Briefe an Eugen (XXIII) Karin Baal

PdfBriefe an Eugen (XXIII) Karin Baal

Römische Zahlen am BUG
Römische Zahlen

(Zeichen 1.697) Hallo Eugen,

Du hast Recht. Der »Heilige Abend« ist so recht geeignet, sich Filme anzusehen, die man bisher vermied. So wie Georg Kreisler in seinem Lied singt: “ . . . und am Weihnachtsabend wie erquicklich, man speist mit den Verwandten, die mans ganze Jahr vermied. Nach dem Essen fuehlt man sich so gluecklich, weil man die Verwandten nun ein Jahr lang nicht mehr sieht“. (Siehe Schallplatte)

Auf diese Weise habe ich mir einen DVD Abend gemacht und mir unter anderem den Film von Reinhard Hauff von 1982 angesehen. Der Mann war immerhin einige Jahre lang Direktor meiner damaligen Filmschule dffb gewesen. Da hatte ich aber schon abgemustert.

Jetzt weiß ich endlich, der Mann mit dem Doppelnamen war nicht nur ein schlechter Schlagersänger, sondern eben auch ein noch schlechterer Schauspieler. In dem Film von Peter F. Brinkmann, so einen Buchstaben wollte ich mir immer auch dazwischen reintun, das macht die Sache so geheimnisvoll, heißt er nun Friedrich, heißt er Fritz oder gar Ferdinand? Ja in diesem LKW Film, der ihm geklaut wurde, kommt er noch einigermaßen durch, obwohl ich den Selbstversuch nach vierzig Jahren nicht mehr gesehen, noch nicht gemacht habe.

Aber in diesem Film von 1982 ist er völlig verkrampft. Der Drehbuchautor, von dessen Texten ich lange Zeit begeistert war, hat auch nicht grade eine Spitzenleistung abgeliefert. Es reicht eben nicht, keine Ideen zu haben, man muß auch unfähig sein, sie umzusetzen. (Nicht von mir. Geklaut bei Wolfgang Neuss). Einzig die Frauenrollen in dem Film sind einigermaßen gelungen.

Großartig ist die Schauspielerin Karin Baal als Stasi Mitarbeiterin. Die macht ihre Sache wirklich gut. Wie das mit dem Pässe tauschen wirklich geht, hat uns Peter Timm im Tapezierer Film »Meier« vorgeführt. Jedenfalls wenn man den »Mann auf der Mauer« nach »Funny Bones« von Peter Chelsom und vor »Leoparden küßt man nicht« von Howard Hawks gesehen hat, dann weiß man genau, in welcher Klasse der deutsche Film so spielte und leider auch spielt. Christian Petzold hin oder her.

Kein Wunder, wenn jedes Jahr die »Feuerzangenbohlenrache« von Joseph G. mit seinem Lieblingsschauspieler Heinz R. im Fernsehen läuft. J.

Filmwelt Max Ophüls

Wer schreibt eigentlich die Schilder bei der S-Bahn in Hamburg?

S-Bahn Ausgang Stadthausbrücke Hamburg 20. Juli 2023 Foto Jens Meyer

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Briefe an Wiebeke (XXVII) Über Dyson Staubsauger

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Briefe an Wiebeke (XXVII) Apropos Staubsauger: Dyson. Hallo Wiebeke, bis gestern galt: Die Firma Dyson hat den besten Staubsauger der Welt. Jedenfalls dachte ich das 2008. Endlich hatte ich einen Staubsauger, der mich nicht mehr vier mal im Jahr in die Drogerie quaelte, um dort anhand eines umfangreichen Kataloges den entsprechenden Staubsaugerbeutel zu finden, der natuerlich gerade nicht lieferbar war. Ein Freund hatte mir diesen Staubsauger von Dyson empfohlen. Ich rechnete aus, wieviel Geld ich dadurch sparen wuerde, wenn ich die naechsten zwei Jahre keine Tueten mehr kaufen mueßte. Ich beschloss diese wunderbare Ingenieurleistung zu honorieren und das Produkt zu kaufen. Bei meinem Lieblingsladen Schuellenbach in der Budapester Straße 49. Das war am 28. Februar 2008. Er kostete 320,30 €, was damals eine Menge Geld fuer einen Staubsauger war.

Er bewaehrte sich in allen Funktionen. Ich war begeistert ueber den neuen Staubsauger. Auch die Technik begeisterte mich. So einfach in der Handhabung. Man merkte dem Produkt an, da hatte sich jemand wirklich die Muehe gemacht, etwas zu entwickeln, was logisch und praktisch war. Der DC 19 von Dyson war das Geld wert.

Spaeter bemerkte ich ein weiteres Produkt der Firma Dyson: Das genaue Gegenteil. Offenbar eine Produkt, das in Zusammenarbeit mit Energiekonzernen und Firmen der Hörgeraetebranche entwickelt worden war. In den Toiletten der Multiplexkonzernkinos zu beobachten. Eine komplette Fehlentwicklung. Viel zu laut.

Auf den DC 19 Staubsauger jedoch, ließ ich weiterhin nichts kommen. Bis zum 9. November 2022. Am 31. Oktober hatte sich der Dyson mit einem Knall und einer kleinen Rauchwolke verabschiedet und keinen Ton mehr von sich gegeben. In einem gut sortierten Haushalt, wie dem meinen, befindet sich natuerlich auch eine Bedienungsanleitung und die Telefonnummer des Dyson Kundenservice.

Ich gebe zu 14 Jahre und 8 Monate sind eine lange Zeit. Dennoch. Die Telefonnummer hatte sich geaendert. Das kann ja vorkommen.

Die neue Service Nummer (kostenlos) wurde angesagt. 080031313 18.

Schon beim zweiten Anruf komme ich durch und schildere das Problem. Ja, es sei ein DC 19 mit der Nummer 406-EU-B 51796.

Leider findet sich keine entsprechende Nummer im Dyson System. Wann ich denn das Geraet gekauft haette?

Ich antworte wahrheitsgemäß: Am 28. Februar 2008.

Nein, so ein altes Geraet wird von uns nicht mehr repariert.

Was denn mit der damals versprochenen Nachhaltigkeit sei? Wenn Dyson schon nicht repariert, dann solle man mir doch den Motor als Ersatzteil verkaufen.

Ich koenne den Vorfilter und alle anderen Ersatzteile fuer den DC 19 kaufen, aber den Motor nicht. Man biete mir ein neues Geraet fuer 399,00 Euro an und wuerde mir darauf einen Rabatt von 25 % gewaehren.

Auf meine Erwiderung, der Dyson Motor des DC 19 wuerde im Netz mit Preisen zwischen 60,00 und 90,00 € angeboten, kommt nur die Wiederholung, sie verkaufen alle Ersatzteile, aber den Motor nicht.

Ich eile zur Firma Schuellenbach, die mir diesen Dyson DC 19 am 28. Februar 2008 verkauft hatte. Vielleicht kennen sie noch jemanden, der einen neuen Motor hat und ihn mir in meinen Dyson DC 19 einbaut.

Das nicht. Aber ich bekomme den Tipp, das die Firma DYSON in der Moenckebergstr. 10 in Hamburg einen Laden hat, der bis 20.00 Uhr offen ist.

Ich packe also meinen verbrannten Dyson Vorfilter ein und eile zur Moenckebergstr. 10. Dort sieht es aus wie in einem Apple Laden. Vorwiegend teuer.

Hier verirren sich bestimmt keine Kunden auf der Suche nach Ersatzteilen. Zwei maennliche Verkaeufer. Sehr freundlich. Ich lege meinen verbrannten Vorfilter auf den Tresen. Ja, der ist vorraetig.

Ich erklaere, das der verbrannte Vorfilter nicht das eigentliche Problem sei, sondern das ich den Motor des DC 19 benoetige, der sich die Karten gelegt habe. Sie wuerden alles bestellen koennen, aber der Motor wuerde nicht verkauft.

Wie es denn kaeme, dass im Netz dieser Motor des DC 19 fuer 60,00 € angeboten wuerde. Ja, das haette irgend was mit der Globalisierung zu tun. Was die Globalisierung mit einem kaputten Motor zu tun haette, konnten sie mir jedoch nicht erklaeren.

Vielleicht sollte ich mich mal mit der Sendung: Markt im Dritten in Verbindung setzen, so raet mir mein Freund. Die greifen doch immer gerne solche Themen der Nachhaltigkeit auf. Aber vermutlich eher nicht. Weil, die haben andere Probleme. Nicht solche mit 60,00 €. Und um meine Glaubwürdigkeit zu erweisen, füge ich noch einige Fotos an, J.

Ps: Es gibt für den Preis, den der Dyson DC 19 Motor kostet, den sie nicht verkaufen wollen, heute auch Staubsauger, die ebenfalls ohne Tüten arbeiten. Vielleicht sollte ich die Firma Dyson auf diese Weise damit bestrafen, das sie den Weg zum »Diskreten Charme der Bourgeoisie« gewaehlt hat, dem ich leider, mangels Penunsen, nicht folgen kann. Kommt laut Kluge aus Polen und Berlin.

Hallo J. Das ist eine sehr schoene Geschichte. Nicht fuer den Geschaedigten (dich), aber fuer alle anderen (mich). Ein Gedanke kam mir noch: Stell dir mal vor, du waerst ein ordentliche (rer) Mensch und wuerdest deine weitlaeufige, kruemelige Wohnung alle paar Tage staubsaugen, wie andere Leute das tun. Dann haette der Dyson-Motor doch hoechstens bis 2015 durchgehalten. Oder? W.

Hallo Wiebeke, ja, das weiss man nicht. Aber meinen Freund J. habe ich gefragt, der mir den Dyson empfohlen hatte, ob er schon mal aehnliche Probleme mit seinem Dyson, den er drei Jahre vor mir gekauft hatte, gehabt hatte. Hatte er aber nicht und dass bei zwei Wohnungen, in denen der Dyson abwechselnd zum Einsatz kam. (weiblich und maennlich). Und der ist noch heil, vielleicht ein Montagsproblem? Kann aber auch nicht sein, weil der 28. Februar, ich schaue noch mal 2008 nach, war 2008 ein Donnerstag. Aber es gab noch einen 29. Februar in jenem Jahr. Das ist auch vielleicht der Grund, warum die Nummer bei Dyson nicht zu finden war und vielleicht auch der Grund, warum sie für diesen Staubsauger keinen Motor liefern wollen. Der Aberglaube hat immer noch Konjunktur, J.

Dyson DC 19 defekt

PDF DysonErsatzteil

Wichtige Nachrichten der Sparda Bank

Wer neuerdings Münzen in den Münzgeldautomaten der Sparda Bank in Hamburg Altona einwirft, bekommt folgende Nachricht auf der Einzahlungsquittung der Sparda Bank zu lesen: „Hinweis: Bei Bareinzahlungen von mehr als 10.000,00 Euro verlangt der Gesetzgeber die Vorlage eines aussagekräftigen Belegs über die Herkunft des Betrages. In diesen Fällen erhalten Sie daher in Kürze auf dem Postweg ein Schreiben von uns mit der Bitte, einen geeigneten Beleg über die Herkunft des eingezahlten Geldes vorzulegen“.

Leider bin ích kein Besitzer eines solchen Weltrekords Buches. Daher wollte ich die Anfrage an die Verantwortlichen bei der Sparda Bank stellen, ob es seit Aufstellung des Münz Einzahl Automaten im Kassenraum der Bank, schon einmal einer Person gelungen ist, mehr als 10 Tausend Euro in den Münzautomat einzuzahlen? Das wäre sicher Weltrekord. Anbei der Ausdruck. Bravo!

Diese Münzen wirft der Automat jedoch gleich wieder aus. Und Hilde Benjamin will auch keiner mehr haben!

Tier
Kopf ab Hilde
Hier versammelt: Karl Marx, Hilde Benjamin, Ludwig Erhard undsoweiter . . . (alle nicht mehr im Amt)

Neu aus dem Antiquariat: Bücher von Berni Kelb

Natürlich hatte ich sie auch noch in meinem Schrank. Zwei Bücher, die mir damals sehr geholfen haben. Entdeckt im Antiquariat. Damals 3,50 DM/4,50 DM. Heute 4,00 Euro. Und ich habe sie beide noch mal gelesen. Wieder mal festgestellt. Sie sind immer noch aktuell. Hilfreich. Im Internet habe ich einen Nachruf von Klaus Wolschner (taz Bremen) aufgespürt. Hier die beiden Bücher: Sie sind beide dünn. Erfreulich dünn. Die >Betriebsfibel< hat 70 Seiten. < >Organisieren oder organisiert werden< hat 95 Seiten. In der Einleitung heißt es: „Es geschieht immer wieder, daß Genossen wie du versuchen, in ihrem Betrieb die Belegschaft zu agitieren. Und von diesen kriegen sie dann gesagt: >Das ist ja alles ganz schön, was du uns da erzählst. Aber mach man so weiter. Dann fliegst du bald raus! Auf deine – einer etwas kurzsichtigen Opferbereitschaft entspringenden – Erklärung: >Das macht mir gar nichts aus!< kommt dann die Antwort:>Uns aber.< Damit ist die Sache eigentlich erledigt. Du konntest dein Anliegen nicht vermitteln. Jetzt bist als Revolutionär isoliert.“

der Arbeitgeber 5 Köln 51. Oberländer Ufer 72

Klaus Wagenbach Verlag 1 Berlin 31 Jenaer Str.6

Sehr geehrte Herren,

in Ihrem Verlag ist die „Betriebsfibel“ von Herrn Berni Kelb erschienen, die jetzt auf den verschiedensten Lehrlingsveranstaltungen kursiert. Mehrere Leser erbitten in diesem Zusammenhang nähere Einzelheiten über die Person von Herrn Kelb. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir ggfs. einen Lebenslauf oder sonstige Unterlagen hierzu übersenden würden. Mit freundlichen Grüßen

(Dr. Heinrichsbauer)

– – –

1 Berlin 31, den 10.1.73 Jenaer Straße 9 Berni Kelb c/o Verlag Klaus Wagenbach

An den arbeitgeber – Der Chefredakteur –

Sehr geehrter Herr Dr. Heinrichsbauer,

ich beziehe mich auf Ihr Schreiben vom 8.1.73. Der Verlag Klaus Wagenbach hat – feige, wie es von einem linken Verlag nicht anders zu erwarten ist – sich vor der Beantwortung Ihrer berechtigten Fragen zu drücken versucht, indem er Ihren Brief an mich weiterleitete. Ich werde mich bemühen, Ihnen angemessene Auskunft zu geben.

Ich stamme also aus einer Familie, die seit vielen Generationen damit beschäftigt war, Arbeit zu nehmen, obwohl geben nach einem bekannten Zitat eigentlich viel seliger ist, denn nehmen. Wir lebten davon, daß wir für die genommene Arbeit auch noch Geld forderten: die ständig steigenden Löhne. Den Verlockungen eines so bequemen Lebenswandels konnte auch ich mich nicht entziehen: durch die Erlernung eines Metallberufes setzte ich die Familientradition fort.

Verschlagen, wie unsereins ist, merkte ich bald, daß bei den Unternehmern außer Arbeit und Lohn noch mehr zu holen sein muß. Von da an war ich nur noch von der Gier getrieben, ihnen alles zu nehmen. Als geeignetes Mittel dazu erschien mir eine planmäßig ausgeweitete Kumpanei mit dem Ziel, auf Insubordination gerichtete Zusammenrottungen hervorzurufen. Das verdichtete sich bei mir zu der ‚Primitivformel :“Der Feind steht immer oben!“‚, wie Clemens Steindl es auf Seite 978 der Nummer 23/24-1972 Ihres Organs so treffend charakterisiert. Das Unbehagen gegenüber dieser Losung und ihre Ablehnung als Vereinfachung teilen Sie übrigens mit Nikolaus Neumann, der in der bekanntlich DKP-nahen ‚Deutschen Volkszeitung‘ meint, mein ‚eigentlicher Feind‘ seien die ‚organisierte Arbeiterschaft, die kommunistischen Parteien und die Gewerkschaften‘. Ich verstehe die Welt nicht mehr! Sie werfen mich mit den Leuten in einen Topf, die mich mit Ihnen in einen Topf werfen.

Doch weiter im Lebenslauf. Das schreckliche Ende des letzten Krieges brachte es ja mit sich, daß unsere Gesellschaft von Aufweichungstendenzen demokratischer, liberaler und selbst sozialistischer Art durchdrungen wurde. Auch ich kam mit solchen Liberalen, Intellektuellen und ähnlichen zwielichtigen Gestalten in Berührung (im Vertrauen: manche waren gar Juden!) Sie stifteten mich an, meine bösen Gedanken zum Zwecke der Verbreitung aufzuschreiben.

Das Ergebnis liegt Ihnen ja vor.

Im Ernst: Wir haben mit Fleiß darauf verzichtet, Daten zur Person des Verfassers zu veröffentlichen, wie es sonst bei Büchern üblich ist. Ich betrachte mich nicht als Schriftsteller. Andererseits habe ich es abgelehnt, ein Pseudonym zu wählen; denn ich kann zu dem, was ich geschrieben habe, stehen.

Wenn Ihnen mein bloßer Name nicht gefällt, hier ein kleiner Tip. Einer meiner früheren ‚Arbeitgeber‘ wüßte plötzlich über meinen Lebenslauf sehr detailliert Bescheid. Er ließ auch durchblicken, dan (s) meine Vermutung, woher er seine Informationen wohl habe, richtig sei. Was einem einzelnen ‚Arbeitgeber‘ möglich ist, dürfte für Sie als Verallgemeinerung des ‚arbeitgeber‘ doch sicher keine nennenswerte Schwierigkeit bereiten.

In der Hoffnung, Ihnen hiermit gedient zu haben, verbleibe ich

mit schönen roten Grüßen

Berni Kelb

Barfoot klopft an den Sargdeckel

(Ein Nachruf auf Berni Kelb von Klaus Wolschner (Taz Bremen)

1971 veröffentlichte eine „Betriebsfibel“ – das war der gesammelte Erfahrungsschatz seiner linksradikalen Betriebsarbeit – zuletzt bei der Maschinenfabrik Kampnagel. „Es geschieht immer wieder, daß Genossen wie du versuchen, in ihrem Betrieb die Belegschaft zu agitieren“, fängt das Buch an. Genau darum geht es: Wie kann man im Betrieb arbeiten, was sollte man lieber nicht machen? Ganz praktisch – und mit hohem Anspruch: „Unsere Arbeit gilt der revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft. Sie hat das Ziel, jede Form der Herrschaft von Menschen über Menschen und die darauf beruhende Ausbeutung zu brechen.“ Kelb kannte auch den „inneren Feind“, die linken Funktionäre. Sein Rat: „Trau keinem, der dafür bezahlt wird!“

Dabei war Berni Kelb einmal Bestseller-Autor, jedenfalls in linken Kreisen, und seine Biografie ist ein Stück Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts: Er stammt aus einer streng kommunistischen Hamburger Arbeiterfamilie. Sein Name wurde Anfang der 70er-Jahre öffentlich bekannt über Bücher, in denen er seine eigene kommunistische Vergangenheit verarbeitete. Schonungslos rechnete er mit dem Pathos der illegalen KPD der Stalin-Ära ab: „Die Mitglieder hatten zwar noch ihren blinden Glauben und guten Willen, aber die bezahlten, illegalen Funktionäre konnten ihnen keine Perspektive aufzeigen. Sie waren in der Situation einer Drückerkolonne, die Ladenhüter verkaufen soll.“

Ein Dokument der Zeitgeschichte aus heutiger Sicht, das damals 4 Mark 50 kostete, heute bei Amazon 39 Cent plus Porto. Irgendwann in den 90er-Jahren stand Berni Kelb dann bei der taz in Bremen auf der Matte. Ein kleines, schrulliges Männchen, das für die, denen der Name nichts sagte, aufgrund seiner nackten Füße auffiel. Auch im Winter.

Natürlich war er nirgends organisiert, wo auch, war ein Einzelgänger. Und wollte dennoch etwas sagen. Hin und wieder haben wir einen Text von ihm gedruckt – zum Beispiel einen Kommentar über das auch damals diskutierte NPD-Verbot.

Ich habe den Namen Kelb über sein anderes Buch kennengelernt: „Organisieren oder organisiert werden. Vorschläge für Genossen links unten“ der Titel. Als die Reste der 68er-Bewegung autoritäre Organisationen gründeten, packte Kelb aus – zur Freude aller antiautoritär gesinnten, undogmatischen Spontis.

Berni Kelb, in den 50er-Jahren strammer Kommunist und bei der illegalen KPD, in den 70ern ein Einzelgänger und Theoretiker der Spontis, ist gestorben. Ein „barfüßiger Prophet und gefallener kommunistischer Erzengel“ war Berni Kelb, ein „Anarcho-Kommunist und Querulant“, das hat der frühere taz-Kolumnist „Urdrue“ einmal geschrieben. Am 5. 12. 2011 ist Berni Kelb gestorben, bitterarm, auch in Walle unbekannt. Bescheiden wie er war, hat er sich auch in seine Einsamkeit gefügt.

„Hitler kam an die Macht, weil die Industrie ihn finanziert hat“, war vor elf Jahren sein Argument. In der NPD sammeln sich dagegen „nur ein paar Psychopathen, wie es sie in jeder Gesellschaft gibt.“ Und dann sein Gedanke: „Antidemokratischen Parteien und Organisationen kommt man mit innerorganisatorischer Demokratie bei.“ Es müsste ein Parteiengesetz geben, das Maßstäbe für Transparenz und innerorganisatorische Demokratie setzt – die dann auch für eine NPD gelten würden.

Klaus Wolschner 9.12. 2011 Taz Bremen

Eine neue Heimat hat Berni Kelb seit den 90er-Jahren in einer Kultur gefunden, in der er aufgewachsen ist: bei den „Plattdeutschen“ und ihren Alltagsproblemen. Wie mit seiner Mutter in der Küche sang er im hohen Alter gern die plattdeutschen Lieder. Rund 50 Theaterkritiken über Aufführungen der niederdeutschen Bühne im Waldau-Theater finden sich im taz-Archiv unter seinem Künstlernamen Bani Barfoot. Und er hat das Schauspiel Rose Bernd von Gerhart Hauptmann ins Niederdeutsche gebracht, eine Tragödie voller Sozialkritik, menschlicher Einsamkeit und erotischer Verstrickung.

Foto: G. Klaut

von Barni Barfoot, erschienen in der Taz Bremen Drama un Komedie

„De Witwenclub“ vun Ivan Menchell: Premiere in de Komödie Bremen (vormals Niederdeutsches Theater)

Aff un an geevt se dor in Walle doch noch wat op Platt. Nu: „De Witwenclub“ vun den Amerikoner Ivan Menchell, na de düütsche Fassung vun Karin Kersten op Platt vun Hans Timmermann. Nich bloots de Autor, ok de Rejiessör (Thomas Wilberger), un de Dorsteller vun den eenzigen Keerl in’t Speel, den verwitweten Slachter Theo (Peter Wohlert) sünd Gäste. Kannst lang över nadenken!

Twee Szenarien gifft dat, – vun Bojan Boev bühnenbildnerisch excelent drapen – op de de Szenen afwesselnd speelen dot. De Komödie vun de dree Witfroons, de dat Stück den Namen verdanken deit, speelt in de Wahnstuuv vun Ida (Elfie Schrodt). Dat Drama – de deepere Sinn vun dat Stück – speelt op ’n Karkhoff.

Dor dreept se sick jümmers, de Dree. Jedeen vun jem truuert op eer eegen Oort. De Een, Doris (Ingeborg Heydorn) föhlt sick verlaaten, de anner, Luzie (Isolde Beilé), bedragen, un de drütte, Ida, eenfach alleen laten.

Un denn kummt de Witwer Theo, de bloots dat Graff vun sien Froo besöken will, jem in de Mööt. Ida kennt em as Kundin, bloots so. Doris kennt em ok. Se meent, dat harr mol meist ’n Afeere warden kunnt. Is dat aver nich worden. Un Luzie, de em gor nich kennt, smitt sick an em ran.

Doröverhen geiht de Fründschaft vun den Witwenclub (in’t Original: Cemetery Club) natüürlich eerst mol koppeister. Man se koomt doch jümmers wedder tohoop. Op’t End op den Karkhoff, as Doris dootbleven is.

Fazit: Dat Stück is ’n vigelienschen Balace-Akt twüschen Komedie un Drama. Wat dor an seelischet Eelend sick afspeelen deit bi den gröttsten Deel vun de Minschheit, wat in dat Öller de Witwen jo sünd is meisterhaft mookt.

Besünners Ingeborg Heydorn speelt eer swore Rull, de so simpel utsüüt, heel inföhlsam. Elfie Schrodt speelt eern Deel meisterhaft, as wi dat vun eer wennt sünd. Isolde Beilé hett eer egens dankbore Rull as Luzie, de an’t Enn leer utgahn deit, ’n beten wat övertrocken. ’N sporsomere Gestik harr mehr brocht.

Technisch: ’n Rejissör schull mehr Moot opbringen, in’n Vörweg ’n poor Överlängen in de Dialogen to strieken. De Soufflöse (Ingrid Frana-Sieweke) hett ’n scheune Stimm, de drägen deit. Un Mildred (Sabine Junge) – dat weet wi nu (dank Lore Schnabel, Kostüme) endlich nau – hett ’n wunnerscheun’n Rüggen.

Barni Barfoot