach Belo Horizonte . . . wo ich die Filiale geleitet habe . . . als Direktor für den Staat Minas Gerais und da hab ich lange gearbeitet . . . zweiunddreissig Jahre . . . in der Universal Films“. Frage: Kommen wir noch mal zurück zu der Zeit . . . sie sind ja aus Deutschland . . . mußten aus Deutschland flüchten . . . das sie mal erzählen, wann das war und wie das so im Einzelnen vor sich gegangen ist. Carl Heinz Streit: “Wir sind 1936 ausgewandert. Sind zuerst in Rio de Janeiro angekommen und von da aus nach Buenos Aires gegangen . . . aber uns gefiel Rio de Janeiro viel besser als Buenos Aires . . . (Lkw Geräusche) . . . willst du nichts erzählen von Sass . . . Hilde Streit: “ . . . das der gestohlen hat . . . Carl Heinz Streit: ” . . brauchst ja keinen Namen zu nennen . . . sind einem Betrüger in die Hände gefallen“ . . . Carl Heinz Streit: “Das gehört nicht dazu“. LKW Geräusche . . . Frage: Können wir gerne haben. Können ja von irgend einem Mann erzählen . . .Hilde Streit: “Der lebt vielleicht gar nicht mehr” Carl Heinz Streit: “Wo sind wir nun?” Frage: Wir sind noch gar nicht ausgewandert. Sie sind immer schon in Argentinien, aber wir sind eigentlich noch in Deutschland. Carl Heinz Streit: “Naja denn wollen wir noch mal. Also wir sind 1933 ausgewandert . . . mit der . .wir sind nach Brasilien gekommen mit der Monte Pascia (?Schreibweise). Rolf Arno Streit: “Wir sind nicht 1933 ausgewandert.“ Carl Heinz Streit Hilde Streit: “1936 . . . 1936 sind wir ausgewandert . . . sind in Brasilien angekommen . . . sind ungefähr einen Monat in Rio de Janeiro geblieben . . . von da aus nach Argentinien Buenos Aires . . . aber uns gefiel Rio de Janeiro bedeutend besser. Sind wir also . . . nach Brasilien zurückgekommen und . . . da wurde ich sofort angestellt bei der Universal . . . wo der der Direktor der vorjährige Direktor für Europa war . . . Al Seckler . . . da hab ich . . . hab ich ca 40 Jahre gearbeitet bei der Universal.“ Frage: Wie war das.? Das war ja nicht ganz einfach ein Einreisevisum für diese Länder zu bekommen: Rolf Arno Streit: “Ja die Sache war die . . . man hat sich immer den Kopf zerbrochen wohin . . . denn wir wollten und konnten nicht in Deutschland bleiben . . . unter der Naziherrschaft und da kam dann ein Mann zu uns und sagte, er könnte uns Geld rüberbringen nach (lacht) Brasilien und . . . ich will diese ganze Geschichte nicht genau auslegen . . . denn die ist vergessen . . . relativ . . . und auf jeden Fall haben wir das Geld . . . was unser Vater uns gegeben hat . . . nicht ausgezahlt bekommen . . . in Brasilien . . . und der Mann hat dann gesagt . . . das ist versehentlich nach Argentinien überwiesen worden . . . dann sind wir dann alle zusammen nach Argentinien gefahren, wo er dann auch immer wieder die Ausrede hatte . . . es ist noch nicht angekommen. Wir waren vielleicht zwei drei Wochen . . . vier Wochen in Argentinien . . . und da bis dahin das Geld nicht überwiesen wurde . . . wußten wir dass wir einem Betrüger in die Hände gefallen sind. Uns gefiel Rio . . . wie eben schon beschrieben von meinem Bruder . . . uns gefiel Rio besser . . . und deshalb sind wir nach Rio abgefahren und von Rio aus haben wir dann dem Man geschrieben . . . wie das nun ist mit dem Geld . . . daraufhin antwortete er . . . wenn ihr noch mal über die Geschichte fragt oder überhaupt schreibt . . . dann wißt ihr ja, daß ihr noch Eltern in Deutschland habt . . . an die ich mich rächen könnte.” Frage: Sie waren ja schon in Holland, wenn ich das so richtig entsonnen habe und haben ihr Frau nachgeholt nach Holland zum heiraten und haben dadurch das Visum bekommen. Können sie das noch mal erzählen?“ Rolf Arno Streit: “Ja die Sache war folgende. Ich habe meiner Frau die Ehe versprochen, bevor ich Deutschland verließ und wir sind damals nur als . . . als Touristen . . . mit einem Touristenvisum in Brasilien angekommen für die Zeit von einigen Wochen, wir blieben da ungefähr ein halbes Jahr und es war nicht möglich eine Legalisation zu erwirken aus verschiedenen Gründen . . . die mir entfallen sind . . . auf jeden Fall . . . habe ich dann meinem Onkel (Anmerkung 2014: Dr. Isidor Kahn, verheiratet mit Bianca Kahn geb. Henschel, einer Tochter von Jeremias Henschel, Wohnort Den Haag), der Konsul von Portugal war und in Holland lebte geschrieben, ob er mir helfen kann. Er sagte mir ja . . . er schrieb mir ja, das kann ich machen . . . aber du musst selbst hier herüberkommen, dann wird alles erledigt. Naja ich will nicht weiter darüber reden . . . dass nichts erledigt wurde. (lacht) aber es kam ein Freund meiner Eltern nach Holland um zu hören . . . wie es in Brasilien aussieht, denn er hatte ein Einreisevisum von Brasilien bekommen in Antwerpen von dem Generalkonsul von Brasilien . . . und da hab ich ihn gefragt . . . wie haben sie das gemacht . . . da sagt er einen ganz kleinen Betrag hat er eingezahlt was er in Brasilien wiederbekommen würde und dadurch hat er das sogenannte Kapitalistenvisum bekommen und . . . ist reingekommen . . . und ich hab mir sehr bedankt bei diesem Mann, denn ich bin zwei Tage später nach Antwerpen gefahren und hab dort den Vizekonsul nach dem . . . nach diesem Kapitalistenvisum gefragt und der hat mir dann den Rat gegeben zu heiraten wieder hinzukommen und er würde mir dann das Kapitalistenvisum geben.
Also meine Frau ist dann nach Holland gekommen zusammen mit meinen Eltern und ihren Eltern und da wurde geheiratet in Holland . . . in Haag . . . übrigens wo auch die Prinzessin Juliana geheiratet hat . . . aber das nur nebenbei . . . auf jeden Fall sind wir dann zwei drei Tage später nach Antwerpen gefahren um das Visum zu erhalten aber der Vizekonsul sagt mir . . . es tut mir furchtbar Leid . . . ich kann ihnen das Visum nicht mehr geben, denn es kommt kein Mensch mehr nach Brasilien rein . . . kein Deutscher . . . oder kein Jude ich weiß das nicht mehr genau . . . Hilde Streit: kein Deutscher. . . auf jeden Fall . . . ein Deutscher nicht wahr . . . es war gesperrt . . . vom Außenministerium . . . da hab ich zu dem Vizekonsul gesagt . . . hören sie mal zu ich bin da in einer fürchterlichen Lage, ich kann in Holland nicht bleiben, ich kann nicht nach Deutschland rein, wo ich sofort ins Konzentrationslager gekommen wäre, also was soll ich machen . . . er sagte, ich kann ihnen leider nicht helfen . . . da sagte ich dann . . . kam ich auf die gute Idee und bat ihn mich vorzustellen dem Generalkonsul . . . was geschah . . . dem Generalkonsul habe ich meine Geschichte erzählt . . . und dieser gute Mann hat uns glücklicherweise das Kapitalistenvisum gegeben zusammen mit einem Brief ans Aussenministerium und mir eine Kopie übergeben von diesem Brief . . . in dem unsere Geschichte beschrieben wurde . . . das er keine andere Möglichkeit hatte, als mir das Visum gegen die Anordnung des Ida Maraties (Schreibweise ?) . . . also des Aussenministeriums zu erteilen . . . Aber die brauchte ich nicht, denn wir sind glatt in Rio angekommen . . . Somit fing unsere Geschichte in Brasilien an. Frage: Sie hatten mir gesagt . . . es hätte auch so die Möglichkeit gegeben, daß sie mit einer Ausnahmegenehmigung nach Deutschland für drei Tage fahren und hatten dafür einen bestimmten Ausdruck genannt. Können sie das noch mal erzählen? Rolf Arno Streit: ”Das ist ein . . . ich weiß nicht mehr genau wie das hieß . . . auf jeden Fall war das . . . wurde das Leuten . . . auch Juden erteilt . . . (lautes LKW Geräusch) . . . Frage: Einfach noch mal von vorne . . . diese Ausnahmegenehmigung . . . Rolf Arno Streit: “Diese Einreisegenehmigung für zweidreivier Tagen wurde Juden auch gegeben, um zum Beispiel die Eltern zu beerdigen oder irgend welche . . . aus irgendwelchen Anlässen und diese hab ich mir auch erhofft zu erhalten . . . aber hab sie nicht erhalten . . . bin von dem Konsul in Amsterdam (Hilde flüstert vor: gewarnt worden . . . gewarnt worden) . . . nicht gewarnt worden . . . erstmal rübergerufen worden . . . da hat er mir dann gesagt . . . das es leider nicht möglich ist . . . ich soll . . . die Einreisegenehmigung ist nicht bewilligt worden . . . und da hab ich gesagt zu ihm . . . das könnten sie mir doch auch am Telefon gesagt haben . . . und darauf hin gab er mir keine Antwort . . . also ich bin wech gegangen . . . verärgert . . . und er ist mir nachgelaufen . . . der Konsul . . . Hilde: das war ja deutscher Boden, nech . . . das Konsulat . . . Rolf Arno Streit: „Konsulat war Deutscher Boden . . . da kam der . . . da kam mir der Konsul nachgelaufen ich soll um gotteswillen nicht nach Deutschland einwandern ohne diese Genehmigung, denn ich käme sofort ins Konzentrationslager . . . na daraufhin haben wir dann in Holland geheiratet . . . wie ich schon gesagt habe . . . ” Frage: Hätte man denn mit dieser Genehmigung den Nazis eigentlich trauen können? Rolf Arno Streit: “Das kann ich ihnen nicht sagen (lacht), weil ich das nicht erlebt habe . . . aber ich weiß von Leuten, die rübergegangen sind und wieder rausgekommen sind . . . zwei drei Tage um Eltern zu beerdigen . . . oder irgendwas, aber ich hätte es gewagt, wenn ich das bekommen hätte. In Deutschland geheiratet zu haben . . . wäre für mich einfacher gewesen . . . als in Holland . . . bei meiner Tante, bei der ich gelebt habe. Frage: Sie sind dann zu dritt aufm Dampfer von Amsterdam ? oder von Antwerpen . . . Hilde Streit: zu zweit zu zweit . . . Rolf Arno Streit: “Zu zweit sind wir gefahren . . . denn mein Bruder war ja schon hier. Carl Heinz Streit: ”Ich war ja drüben geblieben.“ Rolf Arno Streit: “Wir sind gefahren mit einem deutschen Dampfer . . . mein Vater hat uns eine Passage geschenkt mit der Monte . . . sie cerra campus (Schreibweise ?) Rolf Arno Streit: „ si cerra campus war das auch nicht . . . Hilde Streit: Nee das war ein sehr schönes Schiff . . . das war das schönste an der ganzen Reise . . . Rolf Arno Streit: „Cap Norte . . . das war die Cap . . . Cap Norte . . . das war die Cap . . . wir sind mit der Cap Norte wieder nach Brasilien gefahren.“ Frage: Nen Hamburg Süd Schiff ne?Rolf Arno Streit: “Hamburg Süd Schiff“ Hilde Streit: „Das schönste von der ganzen Reise .“
Rolf
Arno Streit: “Das war ein
Schwesternschiff der Cap Polonio . . . und dann sind wir drüben
abgekommen . . . wieder hier in Rio . . . und dann ging die Arbeit
los . . . das war nicht einfach . . . ich persönlich habe Klavier
gespielt abends für eine . . . für einen Club . . . nicht jeden
Abend aber Sonnabend und Sonntag auf jeden Fall . . . und einmal die
Woche und dann hab ich eine Anstellung bekommen als Aufseher in einer
Eimerfabrik . . . da waren Ratten . . . die Eimer wurden teilweise
gemacht aus . . . Hilde Streit: Marmeladen . . . Marmeladendosen . .
. also großen Marmeladengefässen und die Ratten, die haben sich
dabei . . . davon . . . dadurch ernährt . . . aber wenn die
Maschinen zur Mittagszeit abgestellt wurden . . . dann liefen
mir die Ratten über die Füsse . . . (lacht) . . . das entspricht
der Wirklichkeit . . . aber ich bin dort geblieben . . . einige
Monate, bis ich dann den Entschluß gefasst habe, wieder
rüberzufahren . . . nach Europa . . . also nach Holland, um zu
heiraten . . . weil ich immer meine Versprechungen im Leben gehalten
habe und so auch diese . . . nun sind wir sehr glücklich verheiratet
schon über 50 Jahre . . .
Rolf
Arno Streit: “Wir haben schon unsere goldene Hochzeit hinter
uns und sind schon dreiundfünfzig Jahre verheiratet. Gottseidank
geht es uns heute gut . . . wir sind glücklich . . . wir haben zwei
Kinder . . . leider ist eine gestorben . . . ..
Pause
Kassettenwechsel
Rolf Arno Streit: “Mein Vater und mein Onkel betrieben auch die Scala am Schulterblatt, das war ein Tanzlokal . . . das größte Tanzlokal von Hamburg . . . dazu gehörten auch die . . . das eine Ballhaus Filmzauber und ein Ballhaus Uhu und noch andere, die mir entfallen sind . . . auf jeden Fall war das ein Zweigunternehmen von den Schauburgen . . . Frage: Sind sie da mit ihrer Frau auch Tanzen gewesen? Hilde Streit: “Ne wir waren . . . da waren wir noch gar nicht verheiratet.”Frage: Man kann ja auch tanzen, ohne verheiratet zu sein. Rolf Arno Streit: “Wir haben uns da sehr gut amüsiert . . . als junge Leute . . . aber mit meiner Frau war ich nie da, denn da . . . damals war das schon nicht mehr möglich . . . ich glaube, die sind auch später abgestossen worden . . . das entsinne ich aber nicht mehr genau. Auf jeden Fall haben wir jungen Leute uns sehr gut da in der Scala amüsiert. Obwohl wir noch nicht achtzehn Jahre alt waren . . . und eines Tages . . . fällt mir grade ein sind wir . . . bin ich mit verschiedenen Freunden dahin gegangen und da sagte ein Mann von der Kapelle, es kommt Jung-Jerusalem . . . und das hat der Freund mir wiedererzählt . . . ich sag, was hat er gesagt? Jung-Jerusalem . . . also Antisemitismus . . . das war vor der Nazi Zeit . . . da kam dann mein Onkel Hermann Urich-Sass hinein und dem hab ich das erzählt . . . der ist dann raufgegangen zur Kapelle hat gesagt wer hat gesagt ist Jung Jerusalem . . . .da wollte sich erst keiner melden und da hat er gesagt, ich entlasse die ganze Kapelle, wenn ich nicht sofort weiß, wer das gesagt hat. Da hat er sich gemeldet. Und den hat er sofort rausgeschmissen. Der ist dann zu Gericht gegangen und wollte sein Gehalt haben . . . das nicht bezahlt worden ist . . . da musste ich als Zeuge . . . vor Gericht treten um zu beweisen . . . also um zu . . . auszusagen . . . um auszusagen, daß er das gesagt hatte und er hat es auch zugegeben . . . aber er wollte sein Gehalt haben . . . da hat der Richter gesagt . . . er entschuldigte sich damit . . . er wollte einen Spaß machen , . . . da hat der Richter gesagt . . . wenn sie einen Spaß machen wollten . . . dann müssen sie auch die Konsequenzen dafür bezahlen . . . und wir haben den Prozess gewonnen. Hilde Streit: ”Aber denn hat er gesagt, wie alt du bist“ . . . Rolf Arno Streit: „Dann fragte er mich noch, wie alt ich bin, da hab ich mein Alter gesagt, sechzehn Jahre oder fünfzehn Jahre . . . sechzehn Jahre war ich wohl und da sagt er . . . ja dagegen ist doch die Oberschulbehörde wahrscheinlich angegangen, dass sie mit sechzehn (lacht) Jahren sich schon in solchen Lokalen aufhalten. Dann habe ich zu ihm gesagt, ich bin geschickt worden von meinem Vater . . . (lacht) der der Inhaber der Scala war, um nachzusehen, ob da alles in Ordnung ist. Hilde Streit: ” . . . der hat davon gar nicht gewußt” Rolf Arno Streit:” . . . mein Vater aber wußte gar nichts davon, denn er war sehr strenge . . . im Gegensatz zu Hermann, der viel mehr Verständnis für solche Angelegenheiten hatte (lacht)..und..ich weiß nicht mehr genau, wie das ausgelaufen ist . . . auf jeden Fall mein Vater hat mich nicht bestraft, weil wir ja den Prozess gewonnen haben . . . Ja das war alles, was ich über die Tanzlokale berichten kann . . . da war glaub ich noch ein Lokal Filmzauber und auch der Faun . . . der hatte den selben Eingang . . . also Nebeneingang . . . vom Lessing Theater . . . da waren sie auch . . . der war auch . . . der gehörte auch zu den sogenannten Freudenhäusern . . . Frage: (an Carl Heinz Streit) Wissen sie noch was aus ihrer Jugend, was da so berichtenswert wäre? Carl Heinz Streit: “Mit der Scala möchte ich noch bemerken, daß . . . und abends in die Scala war das Wort, das sie gebraucht haben als Propaganda . . . das ist . . . die Scala bestand auch in Berlin . . . die Berliner . . . sind dagegen an gegangen und da haben sie es umbenannt. Anstatt und abends in die Scala und wieder in die Scala . . . .aber sonst aus Berlin wüßte ich nichts mehr zu berichten”. Frage: Mußten sie nun auf den jüngeren Bruder immer aufpassen? Carl Heinz Streit: “Nein (lacht) ich war in Berlin und er hat in Hamburg gelebt . . . ne ganze Zeit lang.”Frage: Ja aber vorher doch Carl Heinz Streit: “Vorher? nein wir haben uns immer sehr gut verstanden” Rolf Arno Streit: “Ich hätte mir auch nicht reinreden lassen von meinem älteren Bruder . . . aber wie mein Bruder eben gesagt hat . . . betont hat . . . wir waren immer nicht nur Brüder sondern auch Freunde und haben alles gemeinsam erlebt und . . . ” Frage: Sie hatten mir erzählt, sie waren dann später bei zwei Konkurrenzfirmen ja eigentlich eingestellt als . . . Rolf Arno Streit: “Also ich war bei der Columbia angestellt als Direktor für . . . für den Staat Minas Gerais und hab dort gearbeitet etwa 14 Jahre . . . da wurde mir ein Angebot gemacht von der United Artists mit höherem Gehalt . . . zu United Artists gegangen “(lauter LKW) . . . Frage: Ich glaub, das müssen wir ganz nochmal haben . . . das müssen wir noch mal von vorn haben. Rolf Arno Streit: “Also ich war circa 14 Jahre Direktor bei der Columbia . . . Columbia Pictures of Brazil . . . für Minas Gerais . . . später war ich Direktor bei der United Artists . . . auch für Minas Gerais . . . weil sie mir ein größeres Gehalt geboten hatten . . . und daraufhin bin ich dann . . . in eine Firma . . . zu einer Firma gegangen, die brasilianische Filme vertrieben hat . . . Sie sind zu mir gekommen und haben mich gebeten, die Sache zu übernehmen, was ich auch getan hab . . . weil ich dort etwas mehr verdient habe . . . ich bin immer nach . . . ich war immer ein guter Rechner . . . so ist es mir auch diesmal passiert. . . Frage: (an Carl Heinz Streit) Sie waren in der gleichen Zeit auch bei der Konkurrenzfirma . . . sie haben sich doch wahrscheinlich mit ihrem Bruder immer um die Kinotermine streiten müssen, wer nun die besten Kinotermine bekommen hat . . . Carl Heinz Streit: Nein . . . der Hauptkunde hier in Belo Horizonte . . . Hilde Streit (über den LKW Lärm . . . Jetzt gehts los, jetzt kommen die alle zurück. Dies ist hier an sich ruhiger, denn dahinten wohnen die armen Leute, die haben alle keine Autos . . . ” Carl Heinz Streit: ”Nein wir haben uns immer sehr gut verstanden und der Hauptkunde hier in Belo Horizonte war die Cineteatro Minas Gerais, der Hauptinhaber ist ein gewisser Luciano . . . gewesen, der vor kurzem . . . vor vier Wochen gestorben ist . . . ist der . . . einer der reichsten Männer der Welt . . . der Welt nicht, von Brasilien. . . man schätzt ihn auf über drei Billionen Dollar . . . die er hinterlassen hat . . . aber er hat auch . . . man sagt ihm nach . . . er hätte noch dreissig uneheliche Kinder . . . Hilde Streit: ”Die streiten sich nun alle mit den ehelichen”. Carl Heinz Streit: ”Ja ja . . . ehelichen sind zwei Kinder und eine . . . ein angenommenes Kind . . . also drei haben das Hauptrecht, die kriegen schon den . . . die . . . Departe . . . ” Hilde Streit: “Teil den Teil der Mutter, die vor drei Jahren ungefähr gestorben ist . . . ” Frage: (zu Carl Heinz Streit) Können sie noch mal sagen, bei welcher Firma sie im Verleih tätig waren. Carl Heinz Streit: “Bei der Universal Pictures . . . die hat hier gehiessen Universal Film SA . . . da war der Konzern von Carl Laemmle. Carl Laemmle war . . . die Universal Pictures in den Staaten die ausserdem das größte Atelier in Los Angeles haben . . . ich glaub, sie haben das selbst gesehen, das Atelier . . . es war das größte der ganzen Welt . . . ” Rolf Arno Streit: “Also bei den Filmfirmen war das so das jedes Jahr eine neue Produktion herauskam. Bei der Columbia waren es meistens so etwa fünfzig Filme, die die Filmtheaterbesitzer . . . haben abnehmen müssen. Es wurde dann zur Hauptsache mit Festpreisen gemacht und immer zweidrei Filme prozentual vermietet. Das heisst die Filmfirma war beteiligt an dem Umsatz der Theater mit fünfzig . . . sogar sechzig Prozent . . . oder ein Film wie zum Beispiel ich komm nicht mehr auf den Namen . . . auf jeden Fall Großfilme (Hundegebell) wurden auch vermietet bis zu siebzig Prozent. Das war natürlich Wucherei, aber die Leute konnten nicht anders, sie mußten es machen . . . da hat da . . . zu diesem Zweck haben wir Fiskale geschickt . . . Fiskale . . . die Übersetzung sind . . . Schrecker ? Hilde Streit: Fiskale ist auf der ganzen Welt . . . ist das richtig . . . nein Kontrolleure . . . Kontrolleure das ist es . . . die haben mit einer Zahluhr die Zahl der Besucher feststellen . . . und das war immer ne sehr unangenehme Sache, denn die . . . naja ich will darüber lieber nicht sprechen . . . es hat keinen Zweck . . . auf jeden Fall haben die Kompanien sehr gut verdient, sowohl an den Filmen, die zu Festpreisen vermietet wurden oder eben prozentual . . . das war unser Hauptberuf . . . die Festpreise festzusetzen . . . denn es gab Kinos . . . die hatten fünfhundert Plätze und wenig Einwohner und im Gegensatz zu anderen großen . . . die hatten eben viel mehr Besucher . . . und da wurden die Festpreise natürlich viel höher . . . gemacht . . . Haben sie sonst noch irgendwelche Fragen zu stellen? Frage: Ja, wie viele Kinos im Bereich waren. Rolf Arno Streit: “Es waren wohl . . . nicht Kinos . . . Plätze meinen sie . . . also Städte . . . Städte ja . . . das waren so annähernd hundert Städte, die wir von Minas Gerais . . . bearbeiten mußten . Carl Heinz Streit: “Ich glaub es waren mehr sogar”. Hilde Streit: ”Hunderzwei.” Carl Heinz Streit: “Es waren so hundertundsechzig meiner Ansicht nach“. Frage: Und wieviel Kinos gab es so in jeder Stadt? Kann man das so . . . Carl Heinz Streit: In den kleinen Städten ein Kino. Rolf Arno Streit: “Wenn es zwei gab, dann wurde uns . . . viel . . . das sehr erleichtert . . . denn wenn der eine nicht zahlen wollte, dann ist man zum anderen gegangen und der hat dann überboten und der hat dann die Filme bekommen. Frage: Kann man sagen, daß es ungefähr zwei bis dreihundert Kinos . . . Carl Heinz Streit:” . . . In Minas Gerais? viel mehr . . . ”Rolf Arno Streit: “Sogar in . . . nur in Belo Horizonte gab es so annähernd . . . Carl Heinz Streit: “zwanzig . . . ”Rolf Arno Streit:” . . . zwanzig bis fünfundzwanzig Kinos . . . das ist Minas Gerais der zweitgrößte Staat von Brasilien . . . ich möchte sagen . . . das es so groß war . . . so groß ist wie Deutschland . . . Hilde Streit: “Größer . . . ” Carl Heinz Streit: “Ich glaube noch größer”. Frage: Die Bundesrepublik hat heute noch . . . ich glaube noch 3100 Kinos . . . wieviel? dreitausendeinhundert . . . in Deutschland? . . . Ja jetzt . . . in der Bundesrepublik. Rolf Arno Streit: ”Ja also ich kann es nicht genau sagen, wieviel es hier gibt, aber sicherlich nicht dreitausend . . . aber vielleicht sogar dreivierhundert . . . ich weiß es nicht genau, die wir zu bearbeiten hatten, ich sprech nicht von Brasilien sondern von nur vom Staate Minas Gerais . . . ” Frage: Sie sind nach dem Kriege 1952 wieder nach Deutschland gekommen um die Wiedergutmachung durchzusetzen. Können sie da mal nen bißchen was erzählen, wie das so passiert ist alles . .
Rolf Arno Streit: “Nein ich bin das erste Mal nach Deutschland gefahren . . . geflogen . . . 1949 . . . um die Wiedergutmachung zu regulieren . . . und hab mit Romahn und Schümann ein Abkommen getroffen, das Sass . . . Urich-Sass, also die Erben Urich-Sass . . . ein Drittel von allem was vorhanden war . . . auch was sie nachher an . . . an Wohnungen gekauft haben oder . . . gebaut haben . . . und ein Drittel Hugo Streit . . . die Familie und ein Drittel Romahn und Schümann zusammen. Das war eine aussergerichtliche Einigung . . . wenn sie das nicht gemacht hätten, dann wäre ich natürlich zu Gerichtsjustiz gegangen und hätte vielleicht mehr vielleicht weniger erfahren . . . aber es war ein günstiges Abkommen für beide Teile. Denn die Romahn und Schümann haben sich meinem Vater gegenüber bei der Ausreise . . . bei seiner Auswanderung anständig gezeigt . . . sie haben ihm Zuwendungen gemacht . . . die sie nicht nötig gehabt hätten . . . und da hat mein Vater zu mir gesagt . . . wenn du rüber fährst und die Sache in Ordnung bringst . . . berücksichtige dass . . . dass sie anständig gewesen sind . . . was ich auch getan habe . . . wir hätten natürlich alles haben können . . . übernehmen können . . . aber es war schon richtig so . . . (LKW Geräusch) . . . hinzukam, daß niemand von unseren Familien wieder nach Deutschland zurück gehen wollte, um die . . . um das Unternehmen zu führen . . . deshalb hab ich das so gemacht und das war auch im Einverständnis mit meinem Vater und meinen . . . den Urich-Saß Erben geschehen. Frage. Sie haben dann auch für den Manfred Hirschel noch ein Telefongespräch mit der Klara Esslen geführt über das Waterloo Theater . . . Können sie darüber noch mal was erzählen? Rolf Arno Streit: “Ja das Waterloo Theater gehörte irgendwie Manfred Hirschel . . . der ist verheiratet gewesen mit meiner Tante . . . der Schwester meines Vaters . . . und der bat mich als ich rüberging auch mal mit der Frau Esslen, die das Kino irgendwie bekommen hatte, wie weiss ich heute nicht mehr und mich mit der zu unterhalten zwecks Wiedergutmachung und diese Frau ist mir unverschämt gekommen und da hab ich das dann meinem Onkel geschrieben, dass ich leider für ihn nichts tun kann, denn ich hab genug mit meinen Sachen zu tun und außerdem ist sie unverschämt gewesen . . . hat mir gesagt . . . vorgelogen . . . Sachen, die ich nicht glaubte und mein Onkel, der hat später selbst die Sache durchgeführt und hat auch eine Entschädigung bekommen . . . Wie die gewesen ist, weiß ich nicht . . . ” Frage: Wenn sie heute beide an Deutschland denken . . . was . . . welche Gefühle haben sie da? Rolf Arno Streit: “Es war einmal sehr schön . . . sehr schön . . . wir sind in Deutschland geboren worden, waren Deutsche und obwohl schon in früheren Zeiten . . . ein Antis . . . ein gewisser Antisemitismus herrschte . . . aber als dann die Nazis kamen . . . nicht wahr..und dann der Durchbruch des Antisemitismus gewesen ist . . . da war . . . da waren wir froh als wir draußen waren. Carl Heinz Streit: „Das was geschehen ist, das kann man nicht mehr vergessen. War zuviel und deswegen sind die meisten auch nicht wieder zurückgegangen nach Deutschland. Hilde Streit: „Nein, ich glaub, sehr wenige zurück gegangen nach Deutschland.“ Carl Heinz Streit: “Sehr wenige” Rolf Arno Streit: “Sehr wenig Leute . . . Juden sind zurückgegangen nach Deutschland. Einige, die nichts hier werden konnten sind zurückgegangen um dort Stellung zu bekommen . . . was vielleicht auch möglich gewesen war, aber die meisten sind hier geblieben, weil sie hier ihre zweite Heimat gefunden haben . . . . Hilde Streit: ”Wir sind zum Beispiel eine der wenigen, die überhaupt noch Deutsche geblieben sind, die anderen sind alle keine Deutschen mehr. Fast alle. Von unseren Bekannten bist du wir und Einsturz aus . . . ” Rolf Arno Streit: “ . . . naja aber es gibt natürlich diverse Deutsche, die wir nicht kennen, die auch Deutsche geblieben sind . . . also deutsche Juden . . . sind Deutsche geblieben. Aber wenig. Wir haben das Recht, das brasilianische Recht erworben durch unsere Anwesenheit von über fünfzig Jahren hier und wir haben ausserdem noch die Möglichkeit nach Deutschland zu reisen . . . ohne Visum und so weiter . . . Carl Heinz Streit: “Wir haben ausserdem brasilianische Kinder . . . ich persönlich bin mit einer Brasilianerin verheiratet . . . wir haben so gut wie die selben Rechte (lauter LKW) eines Brasilianers Frager: Bitte noch mal ohne LKW Carl Heinz Streit: ”Wo wo soll ich anfangen?” Hilde Streit: ”Das du ne brasilianische Frau hast . . . ne Carl Heinz Streit: ”Außerdem haben wir brasilianische Kinder und ich persönlich bin mit einer Brasilianerin verheiratet und dadurch haben wir die selben Rechte wie ein Brasilianer. Nur das wir nicht Präsident der Republica werden können . . . Präsident von Brasilien . . . Hilde Streit: “Man kann auch kein Briefträger werden. Irgend etwas kann man nicht werden, was sehr wichtig ist. Rolf Arno Streit: ”Auf jeden Fall haben wir sehr viel mit durchgemacht, besonders deswegen . . . besonders in den Jahren als meine Eltern noch nicht hier waren. Es wurde ja immer schlimmer und schlimmer und mein Vater wurde gehetzt von der Gestapo und hat sich geflüchtet auf Landstrassen und auch auf Böden von Freunden . . . Boden heisst das da oben . . . ganz oben . . . da hat er geschlafen . . . er hatte einen Bekannten bei der Gestapo war, der ihm gut gesonnen war und der hat ihm immer berichtet, wenn er weggehen müßte, denn es kam eine . . . Nazi . . . Nazi Razzia und die wollten ihn abholen . . . da ist er gottseidank . . . dem ist er gottseidank entgangen eben durch diesen Bekannten bei der Gestapo . . . wenn ich den Namen wüßte würde ich ihn sagen, um ihm nochmal zu danken für alles . . . das was er für meinen Vater getan hat . . . er wird aber gar nicht mehr leben . . . und dadurch hat mein Vater sich gerettet vor dem Konzentrationslager. Ja “(Autogeräusche) Hilde Streit: “Sonst ist es eigentlich leiser hier”. Frage: Sonst hört man es vielleicht nicht so, wenn man nicht darauf achtet. Hilde Streit: “Dann finde ich es immer leiser als bei uns”. Carl Heinz Streit: “Bei uns hinten hört man überhaupt nichts “ (Warum sind wir da damals nicht hingegangen?) Frage. Wie oft waren sie jetzt nach dem Kriege in Deutschland? Rolf Arno Streit: “Ich war nach dem Kriege sieben oder achtmal in Deutschland, fünfmal wegen der Wiedergutmachungsgeschichten und Hilde Streit: Wie oft waren wir da . . . Rolf Arno Streit: Das darfst du ja nicht sagen. Hilde Streit: „Warum nicht?“ Rolf Arno Streit: “ . . . (lacht) und flüstert . . . weil wir noch eine Einreise haben wollen.“Hilde Streit Achso.(lacht) Rolf Arno Streit: „Bringen sie das bitte nicht mit rein.(lacht)“ Hilde Streit: „Achja wir wollen ne Einreise haben“ Frage: Es gibt doch so Einladungen auch . . . Hilde Streit: „Ne Einladung vom Senat.“ Frage: Die haben gerade dieses Jahr wieder so ein Programm aufgelegt. Hilde Streit: „Ja eben, denn fahren wir wieder hin.“ Rolf Arno Streit: „Ja ich persönlich hab geschrieben, ich war schon in Deutschland . . . und deshalb würde mir das nicht . . . beschieden . . . aber meine Frau . . . die noch nicht in Deutschland war. (Hilde Streit lacht) wird . . . da meine Frau noch nicht in Deutschland war . . . “ Hilde Streit: „Das ist doch gar nicht mehr drauf.“ Rolf Arno Streit: „Natürlich ist das drauf“ Hilde Streit: „Achja.“ Frage: Wir legen das da nicht vor. Hilde Streit: „Das wird abgeschnitten.“ Rolf Arno Streit: „Da meine Frau noch nicht in Deutschland war, hoffe ich vielleicht durch sie meine neue Einreise zu bekommen.. (lacht) ich persönlich würde so gerne meine Spesen übernehmen, wenn der Senat sie für meine Frau übernimmt“ (LKW Geräusche) Frage. Über den Spesen war der LKW drüber . . . Ich sag . . . über den Spesen war der LKW drüber . . . Rolf Arno Streit: LKW ? Frage: Lastkraftwagen . . . ich weiß nicht wie sie das Dietmar Bruns: Camioao Hilde Streit: Camiao Er spricht ja perfekt Portugisiesch. Rolf Arno Streit: „Soll ich das wiederholen?“ Hilde Streit: „Lieber nicht.“ Rolf Arno Streit: „Ist schon drauf? Ajah Haben sie sonst irgendwelche Fragen zu stelle?“ Frage: Was wir vorhin ja nicht hatten, war den Eisenstein . . . das wir darüber vielleicht noch mal reden, das der Eisenstein ja mit dem Potemkin . . . in den Schauburgen gezeigt hat und das es ja bei der Ufa mehr sone . . . nationale Ausrichtung gab . . . das man so bestimmte Filme nicht mehr gezeigt hat . . . später . . . es gab später “Im Westen nichts neues” der durfte ja bei der Ufa nicht gezeigt werden und der lief dann in den Schauburgen, wissen sie darüber irgendwas noch? Rolf Arno Streit: “Im Westen nichts neues“ war wohl einer der größten Filme, der je hergestellt wurde und ich glaube, er wurde in den Schauburgen gezeigt, aber ich kann das nicht mit Bestimmtheit behaupten . . . ich entsinne, das wir den Film gesehen haben in London . . . wir sind . . . mein Vater hatte eine Einladung bekommen nach London zur Eröffnung eines . . . des größten Theaters von London . . . ich glaub es hieß Empire Palace . . . da wurde der Film “Im Westen nichts neues” “Gone with the wind” aufgeführt Hilde Streit/ Carl Heinz Streit: „Das ist “Vom Winde verweht” Rolf Arno Streit: „Ach das ist Vom Winde verweht. Wie hieß denn der im Westen nichts neues auf Englisch?“ Frage: “All quiet at.” Carl Heinz Streit: “All quiet at the on the eastern front” . . . Hilde Streit: “Und warum durfte das nicht aufgeführt werden? Frage: Das war . . . nicht national gesonnen . . . die haben behauptet das war Gegenpropaganda. Carl Heinz Streit: Remarque Remarque. Rolf Arno Streit: “Ich glaub es war der Film, vielleicht war es auch Gone with the wind . . . ich weiss es nicht. Carl Heinz Streit: „Der kam später, den haben wir in Brasilien gesehen. Hilde Streit: „Ja den haben wir in Brasilien gesehen“ Rolf Arno Streit: „Ja also es war der Film im Westen nichts neues mit dem der . . . mit dem das neue Kino in London eröffnet wurde, da sind wir rübergefahren . . . das entsinnst du noch . . . ” Frage: Ich hab noch eine ein bißchen schwierige Frage. Wie das mit dem Antisemitismus in Deutschland los ging . . . wie ist das bei ihnen gewesen . . . ich mein mehr so das religiöse . . . war das jüdische ne Religion oder war das ne bestimmte Weltanschauung oder waren sie mehr Deutsche oder . . . Rolf Arno Streit: “Wir waren mehr Deutsche als Juden. Wir sind sehr . . . frei . . . liberal erzogen worden, aber wir waren bewußte Juden . . . wir waren wie man sagt Zweitagjuden . . . wir sind nur zweimal im Jahr in die Synagoge gegangen . . . das war zum Neujahrsfest und zum Versöhnungsfest . . . Roshoshone (Schreibweise?) war das Jahresfest und Jomkippur (Schreibweise?) war das Versöhnungsfest . . . oder ist das Versöhnungsfest das auch hier gehalten wird in Brasilien. Aber wir hatten natürlich Unannehmlichkeiten . . . in Deutschland . . . ich hatte eine ziemliche Affäre wegen eines christlichen Mädchens und . . . hatte dadurch sehr große Unannehmlichkeiten . . . (LKW Geräusche) über die ich mit nicht auslassen möchte. Auf jeden Fall . . . die Nazis waren hinter mir her und ich konnte nur durch Selbstverteidigung dem Schlimmsten entziehen . . . Frage: Wie war das in der Familie ihres Großvaters . . . War das stärker oder weniger stark? Rolf Arno Streit: “Sie sprechen jetzt von der Religion, von der Religiösität? Meine Großmutter war eine sehr religöse Jüdin, mein Großvater nicht. Aber meine Großmutter hatte auch einen jüdischen Haushalt, es wurde dort nur koscher gegessen . . .Hilde Streit: „Haben sie erzählt mit dem Schweinefleisch? . . . “ Rolf Arno Streit: ” . . . ja und mein Großvater, der war sehr . . . sehr wenig religiös . . . und aß sehr gerne Schweinefleisch . . . das kam zweimal im Jahre vor . . . das meine Großmutter von Morgends bis Abends . . . eben an den gehobenen Feiertagen in der Synagoge gewesen ist . . . dann ist er schnell ins Restaurant gegangen und hat dort wunderbares Schweinefleisch gegessen . . . (lacht) Ja . . . Was wollen sie sonst wissen?” Wollt ihr ein bisschen stehen . . . Pause 31. 07. 1990
Rolf Arno Streit am Klavier: Aus Werbezwecken hat man einen Schlager gemacht, den Schauburg Schlager, der den Zuschauern . . . ne ich hab falsch gemacht, können wir noch mal machen? Ich werde ihnen jetzt den Schauburg Schlager vorspielen, der aus Werbezwecken gemacht worden ist Klavier Rolf Arno Streit singt: Kinder seid vernünftig lasst die Frau durch denn sie will noch schnell mal in die Schauburg. Klavier Ende Wiederholung Ich werde ihnen jetzt den Schauburg Schlager vorspielen, der aus Werbezwecken gemacht worden ist. Kinder seid vernünftig lasst die Frau durch, denn sie will noch schnell mal in die Schauburg Wiederholung Ich werde ihnen jetzt den Schauburg Schlager vorspielen, der aus Propagandazwecken gemacht worden ist. Kinder seid vernünftig lasst die Frau durch, denn sie will noch schnell mal in die Schauburg. Frage: Herr Streit sie hatten erzählt, als im Februar 1927 die Schauburg Millerntor eröffnet wurde da kam Henny Porten nach Hamburg, können sie das noch mal erzählen wie das war? Rolf Arno Streit: „Ja Henny Porten kam nach Hamburg um die Schauburg Millerntor zu eröffnen. Da haben wir sie abgeholt am Hauptbahnhof. Das war eine Menschenmenge unvorstellbar . . . nachher schrieben die Zeitungen, dass der Bahnhof mehr besetzt war von Menschen als bei der Ankunft von dem Reichspräsidenten Ebert. Ja und dann ist die Henny Porten . . . hat da ein paar Worte gesprochen in der Millerntor Schauburg und das war der Anfang der Schauburg.“ Frage: Wissen sie noch, wie der Film hiess in dem sie da gespielt hat? Rolf Arno Streit: Nein, das weiss ich nicht. Das weiss ich nicht. Frage: Dann sind ja auch in den Schauburgen die Filme von dem Eisenstein gezeigt worden. Können sie das noch mal erzählen? Rolf Arno Streit: „Von Eisenstein ist gezeigt worden . . . wie ich erinnere . . . der Film . . . der Film Potemkin . . . sonst wüßte ich nicht, welche Filme dort aufgeführt worden sind.“ Frage: Wollt ich noch mal nachfragen . . . es lief ja (Flugzeug) . . . es lief ja in den Schauburgen auch der erste Tonfilm . . . dieser Ton war ja nicht sehr lang. Können sie mal sagen wie das ausgehen hat? Rolf Arno Streit: “Der Film hiess “Ich küsse ihre Hand Madam” mit Harry Liedtke und Marlene Dietrich. Innerhalb des Films wurde dann das Lied gesungen . . . vom Blauen Engel ne . . . ich weiß nicht mehr genau . . . es wurde ein Lied gesungen . . . der nicht nachher wie die allgemeinen Tonfilme gespielt ist sondern durch Grammophonübertragung.“ Carl Heinz Streit: „Plattensystem Plattensystem . . . nachher kam das Optik System auf Das war der Jazzsinger mit Al Jolson.“ Frage: Wann war das? Carl Heinz Streit: „Das war gleich danach . . . ich weiss nicht mehr welches Jahr es war.“ Frage: Das war denn schon der richtige Tonfilm. Carl Heinz Streit: „Das war der richtige Tonfilm . . . der optische Tonfilm ja . . . der erste optische Tonfilm“. Frage: Das hat ja bestimmt damals auch ne Menge Geld gekostet. Wissen sie was sowas kostete . . . son Tonfilmapparatur? Carl Heinz Streit: „Die Tonfilmapparatur . . . nein das weiß ich nicht.“ Rolf Arno Streit: „Ja die waren irrsinnig teuer. Wenn . . . das war die erste Schauburg, die damit ausgerüstet . . . die . . . die Tonfilmübertragung gehabt hat.“ Carl Heinz Streit: „ Die optische.“Rolf Arno Streit: „Und dann hintereinander wurden die anderen Schauburgen auch damit . . . versehen . . . Aber wie teuer das war . . . das war ein ungeheurer . . . ungeheuer teuer . . . aber wie teuer kann ich leider nicht mehr sagen. Frage: Es gab ja lange auch einen Streit zwischen den Stummfilmleuten und den Tonfilmleuten und die Stummfilmleute haben ja immer gesagt, das wär gar keine Kunst, das wär irgendwie nur . . . irgendwas anderes. Rolf Arno Streit: „Nun naja . . . die sind mit ihrer Meinung ja nicht durch gekommen denn jetzt gibt es ja nur noch Tonfilme . . . Also das glaub ich nicht, das die damit durch gekommen sind . . . Das so etwas existiert hat, das erinner ich auch . . . aber wird naürlich sofort abgeblasen
Frage: Es gab dann noch . . . den Film ”Im Westen nichts neues” über den ersten Weltkrieg . . . ein amerikanischer Film, der in den Ufa Kinos weder synchronisiert noch gezeigt werden durfte oder sollte. Und der ist ja in den Schauburgen gelaufen . . . Können sie darüber noch mal was sagen: Rolf Arno Streit: „Ja das war ein großer Erfolg . . . aber . . . viel mehr kann ich auch nicht darüber sagen. Er wurde in den Schauburgen gespielt und das weiss ich, das erinner ich, daß mein Vater uns sagte . . . es war ein ganz großer Erfolg . . . “ Frage: Zur Premiere waren sie . . . waren sie . . . zur Premiere des Films . . . Rolf Arno Streit: „Sicher waren wir zur Premiere des Films . . . aber Einzelheiten kann ich nicht sagen . . . denn das liegt ja schon viele . . . viele Jahre zurück“. Frage: Herr Streit . . . können sie noch mal erzählen, wie sie von Rio nach Belo Horizonte gekommen . . . wann das war.Rolf Arno Streit: „Wir sind angekommen . . . das sagte ich schon im Jahre 1936 . . . mein Bruder und ich . . . Später sind meine Eltern gekommen . . . im Jahre 1938 . . . und wie bekannt ist Rio eine der heißesten Städte der Welt . . . wir haben hier im Sommer . . . Hitze . . . bis zu über 40 Grad im Schatten . . . das konnten meine Eltern nicht vertragen . . . deshalb sind wir nach Belo Horizonte übersiedelt, welches ungefähr achthundert Meter hoch liegt und dadurch . . . einen Filter . . . ein besseres Klima hat. Ich will ihnen jetzt mal kurz mal Belo Horizonte zeigen, was wir von oben hier sehen können.Hier das ist Belo Horizonte (Die sagen immer bello).“ Frage: So sah es doch 1941 bestimmt noch nicht aus . . . das war . . . Rolf Arno Streit: Das möchte ich noch mal sagen. Belo Horizonte, als wir hierher kamen 1941 . . . hat circa hundertfünfzigtausend Einwohner . . . jetzt . . . hat Belo Horizonte etwa drei Millionen Einwohner . . . also ist größer als Hamburg . . . . . . . . . . . . Pause . . . . . . Fotoansichten Carl Heinz Streit: „Dieses Foto ist aufgenommen bei dem Fotografen Bieber, der einstmals der größte Fotograf in Hamburg war. Dies ist mein Vater, dies ist mein Bruder Rolf und dies bin ich. Wie sie sehen habe ich vergessen, das Taschentuch in die Tasche zu stecken und hab dadurch von meinem Vater eine große Tadelung bekommen . . . (Wiederholung) Das hab ich ihnen dann zugedacht. Carl Heinz Streit: „Dieses hier ist die Familie Urich-Saß . . . Mein Onkel Hermann Urich-Saß, meine Tante Hedwig Urich-Saß, meine Cousine Vera . . . schon verstorben . . . mein Vetter Horst Urich-Saß und mein Vetter Jürgen Urich-Saß . . . auch schon verstorben . . . „Wiederholung Carl Heinz Streit: „Dies ist die Familie Urich-Sass . . . Das ist meine Tante Hedwig Urich-Saß . . . schon verstorben, das ist die Tochter Vera . . . auch schon verstorben . . . mein Onkel Hermann Urich-Saß verstorben . . . Jürgen Urich-Saß . . . auch verstorben . . . der einzige überlebende der Familie ist mein Vetter Horst Urich-Saß, der in Mexiko und in den Staaten lebt.“Jetzt kommt das nächste Foto Carl Heinz Streit: „Dieses sind meine Eltern, mein Vater und meine Mutter. Beide auch schon verstorben.“ Dies sind meine Großeltern Frida Henschel und Jeremias -genannt James Henschel . . .Eins ist da noch zwischen . . . ein Kinderfoto „Dies ist mein Bruder Rolf Arno Streit und dies bin ich Carl Heinz Streit . . . das ist aufgenommen vor circa . . . 70 Jahren . . . aufgenommen vor circa 70 Jahren . . . (1990) Rolf Arno Streit und Carl Heinz Streit (ca. 1920)Da war ich sieben . . . und mein Bruder 6 Jahre alt“. Etwas älter. Rolf Arno Streit: Mein Bruder ist ja ein Jahr älter als ich . . . Der Bruder oder selbst. Rolf Arno Streit: „Jein . . . mein Bruder ist ja ein Jahr älter als ich . . . der kann ja nie jünger werden . . . Gut ja . . . „Das Bild mit dem Motorrad.Aber das ist aber so klein. Geht los. Hilde Streit: „Also ich bin einmal . . . einmal in meinem Leben Motorrad gefahren hab keine Ahnung gehabt und der hinter mir gesessen hat hat immer gesagt bremsen und dann hab ich nicht gewußt, wie zu bremsen und hab immer mehr Gas gegeben . . . Frage: Das Foto ist in Hamburg aufgenommen?. Hilde Streit: „Ja ist in Hamburg aufgenommen worden . . . aber wo kann ich nicht mehr sagen —„Rolf Arno Streit: „Bebelallee ? Wie lange muß das her sein, Hansa Strasse?“ Rolf Arno Streit: Dieses Bild ist aufgenommen auf der Hochzeitsfeier von meiner Tante Grete und von dem Onkel Hermann . . . der ist vielleicht fünfundzwanzigsechsundzwanzig Jahre alt gewesen und meine Tante war ja in den zwanziger . . . Anfang zwanzig . . . sie war die Schwester meiner Mutter . . . ist leider beim ersten Kind verstorben . . . bei der Geburt des ersten Kindes . . . Dies hier ist mein Großvater James und meine Großmutter Frida . . . Dies hier ist mein Vater Hugo Streit . . . und meine Mutter Sophie Streit . . . Hier ist ein Familienbild der Familie Streit . . . das wurde aufgenommen in . . . soweit ich erinnere in den Schauburg Studien . . . es war ein Freund meines Vaters . . . der in den Schauburgen . . . in den Läden der Schauburgen Fotoateliers betrieb . . . Auf diesem Bild sehen sie die ganzen Brüder meines Vaters . . . hier mein Vater . . . hier ein Bruder Max ein Bruder Richard , Bruder Albert . . . ein Bruder John . . . das war der älteste . . . Frauen und die Kinder . . . hier ist die Schwester Grete Hirschel mit ihrem Mann . . . und hier ist noch Franz Traugott, der Prokurist meines Vater geworden ist . . . mit seiner Frau Bianca . . . die vor einigen Jahren mit neunundneunzig . . . Jahren gestorben ist . . . . Hier sind lauter . . . Frage: Den Manfred . . . ist der auch da drauf zu sehen . . . Manfred Hirschel . . . Ist der Manfred Hirschel auch da drauf zu sehen? Rolf Arno Streit: „Hier ist Manfred Hirschel . . . Dies hier ist ein Familienbild der Familie Streit.Und zwar wurde das aufgenommen . . . wenn ich mich nicht irre . . . zum siebzigsten Geburtstag meines Großvaters Jakob Streit . . . Hier sehen sie meine Eltern . . . mein Vater Hugo Streit und meine Mutter . . . hier bin ich . . . schlecht getroffen . . . hier ist Max . . . Richard . . . Albert . . . John . . . Bianca . . . und Grete . . . alles geborene Streits mit ihren Männern . . . hier sitzen die ganzen Kinder . . . also meine Cousinen und meine Cousins . . . hier ist mein Bruder noch zu sehen. ,, . . . Dies hier ist auf dem Eiffelturm . . . hier sitzt meine Mutter . . . mein Vater . . . mein Bruder Carl Heinz und ich . . . das sind die ersten langen Hosen . . . die wir in Paris von meinen Eltern geschenkt bekommen haben . . . das erinner ich noch . . . hier auf diesem Bild sehen sie meine Großeltern Frida Henschel und James Henschel . . . mit ihrer Tochter Bianca Henschel . . . aufgenommen in Wiesbaden . . . Die ist ein Familien . . . dies ist ein Bild meiner Eltern mit meiner Großmutter . . . “ LKW nochmal alles ? Frage: nur das letzte.Bild Rolf Arno Streit: „Dies ist das Bild meiner Eltern, mein Vater . . . meine Mutter . . . meine Großmutter Frida Henschel . . . und weitläufige Verwandte . . . im Hintergrund sehen sie unseren Cadillac Wagen . . . das war der erste Cadillac von Hamburg . . . und hatte Aufsehen erregt . . . hier ist noch zu sehen unser Chauffeur . . . .Ja das ist mein Vater . . . Auf diesem Bild sehen sie meinen Vater im Hintergrund ein Flugzeug . . . wo das gewesen ist, kann ich ihnen leider nicht mehr sagen .. . . dies sind meine Eltern Hugo Streit und Sophie Streit mit der Schauburg Zeitung . . . Jedes Kino . . . jedes Kino . . . also jede Schauburg hatte eine . . . hat eine . . . hat eine Zeitung bekommen . . . die gleichzeitig ein Programm von dem jeweiligen . . . Film . . . enthalten hat . . . Hier sehen sie mein Vater Hugo Streit . . . und Hermann Urich-Saß . . . sein Kompagnon . . . die beiden haben die Schauburgen und den ganzen Konzern gemeinsam aufgebaut . . . Auf diesem Bild sehen sie meine Großeltern Frida und James Henschel . . . mein Vater . . . Hugo Streit und meine Mutter Sophie Streit . . . am Europäischen . . . vor dem Europäischen Hof in Baden Baden . . . Auf diesem Bild sehen sie unser Haus in der Rothenbaumchaussee . . . im Vordergrund stehen . . . steht die Familie . . . und hier ist der Cadillac . . . noch einmal richtig zu sehen . . . .Dies ist ein Bild aufgenommen in Rio de Janeiro . . . da sind wir soweit erinnerlich nach Petropolis raufgefahren . . . dies ist meine Frau und dies bin ich . . . Rolf . . . auf diesem Bild sehen sie mein Hochzeitsbild mit meiner Frau . . . die in Holland in Haag . . . gefeiert wurde . . . weil ich seinerzeit nicht mehr nach Deutschland zurückkehren konnte . . . ohne Gefahr zu laufen ins Konzentrationslager zu . . . zu kommen. Da haben wir bei meiner Tante, die damals in Holland lebte . . . Bianca . . . unsere Hochzeit gefeiert . . . Zu der Hochzeit sind die ganzen Verwandten . . . auch meine Großeltern . . . James und Frida . . . auch meine Eltern und die Eltern meiner Frau herübergekommen . . . Tja . . . dies ist ein kleines Bild in Monte Carlo aufgenommen . . . ich ersehe daraus nur . . . mein Großvater James und meine Großmutter Frida . . . ein Moment . . . Alte Postkarte Cap Norte Dies ist ein Bild von der Cap Norte . . . das Schwesternschiff von der Cap Polonio . . . mit dem wir . . . meine Frau und ich nach der Hochzeit wieder zurückgefahren sind nach Rio . . . zurück bin nur ich gefahren . . . meine Frau habe ich aber mitgenommen . . . Hilde Streit: Dankeschön (lacht) . . . . . . Dies war auch ein Bild . . . hier ist der Betrüger drauf . . . das will ich gar nicht zeigen . . . Frage: Das ist auch von der Überfahrt. Rolf Arno Streit:“ . . . das ist auch der Betrüger drauf.“ Frage: Dann machen wir die Zwischenstation in Portugal noch. Rolf Arno Streit: Was ist das denn . . . Frage: Portugal. Rolf Arno Streit: „In Lissabon Sierra Campus . . . 1937 . . . Auf diesem Bild . . . soll ich anfangen . . . Auf diesem Bild sehen sie meine Großeltern Streit Jakob und Trude . . . .(Strassenbahngeräusche) . . . Auf diesem Bild sehen sie meine Eltern auf der Cap Polonio . . . sie besuchten uns zu jener Zeit in Rio . . . sie besuchten uns im Jahre 1937 . . . nein das kann nicht sein . . . sie sind damals aus Amerika zurück gekommen . . . ich entsinne das nicht mehr ganz genau. . . Hier sehen sie meine Eltern Hugo und Sophie Streit mit den Eltern meines Vaters Trude und Jakob Streit . . . mein Bruder Carl Heinz und ich als der jüngere . . . auf dem Bild erscheine ich der Höhe wegen als der ältere . . . aber in Wirklichkeit bin in der jüngere . . . hier auf diesem Bild sehen sie meinen Bruder mit seiner Amme . . . das bin ich . . . da . . . da arische Musiker nicht mehr für Juden spielen durften . . . spielen durften haben wir eine jüdische Kapelle gegründet . . . . den Namen Catus . . . ich war der Kapellmeister . . . dies sind alles jüdische Musiker . . . wir spielten sehr viel auf jüdischen Festen . . . privater Natur und auch . . . entsinne ich ein Henry Jones Logenball . . . Henry Jones Logenball . . . Hernry Jones Loge war eine jüddische Loge und die hat dann jedes Jahr ein großes Fest gegeben auf dem wir gespielt haben . . . Frage: Buenos Aires steht da hinten drauf. Rolf Arno Streit: Buenos Aires . . . die haben gar nichts mit uns zu tun . . . : Ja dann sind wir durch. Frage. Das ist auch schon Buenos Aires Rolf Arno Streit: „Nein das ist Travemünde. Travemünde . . . Ah ja . . . (Hundegebell im Hintergrund) Rolf Arno Streit: „Auf diesem Bild sehen sie wie die Menschen früher am Strand angezogen waren. Dieses Bild zeigt den Strand von Travemünde. Mein Vater im Badeanzug meine Mutter in der Badeho . . . anzug. Mein Onkel . . . alle gut gekleidet . . . hier bin ich und hier ist mein Bruder Carl Heinz Das ist 19 . . . und etwa 1913 gewesen . . . so ging man an den Strand . . . ne eben nicht . . . ich hab mich geirrt . . . es waren keine Badeanzüge . . . es waren Anzüge mit steifen Kragen . . . Eckenkragen . . . meine Mutter in einem eleganten Sommerkleid . . . mit Hut und die Amme hier mit dicken Brüsten zu sehen. Frage: Und das andere Foto . . . können wir das noch sehen?Rolf Arno Streit: „Hier sehen sie wiederum am Strand von Travemünde die ganze Familie in ihren besten Kleidungsstücken . . . „Frage. Da waren laute Kinder, wollen wir das noch mal haben ja einmal Rolf Arno Streit: „Auf diesem Bild sehen sie die ganze Familie wie sie damals vor circa achtzig Jahren am Strand von Travemünde . . . erschienen.“ Hilde Streit: „Jetzt wenn sie in Rio sehen . . . wie die Leute da schwimmen . . . „Frage: Ich glaube, das genügt auch. Ist es alles schön Herr Kameramann? Brasilianisch wird jetzt geredet. Die Fragen stellte Jens Meyer, Kamera hat Dietmar Bruns gemacht
Das
Interview mit Rolf Arno Streit, Hilde Streit und Carl Heinz Streit
fand am 30. und 31. Juli 1990 in Belo Horizonte, Brasilien statt.
Rolf Arno und Carl Heinz Streit sind die beiden Söhne des
Kinobesitzerehepaars Sophie (geb. Henschel) und Hugo
Streit, der zusammen mit seinem Kompagnon Hermann Urich Sass den
Henschel Film und Theaterkonzern leitete und besaß. Das Unternehmen
wurde in der Nazizeit enteignet (arisiert nannten die deutschen
Nazis das Verfahren). Die Nutzniesser hießen Paul Romahn und Gustav
Schümann, ehemalige Angestellte des Henschel Film und
Theaterkonzerns.
Interview Jens Meyer
Anmerkung 2017. Der Mann, der Carl Heinz Streit in Brasilien sofort angestellt hat, war Al Szekler (in dieser Schreibweise). *Al Szeklerwar Direktor der Firma Universal Film SA Brasilien. Jens Meyer 2020
Belo Horizonte 31. Juli 1990. Von links nach rechts: Carl Heinz Streit, Rolf Arno Streit und seine Ehefrau Hildegard Käthe Streit, geb. Sochaczewer, geb. am 9. August 1913, gest. 1993. Foto Jens Meyer