Hallo Eugen, die Frage ist leicht zu beantworten. Der Erfinder des Namens 3001-Kino ist Leopold Wiemker (Leo Wiemker) gewesen. Er war Leser der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), die wir, die anderen beiden Teilhaber dieser Neugründung, verabscheuten. Las einer die FAZ und nicht die FR (Frankfurter Rundschau), der Liberalität nachgesagt wurde, dann hatte er eigentlich schon verloren. Deswegen hatte sich Leo auch lieber nicht gemerkt, wo er diesen Satz von den Bankfilialen, den Tankstellen und den Kinos gelesen hatte. Ich habe dann lange in den Archiven, natürlich in den falschen Zeitungen nach dem Artikel gesucht und ihn schließlich in einer Veröffentlichung des Hauptverbandes Deutscher Filmtheater e. V. in Wiesbaden gefunden. Ein Buch erschienen 1987. „Das Kino von Morgen“. Auf Seite 37 war dieser Artikel dann abgedruckt. Hier als PDF hochgeladen:
Wie Du selbst feststellen kannst, hatte sich Leo die genannten Zahlen von 1987 nicht richtig gemerkt. Denn dort findet sich das richtige Zitat: „In der Bundesrepublik gibt es heute 4.500 Bankfilialen, 18.000 Tankstellen, aber nicht einmal mehr 3.600 Kinos, deren Zahl im vergangenen Jahr abermals um zehn Prozent gesunken ist.“ Von wegen 3.000 Kinos.
Den Artikel hatte Michael Mönninger 1987 geschrieben. Also waren es 1986, zieht man die zehn Prozent ab: 3.240 Kinos. Und wenn sich der Sinkflug der Kinos 1987 und 1988 (Im Jahr der Namenssuche) fortgesetzt hatte, dann waren es 1987 – 324 und 1988 – weitere 291 Kinos weniger geworden. Also gab es Ende 1988 nur noch 2.916 Kinos, während die Zahl der Tankstellen und den Bankfilialen vermutlich unverändert war. Nur gut, das mit dem Ankauf der DDR 1989 dann wieder Kinos dazu gekommen sind.
Mit anderen Worten: Bei Gründung (bei einem Notar in Cuxhaven, weil Leo um die Ecke in Steinau wohnte) der 3001 Kino Betriebs-GmbH am 13. September 1989 waren es sicherlich nicht 3000 Kinos in der Bundesrepublik gewesen. In der Broschüre des HDF e. V. (Das Kino von morgen) war auch ein Text über das Zeise Kino abgedruckt, verfaßt von den Architekten Peter Wiesner, Ties Jentz, Heiko Popp und Jens Störmer, die sich Planungsgruppe „Me di um“ nannte.
Für den Artikel gab es immerhin eine Prämie von 6.000,00 DM. Daran kannst Du auch sehen, mit welcher Sorte Texte man damals Geld verdienen konnte. Deshalb habe ich meinen Kommentar von damals auch nicht übergemalt. Zwei Jahre später 1993, wurde das Zeise Kino eröffnet. Das große Kino war ganz schön geworden. Als der Kinotechnicker aus Kiel dann den Vorführraum gesehen hatte, in den er drei Projektoren und drei Gleichrichter einbauen sollte, hatte er kurzzeitig überlegt, ob es nicht besser sei, den Beruf zu wechseln.
Hat er dann aber nicht gemacht. Und eine Anekdote hat sich seither auch erhalten: Mein Freund, der Kinotechniker Detlev Lehmann, hatte sie erlebt und von ihr berichtet. Als der Kinotechniker aus Kiel, am Boden kriechend und fluchend über den Platzmangel, stand der Architekt, Peter Wiesner, der diesen viel zu kleinen Vorführraum zu verantworten hatte, an der Tür und lobte sich selber in den höchsten Tönen. Der Kinotechniker, der nicht wußte, wer das war, der das Kino da so lobte, hielt nicht an sich und konterte: „Ja, nur Scheisse, das man hier auch noch einen Projektor aufstellen muß.“ Diese Antwort hatte den Architekten Peter Wiesner so empört, das er sich bei der Firma Ernemann in Kiel über ihn beschwert und gefordet hatte, daß dieser Mann ausgetauscht werden solle, was dann auch geschah. Er hat nie erfahren, welchen großen Gefallen er dem Mann damit gemacht hatte.
Hallo Wiebeke, Apropos Wikipedia, Du wolltest wissen, wie es zu dieser Falschinformation bezüglich der Gründer des 3001 Kinos kommt? Das ist ganz einfach: Die Wikipedia Leute beziehen sich auf ein Interview, das eine Taz Redakteurin (Annette Bolz) mit mir zum Dreijährigen Geburtstag des Kinos geführt hatte (1994). Der Wikipiamensch, der dieses Interview zitiert, aber nicht präsentiert, hat das leider falsch verstanden, das mit den Gründern. Und damit das nicht alle Zeit so bleibt, habe ich diesen Zeitungsartikel für Dich heruntergeladen und da isser schon: (in der Taz Hamburg erschienen am 28.4.1994) Unter der Überschrift: “Schräg und Starrsinnig.Ein Rückblick zum Dreijährigen des 3001-Kinos“ Am ersten Mai wird das 3001-Kino im Schanzenviertel drei Jahre alt. Die taz resümiert mit Jens Meyer, einem der Gründer.
taz: Wer steckt hinter dem 3001? Meyer: Wir sind ein reines Männer-Kino: Außer mir machen noch Rainer Krisp und Thomas Schröder mit. Rainer habe ich im Zentral-Film-Verleih kennengelernt, das war damals der erste Polit-Verleih. Später, von 1982 bis 1990, haben wir das Duckenfeld in der Oelkersallee (64) gehabt. Das mußte dann wegen des Gebäude-Abrisses schließen. Damals hatten wir 23 Sitze im Kino . Wieviele hat denn das 3001? 96. Und die Sternchen an der Decke haben wir selbst gebaut.
Schreibt ihr schwarze Zahlen? Rein rechnerisch nicht, wegen der hohen Abschreibungen für die Investitionskosten, aber im Prinzip trägt sich der Laden, wir können gerade davon leben. Welches Ziel hattet ihr vor drei Jahren, als ihr anfingt? Angefangen haben wir als frustrierte Kino-Besucher. Wir dachten, es gibt 100 Kinos in Hamburg, davon gehören 90 Prozent zwei Besitzern, und dann laufen dadrin 30 Filme. Das langweilte uns. Wir wollten mehr und andere Filme zeigen. Aber tatsächlich gibt es nicht so viele, die das auch langweilt. Die meisten Leute wollen doch die neuen Filme sehen, so schlecht sie auch immer sein mögen. Habt ihr nach dieser Erkenntnis das Programm geändert? Heute durchmischen wir das Programm mit neuen Filmen, weil wir reicher werden wollen. Bei „Mrs. Doubtfire“ hast du die Bude voll, bei alten Filmen kommen nur 30 Leute. Wir stolpern über unsere eigenen Füße. Früher wollten wir einen Film nur eine Woche lang zeigen, doch die Verleih-Verträge zwingen uns, neue Filme mindestens vier Wochen zu zeigen, mit Verlängerung, wenn das Kino immer noch voll ist. Wir müssen das aber noch diskutieren, ob wir uns darauf einlassen wollen. Seit (d) ihr auch inhaltlich von euren Zielen abgegangen? Damals wollten wir alles zeigen, was uns gefällt und sonst nicht gezeigt wird. Wir haben als Wunschkino angefangen. Das haben wir uns aber abgeschminkt. Denn unsere Zuschauer-Zahlen steigen zu langsam: Im ersten Jahr kamen 15.000, im zweiten 25.000 und im dritten 35.000 Leute. Bei der Polit-Film-Reihe werden wir manchmal aber überrascht, da sitzen dann nicht bloß die zehn Hanseln, die wir schon kennen. Bleibt die Programm-Struktur? Die Dokumentarfilme werden weiterhin alle 14 Tage gezeigt, das Lesben-Kino findet nur noch einmal im Monat statt. Die Frauen sind frustriert von der Arbeit: Nur wenn sie „Thelma und Louise“ zeigen, dann kommen viele. Welches Publikum kommt? Wir haben eine Menge Stammkunden, aber es kommen auch immer wieder neue Leute, die fragen, wo das Klo ist, wo der Eingang ist und wie das mit den Eintrittspreisen ist. (Anmerkung der Red: Im 3001 liegt der Eintritt zwischen 8 und 12 Mark, je nach Einkommen.) Die Armen finden das großartig, und die Reichen kommen nicht zu uns. Seht ihr euch als politisches Kino? Nein. Das 3001 ist nie eine Erziehungs-Anstalt gewesen. Ich habe Angst vor einem belehrendem Charakter. Die Dokumentar-Filme sind allerdings eine Marotte von uns. Schräge und starrsinnig und sind wir auch beim Kinderprogramm, da sind wir seit drei Jahren richtig erfolglos. Was plant ihr für die Zukunft? Ich überlege, ob wir das 3001 nicht mit einem Erstaufführungskino kombinieren sollten, dann kannst du richtig Geld verdienen. Aber die beiden anderen wollen nicht so recht. Gibt es eine Geburtstagsparty? Nee. Aber wir zeigen um 21 Uhr die Schanzenrolle. Das sind 90 Minuten aus 40 Spielfilm-Trailern, in denen die Filme kurz angekündigt werden. Ein paar Kurzfilme sind auch dabei, wie „Goofy in Afrika“ und eine alte UFA-Wochenschau mit Erich Honnecker. Eine komische Mischung. Nein. Das sind gute Trailer von guten Filmen, die lustig und witzig sind. Und der Eintritt – da haben wir eine Preistafel von 1961: 2,60 Mark für Arme, 3,20 für Reiche. Und danach kommen die Blues Brothers. Fragen: Annette Bolz
Aus meiner Antwort: “Außer mir machen noch Rainer Krisp und Thomas Schröder mit,“ hat Wikipedia den Schluß gezogen, diese drei Personen seien die drei Gründer. Dem war aber nicht so! Gründer waren: Leopold Wiemker, Rainer Krisp und eben meine Wenigkeit, weil nicht jeder Esel nennt seinen eigenen Namen zuerst. Eine Korrektur der Falschinformation von Wikipedia fand ich dreissig Jahre lang nicht so wichtig. Aber jetzt wo Leo, wie wir ihn immer genannt haben, schon bald zwanzig Jahre tot ist, sollte das mal korrigiert werden, man gönnt sich ja sonst nix J.
Günther Thews, aidskranker Kabarettist und Ex- „Tornado“ über seine letzte Kommunalwahl, einem Wunschbürgermeister für Kreuzberg und das Nichts im Berliner Zentrum. Das Interview erschien am 25. Mai 1992 in der TAZ. Die Fragen stellte Mathias Bröckers.
taz: Günther, das ist ja nun deine letzte Kommunalwahl …
Günther Thews: Na Gott sei Dank ist es die letzte. Diese Wählerei ist mir ja schon länger zutiefst suspekt, und ich habe mich schon immer gefragt, warum will einer überhaupt Politiker werden, sich hinstellen im grauen Anzug und Schlips und sagen: „Ich weiß, wo’s lang geht, ihr müßt mich wählen.“ Die Motivation für einen solch schmierigen Job ist mir ziemlich rätselhaft.
Du bist also ein klassischer Nicht-Wähler?
Die Partei der Nicht-Wähler ist ja hochinteressant: Erst mal ist es ja schon so ziemlich die größte Partei, und dann, das ist das Wichtigste, sind da alle drin: Rechte und Linke, Dicke und Dünne, Intelligente und Blöde — wenn so ein Skin aus dem Osten nicht wählen geht, ist das ein anderer Ausdruck, als wenn hier ein linker Intellektueller vier Nächte über die Frage gesoffen hat: „Geh‘ ich nun hin oder nicht?“ Der Skin bleibt zu Hause, weil er den Wahlzettel nicht lesen kann und nicht weiß, wo er sein Hakenkreuz für den Führer hinmachen muß — der kritische Linke hier hat natürlich ganz andere Gründe. Und wenn man sich dieses Spektrum anguckt, repräsentiert die Partei der Nicht-Wähler wirklich die Bevölkerung, die Nicht-Wähler sind also die eigentliche Partei der Mitte.
Aber ist einfach Nicht-Wählen nicht auch ein bißchen einfallslos?
Ich habe mir ja auch schon überlegt, ob wir nicht Alternativen haben— so wenig wie die Politiker bewegen, könnte man ja glatt auch wieder Magier, Kartenleser, Regenmacher usw. einsetzen, das heißt, wir wählen hier einen Kreuzberger Bezirks-Schamanen, der unsere Geschicke lenkt. Aber so einen wie den SPD-Kandidaten Peter Strieder? Nee, den würde ich nur wählen, wenn er wirklich macht, was ich mir vorstelle, und zum Beispiel erlaubt, daß auf Immobilienhaie mit Damenrevolvern geschossen werden darf oder für ein quasi autofreies, knastfreies, drogenverbotsfreies Kreuzberg sorgt oder hier zumindest mal lokal realisiert, was schon Willy Brandt für die ganze Welt wollte: Kinderrepubliken, also im weitesten Sinne UFA-Fabrik-ähnliche Kommunen.
Du bleibst also am Sonntag zu Hause?
Ja wie komme ich denn dazu, die Drecksarbeit der Politiker, ihre Korruption und Eitelkeit, auch noch zu legitimieren, indem ich in eine langweilige Schule gehe und mein Kreuz mache? Wenn ich mir schon dieses sogenannte Wahllokal ansehe — da habe ich aber ’ne ganz andere Wahl für’n Lokal.
Hast du denn eine Prognose?
Erinnern wir uns an unseren Freund Wolfgang Neuss: „Der Berliner ist hinterfotzig“ — also Vorsicht bei Prognosen. Viel interessanter ist doch die Frage: Warum haben eigentlich die Schimpansen keine Kommunalwahl, und warum brauchen wir so etwas? Also wenn jemand öffentlich fordern kann, die Oberbaumbrücke sechsspurig zu untertunneln, Unter den Linden achtspurig zu untertunneln, wenn man solche Visionen frei äußern darf, ohne dafür gleich einen in die Fresse zu kriegen — dann kann ich doch auch so phantastische Sachen fordern wie Bezirks-Zauberer für Kreuzberg. Ganz grundsätzlich für Demokratie und Wahlen gilt natürlich: Was soll ich mich beherrschen lassen, wenn ich mich kaum selbst beherrschen kann?
Von wem würdest du dich denn am liebsten beherrschen lassen, wenn überhaupt?
Na auf keinen Fall von Leuten wie Heinrich Lummer. Alle reden von Stolpe, aber ein Typ wie der kleine Lummer, ein echter IM, der auf Kosten der Stasi in Prag bumsen geht und bei den konspirativen Treffen bestimmt nicht nur Witze erzählt hat, der flutscht durchs Netz. Aber gucken wir doch mal, wer alles schon Kreuzberg regieren wollte: Cäsar wollte schon mal ganz Germanien beherrschen, Napoleon hat es ’ne Weile versucht, Coca-Cola hat sich jetzt einigermaßen festgesetzt, und jetzt kommt da so einer wie Striebel oder Strieder, und meint, er wüßte, wie man das macht. Also nee.
Du hast also keinen Wunschbürgermeister?
Doch. Ich wüßte einen, den wir ganz dringend importieren müßten: den Bürgermeister von Bangkok. Ein Spitzenmann, der früher General war und jetzt in der buddhistischen Tunika rumläuft und die Stadt regiert. Ein echter Erleuchteter, der sein ganzes Geld gleich an die Armen weitergibt, morgens um vier aufsteht und meditiert und dann schon mal zwei Stunden den Straßenfegern beim Saubermachen hilft, nicht als Presse-Show, sondern ganz selbstverständlich. Einer, der an seinem lächerlichen Ich nicht hängt, der die Identität als Bürgermeister nicht braucht und dem die Bevölkerung deshalb zutraut, daß er nicht korrupt ist. Und jetzt sitzt er im Knast. Da müssen wir ihn dringend rausholen und am besten als Asylant und Wunschbürgermeister gleich nach Kreuzberg einladen.
Kreuzberg — das wäre aber doch ein Abstieg, ganz Berlin scheint mir eher angemessen.
Der Senat kann ihn uns ja dann abkaufen, gegen Ablösesumme. Ich vermittle das gern, als Vermittler eines wahrhaft Unbestechlichen darf man ja ruhig ein bißchen Provision kassieren. Aber im Ernst: So ein Mann wäre ein Segen für die Stadt. Nimm nur mal den Potsdamer Platz. Der wird jetzt mit Bürohäusern betoniert, man weiß jetzt schon, es wird grauenhaft, obwohl die teuersten und besten Architekten der Welt am Werk sind. Ein Buddhist als Bürgermeister würde da sagen: Ja Mensch, seid ihr wahnsinnig, ihr seid die einzige Stadt der Welt mit einem leeren Zentrum, und das knallt ihr euch jetzt mit Autos und Beton voll??? Das Nichts in der Mitte, das leere Zentrum ist es doch gerade — nur das strahlt doch etwas aus.
Das werden unsere Christen und Sozialen nicht kapieren.
Na ja, man könnte aber doch mal zeigen, daß man nach 5.000mal „Tagesschau“ etwas gelernt hat — zwischendurch tritt ja selbst in der „Tagesschau“ ab und an die Wahrheit zutage. Aber das letzte, was unser SPD-Kandidat gelesen hat, um seine Visionen zu schärfen, ist ein Perry- Rhodan-Heft, als er im Krankenhaus lag. Wann soll sich denn die Phantasie eines Politikers entwickeln: Die gehen zur Schule, Bundeswehr, studieren Jura oder Verwaltung, sitzen dann in einem langweiligen Büro herum und sollen dann plötzlich ’ne Vision für die Stadt haben. Wo soll die herkommen, frage ich? Nicht mal ’ne bewußtseinserweiternde Pflanze nehmen sie da, sondern höchstens Schlaf- und Aufputschmittel. Deshalb müssen dringend diejenigen mit der politischen Arbeit betraut werden, die für Visionen und Phantasie hauptberuflich zuständig sind: die Künstler.
Soll dann Ben Wargin entscheiden, ob wir ’nen Jäger 90 kriegen oder nicht?
So direkt ja nun auch wieder nicht. Aber eine Art runden Tisch von allen kreativen Leuten — und die suchen sich denn irgendeinen smarten, dußligen Politiker, der ihre Beschlüsse perfekt auosführt. Der wird direkt bezahlt, und wenn er nicht spurt, fliegt er raus wie in der Bundesliga. Nun können die Künstler ja auch nicht immer viel miteinander anfangen — aber jeder hat in seinem Bereich eine Vision entwickelt und kann am runden Tisch kundtun, wie er sich die Welt als großes Kloster denn so vorstellt. Die Politiker führen dann nur noch aus. Ich glaube, daß ist unsere einzige Chance, eine Antwort darauf zu finden, wo es langgehen muß. In meinem Krimi hier habe ich gerade einen guten Satz gelesen: „Wenn du die Antwort nicht findest, mußt du selber die Antwort werden.“
Welches Lied ich ihm singen würde? Eins ohne Ort jedenfalls, leicht in Amsterdam oder Nyon, im Schiff oder Flugzeug zu pfeifen, ein Lied zum Mitnehmen, das nach Leder schmeckt, nach „bitte noch einen Manhattan, Herr Wirt“ und eins, das auch nach der neuesten Aidstoten-Statistik noch hörbar wäre. Man müßte es auch zu mehreren, aber vor allem während des Tippens, Telefonierens oder Filmeinlegens summen können. Salzgeber, Deutschlands mutigster Filmverleiher, Filmaktivist, Film- Passionario, ist am Freitag morgen in einem Berliner Krankenhaus im Alter von 51 Jahren an Aids gestorben.
Solche wie ihn, ein Zufallskind, mitgeschleppt aus Lodz nach Stuttgart auf der Flucht vor den Russen, nannte man im Schwäbischen „Neigschmeckte“. Der floh ins Kino, als Dreijähriger schon an Omas Hand in „Brüderlein fein“ (so daß man sich nicht wundern muß, wenn er sich in den sechziger Jahren nicht zu schade war, den Studenten nachts um drei den „Förster im Silberwald“ zu zeigen). Lesen, lesen, Milchflaschenpfand in Kinokarten umsetzen, Mutters Deutsch in den Briefen ans Wohnungsamt korrigieren – Salzgeber ist ein Steher gewesen, und es ist mir ein Rätsel, wieso das nie penetrant war; wieso man ohne Umschweife schluckt, daß er das erste Western-Lexikon als 14jähriger mit achthundert Anmerkungen vollgekritzelt hat, weil er die Fehler von Leuten korrigieren mußte, die die Filme im Gegensatz zu ihm eben nicht gesehen hatten.
„Ich hatte im Kino immer einen Blick für die Titten Gary Coopers, Robert Mitchums und anderer Ektoplasmen; als ich das dann mit anderen Kindern durchsprechen wollte, wurde mir schnell klar, daß ich nicht nur ein Neigschmeckter war, sondern auch noch ein Schwuler.“
Ab also nach Berlin: mit einer halben Schauspielschule und der abgeschlossenen Buchhändlerlehre in der Tasche fing er bei Marga Schoeller an, was damals, in den frühen Sechzigern, einer von Berlins mobilsten Buchläden war. Er reiste mit William Burroughs durch die Lande. Von seinem Schreibtisch aus organisierte er die ersten Kopien für das neu gegründete Arsenal, ein kommunales Kino, von einem Kollektiv betrieben. Als mal keine Eintrittskarten mehr da waren, gaben sie hartgekochte Eier an die Gäste aus, die allerdings ordentlich gestempelt und dann im Kino gegessen wurden. Alle machten wirklich alles und Manfred ein bißchen mehr: Putzen, Projektor bedienen, Karten abreißen. Was er mochte: Science-fiction, CinemaScope, Paris, Chaplin: als „Monsieur Verdoux“ am Kudamm floppte, zeigte er ihn im Dahlemer Bali, seinem Kino, unter dem Originaltitel sechs Monate lang, und ging später zu den Chaplins, die ihm die Filme für die erste komplette Chaplin-Retro Deutschlands gaben. Georg Kloster, Berlins Programmkino-Mogul, war noch bei Salzgeber Kartenabreißer gewesen; es hat ihn nicht übel verbittert, wie Leute „ohne Eier“ ihn schließlich finanziell überflügelten.
Lange hat er es mit den „Freunden der Deutschen Kinemathek“ nicht ausgehalten: „Aus dem Kollektiv wurden schnell Herr und Frau Direktor – mit Villa im Grunewald“, hat er später geflucht. Salzgeber wollte eine Reihe zum Thema Palästina veranstalten, mit israelischen und palästinensischen Filmen, und als ihm daraufhin Antisemitismus vorgeworfen wurde, verabschiedete er sich vom Arsenal.
Von seinem Coming-out hat er nie viel Aufhebens gemacht. Eines Tages, in den späten Sechzigern, kam Alf Boldt – ein Mit-Kollektivist und Berliner Underground- Film-Connaisseur, der vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls an Aids starb – mit dreißig roten Rosen in die Buchhandlung gestapft und fragte laut nach Frau Salzgeber. Die Kollegen applaudierten, und das war das.
Kurz darauf ging er mit Rosa von Praunheim und dessen Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ auf Tour durch achtzig große Städte. Es ist der Film mit der längsten Männerkußszene der Filmgeschichte: Viereinhalb Minuten waren es im Original, im Fernsehen dann 45 Sekunden, die Nation war außer sich. Der Küsser: Manfred Salzgeber.
Stammheim hat ihn einstweilen aus Deutschland vertrieben. Manche von den RAF-Aktivisten hatten mit ihm nachts im Bali gesessen und „Viva Maria“ gesehen. Als er einmal mit Dreitagebart aus dem Haus getreten und von jemandem beschimpft worden war: „Dich haben sie wohl zu vergasen vergessen“, zog er nach Amsterdam.
Moritz de Hadeln, der Leiter der Berliner Festspiele, hat ihn dann wiedergeholt. Salzgeber sollte die „Infoschau“ übernehmen, ein damals brachliegendes Parallelprogramm zum „Forum“, das erst durch Salzgeber das Panorama-Profil des ungekämmten Minderheitenkinos bekam: Filme wie „Together Alone“, der wohl schönste Aidsfilm der Welt, oder „Dialogues with Mad Women“, der ermutigendste Film für Paranoikerinnen, kamen unter seiner Regie nach Berlin.
1985, als er längst höchst alarmiert war, stellte er fest, daß kein Verleih sich wagte, „Buddies“, den ersten expliziten Aidsfilm, in die Kinos zu bringen. „Dieser Film kann Leben retten“ – sprachs und gründete prompt seinen eigenen Verleih: die „edition Manfred Salzgeber“, die mittlerweile über den Dächern des gutbürglichen Steglitz thront, mit kleiner Terasse, die Manfred Besuchern als Kirsche auf der Sahnetorte präsentierte. Es ärgerte ihn Tag und Nacht, daß die Aidshilfen lieber schlechte Kopien von Pressebändern dieser Filme zogen, als sie bei ihm zu leihen und damit Filmemacher zu unterstützen. „Die Vorstellung, daß Derek Jarman [inzwischen auch verstorben, d.R.] krank in einer kleinen Bude in London hockt und seine Miete nicht bezahlen kann, während die Aidshilfen für Staatsknete Hochglanz-Broschüren drucken lassen, macht mich wahnsinnig“, hat er mir einmal im Interview gesagt (taz vom 11.3. 1993).
Wahnsinnig gemacht hat ihn auch die deutsche Filmförderung (wen die nicht den Verstand kostet, der hat auch keinen zu verlieren). Lange hat er sich geweigert, Verleihförderung zu beantragen; aber bestimmte Projekte gingen eben nicht ohne. „Inzwischen muß der Kinoverleih, an dem unser Herz hängt, ohnehin durch Videoproduktion, Ankauf von Fernsehplätzen und Lizenzhandel gestützt werden“, sagt Björn Koll, einer der Erben aus Salzgebers schwuler Familie.
Vorsichtig äußern sie Zuversicht; schon seinetwegen wollen sie weitermachen. „Aids“, sagt Kurt Kupferschmid, „hat ihn vor allem geärgert. Wenn sein Körper nicht wollte, daß er ins Babylon fährt und Gus van Sants ,Mala Noche‘ vorstellt, dann hat er ihn eben gezwungen: halbe Flasche Sekt, paar Aspirin, und ab ging’s.“ Daß Leute manchmal so verrückte Sachen machen wie Seeurlaub oder „drei Tage im Grünen“ hatte er zwar mal irgendwo gehört, aber doch nie erlebt. Ist das nie jemandem auf die Nerven gegangen, hat das nicht was Protestantisches? „Nein, hat es nicht“, meint Kurt, „mir ging es mal drei Wochen lang sehr schlecht, da kannten wir uns noch gar nicht richtig, da hat er mich jeden Tag angerufen, auch von unterwegs aus. Wenn es einem schlecht ging oder man wollte ficken gehen, war er völlig einverstanden. Bloß simple Erholung, das ging nicht in seinen Kopf.“
Er selbst war in der Lederszene zu Hause, aber in der ohne Uniformen, und eher parlierenderweise am Thresen als in der Klappe. Welchen Film ich ihm spielen würde? „Together Alone“ ganz sicher, ein Zwiegespräch in Moll und Dur und Angst und Witz, in das Manfred Salzgeber ebenso leicht hineingeglitten wäre wie in einen samtroten Kinositz. Mariam Niroumand
Nächsten Mittwoch um 11.30 Uhr findet im Berliner Filmpalast eine Trauerfeier statt, auf der noch einmal „Blue“ von Derek Jarman gezeigt wird. Statt Blumen wünschte sich Salzgeber einen Beitrag für die Arbeit mit Aidsfilmen. Konto 390 871 7402, H.Herdege – Sonderkonto Salzgeber, Volksbank Göttingen, BLZ 260 900 50. (Vermutlich gibt es dieses Konto nicht mehr)
Der Artikel gefällt mir immer noch und die falsche Überschrift hat vermutlich wer anders geschrieben. Aber mit dieser Überschrift findet vielleicht die nächste Suchgeneration den Nachruf nicht. Manfred hätte bestimmt nichts dagegen gehabt und waere mit dieser Hochladung bestimmt einverstanden gewesen, habe ich mir eingeredet. Nur das Bali Kino ist keineswegs in Dahlem, sondern damals und auch heute noch in Zehlendorf. Am S-Bahnhof Zehlendorf, geführt von einer würdigen Nachfolgerin. Einer Neigschmeckten, die von einem Kino aus Mannheim kam.
ich hoffe, dass du gut da oben angekommen bist – wie sieht es denn da auf deiner Wolke so aus? Bist du ein wenig glücklich, diesem hier unten waltenden Irrsinn endlich entkommen zu sein? Deine Bea, deine Schauspieler und ich müssen hier noch etwas ausharren. Na gut, wir können hier Sekt, Bier und Wein trinken, um unsere Trauer seit deinem Verschwinden von diesem Kampfplaneten durchzustehen.
Du weißt ja, ich habe viele Jahre nicht weit von Berchtesgaden gelebt. Wenn ich da mal so einen wie dich getroffen hätte, wäre ich nicht auf den Gedanken gekommen, dass du ein echter Bayer bist. Denn der wirklich echte Bayer ist klein, ja gedrungen, dunkelhaarig und zuweilen dick, na gut, weil er viel Schweinefleisch isst und viel gutes Bier zu trinken vermag. Du warst rothaarig. Und die Rothaarigen sind ja immer etwas den schwarz-, blond-, braunhaarigen und Glatzen stets ein paar Schritte voraus.
Auch
Du! So lange ich noch nicht ganz dement bin, versuche ich mal ein
paar Geschichten aus unserer gemeinsamen Vergangenheit zu erzählen.
Kannst du mich hören und verstehen? Wenn nicht, bringe ich dir
diesen Brief mal später da nach oben mit. Also, kennen gelernt haben
wir uns um 1971. Du kamst, wenn ich nicht irre, mit Rainer März in
meine WG in der Schöneberger Bülowstr. 29. Rainer kannte ich aus
der Kreuzberger Stadtteilgruppe, und wir wohnten ein halbes Jahr etwa
in einer WG von einem Psychiater in der Kreuzberger Görlitzer
Straße. Egal.
Jedenfalls
hast du dich bei uns mit meinen Mitbewohnern Wanda, Cornelius,
Rainer, Ilse, Konrad und dem Luxemburger René schnell eingelebt. Und
noch bis vor ein paar Wochen hast du mir immer wieder, sobald das
Wort Bülowstraße erklang, von deinem selbstlosen Arbeitseinsatz bei
mir erzählt. Du hattest auf meine Bitte hin, Fotos aus
Spiegelheften, Konkret’s, Stern’s usw. ausgeschnitten und in
einen Leitzordner fein säuberlich eingeordnet. Diese Akten habe ich
noch immer. Es handelte sich da meist um politische Motive,
Vietnamkrieg usw. Diese Bilder brauchten wir zuweilen für unsere
Kreuzberger Stadtteilzeitung.
Und da
fällt mir noch etwas sehr Lustiges ein. In diesen linken
Konkret-Heften, die damals in den siebziger Jahren ein Klaus Rainer
Röhl, der damalige Ehemann von Ulrike Meinhof, herausbrachte, wurden
neben politischen Themen immer häufiger auch Nacktfotos
veröffentlicht. Und beim Ausschneiden kam dir eines Nachts, wann
auch sonst, der Gedanke ein gutes Geschäft mit der Produktion von
Pornopuzzles zu machen. Du hast dann einfach diese Sexbilder nebenher
auch ausgeschnitten, dann auf Pappe geklebt und mit der Schere
wahllos zerschnitten.
Dann hast
du, ich weiß nicht mehr in welchem Presseorgan, eine Anzeige mit dem
Text: „Pornopuzzles zu verkaufen, DM 9,99“ aufgegeben, dann
folgte Adresse und Postscheckkontonummer. Und du hast dich über die
ersten Bestellungen sehr gefreut, ja was macht man nicht alles, um in
einer Großstadt wie Berlin zu überleben. Du hast es immer wieder
geschafft. Dann verschwandest du plötzlich mit Rainer nach England.
Clemens Kuby hatte da wohl eine Connection zu einer
britisch-revolutionären Filmcrew mit dem Namen „cinema action“.
Dort in
London sollst du dich nach Aussage von Rainer März in eine hübsche
Brasilianerin verknallt haben. Okay, warum auch nicht, aber du kamst
wieder in die Frontstadt zurück und bewarbst dich an der Film-und
Fernsehakademie am Theodor-Heuss-Platz. Und sie haben dich ohne
Abitur und Studium dort aufgenommen. Diese Akademie stand unter
starken Druck der linken Studenten, und diese bevorzugten Menschen
aus proletarischen Verhältnissen.
Deine
Eltern waren ja, nach deinen Schilderungen, nicht unbedingt Proleten.
Beide Elternteile arbeiteten in der Gastronomie und in der Verwaltung
von Altersheimen. Warum Dein Vater mit dir nicht klarkam, habe ich
erst verstanden als ich von dir hörte, dass du in Berchtesgaden mit
verrückten Kumpels über Autodächern gelaufen bist. Und dann
irgendwann seid ihr betrunken nach dem Besuch in einer Disko gegen
einen Baum gefahren. Du warst der Einzige von vier Mitfahrern, der
dieses Unglück überlebte. Dieses Erlebnis hat lange Jahre bei dir
in der Weise nachgewirkt, dass du eigentlich keine richtige Angst
mehr vor dem Tod hattest. Aber auch vergessen konntest du nie, dass
dein Vater als Strafmaßnahme oft ein Jahr nicht mehr mit dir
gesprochen hat oder er dich oftmals zwang, gemeinsam mit eurem Berner
Sennenhund zu speisen.
Okay,
vergessen wir diese Psychoerziehung deiner Eltern. Nach einer Lehre
als Physiklaborant zog es dich aus der Enge Berchtesgadens nach
Berlin. Dort angekommen musstest du erst einmal deine Brötchen als
Tagelöhner verdienen, hast in zehn Meter Höhe mit einer verrosteten
Motorsäge Bäume von Reichen in Zehlendorf beschnitten und vieles
andere mehr, aber das Medium Film hat dich irgendwie immer
fasziniert. Ich habe um diese Zeit herum in Kreuzberg auf dem
Bethaniengelände mein Medienzentrum aufgebaut, und so hatten wir
auch beruflich eine freundschaftliche Nähe.
Weißt du
noch, 1971 wurde damals ein Schwesternwohnheim, das Martha Maria
Haus, auf diesem Gelände von Trebern und Jugendlichen aus dem
Kreuzberger Kiez besetzt. Es wurde in Georg-von-Rauch-Haus umbenannt,
und bis heute seit 1870 steht auf seinem Eingang der Spruch „Eins
tut not “. Du hast auf der Film-und Fernsehakademie eine Suzanne
Beyeler kennen gelernt, eine Schweizerin, und mit ihr und deinen
alten Kumpel Rainer März, der es ein Jahr später mit deiner Hilfe
auch auf dieser Filmschule geschafft hat, starteten ihr Drei einen
Dokufilm über genau dieses besetzte Haus.
„Allein
machen sie dich ein“, nach einem Rio Reiser Text, habt ihr euren
ersten Schwarz-Weiß-16mm-Film benannt. Ein
paar Jahre später hast du mit einen deiner Mitstudenten, Johannes
Flütsch, einen sehr witzigen Film über einen Automatenspieler
gedreht. Dieser Spieler mit Namen Diethard Wendtland konnte mit
seiner speziellen Begabung Spielautomaten der Marke „Monarch“ in
kurzer Zeit total leerfegen. Für diesen Film, produziert von Regina
Ziegler, hast du mit Johannes einen Bundesfilmpreis erhalten.
Waren
eigentlich bei dieser Preisverleihung deine Eltern nach Berlin
gekommen? Ich glaube eher nicht. Dabei war es doch für dich ganz
wichtig, deinen Eltern in Bad Aibling zu zeigen, dass du kein Looser
mehr bist. Du hast mir erst vor ein paar Wochen erzählt, dass du
richtig Geld erst nach deinem 40. Geburtstag verdient hast. Du
wurdest am 22. September 1944 im Bombenhagel von Augsburg geboren,
und demnach hast du erst in den Jahren 1984/85 so viel verdient, dass
du auch mal in den Urlaub fahren konntest.
1985
haben wir zwei an zwei Projekten gearbeitet, einmal ein Film über
ehemalige Rauchhausbewohner mit Rolf Zacher als Karl Marx und
Marianne Enzensberger als seine Jenny, Musik Rio Reiser, und einen
zweiten Dokufilm über eine Miss Germany, die mit einem Polizisten
verheiratet war. Dieses Eheverhältnis hat dich sehr interessiert,
und Harun Farocki hat das Exposé verfasst. Es war eine
ZDF-Produktion. Und bei diesen Dreharbeiten, du Regie, Kamera David
Slama und Ton ich, haben wir im Grunde jeden Abend nach Drehschluss
nur noch gelacht, weißt du noch, als in Luxemburg dieser
Miss-Germany-Preis verliehen wurde und ein Gunter Sachs im Hotel
erschien und total überschminkt die Kandidatinnen abzutätscheln
versuchte, und die haben sich das auch noch gefallen lassen.
Diese
Preisverleihung wurde vom RTL aufgezeichnet, und wir durften deshalb
für das ZDF nur ganz wenige Bilder nach Deutschland mitnehmen.
Lustig war auch, dass du vor Drehbeginn einen alten Ford für unsere
Dreharbeiten erworben hast. Mit diesem klapprigen Gefährt sind wir
bis Paris gefahren, um eine alternde Miss Germany zu interviewen. Auf
den Weg dahin blieb unser Oldtimer ständig stehen, und unsere
Altmiss hatte im Hinterhof ein kleine Werkstatt, die spezielle
Spionagegeräte herstellte und in Paris an diverse Agenten verkaufte,
abschließend lud sie uns zum Essen ein, sie im Porsche und wir
ständig anschiebend in unserem Freakford als Abgesandte des ZDF’s,
und in dem teuren Restaurant winkte sie ständig dort speisenden
Agenten zu.
Denn das
hier war ihr Vertriebsnetz, wir wollten dann auch nicht mehr wissen,
wie so ehemalige Miss heute ihr Leben finanzieren. Mein
Waterloo-Erlebnis mit dir hatte ich Ende 1989, weißt du noch, ich
wohnte mal für zwei Jahre in Oldenburg. Und irgendwie hatte die
Berliner Delta-Filmproduktion die Idee, einen Kinofilm zum Thema Stau
in Fahrt zu bringen. Du solltest mit mir das Drehbuch entwickeln und
kamst nach Ostfriesland, und wir mieteten dort auf so einem komischen
Freizeitgelände ein kleines Häuschen an und begannen sofort mit der
Arbeit.
Kurz und gut, ich hatte unter anderem die Idee, dass unter anderen Urlaubern auch ein Finne mit einem Holzauto in diesen Superstau in Bayern fährt. Du fandest diese Idee auch sehr charmant und lustig. Aber dann kam der Produzent Richard Claus nach Oldenburg, und als er das mit dem finnischen Holzauto las, fuhr er schnurstracks wieder nach Berlin zurück. Keine Diskussion, Thema verfehlt – setzen, Möbius!
Du hast ja
dann später noch mal sehr komödiantisch abgemildert mit Gerd Weiss
dann doch noch diesen „Superstau“ unter reichlich viel Stress
abgedreht. Aber schon 1990 kamen wir wieder zusammen, und ich
bastelte dann an ein Drehbuch von einem DDR-Autor herum. Der Film
hieß später „Grüß Gott Genosse“. Deine NDR Produzentin Doris
Heinze war ja mit deiner Arbeit immer sehr einverstanden, und so
bekamen wir auch den Auftrag, eine neue Polizeirufserie 110 zu
entwerfen. Es sollte in diesen Filmen kein Mord geschehen. Wir beide
haben uns daran gehalten, aber andere ARD-Sender in ihren Polizeiruf
110-Filmen nicht.
Du hast
dich dann richtig ins Zeug gelegt und einen Polizeiruf nach dem
anderen abgedreht. Und alle diese Filme mit Uwe Steimle und Kurt Böwe
unter deiner Regie waren originell und voller Humor. Ich freue mich
noch heute, dass ich Dir als Drehbuchautor oft bei diesen Streifen
helfen durfte. Ich musste immer wieder über dich staunen, mit
welcher kreativen und gleichzeitig produktivnaiven Art du Szenen und
Bilder in unseren Drehvorlagen gesetzt hast.
Ich kam mir häufig wie ein konservativer Bildungsbürger vor, der sich noch immer nicht von der Dramaturgie eines Shakespeare oder Schiller zu lösen vermochte oder traute. Aber so „trauen“ hatte ja für dich seit deinem Autounfall in Berchtesgaden nur noch wenig Relevanz. Und du hattest ja auch nur sehr wenig Respekt vor diesen Fernsehgewaltigen wie Redakteuren und Produzenten.
Ich
erinnere mich noch über ein Bild aus den neunziger Jahren, als du zu
mir mit einer sehr sehr kurzer Sturmfrisur kamst, auf mein Erstaunen
hin, sagtest du nur: „Ich fahre morgen nach Mainz, und da brauche
ich diese Kampffrisur.“ Humor, ich habe mich immer wieder gefragt,
und ich frage mich noch heute, wo du den immer wieder hergenommen
hast – deine Kind- und Jugendzeit war doch nun wirklich mehr eine
Schauergeschichte als ein Komödienstadel – stimmt’s?
Oder war
sie doch im Umkehrsinn gerade deshalb so inspirierend, weil in deiner
miesen Lage sich dein Humor wie ein Schutzschild um dich bildete?
Aber Manni, du hattest, Gott sei Dank, auch viele tolle und mutige
Mitstreiter. Und einige von diesen sind sogar zum Gedenken an dich
hier in dieser Kapelle. Viele von ihnen haben dir auch durch ihr
hinzufügen ihres „Mutterhumors“ bei deinen Inszenierungen
geholfen, ich sage nur die „Münsterkrimis“. Ich nenne mal ein
paar von vielen hunderten von Mitarbeitern beim Namen;
Deine
genialen Kameraleute wie Michael Wiesweg, David Slama, Jörg Jeshel
und Frido Feindt. Wunderbare Schauspielerinnen und Schauspieler wie
Tilo Prückner, Jan Joseph Liefers, Detlev Buck, Armin Rhode, Pierre
Besson, Günter Maria Halmer, Axel Prahl, Alexander Scheer, Laura
Tonke, Senta Berger, Götz George, Katharina Thalbach, Florian Lukas,
Elke Sommer, Karl Kranzkowski, Sigi Zimmerschied, Nadeshda Brennicke,
Inga Busch und viele, viele mehr. Und nicht zu vergessen, deine
langjährige Regieassistentin Susanne Petersen.
Lieber
Manni, du warst in deinem Leben auf dieser Erde stets ein sehr
bescheidener Mensch, ich habe dich auch nie in einer Talkshow
gesehen, du wolltest immer nur deine Arbeit so professionell wie nur
möglich machen. Das Ergebnis – fast 100 tolle Filme! Aber du
würdest heute ruhig zugeben, dass sich deine Energie auch aus dem
Bedürfnis speiste, deiner Mutter zu beweisen, dass du kein Versager
bist.
Den Beweis
konntest du ihr in einer Form geben, die jeder sofort versteht –
Geld und Gold. Du hast oft größere Summe nach Bad Aibling, dem
Wohnort deiner Mutter geschickt. Und sie hat ein Teil dann großzügig
an nahe und ferne Verwandte weitergeleitet, aber stets mit dem
Hinweis versehen, dass diese schönen Scheinchen von ihrem sehr
erfolgreichen Sohn aus Berlin kamen. Die einen brauchten ein aktuell
neues Hörgerät oder Gebiss, andere arbeitslose Neffen ein neues
Auto oder auch nur einen neuen Satz Autoreifen.
Da
stand ich mal mit deiner Mutter mit einem Produzenten am Filmset, und
auf die Frage des Produzenten, was du denn eigentlich studiert hast,
kam von ihr die prompte Antwort: „Mein Sohn, mein Manfred hat
Physiklaborant studiert“, und dann von ihr die Gegenfrage: „Werden
sie meinen Sohn auch weiterhin beschäftigen?“.
Ja, so einfühlsam und ehrlich können Mütter sein. Nun noch zum Schluss: du hast ja bis in den März und April hinein noch immer gearbeitet, mit mir hast du an einem Treatment für einen Rio Reiser Spielfilm gearbeitet, und dann an einer 8-teilige Kurzserie mit Tilo Prückner, die man sehr bald unter dem Titel „Die Bank“ im Fernsehen sehen wird. Ich hatte irgendwie bei meinen Besuchen bei dir immer das Gefühl, dass du uns noch gar nicht verlassen willst, jeden Sonnenstrahl aus unserem zurzeit unglaublich stahlblauen Himmel hast du noch genossen.
Aber deine
ständigen Schmerzen raubten dir dann doch leider deine letzten
Kräfte. Liebe Bea, seit 1984 war Manni dein Weggefährte und deine
Liebe, Sylvester 1996 habt ihr euch in Las Vergas das Ja-Wort
gegeben. Dein selbstloser professioneller Einsatz, um Mannis letzten
fünf Jahre andauerndes Leiden zu mildern, war ein sehr, sehr großer
Liebesbeweis.
Alle
hier danken dir dafür und fühlen mit ganzem Herzen mit dir und
deiner tiefen Trauer. Auch dir, Alexander Richter, sei hier für
deine gute Beratung und Hilfe sehr gedankt. Lieber Manni, wir werden
dich und dein künstlerisches Werk, das du uns hinterlassen hast, nie
vergessen. Du bist nicht tot, du lebst in deinen Filmen weiter, und
ich freue mich, in Zukunft viele deiner schönen Filme noch einmal
ansehen zu dürfen. Deine gesellschaftlich kritische und
komödiantische Sichtweise auf diese unsere Weltenkugel wird mich in
meiner noch verbleibenden Lebenszeit für immer begleiten. Ich hoffe,
wir sehen uns eines Tages wieder!
Dein Gert
Statt einer Biografie die Rede zur Bestattung von Manfred, die sein Freund Gert Möbius gehalten hat. (Gert Möbius war Manager der Rockband „Ton Steine Scherben“ und Mitbegründer des Berliner Tempodroms). Nach dem Tod seines Bruders Ralf, mit Künstlername Rio Reiser, gründete er das Rio-Reiser-Archiv. Heute wirkt er als Drehbuchautor und Filmproduzent.
Allzeit zum Konkordat mit den Mächtigen bereit: Die Katholische Kirche.
Jens Meyer vertreibt den Film “Geschichtsbuch” des Dänen Jannik Hastrup. Die Erfahrungen, die er dabei mit klerikalen Widerständen hat machen können, sind ein Anlaß für ihn, sich ein wenig umzusehen in der politischen Geschichte des 1.500-jährigen Papsttums. “Das Geschichtsbuch“ ist ein siebenteiliger, 136 Minuten langer Film, deren Abschnitte auch einzeln bestellt werden können, beim Zentral Film Verleih, Friedensallee 7,
2 Hamburg 50, Tel: 040/391316.
(Anmerkung 2018: Bitte nicht mehr anrufen. Das Unternehmen gibt es nicht mehr)
“Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der reiche Mann?” (Dieter Forte in: Martin Luther und Thomas Münzer oder die Einführung der Buchhaltung)
Eine Einladung. Von der Katholischen Akademie des Erzbistums Paderborn. Unterschrieben vom Studienleiter. Eine Trickfilmtagung will er machen. Ein Referat über die Auswertungserfahrungen mit dem Film “Das Geschichtsbuch”. Und bezahlen will er auch. Nicht richtig. Mehr ein Anerkennungshonorar für Film und Vortrag.
Mich reizt die Geschichte. Das Wort “Erzbistum Paderborn” löst diese Reize aus. Dabei fallen mir die Inquisitionskeller ein. Ich nehme jedenfalls an. Könnte sein, dass der Auftraggeber vielleicht nicht mit dem Ergebnis einverstanden sein wird. Der Verleih hat Angst vor Umsatzeinbußen durch eine “negative Werbeveranstaltung”. Doch in dem Bereich werden kaum Filme von Zentral Film Verleih eingesetzt. Dort ziehen mehr die Filme über die Schönheit von Kirchenfenstern. Also keine Gefahr.
Ich fange an und lese eine Menge. Ein Freund, früher Theologiestudent, jetzt Postbeamter im Ruhestand, kramt seinen Boden durch und versorgt mich mit Kirchengeschichten.
Später, als alles fertig ist, schicke ich das Manuskript zu Alf Mayer von “Medium”, der Medienzeitschrift der Evangelen. Alf ist begeistert, aber Abdrucken kann er nicht, erst in der “allerletzten Nummer von >Medium<” und die nächste Nummer soll noch nicht die “allerletzte” sein. Das kann ich verstehen. (Anmerkung 2018. Leider haben Alf Mayer und ich die letzte Nummer von Medium verpasst Das muß sehr lange her sein.)
Nicht verstehen kann ich den Studienleiter des Erzbistums Paderborn. Wieso bestellt er diese Trickfilmreihe? Erstens kommt die Kirche des “christlichen Abendlandes” kaum darin vor und zweitens, wenn sie denn dargestellt wird dann eher negativ. Die “Pfaffen” und Bischöfe, das sind im “Geschichtsbuch” immer jene Leute, die sich auf Kosten des Volkes an der Seite der Mächtigen durchfressen und volllaufen lassen. Arbeit ist für sie ein Fremdwort. Die Pfaffen stopfen sich keineswegs mit minderwertigen Lebensmitteln voll. Auch vom Wein trinken sie nur den besten. Ansonsten predigen sie dem Volk, daß Armut von Gott gewollt sei. Wer sich gegen die Herrschaft auflehne, verstoße gegen die Gebote Gottes. Auch die Palette der Strafmöglichkeiten wird gezeigt.
Auf der Erde: Vierteilen, Augen ausstechen, Gliedmaße abhacken, aufhängen, bei lebendigem Leib verbrennen. Im Jenseits: Das Fegefeuer, die ewige Verdammnis, die Hölle mit ihren Kochtöpfen und was die christlichen Kirchen sonst noch zur Verfügung haben, um den Leuten Angst einzujagen. Ich komme nicht drauf, was will das Erzbistum mit einer solchen Filmreihe?
Oder ist es so, dass die Kirchen sich so sicher fühlen, dass eine solche Kritik ihnen gar nichts anhaben kann? Im Gegenteil, dass solche Filme zu Schulungszwecken gut benutzt werden können? Ich vertraue auf die Überzeugungskraft der Bilder und fahre hin. Es ist alles vom Feinsten. Das Essen ist gut. Schöne Tagungsstätte. Nichts mit Jugendherberge. In jedem Zimmer eine Bibel.
Eine große Bibliothek mit Marx und Engels. Kunst am Bau. Ein Studienleiter und ein Akademiedirektor, mit denen man über alles reden kann. Auf mein Manuskript ist man gespannt. Sie würden es gerne einmal sehen. Sie haben eine Schriftenreihe, da würden sie das gerne veröffentlichen. Mein Rat, dass sie doch bitte erst den Vortrag abwarten sollen, wird angenommen. Später wollen sie es dann doch nicht abdrucken. Das beruhigt mich dann doch. Ich hatte schon Angst um mein Weltbild.
Klingelbeutel und Gottversunkenheit
Eine alte Regel lautet: Die Geschichte wird von Siegern geschrieben, es gibt immer Leute, die am Krieg gewinnen. Die christlichen Kirchen waren jedenfalls nie bei den Verlierern. Das heißt leider nicht, daß die Mitglieder der beiden Großkirchen auch zu den Gewinnern gehörten. Ich selber bin auch einmal Mitglied gewesen. Nicht bei der katholischen sondern bei der anderen Großkirche. Jetzt bin ich fast 40 Jahre alt. Einige Sachen vergisst man nicht so leicht. Da ist zunächst eine “Konfirmation” und eine “Taufe” mit 14 Jahren. Dann eine Klassenreise nach Köln mit einer Besichtigung des “Kölner Doms”. Dann eine kirchliche Trauung in “weiß” mit 23 Jahren und ein Kirchenaustritt mit 27 Jahren. Bei der Klassenreise nach Köln fiel mir – außer den Massen von amerikanischen Touristen – eine Frau in der typisch ”katholischen Tracht” auf: Diese schwarze Kutte – ich nenn sie mal Nonne.
Diese “Nonne” stand neben einer Tragsäule der Kirche und war – mit geschlossenen Augen – still ins Gebet versunken. Nicht einfach. Diese Innigkeit in diesem Kirchenbahnhof. Ich dachte: das muss es sein: Die Gottgläubigkeit. In einigem Abstand neben ihr ein Kupfergefäß, in dem die Touristen Geld für irgendeinen “mildtätigen” Zweck werfen sollten. Die Augen der Nonne immer noch geschlossen im Gebet zu Gott. Ich beobachtete sie. Sie hielt die Augen auch dann geschlossen, wenn es im Kupfertopf schepperte. Doch kaum fühlte sie sich unbeobachtet, öffnete sie für einen Augenblick die Augen, zählte blitzschnell das Geld und versank augenblicklich wieder ins Gebet.
Ein Vorgang nicht länger als eine halbe Sekunde. Dieses Bild hat sich bis heute bei mir im Gedächtnis eingegraben. Immer wenn jemand heute zu mir “Kirche” sagt, dann ist augenblicklich dieses Bild von der betenden, geldzählenden Nonne da. Ein oberflächlicher Eindruck. Verglichen mit den Bildern aus dem Film “Das Geschichtsbuch” nur Nebenschauplatz. Da zählen nur die Kaufleute, die Handwerker, der Adel, die Bauern. Die Kirche als Kapitalgesellschaft?
“Das Geschichtsbuch” ist eine Geschichte, von denen, die unten sind. Die Verlierer schreiben über die Sieger. Da wird gefragt, warum es in unseren Gesellschaften Arme und Reiche gibt, welchen Ursprung das hat und wer daran beteiligt ist, dass sich daran nichts ändert. Jedenfalls anders, als ich die Geschichte in der Schule kennengelernt habe.
Schon die Schulsprache ist anders. Da “brechen” Kriege aus wie Vulkane. Da brechen Nationen zusammen. Da wird ein “Mächtiger” gereizt, bis er “militärisch” zurückschlägt. Da wird ein Prinz erschossen, und deshalb kommt es zu einem Weltkrieg. Wir kennen das und haben uns daran gewöhnt, falsch bleibt es dennoch. Da fragt jemand nach den wirklichen Ursachen und schon hat das Erzbistum das Wort “Kritik” im Seminarprogramm stehen. So einfach ist das.
Ich wälze dicke Ordner: Einsatzstatistiken des Films, Ausleihzahlen durch Kirchengruppen, Absagen von Medieninstitutionen und Kirchengeschichten von Kirchenprofessoren. Ich werde dadurch nicht “bibelfest” und auch kein Kirchenexperte. Ich denke, mein Vortrag soll anfangen mit dem Satz: ”Adolf Hitler war katholisch, ist von der Kirche niemals exkommuniziert worden, sein Buch “Mein Kampf” ist niemals auf dem Katholischen Index gelandet”. Auch sein Vorgänger und sein Nachfolger waren katholisch. Nach diesem Satz kann ich dann zur Kasse gehen und nach Hause fahren.
Der Erzbischof wird seinen Studienleiter ermahnen, dass er in Zukunft seine Referenten sorgfältiger aussucht. Ärmer wird er durch meinen Auftritt nicht. Also reden wir nicht von Religion und christlichen Ideologien, sondern von dem “Macht und Geldapparat Kirche” in der Funktion, dass er seinen “Schafen” sagt, wohin die Reise zu gehen hat. Und der sie, falls sie uneinsichtig sind, notfalls auf den rechten Weg zwingt.
Viele Menschen in der BRD haben es – aus welchen Gründen auch immer – gerne, wenn man ihnen sagt, was sie tun und lassen sollen. Da treffen sich die Kirchen mit Parteien und Interessengruppen bei einem offensichtlichen Bedürfnis. Ob nun die ehemaligen Studentenkadergruppen der 70er Jahre ihre Nachfolgeorganisationen in den roten Holzketten aus Oregon haben, das wage ich nicht zu beurteilen.
Merkwürdig jedoch, dass viele, die mir damals die >Roten Fahnen<, die >Morgen< usw. verkaufen wollten, jetzt mit diesen roten Holzketten rumlaufen. Von der Roten Fahne zur roten Kette. Ich denke, dass sich die Holzketten in ihrer Funktion kaum unterscheiden vom Rosenkranz, der Petersplatz kaum vom Leninmausoleum.
Ich war leider weder in Rom, noch in Peking, noch im Kreml oder den anderen Wallfahrtsorten. Auch den Obersalzberg soll es ja noch geben. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass viele Menschen eine solche Organisation für ihr Leben benötigen. Eine notwendige Voraussetzung für die Macht der Kirchen in diesem “ihrem” Lande.
Im Zentral Film Verleih haben wir darüber schon oft Witze gemacht. Auf der Suche nach der geeigneten Rechtsform für den Verein “politischer Filmverleih” haben wir die Vor- und Nachteile von Genossenschaft, GmbH, KG, oder Kapitalgesellschaft gegeneinander abgewogen. Regelmäßig sind wir drauf gekommen, dass eine Kirchengründung immer noch die günstigste Rechtsform ist. Sie wirft das meiste Geld ab, kann billig Arbeitskräfte kaufen. Insofern sie sich auf “Gott” beruft, ist sie auch besser als eine sog. weltliche Ideologieorganisation wie z. B. eine Partei.
Die BRD und die Filmreihe “Das Geschichtsbuch”
Der Studienleiter des Erzbistums möchte etwas über die “Einsatzerfahrungen” mit der Filmreihe wissen. Die Erfahrungen also des Filmvorführers, wenn er die Leute zählt, die im Dunkeln den Saal zu verlassen suchen. Die Serie wurde 1971 in Dänemark nach einem schwedischen Bilderbuch produziert. Der Film war im Ausland äußerst erfolgreich. Es gibt amerikanische, englische, italienische, holländische, französische und nicht zuletzt spanische Fassungen. (Franco starb erst viel später).
Überall in Europa und den USA stehen die Filme in den staatlichen Bildstellen für den Schulunterricht zu Verfügung. Auch in der BRD müssten sie eigentlich dort zur Verfügung gehalten werden und nicht in einem kleinen Filmverleih. Doch die BRD scheint eine eigene Geschichte zu haben, und die Mächtigen dieses Landes legen viel Wert darauf, dass das Geschichtsbild der Schulkinder nicht erschüttert wird.
Bis 1977 hat sich jedenfalls niemand um diese dänischen Filme gekümmert. Dänemark ist einfach zu weit weg. Jedenfalls für das Institut für Film und Bild (FWU), für ARD und ZDF. Dallas ist da allemal dichter. Oder der “Landeszentrale für politische Bildung” in Nordrhein-Westfalen. Da ist Lateinamerika dichter als Dänemark. 1978 begann dann der Zentral Film Verleih e. V. (Jahresumsatz 120.000,00 DM, ungefähr so viel wie die Portokasse des ZDF – vermute ich mal) die Filme in der BRD anzubieten, um eine deutsche Sprachfassung für die Filmreihe herstellen zu können. Normalerweise kostet eine solche Sprachfassung für so einen Spielfilm so um 100.000,00 DM. Kein Problem für eine “öffentlich rechtliche” Sendeanstalt. Für den Ankauf von Rechten alleine werden schon die doppelten Summen gezahlt. Am Geld fehlt es nicht, schließlich ist die BRD eine der reichsten Industrienationen der Welt.
Auch die Finanzgewaltigen der FWU hätten genügend Geld gehabt, die Filmserie anzukaufen und zu verbreiten. Landesbildstellen und die reiche Landeszentrale in NRW wurden gefragt. Im Kinder- und Jugendfilmzentrum in Remscheid hat es mindestens acht Vorführungen der Gesamtfolge vor immer wieder anderen “Staatsdienern” gegeben. Das Ergebnis war immer das gleiche – kein Bedarf. Einzelpersonen dieser Institutionen wie Reiner Keller, Theda Kluth vom KJF (Kinder und Jugendfilmzentrum) und Dr. Joachim Paschen von der FWU haben immer wieder versucht, der Filmreihe zur nötigen Verbreitung durch öffentliche Bildstellen zu verhelfen. Doch schon
Wolfgang Staudte soll gesagt haben: ”Es ist nicht einfach, Filme für eine Veränderung der Gesellschaft zu machen, mit dem Geld der Leute, die die Welt in Ordnung finden.”
Ihm passt die ganze Richtung nicht
Als alle Versuche mehr oder weniger gescheitert waren, ist der Verleih dazu übergegangen, Expertengutachten und Kritiken von anerkannten Kritikern anzuregen und zu verbreiten. Die Gutachten kamen, die Kritiker schrieben lange Artikel. Die Lehrergewerkschaft (GEW) in Berlin machte Unterschriftenaktionen, Vorführungen, schrieb Briefe an Politiker und Landesbildstellen. Die Landesbildstelle Berlin kaufte schließlich eine Kopie der Filme 1 – 3. Das wars dann auch. Ein Referent der FWU fand die Filme toll und spendete Geld für die Anschaffung. Das war rein privat, denn auch er wollte schließlich seinen Job behalten.
Herr Bungter – obwohl CDU Mitglied – von der Landeszentrale für politische Bildung in NRW – ist als fortschrittlicher Mann in Filmkreisen bekannt. Sein guter Ruf gründet sich darauf, dass ihm mehr finanzielle Mittel als anderen Landeszentralen für den Ankauf von Filmrechten zur Verfügung stehen. Er nutzt daher die Möglichkeit, über die sog. ideologische Einheitsware hinaus, weitere Filme anzuschaffen, die dem “herrschenden Bildungsideal” dieses Staates zuwiderlaufen.
In Düsseldorf gibt es so eine ganze Reihe von kritischen Filmen. Eine kleine Einschränkung gibt es aber doch. Weit weg ist immer besser als dicht dran. Zu deutsch: Besser Folter, Ausbeutung und Unterdrückung in Lateinamerika als kritische Filme über die BRD und Europa. Ein ungeschriebenes Gesetz.
Aber auch Herr Bungter lehnt ab. ”Zu einer Übernahme von Auswertungsrechten kann ich mich nicht entschließen. Es gibt eine Reihe bedenkenswerter formaler und inhaltlicher Aspekte, die nicht kurzerhand ausgeräumt werden können. Überdies bedarf der Film auch der Synchronisation, ein Aufwand, der im Hinblick auf die vermutete begrenzte Nutzbarkeit der Filmreihe sich vermutlich nicht auszahlen wird. (. . . ) Serienfilme schaffen überdies zusätzliche Probleme. (. . . ) Die Unterrichtsplanung schafft einfach nicht genügend Raum.”
Zwischen den Zeilen, da spüre ich, ihm passt die ganze Richtung nicht. Schreiben tut man so was nicht. Wir sind ja eine Demokratie, und da kann jeder machen was er will. Nur nicht mit “ihren” Steuergeldern. Dann entstehen solche Sätze . . . „Die Unterrichtsplanung schafft nicht genügend Raum“. Das lasse ich mir auf der Zunge zergehen. Der Sachzwang wird ja von Menschen gemacht. Hundertsechsunddreissig Minuten sollen nicht in sechs Jahre Geschichtsunterricht passen?
Ein wichtiger Mann in der “Nach Kaiser – vor Nazizeit” war der Herr von
Papen. Er war katholisch, mächtig und einer wichtigsten Männer, die Hitlers “Machtübernahme” ermöglicht haben. Auch der Mann, der den Nazis kurz nach der “Machtübergabe” zu einem Vertrag mit dem Vatikan verhalf. In der kurzen Zeit von sechs Monaten erreichte er die Auflösung der katholischen Partei “Zentrum”, und drei Tage später hatten die Nazis ein Konkordat mit dem Vatikan.
Dieser Papen, der für die Nazis so viel erreicht hatte, nannte die Nazis die “Regierung der nationalen Erhebung”. In der BRD nennen wir es “Machtergreifung”, und Professor Heussi aus Jena nennt es 1957 die “ . . . nationalsozialistische Revolution.”
Unter einer Revolution habe ich mir immer was ganz anderes vorgestellt, aber ich bin ja schließlich kein Kirchenprofessor. In seinem Kapitel “Die Kirche in der jüngsten Vergangenheit“ schreibt Heussi (Heussi, Seite 525):
„In Deutschland traten im Ersten Weltkrieg die Katholiken, wie anderwärts , rückhaltlos für ihr Staatswesen ein . . . nach der Revolution von 1918 stellte sich der deutsche Katholizismus sehr rasch auf den Boden der neuen Tatsachen, also der Demokratie . . . in der neuen deutschen Republik hatte das “Zentrum” (die Partei der Katholiken) wichtige Ämter inne, von den Reichskanzlern gehörten Fehrenbach, Wirth, Marx und Brüning der Zentrumspartei an . . . Als voller Erfolg der katholischen Kirche konnten auch die verschiedenen Konkordate gebucht werden, das Konkordat mit Bayern 1924, der Abschluß des Vertrags mit Preußen 1929 (jährlich staatliche Dotation von 2,8 Mill. Reichsmark) . . . und die Erhebung der Bistümer Paderborn und Breslau zu Erzbistümern” . . .
Geld scheint also reichlich geflossen zu sein. Immerhin hat der “Heilige Stuhl” stark von der Inflation profitiert. Zwischen 1919 und 1930 errichtete man jährlich 12 bis 13 Klöster. “Ein voller Erfolg”. Die Anpassungsfähigkeit, “sich rasch auf den Boden der neuen Tatsachen (zu) stellen”, bewies die Kirche auch in Frankreich.
Professor Heussi: “In Frankreich nahm die Religion 1914 wie überall einen Aufschwung. Religion und Katholizismus flossen weithin zusammen. Das Verhältnis zum Staat gestaltete sich sofort freundlicher . . . ”. Der Weltkrieg begann, und der Katholizismus nahm seinen Aufschwung. Und nicht nur das, sondern . . . ”auch die finanzielle Lage der katholischen Kirche besserte sich (Stiftung zahlreicher Messen für lebende und tote Soldaten). Die siegreiche Beendigung des Krieges 1918 war zugleich ein Triumph der Religion des Marschall Foch . . . ” (Seite 525 Heussi).
In dem Film “Im Westen nichts Neues” wird dieser Krieg gezeigt. Deutsche und französische Soldaten haben sich in einem Stellungskrieg gegenseitig abgeschlachtet, sind vergast und zerstückelt worden. Während die Generäle an der Heimatfront feierten, verhungerten die Völker auf beiden Seiten der Front. Die Vertreter Gottes auf Erden segneten die Waffen und die . . . ”Religion und der Katholizismus” nehmen einen “Aufschwung wie überall”. Als es endlich vorbei ist, da ist es auch ein “Triumph der Religion des Marschall Foch . . . ”. Na bitte.
Wo es sich so leicht gewinnt, warum sollten die Kirchen ernstlich gegen den Krieg sein? Im Fußvolk der Kirchen gibt es natürlich immer wieder welche, denen diese Haltung – diese Anpassungsfähigkeit – an jede politische Macht – nicht gefällt, die Kritik üben und gegen Kriegsvorbereitungen handeln, die die “Sinnlosigkeit” des Krieges anprangern. Aber die verstehen eben nichts vom Geschäft. Manchmal allerdings, wenn alles vorbei ist und auch eine neuer Anfang versucht wird, dann sind diese Kritiker doch zu etwas nütze. Wenn etwa – wie nach dem Zweiten Weltkrieg – das Ansehen der Kirche in der Öffentlichkeit gar zu schlecht ist, dann kramt der “Heilige Stuhl” sie hervor und zeigt sie herum. Dann sind diese Männer und Frauen, die Widerstand geleistet haben und dafür in den KZs der Nazis ermordet wurden, die Kirche “an sich”.
Heilige Bücher überall
Die hohe Geistlichkeit schließt Verträge und schweigt zwölf Jahre lang zu den Konzentrationslagern, zur Massenvernichtung, zum Überfall auf Polen usw.: Inzwischen steht es sogar im “Spiegel”, dass der Papst den hohen Nazis nach 1945 zur Flucht verholfen hat. (Spiegel vom 6. Februar 1984).
Im gut sortierten Autorenverzeichnis der Bibliothek der Katholischen Akademie suche ich vergeblich das Buch von Karl Heinz Deschner . . . ”Abermals krähte der Hahn”. Das freut mich. Ich brauche es auch nicht. Einige Monate zuvor habe ich es schon gelesen und, mir sind bei Lesen fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Der Mann ist ein notorischer Kirchenhasser. Seine Lebensgeschichte gibt einen Hinweis darauf, daß er vielleicht alles ein wenig zu wörtlich genommen hat und jetzt enttäuscht ist. Wenn der Umschlagtext des Buches stimmt, dann ist er von Karmelitern und Franziskanern erzogen worden. Das sind keine Biersorten, sondern Mönchsorden. Anschließend hat er Theologie auf katholischen Hochschulen studiert.
Den Christen wirft er in seinem Buch vor, sie hätten das Neue Testament nie verwirklicht. In einer Einleitung bestreitet er den Absolutheitsanspruch des Heiligen Buches der christlichen Kirchen mit dem Hinweis darauf, daß alle nichtchristlichen Religionen ebenfalls mit diesem Anspruch auftreten. ”Schon der Israelit hört von Jesaja: Außer mir ist kein Gott. Der Mhanha-Buddhist bekennt von Buddha: Außer mir ist kein Heilsgang sicher. Das neue Testament fordert: Jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus der Herr ist, und der Koran droht: Wenn jemand eine andre Religion sucht als den Islam, wird er in der jenseitigen Existenz zu den Verlorenen gehören”. Heilige Bücher überall. Insofern müsste die Bibel ein Buch sein wie jedes andre auch.
Doch nicht in der Bundesrepublik. Die 3 Tornados
Günter Thews. In einer Pause bei den Dreharbeiten zu dem Film: „Mit uns nicht mehr“. (dffb 1974). Günter war der Mann für den Ton. Foto Martin Streit.
(Günter Thews, Arnulf Rating, Holger Klotzbach) haben sich vor einigen Jahren über die “unbefleckte Empfängnis” der Jungfrau Maria lustig gemacht. CD Hülle erschienen bei Trikont. München. DIE DREI TORNADOS 1977 – 1988. (Vier CDs)
Pressefreiheit hin, Pressefreiheit her. Über Christen lacht man in der BRD nicht ungestraft. Die Jugendgewerkschaftszeitung >ran< veröffentlichte diese Veralberung. Die Christen im Lande waren beleidigt. Besonders beleidigt Frau Maria Weber aus dem Bundesvorstand des damaligen DGB. Chefredakteur (Dieter) Schmidt mußte gehen. (am 13. Dezember 1979)
Maria Weber blieb katholisch. Die Radiothek im WDR strahlte den Sketch aus. Kurz darauf wurde diese Jugendsendung eingestellt. Auch einen Prozeß hat es gegeben.
Horst Manfred Adloff und Franz Josef Spieker haben mit einem Kurzfilm “Die Wechsler im Tempel” ebenfalls die christlichen Kirchen angegriffen. Einer der wenigen Kurzfilme, die in der BRD verboten und unterdrückt wurden. In einem Kirchenverleih gibt es diesen Film nicht. Nur Leo Schönecker hat in seinem Filmkundlichen Archiv noch eine Kopie. Und das als “praktizierender Katholik”, wie mir stolz der Akademiedirektor Krems über soviel Liberalität berichtet. (Anmerkung 2018: Ob es das Filmarchiv von Leo Schönecker noch gibt, entzieht sich meiner Kenntnis)
Heilige Zahlen
Keine 40 Jahre ist es her, seit die Gaskammern der IG Farben und der Nazis für Juden geschlossen wurden. Doch in der Geschichte der Kirchen, in der die Judenverfolgung eine zentrale Rolle spielt, möchte niemand wahrhaben, dass es gerade christliche Bischöfe und Heilige waren, die im vierten Jahrhundert die ersten Synagogen anzündeten und den Besitz der Juden beschlagnahmten. 1391 unter der Führung des Erzbischofs von Martinez in Spanien wurden 4.000 Juden ermordet und mehr als 25.000 als Sklaven verkauft. Der Rest, der sich nicht zu Christus bekennen wollte, wurde auf Befehl des Erzbischofs erschlagen. Der Erzbischof wird die “Erlöse” kaum an die Armen verteilt haben.
“Es ist eben Gottes Wille, dass es Arme und Reiche gibt, denen, die wenig haben, soll auch noch das genommen werden, denen, die viel haben, soll noch mehr gegeben werden”, lässt Jannik Hastrup seinen “Geschichtsbuch” Bischof reden. Für die Gegenwart ist festzustellen, dass Kirchen an einem Bild von sich interessiert sind, in denen die Armut gepriesen wird und die >Beutelschneider< angeprangert werden.
Der Stadtjugenddiakon von Hannover, Kurt Brylla und sein katholischer Kollege, der Probst Rumold Küchenmeister aus Kiel regen sich 1983 darüber auf, dass in den “Far out “ – Discos der Sanyassin den Jugendlichen das Geld aus der Tasche gezogen wird, “damit”, vermutet der Probst aus Kiel, “Bhagwan sich einen weiteren Roll’s Royce zulegen kann”. Da witzelt die Zeitschrift >Titanic<: ”Und der Papst muss immer noch auf den Knien über die Landebahn rutschen. Die Ungerechtigkeit schreit zum Himmel. Wir schreien nicht mit. Titanic”.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bezifferte man das päpstliche Kapitalvermögen auf zwei Milliarden 120 Millionen Lire. Es war damals ungefähr sechsmal größer als das größte deutsche Vermögen, das von Krupp. (Deschner, Seite 428) .
Das Unternehmen trägt den Namen “Peterspfennig”. Das Unternehmen Peterspfennig ist in den USA recht einträglich. Sind es im Jahre 1924 noch 700.000 Dollar, so sind es Jahre 1957 schon 120 Millionen Dollar “Peterspfennige”, die in den Vatikan überwiesen werden. Ein Tauschbeleg aus Lissabon. Die Bank heißt “Banco Spirito y Comercio”! Etwa “Heiliger Geist und Handel”. Der Heilige Stuhl ist mit Aktien beteiligt. Wer Heiligen Geist und Handel für einen Widerspruch hält, der ist Opfer der Kirchenpropaganda geworden. In den USA gibt es einen Stahlkonzern mit dem beziehungsreichen Namen “Bethlehem Steel”. Der Vatikan und die Jesuiten besitzen große Mengen Aktien dieser Bethlehem Steel.
Vor über 25 Jahren wurde der Gesamtaktienbesitz (1958) auf etwa 50 Milliarden Mark geschätzt. Weniger wird es kaum geworden sein. In der BRD ist der Vatikan an Bayer, BASF, BMW, BBC, VDM, Mannesmann, Siemens u.a. beteiligt. Der Börsenbericht sollte eigentlich ergänzt werden.
Etwa so Welt vom 28. Februar 1984:
Bethlehem Steel 66, General Motors 184, BMW 415, BASF 166, VW 210, Vatikan AG 690
Wen wundert es noch, dass die Päpste für die Erhaltung “dieser Ordnung” sind. Pius der zwölfte schreibt am 1. November 1939 an die Bischöfe der USA, aus denen der Vatikan in dieser Zeit seine höchsten Einnahmen bezieht: ”Die Erinnerung an jedes Zeitalter bezeugt, dass es immer Arme und Reiche gegeben hat; und dass dies auch immer so sein wird, lässt die unabänderliche Beschaffenheit der menschlichen Dinge voraussehen . . . Gott, der in höchster Güte für alles sorgt, hat bestimmt, dass es zur Ausübung der Tugend und der Erprobung der menschlichen Verdienste in der Welt Arme und Reiche geben soll . . . ”.
Aber die “Theologie der Befreiung” in Lateinamerika? Viele katholische Bischöfe und Geistliche unterstützen aktiv Befreiungsbewegungen und bekämpfen Militärregierungen. Leider ist nicht zu übersehen, dass die “Mutterorganisationen” in Europa gar nicht auf der Seite stehen, die sich Mord, Ausbeutung und Unterdrückung nicht länger gefallen lassen wollen. Papst Paul der sechste zeichnete den Botschafter Pinochets mit einer hohen Auszeichnung nach dem gelungenen Militärputsch aus.
Im Mittelalter war das alles anders. Da zogen die Päpste selbst auf Sklavenfang aus, verteilten für den Sklavenfang Erlaubnisscheine an die Herrscher von Spanien und Portugal. In dem Erlaubnisschein, genannt “Romanus Pontifex” schrieb Papst Nikolaus der fünfte 1454 an Königin Isabella von Spanien, dass alle unterworfenen Völker versklavt werden können. Königin Isabella bedankte sich bei Papst Innozenz dem achten mit einer großen Anzahl von Sklaven.
Paul der dritte erlaubte nun auch den eigenen Angestellten den Fang von “beseelten Werkzeugen”. Unter Theologen wurde ernsthaft das Problem diskutiert, ob ein Taschenspiegel ein gerechter Preis für einen Schwarzen sei. Die Jesuiten hatten um 1670 im Kongo noch 12.000 Sklaven, die Päpste im Vatikan hatten noch bis zum Ende des 18. Jahrhundert Sklaven. Die Benediktiner – sie haben diesen hervorragenden Likör erfunden >Benediktin DOM< – hatten in Brasilien noch 1864 Sklaven.
Die christlichen Kirchen hätten alle Gründe für eine Art von Wiedergutmachung. Es wäre doch zu überlegen, ob sie die Wiedergutmachung aus den Schätzen finanzieren sollten, die sie sich im Laufe der Geschichte gerade in den Ländern der Dritten Welt zusammengeräubert haben, anstatt die Wiedergutmachung dem Kirchenfußvolk zu überlassen.
Kehren wir zurück in die Bundesrepublik – ins Erzbistum Paderborn mit seiner hervorragenden Akademie.
Im deutschen Reich gab es den KDF- Wagen. Leider konnten nur wenige zivile Fahrzeuge das Fließband verlassen, und für zivile Zwecke war er ja auch nicht gedacht. Als Militärfahrzeug sollte er über die neuen Autobahnen rollen. Nach dem Krieg gab es dann den Käfer in seinem Siegeszug um die ganze Welt. VW gründete Zweigwerke in befreundeten Staaten: VW do Brasil, VW of South Africa. 1957 hatten sich die Kirchen wieder erholt. Orden wurden wieder verteilt. Einer der Ordensverteiler: Der Erzbischof von Paderborn. Er zeichnete aus:
DIE RITTER VOM HEILIGEN GRAB.
Ein Ritter: der damalige Generaldirektor von VW. Nichts besonderes an sich. Schon der Kaiser und Hitler hatten die >Industriekapitäne< mit Orden behängt. Doch der Erzbischof erinnerte in seiner Rede an die alten Traditionen und führte aus . . . ”dass dem Orden die Ideale der Kreuzzüge zugrunde liegen, die in neuzeitlicher Form erfüllt werden müssten . . . ” (Die Welt vom 3. Mai 1957).
Ein gutes Beispiel für die Anpassungsfähigkeit der Kirchen in >neuzeitlicher Form< ist auch der Kardinal Faulhaber aus München.
1939 ein Dankgottesdienst nach dem mißglückten Atttentat auf Hitler.
1941 (nach dem Überfall auf die UdSSR) ein Glückwunschtelegramm an den Führer. ”Mit Genugtuung verfolgen wird den Kampf gegen die Macht des Bolschewismus.”
1944 (nach dem ebenfalls missglückten Attentat auf Hitler) eine persönliche Gratulation zu Hitlers >Errettung< und ein
TE DEUM in der Münchner Frauenkirche und am:
12. Mai 1945 der erste Katholik, der gegenüber einer amerikanischen Journalistin als erster aussprechen durfte, was schon immer seine Meinung war. Er griff in heftigster Weise das Hitlerregime an und meinte:
”Der Nazismus darf nicht wieder aufleben.” Eben.
In Dieter Fortes Theaterstück: Martin Luther, Thomas Münzer oder die Einführung der Buchhaltung gibt es am Ende einen Witz. Ein Berater jüdischen Glaubens des Papstes erzählt ihn.
“Bibbiena: Moischele steht vor a Kirche
Tate, was is dos fü a Haus mit dem hohen Turm?
Moischele, das ist a Kirche.
Was is a Kirche?
Nun, die goim sagen, da wohnt der liebe Gott
Aber Tate, der liebe Gott wohnt doch im Himmel.
Sollst recht haben, wohnen tut er im Himmel, aber do drinnen hat er sein Geschäft.”
Der Literaturanhang ist leider abhanden gekommen. Auch das Original Schreibmaschinen Skript ist im Laufe der vielen Umzüge verloren gegangen.
So ist nur die Taz Druck Version übrig geblieben. Leider hat die Taz mit der Digitalisierung der Drucktexte erst später begonnen (September 1986). Deswegen hat es ein wenig gedauert mit der erneuten Erfassung meines Artikels. Auch sind einige Kürzungen im Text vorgenommen worden, die ich mit dem damaligen Redakteur vereinbart hatte. Erschienen ist der Artikel in der Ausgabe der:
Taz vom Donnerstag, d. 16. Januar 1986.
Ich glaube der damalige taz Redakteur, der den Artikel vorsichtig überarbeitet und bebildert hat, war Arno Widmann. Vielleicht erinnert er sich ja.
Alf Mayer, der den Artikel in der letzten Ausgabe von Medium veröffentlichen wollte, hatte sich leider 1996 nicht bei mir gemeldet. Ich weiss auch nicht, ob er 1996 noch bei dem Unternehmen gearbeitet hat.
In der Druckversion sind noch drei Fotos abgedruckt. Auf Seite 10 oben: Die Unterzeichnung des Reichskonkordats am 20. Juli 1933 in Berlin durch Vizekanzler Papen (zweiter von links) und den Apostolischen Nuntius in Deutschland, Pacelli, den späteren Papst Pius XII.
Ein zweites Foto im Hochformat zeigt 77 liegende junge Männer, die sich der Kirche ergeben und sich am Himmelfahrtstag 1984 von Papst Paul II im Petersdom zu Priestern weihen lassen.
Auf der zweiten Seite (Seite 11) ein Foto von dem 87. Deutschen Katholikentag in Düsseldorf vom 1. – 5. September 1982. Es singen von links nach rechts: Oberbürgermeister Küsten, Kardinal Höffner, Primas Glemp aus Polen und der bayrische Kultusminister Hans Meier.
Auszüge dieses Textes sind erschienen in der Zeitschrift Transatlantik
Die meisten Zitate sind aus den Büchern:
von Karl Heinz Deschner . . . ”Abermals krähte der Hahn”.
und Prof. Heussi: Kirchengeschichte (Ausgabe von 1957)
Dieter Forte: Martin Luther, Thomas Münzer und die Erfindung der Buchhaltung, Wagenbach Verlag. Berlin 1971
Beim Aufräumen wieder gefunden: Ein Vorwort für einen Filmkatalog, der zwar erschienen ist. Allerdings ohne das Vorwort. Die Zeit war damals (1982) noch nicht reif. MECKIS ABENTEUER BEIM WILDEN STAMM DER ARBEITER Die Wende: Die Wende ist schon da. Wir haben sie nur noch nicht bemerkt. Letzte Woche auf dem Arbeitsamt. Um 8.00 Uhr machen die auf. Ich bin um 8.05 Uhr an dem Nummernzieher. Meine Nummer 451. „Meckis Abenteuer beim wilden Stamm der Arbeiter“ weiterlesen
Schließlich bin ich Beamter Der Leidensweg eines Vobo Kurzfilmes. Wenn der Namensvetter mit 450 Kopien “startet“ (wie die Branche das so nennt), dann ist das schon was.
Abseits dieser Geldmenge vollzog sich in den letzten Monaten ein anderer “Kinogroßversuch“. Mit über 80 Kopien wurde der Anti-Volkszählungsfilm “Alle Welt tuts“ in den Kinos gezeigt.Finanzierung, Produktion und Vertrieb gleicht eher einem Abenteuerroman. Wie immer wenn Linke in diesem -ihrem- Lande daran gehen, etwas herzustellen, dann gibt es diese ständigen Wiederholungen: Erstens ist kein Geld da und zweitens ist es auch zu spät, um etwas aufzutreiben. Übrig bleibt nur die Idee. Diesmal Ideenmacher Thomas Amman und Niels Bolbrinker. Der eine hat grade in einem Fernsehbeitrag gezeigt, wie leicht die Geldautomaten der Hamburger Sparkasse zu überlisten sind. Statt nun dies Wissen, wie jeder vernünftige Mensch, für sich zu behalten und in Zukunft immer über genügend Bargeld zu verfügen, was macht er? Für ein vergleichsweise jämmerliches Honorar einen Magazinbeitrag.
Die Folge: Die Hamburger Sparkasse kündigt das Konto. Beleidigt über so viel Öffentlichkeitsarbeit. Kein Konto, kein Überziehungskredit für den VOBO Kurzfilm. Ohne Geld bekommt man keinen Rohfilm, kein Kopierwerk arbeitet umsonst, keine Kamera kann gemietet werden. Es ist März und die Volkszählung steht vor der Tür. Während viele noch überlegen, ob sie sie reinlassen, sitzen Amman und Bolbrinker am Küchentisch und überlegen, wie das nötige Geld zu beschaffen ist. Am Stichtag – wir erinnern uns – es sollte der 25. Mai (1987) sein – sollen die Kopien in den Kinos laufen. Im nächsten Monat lernen sie eine Menge: Über sog. Rohfilm, “Selbstverwaltete Filmförderung“ über “kommunale“ und “Beamtenkinos“, über Bürokratie und “linke alternativ-Bürokratie“ und auch über den Beifall, mit dem man nicht rechnet.
Der “Hürdenlauf“ der Finanzierung beginnt in Hamburg. Beim “selbstverwalteten“ Hamburger Filmbüro e. V.. Seit der Gründung 1979 hat sich dieses Büro zu einem “sozialdemokratischen Musterprojekt“ entwickelt.
Kein Geschäftsführer, kein Buchhalter, keine Schreibkraft, die nicht mindestens die Fähigkeit von Politikern haben – nämlich Werbung zu machen, ohne etwas von der Sache zu verstehen. Am linken Rand der SPD – aber eben doch SPD. Fraktionszwang. Für spontane Politik ist kein Platz. Reden werden gehalten: In der Zeitung muß es stehen, am besten, wenn noch ein Bild dabei ist. Da geht es nur zuletzt um Film. Da müssen die richtigen Formulare ausgefüllt werden.
Die Einreichfristen müssen eingehalten werden. Da muß die Richtung stimmen. Da werden Politik-Karrieren angefangen. Und wenns nicht in die richtige Richtung geht, da gibt es eine Menge Vorschriften, mit denen unliebsame Projekte und Personen beiseite geschoben werden können. Nein – kein Geld für die VOBO Film. Erstens, der Einreichtermin ist verstrichen. Zweitens, das Gremium hatte bereits einen ähnlichen Film kurz vorher abgelehnt. Wie man es gewohnt ist, zum Schluß wird die Ablehnungsbegründung auch noch solidarisch: Man würde ja privat gerne wollen . . . aber leider.
Der Vorstand – wie bei vielen Vereinen – ähnlich mutig auf die Frage, wie sich denn das Filmbüro e. V. in der Volkszählung selber verhalten wolle. Im Valentin Musäum hängt die Antwort an der Wand: “Mögn täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.“ Schließlich kann man nicht vor der Bürgerschaftswahl für die SPD werben und hinterher die Herren in die Pfanne haun. Für Hamburg heißt die Schlußfolgerung: Wer 10 Mille Subvention haben will, muß die hohen Herren der Politik bei Laune halten. Grade machen hat auch seinen Preis. Gratisangst? Vielleicht. Zum Ausprobieren reicht der Mut nicht.
Kein Geld vom Hamburger Filmbüro e. V.. Also eine Antrag an Netzwerk Hamburg. Nur leider geht das Gerücht, die hätten zurzeit überhaupt keine Gelder frei. Zeit ist knapp, also erst mal angefragt, ob das Gerücht stimmt. Dafür sind die “Alternativ-Banker“ wieder zu fein. Sie bestehen auf einem Antrag.
In drei Wochen trifft sich der Vergabeausschuß, der über den Antrag befindet. Netzwerk Berlin hat mehr Geld. Manfred Herold mit Berliner Wohnsitz übernimmt die Verhandlungen. Geld ist da. Zuständig, so befindet der Netzwerkgutachter in Berlin ist zunächst einmal Hamburg. In sechs Wochen tagt der nächste Vergabeausschuß “Netzwerk Berlin“. Die “Berliner Abteilung“ übersendet der “Hamburger Filiale“ einen Fragenkatalog. Der sieht so aus, wie 1980 Fragebögen ausgesehen haben. Wie denn die Produzenten politisch einzuschätzen seien, ob Hamburg das Projekt unterstützen würde, wenn es Geld hätte und ähnlich hypothetische Fragen. Die Volkszählung findet doch auch in Berlin statt? Der Einwand zieht nicht. Konzepte werden verschickt und begutachtet. Hamburg begutachtet und verweist mangels Masse nach Berlin zurück.
Nach 6 Wochen hin und her, findet der “Antragsannehmer“ von Netzwerk Berlin das Konzept sei sehr schlecht und ausserdem sei es ja viel zu spät für den Film. Aber: nach ihm gehe es ja nicht. Inzwischen auch das Ergebnis des Landes NRW in Mühlheim. Auch hier – wie in Hamburg – die formale Begründung. Man würde ja gerne den Film fördern, aber man könne nicht. Die Einreichfristen wären verstrichen. Welche Kinos in Berlin denn diesen Kurzfilm zeigen werden?
Der Verleih in Hamburg war in der Zwischenzeit fleissig. Es gibt zehn: Bali, Filmkunst 66, Filmbühne, Sputnik, Movimento, Eiszeit, Notausgang, Xenon, Graffiti, und Kino im Kob. Die sollen die Leute von Netzwerk anrufen. Machen sie aber leider nicht. Hin und her. Sitzungen, Anhörungen. Dann die erste Finanzhilfe. Ein Verein aus Kreuzberg spendet 1.000,00 DM. Auch Netzwerk Berlin ist inzwischen so weit, es kommen 4.000,00 DM.
Die Produktionssumme ist damit noch nicht zusammen. Aber ein Anfang. Die Bayern Grünen sagen einen Zuschuss zu. Klausel: Alle anderen Landesverbände der Grünen sollen auch bezahlen. Die AL in Berlin wird angefragt. Jemand kennt den Kassenwart dort und winkt ab, zwecklos. Bei der GAL in Hamburg tobt der Wahlkampf. Keine Zeit für den Nebenschauplatz. Doch die “Bürovorsteherin“ setzt sich sehr für das Projekt ein. Einige Bezirke bringen 1.000,00 DM zusammen.
Auf der Suche nach weiteren Geldgebern fällt dem Verleih auch die TAZ ein. Viel Papier wird gegen die Volkszählung bedruckt, warum sollten da nicht 3.000,00 DM für Kinobilder übrig sein? Die Redaktionskonferenz schmettert den üblen Bettelversuch eines “anderen Projektes“ ab. Kein Geld für Bilder.
Die Bundesgrünen sind immer nicht erreichbar. (Bisher hat nur die Bundespost an dem Projekt gut verdient. Die Telefonkosten schnellen in die Höhe.) Schließlich findet sich bei den Bundesgrünen doch eine Ansprechpartnerin. Eine Zusage kommt. Die Kinos sollen die Kopien bezahlen. Ein ungewöhnliches Ansinnen. Normalerweise kriegen sie Geld für die “Werbefilme“, die sie zeigen. Amman und Bolbrinker haben schon mal mit der Herstellung des Kurzfilmes angefangen.
Konntens wieder nicht abwarten. Inzwischen sind 12.000,00 Mark zusammen. Ungefähr die Hälfte des benötigten Geldes. Der Verleih telefoniert mit Kinos (gewerblichen und subventionierten). Erstaunliches kommt da zu Tage. Ungesehen und ohne Papier bezahlt das Kommunale Kino in Hamburg zwei Kopien. Doch auch das andere Extrem: Der Direktor des Deutschen Filmmuseums (wie sich der Leiter des Kommunalen Kinos in Frankfurt gerne nennen läßt) hat eine andere Antwort bereit: “Leider ginge das nicht – weder zeigen, noch bezahlen. Schließlich sei er Beamter im Staatsdienst.“ Ob Beamte denn keine eigene Meinung haben dürfen und ob er den Film nicht mal wenigstens vorher sehen will? “Nein, will er nicht.“
Auch die Beteuerung, dass kein Boykottaufruf im Film enthalten ist, bringt keine Zusage aus Frankfurt. Beamte sind eben Beamte. Auch in Kiel beim Kommunalen Kino gehts ähnlich ab. Man will darüber diskutieren und meldet sich wieder. Der Verleih wartet vergeblich auf den Rückruf. Schließlich meldet sich der Verleih wieder in Kiel. Die zuständige Sachbearbeiterin ist leider in Urlaub gefahren. Eine Ansichtskopie wird geschickt. Innerhalb einer Woche sollen sie diese ansehen und bei Nichtgefallen zurückschicken. Die Woche vergeht. Keine Kopie kommt. Also wird der Film in Kiel gezeigt. Denkste. Der Stichtag ist vorüber (25. Mai 1987), die Kopie kommt zurück. Kleiner Zettel: “Film konnte leider nicht gezeigt werden. Er kam zu spät“.
Mit dem Mut ist das so eine Sache. Offener dann doch die Leute vom Cinema Quadrat in Mannheim. Ihr Büro ist direkt im Rathaus Mannheim (E5). Wenn sie den Kurzfilm zeigen, werden die Zuschüsse gestrichen. Das ist ihnen die Sache nicht wert. Das kann man akzeptieren. Lieber so, als windelweich. Die Kollektive unter den Kinos gibts ja auch noch. Der chronische Geldmangel bestimmt ihre Arbeit. In Freiburg und Stuttgart wird so richtig demokratisch entschieden. Ob man noch mal wieder anrufen kann? Der Programmausschuß tagt am Montag. Mit Freiburg klappts dann noch. Mit Stuttgart nicht.
Inzwischen hat Flebbe aus Hannover 10 Kopien gekauft. Das gibt Auftrieb. Die AG Kino hilft beim Telefonieren. Doch der amtierende Vorsitzende schaltet sich ein. Er möchte keine Bestellscheinaktion. Schließlich die Frage, was ist mit Kino Abaton im gleichen Hause? Das kann nur der Geschäftsführer entscheiden, sagen die Angestellten. Doch der ist nicht zu erreichen. Schließlich, eine Kulturveranstaltung, der Geschäftsführer des Abaton hält eine Rede. Für Filmemacher Bolbrinker ist es die Gelegenheit, den Kurzfilm anzubieten. Er findet den Film gut. Kann aber nicht allein entscheiden, das hätte nun niemand gedacht. Schließlich stimmen auch die anderen zu. Letztlich doch nur eine Formsache.
Alle Kinobesitzer fliegen an die Cote da Sur. Cannes ruft. Auf Frau Gregor vom Arsenal in Berlin hat den Flugschein schon gekauft. Sie verspricht zurück zu rufen. Der Verleih wartet – wie so oft bei den Beamtenkinos – vergeblich. Alf Boldt wäre der richtige, aber der ist noch bei den Kurzfilmtagen in Oberhausen.
Auch die Filmtheaterbetriebe Kloster & Steenwerth (York, OFF, Manhattan u. a.) in Berlin melden sich nicht wieder. Die hängen am Tropf der Filmförderungsanstalt, vermutet die Berliner Kinoszene. Er hängt so direkt am Tropf, dass er denkt, die machen Schwierigkeiten. Kein Georg Kloster. Da kommen dann doch eher die armen Kinos infrage: Sputnik, Movimento, Bali, Steinplatz und richtig, die nehmen auch Kopien. Bayern ist – wie gedacht – ein wenig erfolgreicher Versuch. München ja, zunächst die beiden Freak Kinos – Werkstatt und Maxim – und dann noch ein Kino der AG Kino.
In Regensburg sind wir wider Erwarten mit einer Kopie erfolgreich (Ostentor Kino, Werner Hofbauer). Im Augsburger Stadtkino ist der Bearbeiter gerade in Urlaub. Die Weber Broth. sind nach Cannes abgeflogen. Die anderen Mitarbeiter des Klein Konzerns haben keine Kompetenz für eine Ausgabe, die 100,00 DM überschreitet.
Wir schicken drei Ansichtskopien, mit der Maßgabe, diese bei Nichtgefallen innerhalb einer Woche zurückzusenden. Die Kopien kommen zurück, aber erst am 20. August (1987) mit einem kleinen Zettel der Buchhalterin, Kopien wurden nicht angefordert, nicht gezeigt, werden also auch nicht bezahlt. Was ist mit den Franken los, hat denen der Strauß auch schon den Schneid abgekauft? Ich beginne einen kleinen Streit.
Doch nicht nur Zustimmung, denen vom Roxy Kino in Dortmund ist unser Angriff zu seicht, sie hätten gerne was schärferes. Sie schicken die Kopie wieder zurück, aber innerhalb der besagten Woche. Das geht in Ordnung. Auch beim Arsenal Kino in Tübingen passiert eigenartiges. Die Kino Gruppe begutachtet den Film, will ihn einsetzen, aber der Vorführer hat Angst, also wird er bezahlt, aber nicht gezeigt. Gleichzeitig hat auch Zimmermann (Friedrich Zimmermann, damals Innenminister, heute tot) einen Werbefilm zimmern lassen, der bundesweit gestartet wird.
Viele Kinos weigern sich, diesen in die Werbeblöcke aufzunehmen und schicken ihn an die Agentur zurück. Wenn jetzt unser kommt, dann gibt es unterschiedliche Reaktionen:
1) Die pluralistische (Wir haben nicht für die Volkszählung geworben, also dürfen wir jetzt auch nicht gegen die Volkszählung werben) bzw., beide zu zeigen, wobei sie bei ersten Geld bekommen und beim zweiten Geld bezahlen sollen. (Was sie natürlich meistens nicht einsehen). Hier bricht das vorhandene Manuskript ohne jede Zusammenfassung ab . . .