Du kennst den Witz von dem Wettlauf nicht? Naja, das ist ja auch schon lange her. Da lebte der Kennedy noch und die Zeitung der KPDSU hieß Prawda, übersetzt = Wahrheit. Heute müßte man den Witz leicht modernisieren. Und obs die Prawdawahrheit noch gibt, ist auch die Frage.
Also der Wettlauf zwischen Putin und Biden geht so. Sie laufen um die Wette und Biden gewinnt. Was steht am nächsten Morgen in der Zeitung?
Putin errang einen ehrenvollen zweiten Platz und Biden wurde nur Vorletzter.
Hallo Eugen, ich habe den Text in einem alten Kursbuch gefunden. (Kursbuch 56 vom Juni 1979) (gerade 44 Jahre alt geworden). Es gibt ihn leider nicht einzeln. Man muß immer ganze Bücher kaufen. Und das macht die Generation, die letzte, die nach uns kommt, bestimmt nicht. Und deswegen habe ich Dir den Text extra abgeschrieben. Hans Magnus Enzensberger hätte bestimmt nichts dagegen gehabt. Ich habe zwar zweimal Korrektur gelesen, aber der Teufel steckt ja im Detail, wie wir beide wissen. Viel Spass beim Lesen, Jens
Hallo Wiebeke, die Zeiten ändern sich tatsächlich. Habe ich gestern bemerkt. Beim traditionellen Weihnachtstreffen der Familie. Sieben große Tafeln Schokolade der Firma Lindt, die mit Nüssen und 300 Gramm schwer hatte ich (der Opa) mitgebracht. Sieben Kinder wurden erwartet, aber es kamen nur fünf. Den anderen Kindern war ein Familientreffen wahrscheinlich zu langweilig gewesen. Erst nachdem alle Kinder nach der Bescherung auch vom Gemüse genascht hatten, kam Opa mit seiner Schokolade zum Einsatz. Ein alter Trick, wie man sich in das Gedächtnis der Kinder einschleichen, einschleimen kann.
Einem Onkel von mir war dies auf diese Weise vor 70 Jahren geglückt. Allerdings nicht in der Weise, in der er sich das selber vorgestellt hatte. Er war Mitglied der Gewerkschaft, welcher, weiss ich nicht, wohnte in Barmbeck und arbeitete bei der GEG, bzw. der Produktion, wie die Firma hieß. Wir Kinder nannten ihn Onkel Guschi. Vermutlich hieß er Gustav. Die Gewerkschafter hatten damals eine eigene Schokoladenfabrik. Meistens machten sie BABETTE Schokolade, aber manchmal auch Sarotti. Ich glaube, der genannte Onkel war in der Wurstfabrik der GEG.
Nach dem Genuss einer dieser Gewerkschaftprodukte, die er aus der GEG mit nach Hause gebracht hatte, wurde mir ziemlich schlecht und ich mußte mich, wie es vornehm genannt wurde: erbrechen. Kotzen, haben wir es genannt. Ob es die vergammelte Schokolade oder die vergammelte Wurst war, habe ich damals nicht herausfinden koennen. Jedenfalls kam beides als Kotze ans Licht.
Was das mit der Zeitenänderung zu tun hat? Ganz einfach. Dazu ist wichtig, das Du weißt, auf welche Weise meine Lindt Schokoladen an die Enkel gelangt sind: Ich habe jedes Kind genötigt, die große Schokolade selbst aus einem Beutel herauszuholen, den ich in der Hand hielt. Insgesamt sind so fünf Tafeln an ihre Empfänger und Empfängerinnen gelangt. Zwei Tafeln wurden den Eltern überreicht, die mir vorher ein Gelübde ablegen mußten, das die zwei Tafeln auch wirklich den betreffenden Personen übereignet werden.
Am nächsten Tag hat die Oma mich telefonisch erreicht und mir mitgeteilt, dass drei Tafeln der Schokolade in ihrer Wohnung verblieben waren, vergessen wurden. Zwei vergessene Tafeln kann man leicht erklären: Mit dem Stress der Eltern beim Aufbruch und dem abgelegten Gelübde. Sie wußten um die Versuchung, derer sie ausgesetzt gewesen wären und haben die zwei Tafeln deswegen einfach vergessen.
Bleibt eine Tafel übrig, die von einem Kind vergessen wurde. Und in dieser Hinsicht haben sich die Zeiten tatsächlich geändert. Vor siebzig Jahren hätte kein Kind eine Schokolade vergessen. Das gab es nicht. Und nun kommst Du.
Apropos vergessen: Heute konnte man, zum ersten mal seit drei Jahren, wieder 2,5 Tage lang, Silvester Böller kaufen. Aber Raketen wie früher gibt es nicht mehr. Sie wurden umbenannt und heissen jetzt, wie auf dem Budni Kassenbon vermerkt: Com. Goldglanz. Das hättsde jetzt nicht gedacht, wa?
Übrigens bin ich mit meinen Untersuchungen, wie man mit dem Tellerwaschen Millionärin werden kann, ein Stückchen weiter gekommen.
In dem Sinne, dass ich die Wohnanschriften der Famlie Kramp in der fraglichen Zeit herausgefunden habe. Wieder mit Hilfe des Scherl Adressbuches von Berlin. Ziemlich unwahrscheinlich was da von Biografen immer wieder erfunden wurde. Sogar angeblich seriöse Quellen (Munzinger) werden dadurch unglaubwürdig. Munziger schreibt, sie sei in Neukölln geboren, also im Süden von Berlin, wo doch die Familie Kramp im Norden von Berlin ihren Wohnort hatte. Berlin Rudow, oder Berlin Neukölln ist der Geburtsort von Ilse Kramp? Ziemlich unglaublich.
Die Wohnungen, in denen die Familie Kramp in den Berliner Adressbüchern der Firma Scherl auftaucht, befinden sich mehr im nördlichen Teil von Berlin. Kaum zu glauben, dass eine Pianistin, ihre Mutter, weite Reisen unternimmt um einer Nebentätigkeit als Stummfilmbegleiterin nachzugehen. Ilse war als Name in meiner Kindheit verpönt. Unser Reim: Ilse bilse, keiner willse, kam ein Koch, nahm sie doch! Auch der Beruf des Kochs war verpönt. Wer eine Klassenarbeit mit einer fünf nach Hause brachte, dem wurde empfohlen: werd Bäcker, oder auch: werd Steineklopfer. Damit waren aber nicht die Steinmetze genannt, die die Grabsteine mit Buchstaben versehen, sondern die Menschen, die die Straßen gepflastert haben.
Die Anschriften des Briefträgers, im Scherl Adressbuch von 1918, nennt er sich Hermann Kramp mit der Berufbezeichnung: »Ob. Postschaffn.« und ist verortet in Berlin N 65, in der Transvaalstr. 18 im vierten Stock. 1931 findet er sich wieder auf Seite 1741 des selben Scherl Adressbuches als: Kramp, Hermann, Postsekr., im gleichen Bezirk: N 65 in der Glasgower Str. 6. Diese Strasse wird auch in dem Spiegel Artikel von 23. Januar 1957 genannt. Die Hausnummer wird in dem Spiegel Artikel nicht genannt.
Dort hat auch Ilse Kramp gewohnt, bis sie 1938 die Ehe mit Hans Wilhelm Kubaschewski eingegangen war und mit ihm die Wohnung im Bezirk NW 87, in der Händelallee 14 bezogen hatte. Der Scherl vermerkt als Besonderheit mit einem Versal T, das die Wohnung ein Telefon (T) hat. Die Telefonnummer wird dort aber nicht genannt. In diesem Haus gibt es auch ein Büro: Die „Filmtheater Betriebsgesellschaft Kramp & Co“, ebenfalls mit einem Telefon. Der Eintrag befindet sich in dem Adressbuch der Firma Scherl von 1939 auf Seite 351.
Auf dem Grabstein sind dann alle wieder versammelt. Der Stein von oben nach unten gemeisselt: Ilse Kubaschewski, Hans W. Kubaschewski, Hermann Kramp (Vater), Maria Kramp (Mutter), Erich Kramp (Bruder), Gerda Kramp (Schwester) und ein Heinz Steckel, wer immer das auch ist. Der vermutlich Letztgestorbene hat diesem Steinmetz die entsprechenden Anweisungen hinterlassen. Doch in welchem Kino Ilse sozialisiert wurde, hat Ilse offensichtlich mit ins Grab genommen. Nur damit Du nichts falsch verstehst: Die Bezeichnungen: Vater, Mutter, Schwester und Bruder sind natürlich nicht auf dem Grabstein mit eingemeisselt.
Vergessen hatte ich den sauberen Gatten von Ilse: Der angebliche „Fillialleiter“ der UFA, der immerhin Vorgesetzer von 34 Angestellten der Berliner „Filiale“ war. Während die Hamburger UFA „Filiale“ nur zehn Angestellte hatte, wie die Lichtbildbühne vom 27. Juli 1938 preisgibt. In dem Buch von Curt Riess: „Das gabs nur einmal“ schreibt dieser über Kubaschewski, das Pg Kubaschewski politisch und charakterlich einwandfrei gewesen sei, was man vor allem deswegen bezweifeln kann, weil Curt Riess das gar nicht wissen kann, weil er in dieser Zeit im Ausland weilte. Nicht ohne Grund weilte er dort. Als Jude war er vor den Nazis aus Deutschland geflüchtet. Bleibt nur anzumerken, das Adolf Eichmann „seine“ SS Leute ja auch gelobt hatte, das sie bei der Ermordung der Juden „anständig“ geblieben seien.
Als jedenfalls Hans W. Kubaschewski 1952 den Auftrag gab, die Nazis aus dem Film »Casablanca« zu entfernen und aus dem Widerstandskämpfer Viktor Laslo den Strahlenforscher Viktor Laslo zu machen war Pg. Hans Wilhelm Kubaschewski schon Generaldirektor der Warner Bros. Deutschland.
Die Kombination von Ilse und Hans war übrigens sehr einträglich. In den Biografien von Ilse Kubaschewski tauchen die Geldquellen aus ihrer Anfangszeit auf: Die Abfindung als Chefdisponentin der Firma Siegel in Höhe von 100 TRM, die ihr der „Reichsbeauftragte für die deutsche Filmwirtschaft“ Max Winkler von der Cautio verschafft hatte. Nur damit Du nicht nachgucken mußt: Die Cautio war die Tarnfirma des Propagandaminsters Joseph Goebbels. Gezahlt wurde, als Joseph Goebbels den Filmverleih von Siegel mit Hilfe von Max Winkler in den UFI Konzern eingliederte. (Anmerkung 2. Januar 2023: In dem Buch von Michael Kamp, das er mir freundlicher Weise als PDF geschickt hat, gibt es dazu eine ganz andere Version. Danach kam eine Abfindung von 43.000 RM keineswegs von der Cautio, sondern von der Firma Siegel Film. Also heisst es wieder: noch mal nachkratzen.)
Eine erste Spur fand ich in einem Filmbuch aus dem falschen Berlin: Ostberlin. Jener Staat der 1948, mit Stalins Hilfe den Versuch unternommen hatte, durch eine Blockade zu erreichen, sich den Westteil Berlins einzuverleiben. Schon allein durch diesen Versuch und seine einseitige Sichtweise war jedes Buch aus der DDR eine Waffe im Kampf der Systeme. Auch wenn es nachprüfbare Fakten gab, hörte man im Westen nicht gerne, wenn ein Horst Knietzsch in seinem Buch „Film gestern und heute“ zum Thema Amerikanischer Filmverleih folgendes schrieb:
„Anfänglich nahmen es einige amerikanische Offiziere der für das zivile Leben verantwortlichen Militärbehörden recht genau mit Filmlizenzen. Der Krieg gegen das faschistische Deutschland wirkte in ihnen noch nach. In den 131 Paragraphen ihrer Fragebogen blieb so mancher Faschist, mancher faschistische Förderer oder Nutznießer des Hitlerregimes hängen, der geglaubt hatte, über das lukrative Filmgeschäft wieder zu einer günstigen wirtschaftlichen Ausgangsposition gelangen zu können.“ ( . . . ) Aber bald lockerten sich ihre politischen Grundsätze beträchtlich. Amerikaner und Deutsche machten bei der Lizenzverteilung einträgliche Geschäfte. Auf diese Weise wurden die Grundlagen für manchen Großverleih in Westdeutschland gelegt. Erstaunliche Karrieren zeichneten sich ab. Zu den Vertrauten der amerikanischen Militärbehörden gehörte Hans W. Kubaschewski, der schon vor dem Krieg mit Filmverleihern der USA verbunden war. Dann hatte er den Posten des Berliner Filialleiters der faschistischen Deutschen Film-Vertriebs-GmbH bekleidet, die zur UFA gehörte. Zusammen mit einem gewissen Walter Klinger aus Hollywood verlieh Kubaschewski nach 1945 die ersten Filme, vor allem Reprisen aus der Produktion vergangener Jahre. Der erzielte Gewinn ging in die Millionen. Kubaschewski war klug genug, sich nicht selber einen Filmverleih aufzubauen. Das tat seine Frau. Er mit seinen guten Verbindungen knüpfte die Beziehungen und gab die richtigen Tips. Später wurde er der Verantwortliche des Warner-Brothers-Verleih und dann, von 1959 bis zu seinem Tode, Direktor der Bavaria in München. Ilse Kubaschewskis Gloria-Verleih entwickelte sich zu einer der größten Verleihfirmen in Westdeutschland.“
Wie wenig souverän man mit diesen Quellen aus der DDR umgehen konnte, zeigt ein Buch, das 1973 in der BRD erschienen ist. Geschrieben hat es Dr. Klaus Kreimeier, der mein Dozent an der dffb war, der sich damals streng auf dem Boden des Marxismus-Leninismus, Ausgabe Maosedong, bewegte. Ich hab das Buch aufbewahrt. Ich war mit vielen Sachen damals nicht einverstanden und habe diese Stellen, was sonst nicht meine Art war und ist, mit Bleistift unterstrichen, manchmal sogar mit Kugelschreiber.
Hier findet sich in seinem Kapitel: »Tabuala rasa? Klassenkämpfe in den Westzonen« auf Seite 46 das Zitat aus dem Buch von Horst Knietzsch, aber so zitiert, das man nicht erkennen kann, woher es eigentlich stammt. Man könnte vermuten, es stammt aus dem Buch von Peter Pleyer und nicht von Horst Knietzsch, den man im Westen offensichtlich nicht zitieren konnte. Und doch, wenn man es heute überprüft, der Mann (Horst Knietzsch) hatte Recht und zwar noch mehr als er selber herausgefunden hatte. Der Beweis stammt aus einem Buch, das mit Förderung eines BRD Innenministers entstanden ist. Da muß man allerdings sehr genau hinauschauen, um zu erkennen, was damals passiert ist. Ich versuche mal eine Art Übersetzung.
Der amerikanische Offizier, der damit beauftragt wurde, die Leute wieder mit Filmen zu versorgen war Sergeant Walter A. Klinger. Walter A. Klinger war am 12. Mai 1912 in Wien geboren und arbeitete ab 1929 für die Firma Warner Bros..
Erst in Wien und anschließend in Berlin. Walter Klinger war Jude. Bei der Machtübergabe an die Nazis 1933 flüchtete er aus Deutschland und heiratete 1935 in Wien Hertha Bley. Als im März 1938 die Deutsche Wehrmacht in Österreich einmarschierte, flüchteten sie nach Trinidad, wo Walter Klinger für Warner Bros. tätig war.
Als 1940 Frankreich kapitulierte, wurden die Klingers als unerwünschte Ausländer in Trinidad interniert. 1940 wurde dem Ehepaar Gelegenheit gegeben, Bürger der USA zu werden. Walter Klinger war zu diesem Zeitpunkt 28 Jahre alt und wurde Soldat der US Armee. 1946 schied er aus der Armee aus und ging zuruck zu Warner Bros. und arbeitete in deren Lateinamerika Abteilung. Walter Klinger starb am 15. März 2003 in Camarillo in Kalifornien. Was dazwischen so passiert ist, muß ich erst noch herausfinden. Sei versichert, Du erfährst es zuerst, J.
Hallo Wiebeke, zwei Zitate fand ich aufhebenswert und habe sie für Dich abgeschrieben. Ich weiß sogar noch wo: Das eine fängt so an:
Zitat 1: “Ich habe Coupery‘s Stimme nie gehört. Er war tot, lange bevor ich Ohren hatte.“ (Cees Nooteboom, Der Umweg nach Santiago, Seite 71), und fährt dann fort: “ . . . und ich weiß nicht, ob der Phonograph den Klang dieser Stimme aufgenommen hat.“
Zitat 2: “Die Arbeiter sollen arbeiten, deswegen heissen sie ja Arbeiter. Der Unternehmer heißt Unternehmer, weil er etwas unternimmt: Ins Kino gehen, Urlaub machen und was der Tätigkeiten noch mehr sind.“
Ich glaube, das Zitat 2 habe ich mir selber ausgedacht. Ich würde mir das zutrauen. Während der Corona Zeiten war ich viel zu Hause und im Netz und auch zu Hause.
Bei meinen Nachforschungen über die deutsche Tonfassung von »Im Westen nichts Neues« wurde oft der Name »Rohnstein« genannt. In einem Textbeitrag wird diesem »Konrad Paul Rohnstein« sogar unterstellt, er sei ein deutscher Pionier bezüglich der Synchronisationsarbeiten gewesen.
Dem muss ich hier mal widersprechen. So war es nicht. Ähnlich geht es mir mit einem, der später so beliebte Filme, wie »Hurra, die Schule brennt!« den Du natürlich nicht kennst, weil er 1969 ins Kino kam und Du da noch nicht reindurftest, weil Du noch nicht alt genug warst, regiemässig zu verantworten hatte.
Fehlte noch, das dieser Mensch mit Namen »Werner Jacobs«, der ebenfalls dabei gewesen sein soll, als die Deutsche Fassung dieses Filmes, die damals nicht ins Kino kam und auch später nicht, weil den Nazis die Macht übergeben wurde, ebenfalls zu einem Pionier von »Im Westen nichts Neues« umgelogen wird.
Der »PROMI«, wie ihn mein Vater noch genannt hatte, manchmal auch zärtlich: »Unser Doktor«, hatte ein großes Talent gegen Filme zu sein, die er nicht gesehen hatte. Jedenfalls ist nicht überliefert, ob sich der spätere »PROMI« den Film vorher mal angesehen hatte, bevor er die Stinkbomben und die weißen Mäuse für die Premiere des Filmes bestellte.
Da war er aber noch gar kein »PROMI«. Vielleicht ist er doch selber einkaufen gegangen. Das ist aber eher unwahrscheinlich. Hanns Brodnitz berichtet in seinem Buch: »Kino Intim«:
“ . . . zumal in Parkett wie im Rang des Theaters aus kleinen Pappkartons weiße Mäuse in solcher Anzahl losgelassen wurden, daß man auf einen Ausverkauf dieses Artikels in sämtlichen Berliner einschlägigen Tierhandlungen schließen konnte . . . Keiner von den Protestlern hatte den Film gesehen, jeder begnügte sich damit, eine Parole gehorsam nachzuplappern, von deren Richtigkeit sich niemand überzeugen wollte. Es schien eisern festzustehen, daß dieser Film ein Schandfilm war.“
(Seite 91).
Weiße Mäuse sind immer noch günstig zu haben. Heute kann man sie für 1,00 Euro pro Maus bestellen.
Sieben Tage nach der Premiere, am 11. Dezember 1930 verbot die »Filmoberprüfstelle« die Aufführung dieses Films. Wer sich das Foto des Oberzensors im Netz ansieht, versteht, wer da wie entschieden hat und warum.
Werner Jacobs kommt jedenfalls für die Heldengeschichte des angeblichen »Pioniers« der Entwicklung der deutschen Synchronisation ebenfalls nicht in Frage. Das liegt schon in seiner Biografie: Geboren am 24. April 1909 in Berlin. Gestorben ist er am 24. Januar 1999.
Dazwischen ist natürlich auch noch was passiert. Überliefert ist: 1928 ist er in Berlin Schüler der Oberrealschule in Steglitz und macht dort sein Abitur. Überliefert ist weiterhin: Aus finanziellen Gründen war es ihm nicht möglich, ein Studium zu beginnen. Vielleicht hatte er auch nur keine Lust?
Jedenfalls berichtet eine andere Quelle, das »Werner Jacobs« zwei Jahre lang auf Arbeitssuche war und schließlich 1930 bei der Firma »Rhythmographie GmbH, Alte Jacobstr. 133, Berlin SW 68« eine Anstellung fand. Ob er sich zwischenzeitlich über die Materie »Film« Kenntnisse angeeignet hatte, ist nicht überliefert.
Auch nicht überliefert: Der Zeitpunkt der Auftragserteilung durch die Produktionsfirma: Universal. Die USA Premiere war am 21. April 1930, die UK Premiere in London am 14. Juni 1930. Premiere in West Germany war am 14. März 1952, berichtet imdb.com, die man auch nicht mehr ansehen kann, weil, es wimmelt nur so von Werbung.
PS: Ach, was ich noch vergessen hatte. Schnell waren sie ja bei der Ufa. Ich hab schon mal wieder in dem Buch meines ehemaligen Dozenten, Klaus Kreimeier, nachgesehen. Da schreibt er auf Seite 519 seines Ufa Buches: Am 28. März 1933, übrigens ein Dienstag, redet Herr Goebbels in einer Kneipe, im Kaiserhof, zu den »Spitzen der deutschen Filmindustrie« und einen Tag später beschließt der Vorstand der UFA die jüdischen Mitarbeiter der UFA rauszuschmeissen. Mein ehemaliger Dozent nennt es »vorauseilender Gehorsam« Und da hat er ja Recht, der Gute.
Die erste Deutsche Erstaufführung der Tonfilmversion hat am 4. Dezember 1930 im Mozertsaal Berlin bei Gerhard Reutlas stattgefunden. Hanns Brodnitz schreibt über Gerhard Reutlas im Kapitel „Junger Mann in der Flimmerkiste“:
„Reutlas eröffnete herzklopfend am 14. Juli 1923 bei 35 Grad Hitze im Schatten mit einem Groteskenabend, den er dem dicken Fatty gewidmet hatte. Die nächsten Wochen stümperte er sich durch. Am 3. September zeigte er einen Film, der niemand interessierte. Ein gewitzter Filmverleiher hatte ihn für Deutschland um einen Pappenstiel gekauft. Der Film lief siebzehn Wochen vor ausverkauften Häusern und hieß „My Boy“, mit Jackie Coogan. Nun konnte Reutlas seine Theorien vom modernen Kino in die Praxis umsetzen. Er machte den Nollendorfplatz zur „amerikanischen Ecke“, zum Weltstadtwinkel des internationalen Spitzenfilms . . .“ (Seite 15)
Und Hanns Brodnitz weiter in dem Kapitel:
Der Krieg der weißen Mäuse:
„Reutlas hatte den Film (Im Westen nichts Neues) nach monatelangem Kampf für sein Theater endlich erworben. Die Hersteller waren in ihren Ansprüchen nach den Resultaten der Aufführung in allen Ländern maßlos, und Reutlas versuchte, die Forderungen auf ein erträgliches Maß herabzudrücken. Die von ihm übernommenen Verpflichtungen waren ungeheuer.“
(Seite 87).
Am einfachsten scheint es mir doch, das ich Dir das Buch ausleihe, bevor ich jetzt alles abschreibe. Das Buch von Hanns Brodnitz ist wirklich sehr kurzweilig geschrieben.
Dagegen ist mir aus Internet Quellen folgendes Zitat voller Verwirrung in die Augen gefallen, also erst in die Augen gefallen und anschließend kam mir die Verwirrung. Und da ich Dir den Grund meiner Verwirrung nicht vorenthalten will, kommt hier die Aufklärung. Da lebt er auf, der kleine Schulmeister, der in jedem von uns und natürlich auch in mir steckt:
“Die deutschen Dialoge von Im Westen nichts Neues sind das Werk eines Pioniers, Konrad Paul Rohnstein, der für Jahre eine zentrale Figur deutschen Synchronisation bleiben wird. Seine Firma Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co. blieb bis 1945 eines der bedeutendsten deutschen Synchronstudios.“
Daran ist so ziemlich alles falsch. Und nun kommst Du.
Fangen wir mal vorn an: Die Firma »Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co. Berlin« wurde erst am 9. August 1933 gegründet. Eine OHG, die am 3. November 1933 ins Handelsregister eingetragen wurde. Man beachte den Zeitpunkt der Gründung und ziehe vermutlich, so wie ich, daraus Schlüsse, die ich aber hier (noch ) nicht ausbreiten will.
Zum Zeitpunkt der Gründung dieser Firma, war die deutsche Fassung dieses Filmes schon seit 10. Dezember 1930 in Deutschland verboten und durfte nur noch in geschlossenen Veranstaltungen gezeigt werden. Die Machtübergabe an die Nazis regelte den Rest.
Das Zitat aus Buchers Enzyklopädie des Filmes, macht die Sache eindeutig: “In Deutschland gelang es den Nationalsozialisten mittels inszenierter Demonstrationen vor den Kinos, sein Verbot zu erreichen.“ Das steht beim Bucher auf Seite 26, wenn Du das noch mal nachsehen willst.
Hat sich was mit Pionier Rohnstein! Das war vermutlich der Lehrling bei der Firma, die die Deutsche Fassung tatsächlich hergestellt hatte. Der Herr Dr. aus Würzburg mit Wohnsitz in Berlin Spandau.
Da habe ich auch noch was herausgefunden, aber nicht schummeln und hinten nachsehen
Apropos Pionier: Da lob ich mir doch den Kameramann Karl Freund, “der im Alter von 15 Jahren als Filmvorführer begann“ wie der Bucher auf Seite 275 schreibt, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hatte, wie man sich in Berlin auszudrücken beliebte, als ich dort weilte. Das ist ein wirklicher Pionier gewesen. Er soll sogar die Schlusseinstellung von »All Quiet on the Western Front« erdacht und gefilmt haben. Die Amis nennen ihn sogar in den credits.
Herr Rohnstein hatte dagegen nur eine langweilige Doktorarbeit geschrieben und war bei der Firma mit dem eigenartigen Namen: “Rhythmographie GmbH“ als „Ungelernter“ angefangen. Ein Doktor ohne jede Materialkenntnis, der sich dann später hochgearbeitet hat.
Die Pioniere sind jedenfalls andere. Auch sie sind Firmengründer und gründen am 16. September 1929 eine Firma mit einem Schreibfehler. Naja, nicht Schreibfehler. Im Firmennamen: »Rhytmographie Gesellschaft mit beschränkter Haftung« taucht der Buchstabe H zweimal auf.
PS: Ach, was ich noch vergessen hatte. Schnell waren sie ja bei der Ufa. Ich hab schon mal wieder in dem Buch meines ehemaligen Dozenten, Klaus Kreimeier, nachgesehen. Da schreibt er auf Seite 519 seines Ufa Buches: Am 28. März 1933, übrigens ein Dienstag, redet Herr Goebbels in einer Kneipe, im Kaiserhof, zu den »Spitzen der deutschen Filmindustrie« und einen Tag später beschließt der Vorstand der UFA die jüdischen Mitarbeiter der UFA rauszuschmeissen. Mein ehemaliger Dozent nennt es »vorauseilender Gehorsam« Und da hat er ja Recht, der Gute.
Die Pioniere finden sich eher unter den Gründern dieser Firma: Ingenieur Karl Robert Blum, Ingenieur Walter Hahnemann und Kaufmann Karl Egon Martiny und den Angestellten dieser Firma, die seit 1930 ihre Geschäftsräume in SW 68, in der Alten Jacobstr. 133 im vierten Stock haben. Wenn man sich ein wenig Mühe gibt, so habe ich herausgefunden, dann kommt man auch mit den digitalisierten Berliner Adressbüchern der Firma Scherl zu Rande. Man hüte sich jedoch davor, irgend welche Schlüsse zu ziehen, aus Erkenntnissen, die man meint, gewonnen zu haben. Was in dem einen Jahr so, ist im nächsten Jahr anders.
Viktor Abel wohnte seit 1928 in Berlin, denn im Adressbuch der Firma Scherl von 1929 (Redaktionsschluss 15. 10. 1928) taucht er mit Namen und Berufsangabe im Teil I (Einwohner Berlins) auf Seite 2 auf. Dort zu lesen: Abel, Viktor, Filmdramaturg, Charlottenburg, Riehlstr. 11 (II) T (Und T = Telefon hat er auch: West 1249). Von dem Toningenieur, Dr. Gerhard Goldbaum, auch ein vergessener Pionier, konnte in den Scherl Adressbüchern keine Berliner Anschrift finden.
Ähnlich wie mit Viktor Abel ist es mit Carl Robert Blum. Zehn Patente habe ich auf der Seite des Deutschen Patentamtes gefunden. Dabei kam mir mein kleines Gastspiel in der Gitschinerstrasse 97 von damals (1974) zu Hilfe. Du erinnerst Dich vielleicht daran, wie mich das Arbeitsamt, Sachbearbeiter Knebel vom Arbeitsamt Steglitz, hereingelegt hatte? Durch die Kopierarbeiten, zu denen ich im Keller des Deutschen Patentamtes, in der Gitschinerstrasse freiwillig gezwungen wurde, verfügte ich über sog. Vorkenntnisse: Auslegeschrift usw.
Auch die Firma, die die Geräte des Erfinders Carl Robert Blum, manchmal auch Karl Robert Blum, herstellte, ist hier zu nennen. Wenn Pionier, dann schon alle: H. W. Müller & Co, Werkstatt für Elektro- und Feinmechanik, SW 48, Besselstr. 21.
Auf der Seite der »vergessenen Filme« steht über Max Bing:“Der Dialogregisseur Max Bing (1885-1945) war in der Hauptsache beim Rundfunk tätig. Er arbeitete vor allem als Hörspielregisseur.“
Und natürlich, und eigentlich zuallererst der Mann, der als Fachmann die Synchronisationsarbeiten geleitet hat: Viktor Abel.
Auch zu Konrad Paul Rohnstein gibt es neue Erkenntnisse und Vermutungen, die sich aus den Nachforschungen ergeben die anhand der ins Netz gestellten Adressbücher möglich waren:
Im Adressbuch von Berlin 1922 gibt es einen Rohnstein, A., Kaufm., unter der Anschrift, Falkenhagener Str. 7 im Straßenverzeichnis von Berlin Spandau. Das ist natürlich noch keine besondere Neuigkeit.
Zehn Wohnungen gibt es in diesem Haus. (Adressbuch 1922, Scherl Teil IV Seite: 1163) In den Folgejahren: 1923/24/25/26 wiederholt sich dieser Eintrag.
Doch 1927 auf Seite 2814 findet sich ein andrer Rohnstein in dem selben Haus: Falkenhagener Str. 7.
Ein Mensch, der scheinbar sehr stolz auf seinen Namen ist und sorgsam darauf achtet, dass im Adressbuch auch alle seine Titel genannt werden: Rohnstein, Paul, Dr. rer. pol. (Adressbuch 1927, Teil IV, Seite 2814).
Aus der Tatsache, das Konrad Paul Rohnstein, dieser eitle Fatzke, sich auch in das Adressbuch von 1924, Redaktionsschluss 15. 10. 1923, mit seinem gerade erst erworbenen Titel (Dr. rer. pol.) in Berlin Spandau, mit der Anschrift Freiheit 2, II Stock, T (Telefon) 445 um den Sohn, des Kaufmannes Alfred Rohnstein handelt.
Wie wäre es sonst möglich, das dieser die Wohnung von Alfred Rohnstein in der Falkenhagenerstr. Nr. 7- 1927 einzieht? Das kann also nur ein naher Verwandter von Konrad Paul Rohnstein sein.
Und wo bleibt nur die Biografie und das Foto von Walter Lindemann, geb. 4. August 1887, gest. 8. Januar 1971, das mir die Enkelin von Walter Lindemann vor drei Monaten schicken wollte? Ja, jetzt hat sie es endlich geschickt. Danke!
Walter Lindemann (Das Foto wurde uns von Birgit Heidsiek zur Verfügung gestellt)
Du erinnerst Dich an diesen mutigen Polizeioffizier aus dem Amt Ritzebüttel, Cuxhaven? Der, der die Nazis nach Hause geschickt hat. Wenn ich doch Verbindung mit Walter Lindemann aufnehmen könnte, und mich über die faule Enkelin, die immer davon schreibt, das sie auf Panels sitzen würde, bei ihm beschweren könnte, das wärs doch ? Oder J.
Abschrift eines Artikels aus der Hamburger Rundschau vom 5. Dezember 1991 Nr. 50, Seite 13 von Otto Meyer
Auf der Suche nach Henschel
Die verdrängte Geschichte des jüdischen Kinounternehmers Henschel
Mit vielen Hamburger Kinos selbst ging auch deren Geschichte in den Trümmern des zerfallenden Nazi-Deutschlands unter. Eine Ausstellung im 3001 Kino in der Schanzenstraße erinnert nun an den ehemaligen jüdischen Kinobesitzer James Henschel. VON OTTO MEYER
Die Ausstellung zeigt brisante Fotos und Dokumente von 1905 bis 1938. Die Nazis und die von Ihnen begünstigten Kinobesitzer haben einen großen Anteil daran, daß keiner in der Stadt mehr weiß, wo beispielsweise das Lessingtheater stand, wie sein Erbauer 1912 hieß, wer das Waterloo Theater in der Dammtorstraße baute und wo es stand, wem das Passage Theater in der Mönckebergstraße gehörte.
Nur ganz wenige wissen, daß Hamburger Kinogeschichte in dieser Pionierzeit ohne deutsche Juden gar nicht möglich gewesen wäre. Henschel war einer von ihnen und einer der größten Kinobesitzer mit den schönsten und geräumigsten Kinos. Und James Henschel (Jeremias) war einer der ersten, der in Hamburg Kinos gemacht hat. Keine Kneipen, wie die von Eberhard Knopf, in denen gelegentlich die Leinwand runtergelassen wurde, um die Trinker ein wenig abzulenken.
„Feste“ Häuser, die ausschließlich der Vorführung von „lebenden Photographien“ dienten. Das „Helios Theater“ wurde im Dezember 1905 in Altona/Große Bergstraße Nr. 11-15 eröffnet. Ein Jahr später das „Belle Alliance“. Schulterblatt 115, mit 1.400 Sitzplätzen.
(Anmerkung 2022): Das wußte ich damals noch nicht. Es wurde nicht ein Jahr später, sondern bereits einen Monat später im Januar 1906 eröffnet.).
(2. Anmerkung von 2022): Ulrich Mott hat noch mehr neue Informationen: Das Belle Alliance Kino wurde am 28. April 1906 eröffnet. Im Staatsarchiv hat er diese Information gefunden: „Herr Henschel, Gr. Bergstr. 11 wohnhaft, zeigt dem Polizei-Amt an, daß er vom 28.4.06 ab in den Nachmittags- u. Abendstunden in dem Lokal Belle-Alliance, in welchem die erforderlichen Einrichtungen bereits getroffen sind, lebende Photographien vorzuführen beabsichtige.“ (Staatsarchiv 423-31_37 (Akten der Feuerwehr Altona).
Das führt zu folgenden Überlegungen: Da Henschels Pachtvertrag am 1. Januar 1906 begann, wurde der Ballsaal in den folgenden Monaten in einen Kinosaal umgebaut, bis das Kino am 28. April 1906 eröffnet werden konnte.Es wurde von 15.00 Uhr bis 1.00 nachts gespielt. Oft waren mehr als achttausend Besucher pro Tag im Kino. Der schlechteste Tag war der 3. Juli 1906: Die gesamte Tageskasse des Belle Alliance betrug 56 Mark – alle anderen Zuschauer hatten sich lieber den Brand der Michaeliskirche angesehen.
Henschel baute in Wandsbek das erste Filmtheater Welt, das ausschließlich für Kinozweecke bestimmt war. Für 550.000,00 Mark wurde in der Wandsbeker Chaussee das „Palast Theater“ errichtet.
(Anmerkung 2022): Auch das wußte ich damals nicht. Es wurde gar nicht in Wandsbek, sondern in der Hamburger Straße in Hamburg gebaut. Der Fehler geht auf einen Artikel von Hermann Lobbes in einer Ausgabe der Lichtbildbühne (LBB) von 1930 zurück. Da hat dann immer einer vom anderen abgeschrieben. Ich auch.
Einer der gewaltigsten Saalbauten jener Zeit mit einer Gesamttiefe von 86 Metern und einem lichten Durchmesser von 70 Metern. 1916 kaufte James Henschel das Passage Theater in der Mönckebergstraße und das Lessingtheater am Gänsemarkt 46/48. Eigentlich hätten es „Grammophonautomaten-Salons“ werden sollen. Aber bei einem Besuch von James und Friderike Henschel in Paris schlug Friderike vor, doch „Ciné“ zu machen. Die lange Schlange vor einem solchen hatte beide überzeugt.
Die UFA wurde 1918 gegründet.
(Anmerkung 2022): Auch diese Angabe stimmt nicht. Die UFA wurde 1917 auf Veranlassung der Reichsregierung gegründet, die 8 Millionen als Startkapital bereit stellte. Dr. Klaus Kreimeier weist in seinem Buch: »Die UFA Story« auf Seite 462 auf einen geheimem Kontrollvertrag hin: “Den Einfluß des Reiches sicherte ein geheimer Kontrollvertrag, der in einem Schreiben des Kriegsministeriums an den Reichskanzler vom 18.4.1918 erläutert wird. Darin werden die Aktionäre Frenkel und Wassermann ausdrücklich als »Strohmänner« aufgeführt, hinter deren Zeichnungen das Reichskapital von 7 Millionen Mark »verborgen« sei. Laut Kontrollvertrag hätten sich die Gründer verpflichtet, »gegen alle Maßnahmen zu stimmen, die den Regierungsvertretern, die zu Sitzungen eingeladen werden müssen, nicht recht sind«. Das hat 1987 Wolfgang Mühl-Benninghaus herausgefunden. (Dissertation 1987 Humboldt Universität Berlin (Ost)).
Es war Ludendoff, der 1917 die Gründung einer großen deutschen Filmgesellschaft gefordert hatte. Viele Generäle waren der Meinung, sie hätten den Ersten Weltkrieg mit einer besseren Propaganda gewinnen können. Die Ufa sollte alles machen: Filme produzieren, Kinos betreiben, Kinoausstattung verkaufen. In Hamburg trat sie an James Henschel heran: „Entweder Sie verkaufen uns ihre Kinos, oder wir bauen selber Kinos und machen Ihnen Konkurrenz“, berichtete der Enkel Rolf Arno Streit. Henschel verpachtete.
(Anmerkung 2022): Auch das wußte ich nicht besser. Es war alles viel komplizierter.
Die James Henschel GmbH wurde am 29.11.1919 eine Tochtergesellschaft der UFA. Fünf Theater: Das „Palast Theater“ und das „Zentral Theater“, das „Lessing Theater“, die „Harvestehuder Lichtspiele“, das „Passage Theater“ und das „Zentral Theater“ gingen an die UFA. Die Grundstücke Gänsemarkt 46/48, Hamburger Straße 5/7 und Wandsbeker Chaussee 162 waren noch bis 1938 im Eigentum der James Henschel GmbH und sind vermutlich bis heute im Eigentum der Erben von James Henschel.
(Anmerkung 2022): Auch das wußte ich 1991 nicht besser. Ursache ist vor allem der angebliche Datenschutz, der seit 1972 die Einsicht in die deutschen Grundbücher verhindert.
Auch wenn die Gestapo in Zusammenarbeit mit dem Oberfinanzpräsidenten Hamburgs das „inländische Vermögen“ von James Henschel enteignet hat. Beispielhaft ist auch die Geschiche der legendären „Schauburg Kinos“. Die Schwiegersöhne von James Henschel, Hermann Urich Sass und Hugo Streit, die bereits seit 1914 gemeinsam die Geschäfte der Firma Henschel führten, wurden per Vertrag mit der UFA als Geneneraldirektoren übernommen. Auch wenn die Gestapo in Zusammenarbeit mit dem Oberfinanzpräsidenten Hamburgs das „inländische Vermögen“ von James Henschel enteignet hat. Beispielhaft ist auch die Geschiche der legendären „Schauburg Kinos“. Die Schwiegersöhne von James Henschel, Hermann Urich Sass und Hugo Streit, die bereits seit 1914 gemeinsam die Geschäfte der Firma Henschel führten, wurden per Vertrag mit der UFA als Geneneraldirektoren übernommen.
(Anmerkung 2022): Auch das wußte ich 1991 nicht besser. Nicht nur Hermann Urich Sass und Hugo Streit wurden übernommen, sondern auch das gesamte Personal der Firma Henschel. Dafür hatte sich James Henschel stark gemacht, dass alle Mitarbeiter von den Neugründung, der „J.Henschel GmbH“ übernommen wurden.
1925 schieden sie aus dieser Tätigkeit aus und gründeten den „Henschel Film- & Theaterkonzern“. Innerhalb von vier Jahren (1926-1930) wurden acht neue Kinos gebaut (Schauburg Millerntor, Schauburg Barmbek, Schauburg Hammerbrock, Schauburg St. Georg, Schauburg Nord, Schauburg Wandsbek, Schauburg Hamm, Apollo Theater). Vier weitere Kinos: Schauburg Hauptbahnhof (später Barke), Schauburg Uhlenhorst, Burg Theater, Schauburg Altona (früher Helios Theater) wurden übernommen . Am 27. Januar 1933 starb der Henschel Schwiegersohn Hermann Urich Sass.
(Anmerkung2022): Das wußte ich schon besser. Hatte allerdings dem Sohn Horst Urich Sass versprochen, das ich den Selbstmord seines Vaters erst nach seinem und dem Tod seiner Fraui Ciedra Urich Sass bekannt machen würde.An dieses Versprechen habe ich mich gehalten.
1936 flüchteten seine Söhne Horst Urich Sass, Rolf Arno Streit und Carl Heinz Streit nach Südamerika. James Henschel flüchtete im August 1938 zusammen mit Ehefrau Friderike nach Holland und starb dort ein Jahr später. Friederike Henschel flüchtete in die USA und ging nach New York. Die Henschels wurden der Staatsangörigkeit für „verlustig“ erklärt und das „inländische Vermögen“ nach dem Tode James Henschels 1938 beschlagnahmt. Die neuen „Besitzer“ der Schauburgen waren die ehemaligen Angestellten von James Henschel: Paul Romahn und Gustav Schümann, beides NSDAP-Mitglieder.
(Anmerkung 2022): Sie waren nicht nur NSDAP Mitglieder, sondern auch „Mitglieder“ der SA. Das wußte ich 1991 noch nicht.
Im Sommer 1943 hatten sich Hitlers Kino Geschenke auch für die Beschenkten erledigt. Von 12 ehemaligen Schauburgen entkam nur eines dem Bombenhagel der Alliierten. Den Schlager „Kinder laßt die Frau durch, sie will noch in die Schauburg . . . „ gibt es nur noch auf alten Schellackplatten. Die Geschichtswerkstatt in Barmbek hat sie wiedergefunden. Der Fotograf Reinhold Sögtrop, der die Henschelausstellung mit organisiert hat, hofft mit dieser Ausstellung auch noch weiter Zeitzeugen zu finden, die vielleicht noch Bilder aus der Frühzeit der Schauburgen und der Henschel Kinos haben.
Otto Meyer*
(*Manchmal muß man auch die anderen Vornamen benutzen, die einem die Eltern gegeben haben, weil man sonst keine Gelder von der Filmförderung bekommt).
Wir wissen nichts. Wir kennen keinen Adam. Da kann ich ihnen keine Auskunft geben. Der hat sich hier nicht angemeldet. Das darf ich Ihnen nicht sagen.
Zum ersten Mal erfahre ich von einem gewissen Adam in einem Brief aus Brasilien. Der gewisse Adam, so schreiben die Deutschlandflüchtlinge von 1936, ist der Mann, die treibende Kraft der Nazis, der den Hamburger Kinobesitzern ihre Existenzgrundlage genommen hat. Der dafür sorgte, dass der Führer in Hamburg etwas zu verschenken hatte. Kinokonzerne an gute Deutsche: an »Arier«.
Da ist es kein Wunder, daß sich keiner mehr an diesen Mann erinnern will. Denn geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen, verrät der Volksmund. Niemand will hören, dass die Geschenke des Führers gestohlen waren. Da halten sie fest zusammen, die guten Deutschen von damals und die Kinder der guten Deutschen von heute.
Die wollen das Diebesgut lieber behalten, als sich erinnern an die Zeiten als ihre Eltern über Nacht reich wurden. Noch die Tatsache, dass die Geschenke des Führers schon bald in Trümmern lagen, dient ihnen als Entschuldigung.
Ein Zufall führte mich 1988 auf die Spur von Jeremias Henschel und seinen Kinos. Sie haben zwar viele Menschen und viel Papier verbrannt diese deutschen Nazis, aber alles zu verbrennen, dafür reichten die Rohstoffe nicht aus. Das Gas ging ihnen aus.
Übrig geblieben sind die »Reichs Kino Adressbücher«. Die von 1930 bis 1941. Da tauchen jene Kinos auf, deren Verschwinden dann niemand bemerkt haben will. Die Kinos des Jeremias Henschel und eine Firma gleichen Namens: Der »Henschel Film und Theaterkonzern«. Schon möglich dass das Eine mit dem Anderen zu tun hat.
Ich suche Zeugen, die etwas wissen. Ich finde welche, doch die wissen lieber nichts. Fünfzig Jahre hat schließlich niemand gefragt. Warum jetzt antworten? Die Opfer sind vernichtet, vergast, erschlagen, verhungert und nur wenige entkamen.
Es gibt Papiere. Sie sind schwer zugänglich. Auf Mikrofilmen in irgendwelchen Kellern. Schwer diese Keller zu finden. Zur systematischen Suche fehlte die Zeit.
Es ist eigentlich nicht die Zeit, die fehlt. Doch der Zeitgeist hat Anderes im Sinn. Größeres.Schließlich muß noch die Sekretärin, der Gärtner und der Schäferhund des Führers befragt werden. Ja richtig. Und Kunstmaler war er ja auch. Das ist der Stoff aus dem die Träume sind.
Die Opfer? Langweilig. Juden hatten wir schon mal, sagt der Fernsehredakteur. »SFB« hiess der Sender. »Sender Freies Berlin« zergeht mir auf der Zunge. Dunkel war in mir in Erinnerung, daß es an der dffb in Berlin die Mikrofilme zweier Tageszeitungen gab, die sich ausschließlich mit Kino beschäftigten. Die »Lichtbildbühne« und der »Kinematograph«. Ich fing mit der Lichtbildbühne an und stellte zu meinem Schrecken fest, dass sie sechsmal in der Woche erschien und auch dabei noch recht umfangreich war.
Nach drei Wochen bin ich dann soweit. Bereit aufzugeben. Keine meiner Spekulationen hatte sich bestätigt. Keine Information über den Verbleib dieser Kinos oder dieser Kinokette. Warum sollte auch eine Berliner Zeitung etwas über Hamburger Kinos bringen? Nach der Lesereise kann ich nicht einmal behaupten, das das Verschwinden dieses Henschel oder seiner Kinos etwas mit der Judenfeindlichkeit der Nazis zu tun hat.
Ich verlegte meine Suche auf Jahrestage. Die Zeit vor meinem Hiersein hat davon jede Menge. Führers Geburtstag, der Tag von Sedan, die Ermordung des Prinzen in Sarajewo, der Matrosenaufstand, Eisenstein in Deutschland, die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, die Reichskristallnacht, der Reichstagsbrand.
Und dann eben doch finde ich etwas. Ich habe Glück. Mein Glück ist, das einer dieser Kinobesitzer an dem Tag zu Grabe getragen wird, an dem der senile Reichspräsident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernennt. »Machtergreifung« haben sie es genannt und noch heute ist dieses Wort Umgangssprache deutscher Geschichte.
Bleibt nur festzustellen, das es manchmal hilfreich ist, dass Ereignisse, die nichts miteinander zu tun haben, in der gleichen Zeitung stehen. Später werden sie auf merkwürdige Weise dann wieder miteinander verbunden. »Richard Adam« und der »Henschel Filmkonzern«.
Ein 90 Zeilen Nachruf in der Licht Bild Bühne vom 30. Januar 1933.
Er beginnt mit den Worten:
„Hermann Urich-Saß zum Gedenken. Wie im größten Teil unserer Sonnabend Ausgabe mitgeteilt, ist Hermann Urich-Saß am Freitag Abend im blühenden Alter von 45 Jahren einem Herzschlag erlegen . . .“ und endet mit: “ . . . Seine Beerdigung findet heute Montag, den 30. Januar, 3 Uhr nachmittags, in Hamburg-Ohlsdorf auf dem Israelitischen Friedhof statt.“
Auf Seite eins der Lichtbildbühne ein Leitartikel unter der Überschrift:
„Die neue Reichsregierung und der Film. Es ist nicht die Aufgabe eines Fachblattes, diese tief einschneidende Entscheidung in der deutschen Geschichte nach ihrer politischen Seite zu erörtern“ . . . und weiter . . . “ . . . das rege Interesse, das die NSDAP häufig für die wirtschaftlichen Nöte des Lichtspielgewerbes bekundet hat. Hier wird jetzt Gelegenheit zum Handeln sein.“
Herr Richard Adam ist schon seit 1. Dezember 1931 Mitglied dieser Partei und wartet schon fast zwei Jahre auf seine Gelegenheit zum Handeln.
Eine seiner ersten Handlungen wird die Enteignung der jetzigen Besitzer sein. Das ist die Art seiner Partei die wirtschaftlichen Nöte des Lichtspielgewerbes zu beseitigen, indem man die Eigentümer beseitigt.
Wieder habe ich Glück. Juden beerdigen ihre Toten für alle Zeit. Nicht so wie bei den Christen, die bereits nach fünfzig Jahren die Totenruhe für beendet erklären.
Ich suche auf dem jüdischen Teil des Ohlsdorfer Friedhofs, alles fein säuberlich voneinander getrennt, die Grabstelle von Hermann Urich-Sass und schreibe einen Brief an die, die für die Grabstelle sorgen.
Kaum vorstellbar, das die Grabstelle gepflegt wird, ohne das jemand für die Pflege aufkommt. Schließlich sind wir in Deutschland. Meinen Brief mit meinen Recherchen und Fragen gebe ich zur Weiterleitung an die Jüdische Gemeinde und denke: Ende. Aus. Sackgasse.
Doch nach einigen Wochen kommen tatsächlich Antworten aus Brasilien, Mexiko und den USA. Es handelt sich um die Söhne der beiden ehemaligen Eigentümer, Hugo Streit und Hermann Urich-Sass, denen die Flucht nach Übersee gelungen ist.
Die Söhne von Hugo Streit: Carl Heinz Streit und Rolf Arno Streit geben ausführlich Antwort über den Konzern ihres Vaters und ihres Onkels. Es stellt sich heraus, das beide Herren Töchter von Jeremias (James) Henschel geheiratet haben und den Kinokonzern nach dem Kinopionier und Schwiegervater Jeremias Henschel, der sich später James nannte, benannt haben.
Bereits im ersten Brief vom 17. August 1989 weisen Carl Heinz Streit und Rolf Arno Streit darauf hin, das ein Mensch mit Namen Adam „der Obernazi“ die Enteignung der Henschel Kinos – von den Deutschen Nazis auch Arisierung genannt – maßgeblich betrieben hat.
Sie wissen, das die von den Nazis eingesetzten neuen Inhaber: Paul Romahn und Gustav Schümann, mit diesem Adam zusammen in Kiel ein Kino betreiben.
Dies haben Romahn und Schümann in dem sog. „Wiedergutmachungsverfahren“ vor dem Landgericht in Hamburg zugegeben. Leider haben sie außer dem Nachnamen keine weiteren Daten über diesen Menschen.
Die Akte aus dem Wiedergutmachungsverfahren darf ich nicht einsehen. Ich weiss nicht einmal, ob es ein Wiedergutmachungsverfahren gegeben hat. Geschweige denn eine Akte.
Ich verbringe einen Tag im Kieler Stadtarchiv ohne wirkliches Ergebnis. Das Kieler Adressbuch Jahrgang 1938/39 nennt vier Adam mit weiblichen Vornamen und elf Adam mit männlichen Vornamen. Ob der gesuchte Adam dabei ist, kann ich nicht beurteilen.
Es soll in Kiel einen Menschen geben, der alles über die Kieler Kinos weiß. Ich telefoniere mit ihm. Es macht den Anschein, als ob er wirklich jede neue Tapete kennt, die in den letzten hundert Jahren in einem Kieler Kino gewechselt wurde. Aber einen Kinobesitzer Adam. Davon weiß er nichts. Nein, nie gehört.
In seinem Buch, das einige Jahre später erscheint, sind dann auch die Tapeten der Kinos ausführlich beschrieben. Von ehemaligen Besitzern, denen die Kinos in der Nazi Zeit weggenommen wurden, keine Spur.
Ja, man hat schon davon gehört das Kinos von Juden verkauft wurden. Einer, der im Alter von 82 Jahren 1974 in Kiel stirbt, hat auch einmal so ein Kino von einem Juden gekauft. Ganz am Anfang 1935. In den Zeitungsausschnitten aus den Kieler Nachrichten ist von diesem Kino nicht zu lesen. Nur davon, wie fleißig er in seinem Leben war.
So fleißig wie seine Bienen: „Er hat die Chancen seines Lebens durch praktisches Zupacken genutzt.“ schreiben die Kieler Nachrichten am 30.04. 1974. Vermutlich war die Anzeige, die dieser Kinobesitzer am 1.1. 1936 in der Zeitung (KNN) aufgegeben hatte: „Kaiserkrone jetzt in arischem Besitz und unter arischer Leitung“ eine dieser Chancen seines Lebens, die er durch praktisches Zupacken genutzt hat.
Als ich 1993 meinen Dokumentarfilm über die Henschel Kinos fertigstelle bin ich in Sachen Adam nicht viel weiter gekommen, als sich eine Studentin der Universität Hamburg bei mir meldet, die an einer Magisterarbeit „Kino unterm Hakenkreuz“ arbeitet.
Gerti Keller findet heraus, dass der Mann Richard Adam heißt und in Hamburg ein Amt bekleidet hat. Er ist der Landeszellenleiter der Landesfilmstelle Nord der NSDAP und Goebbels direkt unterstellt. Mit diesen Daten ist es möglich im Berlin Document Center, das 1993 noch den USA unterstellt ist, die NSDAP Mitgliedsunterlagen von Richard Adam und damit auch Geburtsdatum und Wohnort herauszufinden.
Als ich nach 3 Jahren endlich im Landgericht die sog. Wiedergutmachungsakte von Manfred Hirschel vom Waterloo Theater in der Dammtorstraße zu Gesicht bekomme, fallen mir fast die Augen aus dem Kopf.
Dort taucht der Obernazi Richard Adam als Zeuge dafür auf, dass es dem jüdischen Kinobesitzer Manfred Hirschel schon vor Beginn der Nazizeit wirtschaftlich sehr schlecht gegangen ist und die übernehmenden Arier – Klara Esslen und Heinrich (Heinz) B. Heisig nichts wiedergutzumachen hätten.
Es sind zwei Anschriften von Richard Adam angegeben. Elbchaussee 99 und Kampen auf Sylt („wo ich seit einiger Zeit meinen Wohnsitz genommen habe“). Ich schreibe an Richard Adam. Die Post kommt nach einiger Zeit zurück.
Inzwischen habe ich weitere Daten über diesen Adam aus Berlin Document Center, jetzt Bundesarchiv, dem ich auch erst begründen muss, warum diese Daten gebraucht werden. Ich schreibe an das Landratsamt Westerland und bitte um eine Meldeauskunft.
Diese – so wird mir mitgeteilt- kann nicht erfolgen – wegen Datenschutz.
Auch in der Elbchaussee vom Ortsamt Blankenese wird keine Auskunft erteilt. Nicht einmal die neue Nummerierung wollen sie mitteilen. Das unterliegt dem Datenschutz – ist die flotte Antwort.
Mit viel Mühe bringe ich dann aber doch die neue Nummer heraus und sehe mir das Anwesen an, in dem ein hoher Nazi nach Kriegsende residiert hat um anschließend “in Kampen seinen Wohnsitz zu nehmen“ um dem ermittelnden Richter zu schreiben, das er “gerne als Zeuge nach Hamburg kommen will, aber man ihm vorher doch bitte das Fahrgeld in Höhe von 54,20 DM schicken soll.“
Aus Sparsamkeitsgründen wir er von einem Amtsrichtrichter in Westerland vernommen.
Weil er mit dem Auto aus Kampen nach Westerland gekommen ist, beantragt er für die “Benutzung eines eigenen Kraftwagens“ eine Entschädigung von 7,– DM. Der Antrag wird vom Gericht abgelehnt. Er hätte mit der Inselbahn kommen können, die nur 1,– DM gekostet hätte, entscheidet der Amtsgerichtsrat Dr. Petersen am 15. August 1951.
Ausschnitt aus dem Text für den Kinoantrag ans BKM . . . ”
Freitag, 23. Dezember 2016. Immer wieder erreichen uns Studienarbeiten, die sich mit der “Propaganda in Casablanca“ und der “Kürzung der ersten deutschen Fassung des Filmklassikers von 1952“ beschäftigen. Diesmal ist es eine Studienarbeit von Lena Marie Kötitz für die Uni in Marburg: (“Jetzt bei Grin Verlag . . . hochladen und kostenlos publizieren“). Merkwürdig finde ich immer wieder: Keiner stellt mal die Frage: Wer hat denn diese Fassung in Auftrag gegeben und warum? Bei meinen Recherchen (schließlich muss den Studentinnen und Studenten geholfen werden) stoße ich auf mehrere Namen: Walter A. Klinger (Sergeant der US Armee), Hans Kubaschewski (Der Mann an Goebbels Seite), Ilse Kramp (Kinobesitzerin aus Berlin)
Es
beginnt alles mit der Geschichte der KUBA
Geglaubt
habe ich die Geschichte nie. Die
Geschichte
der KUBA (1) Wie sich eine Frau
nach Oben arbeitet. Ihre Mutter verdient sich mit Klavierspiel
im Kino ein paar Mark dazu. Damals in Berlin Rudow. Sie hilft der
Mutter, indem sie die Noten umschlägt. Dann Sekretärin lernt.
Steno und Schreibmaschine. Dann Disponentin wird. Sich hocharbeitet:
Chefdisponentin. Als Goebbels das Unternehmen beseitigt zahlt er eine
Abfindung. 100.000,00 RM.
Ilse Kramp kauft sich ein Kino: Die Rudower Ton Lichtspiele (Das
Ru-To-Li) und lernt, wie man Filme im Kino zeigt. 1938 dann die
Heirat mit Hans Wilhelm Kubaschewski, der an hoher Stelle in dem
Unternehmen arbeitet, dass J. Goebbels mit der Hilfe von Max Winkler
gerade heimlich zusammenkauft: die
UFI. Ein Konzern, seit 1933
“Judenfrei“. Die Besten sind geflohen, ausgewandert, emigriert,
exiliert, wie auch immer das heute bezeichnet wird.
Geschichte
der KUBA (2)
“Zu den Vertrauten der amerikanischen Militärbehörden gehörte Hans W. (Wilhelm) Kubaschewski, der schon vor dem Kriege mit Filmverleihern der USA verbunden war. Dann hatte er den Posten des Berliner Filialleiters der faschistischen Deutschen Film-Vertriebs-GmbH bekleidet, die zur UFA gehörte. Zusammen mit einem gewissen Walter Klinger aus Hollywood verlieh Kubaschewski nach 1945 die ersten Filme, vor allem Reprisen aus der Produktion vergangener Jahre. Der erzielte Gewinn ging in die Millionen. Kubaschewski war klug genug, sich nicht selber einen Filmverleih aufzubauen. Das tat seine Frau. Er mit den guten Verbindungen zu den Amerikanern, knüpfte die Beziehungen und gab die richtigen Tips. Später wurde er der Verantwortliche des Warner-Brothers-Verleih und dann, von 1959 bis zu seinem Tode, Direktor der Bavaria in München.“ Das stand 1967 bei Horst Knietzsch. “Film – Gestern und Heute“, Berlin Ost (Seite 264).
Geschichte
der KUBA (3)
Fehlt nur noch die Westbestätigung und hier kommt sie:
Sie ergibt sich durch die Fußnoten aus dem Buch von Roeber und Jacoby “Handbuch der filmwirtschaftlichen Medienbereiche“, Verlag Dokumentation, Pullach 1973 (Signatur bei der Stabi Hamburg: A.P. 5800 R711)
Die
Anmerkungen auf Seite
111
“Anmerkung 168) “Die ursprüngliche Bezeichnung war “Amerikanischer Filmverleih“. Der amerikanische Leiter war Sgt (Sergeant) (Walter) Klinger (früher Wien); ihm stand Hans Kubaschewski (früherer Bezirksvertreter der Deutschen Filmvertriebsgesellschaft in Berlin) als Deutscher zur Seite. Kubaschewski wurde später Deutschland-Chef des Warner Brothers -Verleihs und war anschliessend Geschäftsführer der reprivatiserten Bavaria-Filmkunst.“
Anmerkung 170) “Über die nach Abzug der Vertriebsausgaben verbliebenenen Verwertungserlöse verfügt OMGUS in Berlin“ und die wichtigste
Anmerkung 171) “Die Auszahlung der Produzentenanteile an die Herstler solcher Filme blieb einem späteren Zeitpunkt überlassen“. Anmerkung 175) „Ehefrau von Hans Kubaschewski, ehemalige Chefdisponentin des Siegel-Monopol-Filmverleihs in Dresden, bei Einmarsch der amerikanischen Besatzungstruppen Filmtheaterbesitzerin in Oberstdorf. Siehe auch Anm. 168.“
Aus diesen vier Anmerkungen kann man erkennen, was keiner im Westen je zu fragen wagte. Die UFI, mit all ihren Unterfirmen galt als aufgelöst. Der “Amerikanische Filmverleih“=“Allgemeiner Filmverleih (AFI) hatte Filmtitel und Kopien der UFI übernommen: “Die Requisitionsliste wies 697 Spielfilme mit 2268 Vorführkopien“ aus. (Roeber/Jacobi) 107). (Duden Fremdwörterbuch Requisition= 1) Beschlagnahme für Heereszwecke 2) Nachforschung, Untersuchung 3) Rechtshilfeersuchen.)
Und um die
Glaubwürdigkeit dieses Buches zu unterstreichen: “Gedruckt mit
Unterstützung des Bundesministeriums des Inneren.“ Glaubwürdiger
gehts ja eigentlich nicht.
Geschichte
der KUBA (4)
Daher
auch der Reichtum, den Ilse Kubaschewski in ihren Kinos (dem in
Oberstdorf und dem in Berlin Rudow in den ersten Nachkriegsjahren
anhäufen konnte. Das Darlehen, dass sie anläßlich der Gründung
ihres Gloria Film Verleihs von einer
Bank (30 TDM) erhielt, nimmt sich daneben ein wenig lächerlich aus.
Damit ist erste Frage geklärt. Die zweite Antwort ergibt sich fast
von selbst.
Geschichte
der KUBA (5)
Auftraggeber für die Casablanca Fassung war ihr Ehemann Hans Wilhelm Kubaschewski. Nach Einschätzung von Dr. hc. Heinz Ungureit (Das ist der Mann, dem wir die untertitelte und die neue Synchronfassung von Casablanca in voller Länge verdanken), hätte Hans Kubaschewski das niemals allein entscheiden können. Er hätte immer die Einwilligung der Zentrale benötigt.
Ein
Sergeant der US Armee Walter A. Klinger (Jüdischer Emigrant aus
Wien) war Gründer des “Amerikanischen Filmverleih“ (der später
in AF – Allgemeiner Filmverleih umbenannt wurde).
Geschichte
der KUBA (6)
“ . . . Der Film wurde im Jahr 1942 gedreht, und da er in seiner Originalfassung nicht mehr zeitgemäß und nicht zur Vorführung in Deutschland geeignet war, haben wir bei der Synchronisation des Filmes verschiedene Schnitte bzw. Änderungen vorgenommen, bevor der Film der Freiwilligen Selbstkontrolle vorgelegt wurde. Da Casablanca zu einem der eindrucksvollsten Bergmann Filme gehört, wollten wir diesen Film dem deutschen Publikum nicht vorenthalten und haben uns deshalb zu dieser Neufassung entschlossen.“
Unterschrieben
von dem Mann, der bis zum April 1945 seine Briefe noch mit “Heil
Hitler“ unterschrieben hatte und dann O-Wunder zum Generaldirektor
von Warner Brothers für den westdeutschen Markt mutierte. Hans
Wilhelm Kubaschewski. Und
jetzt wollen wir nichts mehr hören von dem CASABLANCA Film
ohne Conrad Veidt. Nie wieder.
Nachtrag
Hallo Rolf Aurich, hallo Eva Orbanz, nun kommt Klarheit in die Sache. Zunächst hatte ich mich gewundert, wie es in dem Buch von 1972 zu der Überschrift „Das Besatzungs Regime“ kommt, dann habe ich mir nichts weiter dabei gedacht. Dann habe ich diese Annonce von der Reichsfilmkammer von 1942 gefunden und habe mir gedacht, das muss der Vater sein, der böswilliger Weise seinem Sohn den gleichen Vornamen verpasst hat, weil ich in meiner Naivität angenommen hatte, einer, der 1942 für die Reichsfilmkammer schreibt, kann nicht 1972 im Auftrag des Bundesministerium des Inneren schreiben. Ja so naiv kann man manchmal sein. Der Max Winkler, der für Goebbels heimlich die UFI zusammengekauft hat . . . usw. Aber das erklärt natürlich auch, warum Hans Wilhelm Kubaschewski und sein amerikanischer Kollege Sergeant Walter A. Klinger in dem Buch so versteckt werden. u.a. w. .Das hätte ich nun wirklich nicht gedacht.
Annelise, Maria, Elsa Meyer, geb. Hirte geboren am 27. Oktober 1904, gestorben am 20. Oktober 1987. Letzte Wohnanschrift: Hütten/Ecke Peterstrasse.
Mein
Vater:
Rudolf Heinrich Meyer, geboren am 24. Januar 1904 in Hamburg Bergedorf, gestorben am 27. August 1979 in Hamburg. Letzte Wohnanschrift: Dorotheenstr. 184 a in 2000 Hamburg 39, Winterhude.
Meine Oma (1) (die Mutter von Annelise): Dora, Charlotta, Amalie Hirte geb. Eikens, geb. am 19. Juli 1862 in Hannover, gest. am 10. Mai 1907 an den Folgen eines Unfalls in Hamburg. Letzte Wohnanschrift: Steinstrassen Passage 1, Nummer 29, Haus 8.
Mein Opa (1) (der Vater von Annelise): Eduard, Ernst, Hermann Hirte, geb. am 12. Mai 1861 in Hannover. Gest. am 16. August 1934 in Hamburg. Von Beruf: Maurer. Später Maurermeister. Noch später: Architekt. Letzte Wohnanschrift: Bethesdastrasse 36 (Hamburg Borgfelde). (Die Angaben stammen aus den Adressbüchern von Hamburg).
Das
Ehepaar Hirte hatte zehn Kinder.
Foto 1905 Familie Hirte (Im Kinderwagen Annelise)
Meine Mutter: Annelise, Maria, Else Hirte war die jüngste Tochter der Familie Hirte. Die älteste Tochter hieß Maria, Anna, Sofie, Louise Hirte. (Annelise ist das Kind im Kinderwagen. Aufnahme 1905. Die anderen vier Kinder sind bereits älter)
(Viele
Kinder, viele Vornamen). Maria ist am 30. Januar 1884 geboren,
gestorben am 03. Januar 1974.
Steinwegpassage Ecke Alter Steinweg. Im Keller der Cotton Club.
Die Namen der restlichen Hirte Kinder und die Reihenfolge ihres Erscheinens sind unsicher. Nur eine zehn Jahre ältere Schwester ist sicher. Sie hat nur zwei Vornamen: Leoni, Dorothea Hirte ist geboren am 10. Januar 1894 und gestorben am 28. Juli 1943 um 1.00 Uhr und 40 Minuten in Hamburg, „daselbst in Folge Fliegerangriffe gefallen.“ wie ich der Todesurkunde entnehmen konnte.
Letzte Wohnanschrift von Leonie Eikens, geb. Hirte: Eiffestrasse 505.
Zwei Söhne von ihr habe ich noch kennengelernt: Ihren Sohn Wolfgang (Wölfi) Eikens und seinen Bruder Karl Hermann Eikens. Wölfi war gerade 17 geworden und machte eine Lehre zum Autoschlosser, als ihn 1942 der Führer nach Russland schickte. Als seine Mutter 1943 “in ihrer Wohnung gegrillt wurde“, wie Wölfi sich auszudrücken pflegte, “sind mir bei Stalingrad die Füße abgefroren“ (Seine Füße hatten eine ganz glatte Haut). Der Führer hatte vergessen, seinen Kindersoldaten (volljährig wurde man erst mit 21 Jahren) Winterkleidung mitzugeben. Hatte sich was mit Blitzkrieg.
Die Kindheit meiner Mutter Annelise war schwierig. Wie schwierig, hat sie ihren Kindern oder Enkelkindern nie erzählt. Ihre Mutter war schwanger und ist beim Gardinenaufhängen in der Wohnung von der Leiter gefallen. Sie hatte eine Fehlgeburt. Sie soll im Krankenhaus verblutet sein. Annelise ist zwei Jahre alt, als ihre Mutter stirbt. Ihr Vater, mein Opa, war ein Hallodri. Darunter konnte ich mir als Kind nichts vorstellen. Was sie damit meinte, erfuhren wir erst viel, viel später. Es stellte sich heraus, dass mein Opa (1) (ihr Vater) schon lange eine Geliebte hatte, der er erzählt hatte, er habe drei volljährige Kinder. Das Gegenteil ist der Fall. Sieben seiner Kinder sind unter 21 Jahre alt, als seine Frau von der Leiter fällt. Die älteste Schwester von Annelise, Maria Else Hirte, ist bei dem Tod der Mutter dreiundzwanzig Jahre alt. Wir nannten sie Tante Ria. Tante Ria hat ihrem Enkel erzählt, dass die Familie Hirte oft umgezogen ist. Damals gab es das Ritual, dass neue Häuser zunächst von armen Familien “trocken gewohnt wurden“. Hermann war Maurer.
Immer, wenn ein Haus fertig war, zog die Familie in eine dieser feuchten Wohnungen zum “Trocken wohnen.“ Die Trocken-Wohn-Miete war günstig. Wenn die Wohnung nach zwölf Monaten trocken war, zogen sie in die nächste Feucht-Wohnung um. Als meine Mutter 1904 geboren wurde, wohnte die Familie Hirte in der Steinstraße 129. Die Anschrift führt leicht zur Verwirrung. Es gibt sie nicht, die Steinstraße 129. Vielmehr handelt es sich um die Strasse: Steinstrassenpassage Nr. 1, Haus Nummer 29, im Hinterhof Haus 8. Die Steinstrassen Passage ist heute an der selben Stelle wie 1904. In der Nähe vom Großneumarkt.
Steinwegpassage/ Ecke Alter Steinweg (Foto von 2020)
Das Vorderhaus Nummer eins steht noch. Die Hinterhäuser sind bombardiert oder abgerissen worden. Als Annelise 1904 geboren wird, wohnt Familie Hirte die Wohnung im ersten Stock “trocken“. Berufsangabe von Hermann Hirte im Adressbuch: “Mauermeister“. 1909 wird eine andere Wohnung “trocken“ gewohnt: In der Barmbeckerstr. 191. Ein Neubau, dicht am Winterhuder Marktplatz.
Opa (1)
Hermann gibt die kleinen Hirte Kinder in Pflegefamilien. Annelise ist
die jüngste. Dort geht es ihr nicht gut. Die Pflegefamilien nehmen
die Kinder nur, weil sie das Geld, das dafür gezahlt wird, dringend
brauchen. Die Kinder finanzieren den armen Familien den
Lebensunterhalt.
Am 30. März 1912 heiratet Annelises Vater wieder und zieht in die neue Wohnung Eilbecker Weg 204. Die Auserwählte heißt Auguste Bieling. Als Auguste Bieling – Auguste Hirte – wird, ist sie ein Jahr und einen Monat jünger als Hermanns älteste Tochter Maria. Auguste Bieling ist am 23. Februar 1883 geboren. Maria Hirte ist am 30. Januar 1884 geboren. In der neuen Ehe werden von 1912-1920 vier weitere Kinder gezeugt. 1913 zieht die Familie Hirte (die Zusammensetzung dieser Familie ist unklar) in die neue (feuchte) Wohnung in der Himmelstrasse 26. Ob Annelise in dieser Zeit Kontakt zu ihrem Vater hatte, blieb ihr Geheimnis.
Sie spricht darüber nie. Auch zu den Enkelkindern kein Wort. Es scheint so, als sei der Kontakt abgebrochen oder gar nicht erst entstanden. Auch Tante Ria verliert kein Wort darüber.
Maria Hirte ist Verkäuferin in einem Schokoladengeschäft. 1910 gibt es das Chocoladengeschäft von Reese & Wichmann am Jungfernstieg 12. Das wäre so eine Möglichkeit. Passend in der Hamburger Innenstadt. Da gibt es einen jungen Mann, der sehr oft Chocolade kauft. Maria merkt bald, der Mann kommt gar nicht wegen der Schokolade, sondern wegen ihr. So viel Schokolade kann ein Mensch alleine gar nicht essen.
Der Mann heisst Otto Averdieck. Otto ist Rechtsanwalt. Seine Kanzlei betreibt er in der Mönckebergstrasse 18. Fleißig ist er auch. Die Sprechzeiten seiner Kanzlei sind im Adressbuch angegeben. Werktags von 9.00 bis 5.00 Uhr und Sonntags von 9.00 – 2.00 Uhr.
Ob es Liebe auf den ersten Blick ist und bei wem, ist nicht überliefert. Otto ist am 16. Februar 1881 geboren und wohnt in einer Wohnung in dem Haus seiner Eltern in der Bassinstrasse 12 in Uhlenhorst. 1912 verkaufen die Eltern das Haus in der Bassinstrasse 12, um eines in der Petkumstrasse 17 zu kaufen. Das ist eine Ecke weiter. Das Haus gibt es nicht mehr. Es wurde im Krieg zerstört. (nicht im ersten, sondern im zweiten)
Als im August 1914 der Erste Weltkrieg beginnt, den man erst nach dem Beginn des zweiten Weltkrieges nummeriert, ist Otto 33 Jahre alt. Otto ist kriegsbegeistert wie alle anderen. Seine Eltern leben ihren Standesdünkel. Sie halten sich für etwas Besseres und sind gegen die Verbindung ihres Sohnes mit Maria Hirte. Sie ist ja nur die Tochter eines Maurermeisters.
Otto ist
das offensichtlich Wumpe.
1916 ist Maria Hirte schwanger und Otto überlässt ihr seine Wohnung in der Petkumstrasse 17, während er in Frankreich fleißig Franzosen abschießt. Seine Eltern, denen das Haus in der Petkumstrasse 17 gehört, wohnen im selben Haus. Jeden Tag wird Maria von ihnen daran erinnert, das der Sohn etwas Besseres, als die Tochter eines Maurers verdient hätte.
Am 8. April 1916 wird Otto, Leonhard geboren. Wie alle unehelichen Kinder erhält das Kind den Nachnamen der Mutter: Hirte. Selbst der Bruder, Rudolf Averdieck, der am 21. März 1920 geboren wird, weiß davon lange Zeit nichts. Der kleine Otto erhält den Nachnamen Averdieck erst, nachdem das Paar 1918 offiziell beim Standesamt geheiratet hat.
Meine Mutter – Annelise – ist dreizehn Jahre alt, als ihre Schwester Maria sie zu sich nach Hause holt. Bis 1926 wohnen die Averdiecks in der Allee 239 in Altona. In der Strasse Allee 239 steht ein hässlicher schwarzer Kasten, in dem sie ihre erste Wohnung hatten, erzählt Tante Ria ihrem Enkel Ulrich Graumann, und der erzählt es mir nach ihrem Tod am 30.01.1974- Jahrzehnte später.
1980 bekommt die Strasse Allee einen neuen Vor- und Nachnamen und heisst jetzt Max Brauer Allee. Die Max-Brauer-Allee wird bis zum Altonaer Rathaus verlängert. Sicher ein Grund, warum ich den hässlichen schwarzen Kasten in der Max Brauer Allee nicht gefunden habe. Tante Ria meidet nach dem 2. Krieg die Viertel, in denen sie früher einmal gewohnt hatte. Vor allem, weil sie nichts mehr wiedererkennt, wie sie mir erzählt hatte. Es ist alles anders, als es früher einmal war. Nur Bergedorf ist irgendwie gleich geblieben.
Stolz berichten Erwachsene uns Kindern, das in Bergedorf nur eine einzige Bombe gefallen ist. Einige glauben sogar zu wissen, dass es so ist, weil in Bergedorf das Eisenwerk – Bergedorfer Eisenwerk – einem schwedischen Besitzer gehört. Und mit den Schweden möchten es sich weder die Engländer noch die Amerikaner verderben, so behaupten die Erwachsenen.
Jedenfalls taucht mein Opa (1) Hermann ab und niemand hat Kontakt mit ihm. In der Familiengeschichte ist er wie ein schwarzer Fleck, den man am liebsten wegradieren würde. Gäbe es doch einen Opa Radierer, man würde ihn sofort nutzen. Manchmal ist er, wenn sein Name überhaupt genannt wird, nur Opa (1) -das Schwein- . Ein bisschen Neid ist bei den Männern auch dabei. Dass eine 23 jährige Frau sich mit einem 45 jährigen, einem uralten Mann, einlässt.
1927 zieht die Familie Otto Averdieck nach Bergedorf, wo sie im Schlebuschweg 28 ein Haus gekauft haben. Im Grundbuch eingetragen ist Averdieck, Otto. Zwei Jahre wohnt auch meine andere Oma (2), Marie Meyer, in diesem Haus im Schlebuschweg 28. Ein Haus mit drei Stockwerken, in dem vier Familien und einige Einzelpersonen wohnen. Das Haus hat die Jahrzehnte überstanden. Eine der ausgebombten Familien, die hier zwangsweise untergebracht wurde, will nach dem Krieg gar nicht wieder ausziehen. Aber kein Problem. Otto ist Anwalt.
Im obersten Geschoss, in der Mansarde im Dach, wohnte in einem Zimmer noch eine Schwester meiner Mutter. Wir nannten sie Tante Buddy. Sie verließ selten das Bett. Und wenn, dann nur um neue Zeitschriften zu kaufen. Den Eindruck hatte ich. Die neuen Zeitschriften mochten alle Jungs gern. Eine hieß Praline. Die erinnere ich noch. Dort wurden Frauen abgebildet, meist wenig bekleidet. Manchmal konnte man auf halb verdeckte Busen gucken. Ich erinnere noch, dass es immer etwas streng in ihrem Zimmer roch. Das mag daran gelegen haben, dass das Zimmer im Dachgeschoss keinen Wasseranschluss hatte. Tante Buddy hatte nur eine Schüssel, in der sie sich waschen konnte. Aber wegen der vielen Vorteile hat uns Kinder das nicht weiter gestört. Es ging immer die Legende, dass sie einen Mann geheiratet hätte, der ziemlich früh im ersten Weltkrieg gefallen war und um den sie immer noch trauerte. Vermutlich ist die Geschichte ganz anders gewesen. Vielleicht hat er auch nur die Flucht vor ihr ergriffen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich sie jemals auf der Straße getroffen habe.
Tante Ria hat mir oft fünf Mark Stücke als Taschengeld zugesteckt. Sie sprach dann immer von einem Taler. Sie hatte auch ganz viele verschiedene Münzen aus der Vergangenheit, die alle nichts mehr wert waren. Ich habe sie oft sortiert. Nach Größen, nach aufgedruckten Werten, nach eingeprägten Jahreszahlen. Sie hatte auch ein Grammophon, mit dem man mit Stahlnadeln die Schellack Platten abspielen konnte, die leicht zerbrachen. Zum Glück ist mir keine zerbrochen. Um das Haus herum war ein kleiner Garten, in dem wir oft Versteck gespielt haben. Onkel Otto, wie wir ihn nannten, war im Vorstand des Bergedorfer Briefmarkenvereins. In der Vergangenheit wusste er gut Bescheid. Er war der einzige Erwachsene, den ich kannte, der sich dazu bekannte, dass er früher, in der Nazizeit selber Nazi gewesen war.
Mein Vater.
Milchhändler Richard Schultz
Die Geschichte dieses Familienzweigs beginnt mit den Eltern meiner Oma (2) Meyer. Meine Oma (2) ist die Tochter von Paul und Margarethe Schumacher, die in Bergedorf in der Wentorferstrasse 19 wohnten. Das Haus gibt es noch. Ich habe ein Foto davon. Es ist ein kleines Haus. Eine Art Doppelhaushälfte mit zwei Eingängen. Wentorferstrasse 19 und 21. Wann der Vater von meiner Oma (2), Paul Schumacher, geboren ist, weiß ich nicht. Auch der Mädchenname von Margarethe Schumacher, meiner Uroma, und ihr Geburtsdatum ist mir unbekannt. Von Beruf ist mein Uropa, Paul Schumacher, Fuhrmann. Im Adressbuch steht, dass er 1875 in das Haus in der Wentorferstrasse 19 eingezogen ist. Dort wohnte er bis zu seinem Tode 1914. Wann er Margarete, seine Frau, kennenlernt hat, ist nicht bekannt. Nach der Heirat zieht sie bei ihm ein. Sie bekommen eine Tochter und nennen sie Marie.
Marie bleibt ein Einzelkind. Irgendwann lernt meine Oma Marie (2) meinen Opa Heinrich Meyer kennen. Der Opa war ein Fan von August Bebel, erzählt mir die Oma später. Zu dem Gespräch mit meiner Oma über August Bebel kommt es, weil sie selbst 1957 in dieser Strasse August Bebelstrasse Nr. 25 wohnt. Ich bin elf Jahre alt und interessiere mich nicht die Bohne für den Held eines Opas, den ich noch nie gesehen habe. 2020 bin ich für die Neugier alt genug und suche die Spuren dieses Opas. Unsicher. Nur eine zehn Jahre ältere Schwester ist sicher. Nachtrag: Gefunden die Daten von Oma und Opa Zwei:Opa (2), Heinrich Meyer (Opa) geboren am 15. Oktober 1867, gestorben am 21. Juni 1930, im Hamburg. Heinrich Meyer wird 62 Jahre alt. Oma (2), Marie Meyer, geb. Schumacher. geboren am 17. September 1877, gestorben am 21. Januar 1958, in Hamburg. Marie Meyer wird 80 Jahre alt.
Die erste Spur finde ich im Adressbuch von Bergedorf für das Jahr 1889. Der Eintrag lautet: Meyer, J. H. H., von Beruf: Arb., was vermutlich Arbeiter heisst. Von 1890 -1895 ist der Eintrag gleich: Meyer, J. H. H., Bleichertwiete 16, Postbote. Von 1911 an ist im Adressbuch eingetragen: Meyer, H. Postschaffner. Opa Heinrich steigt auf. 1914 zum Oberpostschaffner. Von 1922 bis 1929 ist er “Post-Betr.–Assist“, so lautet die Abkürzung im Bergedorfer Adressbuch. 1929 beendet er seine Karriere bei der Post. Ein Beamter im Ruhestand.
Mein Vater wird 1904 geboren. Sie nennen ihn Rudolf Heinrich. Auch Rudolf bleibt, wie seine Mutter ein Einzelkind. Bis 1910 wohnt Familie Meyer in Bergedorf in der Bleichertwiete 16. 1911 ziehen sie in den Kirchhofsweg Nr. 4. Rudolf ist jetzt ein Schulkind. Der Neubau der Schule Spieringstrasse 1, der ganz in der Nähe ist, wurde 1910 eröffnet. Schon möglich, dass Rudolf in die gleiche Schule gegangen ist, die auch ich später (ab 1953) besuche. Ich habe ihn nicht gefragt.
Wentorferstraße 19 – 21. v.l.n.r. Paul Schumacher, Fuhrmann, Margarethe Schumacher, Johanna Schultz, Richard Schultz, Milchhändler, Vater von Richard Schultz . 1918 (?)
Als
die
Mutter meiner Oma, Margarethe
Schumacher, 1922 stirbt, zieht Familie Meyer in das Haus in der
Wentorferstrasse 19 ein.
Das Haus Nr. 19 ist zwischenzeitlich an den Milchhändler von nebenan
verkauft worden und gehört
nun der
Witwe des
Milchhändlers Richard Schultz, Johanna
Schultz, die in Nummer 21 wohnt.
Rudolf
ist jetzt 17 Jahre alt. Volljährig wird man in dieser
Zeit mit 21 Jahren. 1930 stirbt mein Opa Heinrich. Meine Oma
ist nun die Witwe eines Beamten und der Eintrag im Adressbuch lautet
1931: Meyer, Wwe. Marie, Bergedorf, Wentorferstrasse 19. Bis 1935
wohnt meine Oma mit ihrem
Sohn Rudolf in der Wentorferstrasse 19.
In dieser Zeit freundet sich mein Vater mit Walther Kellinghusen an. Einem Photograph, der zwei Häuser weiter, in der Wentorferstrasse 23 wohnt. Walther hat das Hobby meines Vaters, die Photographie, zu seinem Beruf gemacht. Gemeinsam üben sie sich in Porträt- und Landschaftsphotographie.
Der Vater von Walther ist Rechtsanwalt und Notar. Die Kellinghusens sind eine große Familie und wohnen seit 1886 in diesem Haus. In dem Nachlass meiner Eltern finde ich Aufnahmen beider Photographen. Sie fotografieren auf Filmen und auf Glasplatten. Die Glasplattenkameras haben die Formate 9 x 12 und 13 x 18. Auch Rudolf bestreitet seinen Lebensunterhalt mit Auftragsarbeiten und fertigt Porträts von jungen Frauen und Männern an. Bewerbungsfotos gehören auch dazu. Seine Mutter dringt darauf, das Rudolf noch einen “anständigen“ Beruf lernen soll. Das ist 1920 nicht ganz einfach.
Eine Lehrstelle bei einem Gewürzimporteur wird angeboten. Apkar Dilsizian, Import und Export GmbH. Sein Büro ist gegenüber dem Freihafen, Hohe Brücke 4, Handelsspanisch und Stenografie sind Voraussetzung für eine Einstellung. Rudolf behauptet beides zu können, was keiner überprüft und drei Monate später kann er anfangen. Die Zwischenzeit nutzt er, sich die geforderten Fähigkeiten anzueignen. Damit kommt er durch. Rudolf verdient 1921 sein erstes Geld und trägt das Gehalt in ein kleines DIN A 5 Büchlein ein. Im August 1923 ist er Millionär, im September Miliardär und in November 1923 bekommt er für den ganzen Monat Arbeit 12,50. Die Währung nennt sich Rentenmark. Bald kann er ein Foto aus dem Bürofenster, Hohe Brücke Nr. 4 machen.
Haus daneben: Hohe Brücke Nr. 1 (Foto vom Oktober 2020)
Blick aus dem Bürofenster Hohe Brücke Nr. 4 (Das Haus gibt es nicht mehr.)
links mein Vater Rudolf Meyer. Die anderen Personen sind mir nicht bekannt.
Am
5. Juni 1935 heiraten meine Eltern. Der
Standesbeamte überreicht als Geschenk das
Buch “Mein
Kampf“ von Adolf Hitler. Die
erste gemeinsame
Wohnung meiner
Eltern
ist in der Wentorferstrasse 84. Die Wohnung hat Zentral
Heizung, was offenbar so wichtig ist,
dass es in Adressbüchern eingetragen wird.
1936 wird der Freund meines Vaters, der Photograph Walther Kellinghusen, verhaftet und kommt in die Untersuchungshaft ins Bergedorfer Gefängnis. Der Vorwurf lautet, er habe gegen den § 175 verstoßen.
Annelise ist schwanger. In Bergedorf in der Brauerstrasse 163 entsteht ein Neubau. Bei der Belegung des Neubaus werden Parteigenossen der NSDAP bevorzugt behandelt. Mein Vater wird Parteigenosse und erhält den Zuschlag. Eine Wohnung zum “Trocken Wohnen“ in der Brauerstrasse 163. Annelise kennt das schon. Hat sie doch ihre Kindheit mit dem “Trocken Wohnen“ verbracht. Am 11. August 1937 bringt Annelise meine Schwester Roswitha zur Welt. Im Elim. In Eimsbüttel. Vierzig Autominuten von der Brauerstrasse entfernt.
1945, beim Einmarsch der Engländer, verschwindet das Hochzeitsgeschenk des Standesbeamten im Heizungskessel im Glindersweg 47. Gottseidank gibt es keinen Koks im Mai 1945. Bis auf einen kleinen Wasserschaden, der den Buchrücken aufgelöst hat, ist dem Buch weiter nichts passiert.
Meine Schwester berichtete mir später, unsere Mutter hatte ihr erzählt, der Vater von Walther, der ein angesehener Rechtsanwalt in Bergedorf gewesen sei, habe seinen Sohn Walther Kellinghusen im Gefängnis besucht und ihm ein Handtuch oder ein Tuch gebracht. Dieses Tuch sei eine Art Code gewesen. Das Signal dafür, das man Walther nicht helfen könne. Darauf hin hat sich Walther im Gefängnis das Leben genommen.
Die Geschichte geisterte seit Jahren durch unsere Familie. Es wurde aber niemals geklärt, ob es tatsächlich so passiert ist. Auffällig ist, das mein Vater ein Reihe von Fotos aufgehoben hat, die von Walther Kellinghusen hergestellt worden sind oder ihn abbilden. So sind diese Aufnahmen nach dem Tode meiner Eltern in meinen Besitz gekommen.
Erst vor einigen Jahren habe ich mit der Recherchen zu Walther Kellinghusen begonnen. Ich stellte ich fest. Es ist noch viel schlimmer, als bisher bekannt. Im Staatsarchiv finde ich einen Mitarbeiter, der sich speziell mit der Verfolgung der Schwulen in Hamburg jahrelang beschäftigt hat. Uwe Bollmann. Zusammen mit einem Kollegen hatte er Reihe von Veröffentlichungen gemacht. Auch die beiden Fälle Kellinghusen haben sie bearbeitet. Der Fall Walther Kellinghusen, der sich im Bergedorfer Gefängnis das Leben genommen hat. Und der Fall seines siebzehn Jahre älteren Bruders Hans-Adolf Kellinghusen, der 1933 zum Professor und stellvertretender Direktor des Staatsarchives ernannt wurde.
Lange sinne ich darüber nach, warum meine Eltern, warum mein Vater nach dem Tode seines Freundes Walther Kellinghusen niemals mehr Kontakt mit einem Familienangehörigen der Kellinghusens aufgenommen hat. Schließlich haben wir bis 1963 in Bergedorf im Glindersweg 47 gewohnt. Ich komme zu keinem Ergebnis. Aber zu einer Entscheidung.
Walther Kellinghusen ist es wert, dass man über seine Person stolpert, so wie ich über ihn gestolpert bin. Ich nehme Kontakt mit Peter Hess auf. Es soll ein Stolperstein für Walther Kellinghusen werden. Verlegt an seiner letzten Wohnanschrift in der Wentorferstrasse 23.
Auf der Suche nach Angehörigen von Walther Kellinghusen ist Peter Hess erfolgreicher als ich. Ich hatte es telefonisch probiert, ohne Erfolg. Kein Verwandter dabei, der mit Walther verwandt war oder von seiner Geschichte wusste. Peter Hess hat es mit kleinen Zetteln an den Bäumen in der Wentorferstrasse in Bergedorf versucht. Er hat einen Kellinghusen gefunden und mir seine Telefonnummer gegeben.
Walther Kellinghusen Fotograf Das Foto hat Rudolf Heinrich Meyer von ihm gemacht.
Hans Adolf Kellinghusen Das Foto hat sein Bruder Walther Kellinghusen gemacht
Ich habe dann anschließend dreißig Minuten mit diesem Kellinghusen telefoniert. Er ist Jahrgang 1937. Die Villa des Vaters hat er nach dem Krieg abreißen lassen und auf dem Grundstück, das bis zur Strasse Am Baum 8 reicht, neu gebaut. Ein großes Grundstück. Das Haus in der Mitte. Weg von der lauten Wentorferstrasse.
Nach diesem Telefonat habe ich endlich verstanden, warum meine Eltern mit dem Rest der Familie Kellinghusen nach dem Tode von Walther nichts mehr zu tun haben wollten. Merkwürdige Formulierungen lassen mich stutzen. Hinterher denke ich: Wenn dieser Kellinghusen könnte, wie er wollte, aber das kann er nicht, dann würde er diesen Stolperstein verhindern. Er spricht von der Schande, die Walther über die Familie gebracht hat. Sprachlosigkeit überfällt mich. Ein Blick in den Kalender macht die Sache nur noch schlimmer. Die Gefängnisakten sind inzwischen vernichtet.
Es steht zu vermuten, dass die Vernichtung dieser Akten dem älteren Bruder, der 1933 zu stellvertretenden Direktor und Professor des Staatsarchives ernannt wurde, Hans-Adolf Kellinghusen sehr gelegen kam, wenn er die Vernichtung der Akten nicht selber initiiert hat, was zu vermuten ist. Einen Satz sollte ich vielleicht noch einmal wiederholen: Hans-Adolf Kellinghusen, war 1915 “Hilfsarbeiter im Staatsarchiv“ (Eintrag im Hamburger Adressbuch), 1932 Archivrat im Staatsarchiv und wurde im Jahre der Machtübernahme zum Professor und stellvertretenden Direktor des Staatsarchives ernannt. 1979 starb mein Papa. Er wurde 75 Jahre alt. 1987 starb meine Mama. Sie wurde 83 Jahre alt.
Heinrich Meyer (Mein Opa) auf dem Gojenberg.
Heinrich Meyer geb. 15. Oktober 1867, gest. 21. Juni 1930, Fotografiert von Rudolf Heinrich Meyer
(Zeichen 31.972) Falschheiten: Vorname Fritz! Abschrift: David Stewart Hull, Berkely USA, veröffentlicht in der Zeitschrift »Film« Heft 3 im August / »September 1963. Herausgegeben von Hans Dieter Roos und Werner Schwier. Es handelt sich dabei um eine Übersetzung des Artikels, der vom Autor David Stewart Hull (auch David Stuart Hull) durchgesehen und von der Redaktion der Zeitschrift »Film« gekürzt wurde. Der Aufsatz ist zuerst in der Zeitschrift „Film Quarterly“ im Sommer 1961 abgedruckt worden.„Abschrift eines Textes von David Stewart Hull (1961)“ weiterlesen