Briefe an Eugen (VII) Die Gewaltfrage

Briefe an Eugen, (VII) Die Gewaltfrage

Römische Zahlen

(Zeichen 2.268 )

PDF Briefe an Eugen (VII) Die Gewaltfrage

Hallo Eugen,

heute wieder nur ein Text, den ich grade wiedergefunden habe. Er stammt aus dem Film »Projekt Arthur« (1978) von der Medienwerkstatt Freiburg. Ausgedacht und gesprochen hat ihn Karl Heinz Roth.

Die Gewaltfrage

Notwendige Vorbemerkung. Karl Heinz Roth:

„Ich glaube, es gibt ein doppeltes Trauma bei den sozialrevolutionären und kommunistischen Arbeitern.

Das erste Trauma liegt meiner Meinung nach darin begründet, daß sie die Frage nicht beantworten können, wieso eine Arbeiterklasse oder die Fraktion einer Arbeiterklasse die immerhin über 300 000 Mitglieder 1932 hatte, so bruchlos und so kompromisslos zerstört werden konnte ohne das dabei die letzte Form des Arbeiterwiderstands in dieser Situation, nämlich der bewaffnete Kampf, organisiert wurde.

Das ist eines der ganz großen Tabus in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Und ich stehe dazu, daß dieses Tabu aufgebrochen werden muß.

Um nicht missverstanden zu werden. Es gab einen ganz breiten Widerstand der Arbeiterbewegung, auch der sozialistischen Arbeiterbewegung 33 /34 .

Das Problem besteht darin, daß sie sich für verteilte Flugblätter haben aufhängen lassen. Und nicht dafür, daß sie sich bewaffnet haben. Das ist ein ernstes Problem. Das ist keine — das ist nicht dahergeholt. Das Problem existiert real.

Und ich glaube, diese mangelnde Erfahrung von kompromissloser Kampfbereitschaft ist das Problem der Schwellenangst von revolutionärer Gewalt. Das ist ein Problem der deutschen Arbeiterbewegung.

Zumindest seit den dreißiger Jahren. Und dieses Problem hat dazu geführt, daß im Sommer 45 als die Möglichkeit bestand, die Kontinuität zu durchbrechen, die Chance nicht genutzt wurde.

Und es ist völlig klar, innerhalb weniger Monate ist der alte Repressionsapparat nicht etwa restauriert worden, sondern der hat einfach weitergemacht. Und das ist also das Problem.

Die mangelnde Härte gegenüber dem Klassenfeind, der hoch organisiert war, der ein außerordentlich hochentwickeltes System der Präventiven Konterrevolution in der Nazidiktatur entwickelt hat, ist nur anzugehen durch die entschiedenste Form des Kampfes und das ist in diesem Fall die Liquidierung von Spitzeln, das ist in diesem Fall, der bewaffnete Angriff auf Denunziationssyteme, das ist in diesem Fall der Angriff auf das Spitzelsystem in den Betrieben.

Das ist nicht passiert. Stattdessen wurden Flugblätter verteilt. Es wurden massenhaft Tausende, Zigtausende von revolutionär gesinnten Arbeitern umgebracht. Hunderttausend Kommunisten wurden von den Nazis liquidiert. Und wieviel Nazis haben die Kommunisten liquidiert? Vor 45?

Hallo Eugen, dein Einwand ist nicht ohne. 80 Millionen Einwohner, 6 Milionen Arbeitslose und nur 300 Tausend revolutinaere Arbeiter? Das ist natuerlich ganz schoen, aber doch sehr wenig. Muß den Film noch mal gucken, ob K. H. R. wirklich 300 Tausend sagt. Danke fuer den Hinweis, J. Hallo Eugen, ja die Zahl wird genannt. Aber er spricht ja auch nur von den sozialrevolutionaeren und kommunistischen Arbeitern. Die koennen – bewaffnet – natuerlich viel erreichen. Ham se aba nich gemacht, schade eigentlich, J.

Zeichnung Helga Bachmann

Briefe an Eugen (XXXIV) DDR / BRD

Römische Zahlen

Hallo Eugen, ich habe nachgedacht, was nicht oft vorkommt. Aber manchmal eben doch. Herausgekommen ist: Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) war das Beste was den westdeutschen Arbeitern der Bundesrepublik Deutschland (BRD) passieren konnte. Die Abschaffung der DDR war ein Desaster. (VEB Duden aus Leibzwick von 1984: Desaster= schweres Mißgeschick; Zusammenbruch, Seite 119), das ist genug Erkenntnis für einen Tag. LG., J.

Postkarte DDR
DDR – ein in der Welt – geachteter Staat

Hallo Eugen, beim Stöbern ist mir grade ins Auge gesprungen: „Glücklicher Weise weiß die Polizei, wem der Staat gehört, und so geht sie, wenn Amazon in dritter Parkreihe die Innenstadt sperrt, Radfahrer jagen.“ Ich fand, das mußte mal abgeschrieben werden.. Du ahnst nicht, wo. Und deswegen verrate ich Dir das gleich. Natürlich aus dem Club der toten Dichter. Es kommt aus dem Text von A wie Adorno bis Z wie Zalando. Auf Seite 9 der Konkret aus dem November Heft von 2019 und ist von Hermann L. Gremliza. Es war eben doch nicht alles schlecht, was der so geschrieben hat. Aber sicher kein Grund, mit der Herausgabe seiner gesammelten Werke zu drohen, Lg. J.

Angenagelt, Schwerin
Gesehen in Schwerin 1989. Foto Jens Meyer

l

Zeichnung Helga Bachmann
Creative commons.org
cc

Briefe an Eugen (XXXII) Schwimmdocks und Propeller

Römische Zahlen

Briefe an Eugen XXXII) Schwimmdocks und Propeller

Hallo Eugen, manchmal ist es doch zum Knochenkotzen. Das mit den Fotobüchern. Gerade gestern hatte ich wieder so ein Erlebnis. Ein aufwendiger Fotoband von Hamburg. Tolle Fotografien. Von berühmten Fotografen. Und dann das auf Seite zwei. Ein Schwimmdock im Hamburger Hafen, das als Trockendock bezeichnet wird. Warum? Weil das Schiff im Trockenen ist? Und dann immer wieder die falsche Bezeichnung für den Antrieb! Nein eine Schraube ist das nicht. Es ist ein Propeller. Und wie der aussieht. In der Produktion. Ich habe Dir sieben Fotos herausgesucht.

Zeise Propeller Fabrik
Propeller Rohling Zeise Propellerfabrik
Zeise Propellerfabrik, Bearbeitung eines Bronze Propellers, Durchmesser von 6.50 m
Propeller bei HDW, fotografiert von Henning Scholz am 7. April 1988.
Zeise Propellerfabrik Schleiferei
Zeichnung Helga Bachmann
Fundstück
Creative commons.org
cc

Briefe an Eugen (XXVIII) Behutsam ergänzt

(Zeichen 4.844) Briefe an Eugen

Die Fakten behutsam ergaenzt (XXVIII)

Römische Zahlen

Hallo Eugen,

Christian Geissler am 12. 03. 2007. Foto von Sven

in meinem Buechersortiment befinden sich drei Ausgaben des Buches von Christian Geissler: »Wird Zeit, daß wir leben«. Zwei Auflagen aus der Zeit als Christian Geissler noch lebte und und eine aus der Zeit als er nicht mehr lebte. Erstmals war das Buch 1976 im Rotbuch Verlag Berlin erschienen. Meine Exemplare sind aus den Jahren 1976 und 1979. Taschenbuecher. Das von 1979 mit der Auflagenennung 11.-13. Tausend. 236 Seiten. Die Ausgabe von 2013 ist gebunden, hat 316 Seiten und ist im Verbrecher Verlag Berlin erschienen. Hinzugefuegt ist ein Nachwort von Detlef Grumbach und eine „Editorische Notiz“ auf Seite 317.

In dieser heißt es u. a.: »Das Glossar war bereits Bestandteil der Erstausgabe, geprägt von einer pointierten Mischung aus Fakten und Standpunkten. Für heutige Leser wurden hier und da die Fakten behutsam ergänzt, die typische Diktion Geisslers wurde aber so weit wie möglich beibehalten«.

Das entspricht leider nicht den Tatsachen. In der ersten und in der von mir 1979 erstandenen Ausgabe dieses Buches gibt es kein »Glossar«. Christian Geissler hat dieses Wort vermieden. Er hat den sieben Seiten am Ende des Buches die Ueberschrift »Anmerkungen« gegeben. Es handelt sich um 61 Anmerkungen. Die Anzahl ist in der Auflage von 2013 gleich geblieben. Verteilt auf zehn Seiten, während es in den ersten Auflagen sieben Seiten waren.

Apropos: Fakten behutsam ergaenzt. Die neuen Anmerkungen sind nicht nur laenger oder kuerzer geworden, sondern auch anders. Los gehts mit den Hungerdachluken. Bei Christian Geissler einfach und klar: (9) „Hungerdachluken. Beim Hamburger Aufstand im Oktober 1923, als die arbeitenden Massen hungerten, kämpften die Revolutionäre zum Schrecken der Weißen klug aus dem Hinterhalt, z. B. aus barmbeker Dachluken.“

Dem Behutsamergaenzer der Ausgabe von 2013 ist das nicht genug und er oder sie fügt deshalb an: „Der Hamburger Aufstand war eine von der militanten Sektion der KPD in Hamburg am 23. Oktober 1923 begonnene Revolte. Ziel war der bewaffnete Umsturz in Deutschland nach dem Vorbild der russischen Oktoberrevolution 1917. Im Laufe des Aufstands wurden in Hamburg und Schleswig-Holstein insgesamt 24 Polizeireviere besetzt.“ (Liest sich wie bei Wikipedia abgeschrieben. Und siehe da: ist es auch. Nur der zweite abgeschriebene Satz wurde ein wenig veraendert, oder sollte es etwa umgekehrt sein?)

Besonders auffaellig ist es bei der Anmerkung 10 auf Seite 230. Im Original (1976 und 1979) von Christian Geissler steht:

„rede Genosse Mauser! vgl. Majakowski, linker Marsch: Entrollt euren Marsch / Burschen von Bord / Schluß mit dem Zank und Gezauder / still da, ihr Redner / du hast das Wort / rede, Genosse Mauser . . . . Die Rede ist hier von der C 96, einem der beliebtesten Modelle aus dem Hause von Paul v. Mauser, die erste wirklich brauchbare Pistole mit verriegeltem Verschluß und mit einem 10- und später auch 20- Schuß-Magazin, das vor dem Abzug liegt. Zusätzlicher Vorteil: Die Waffe hatte eine Einrichtung zur Anbringung eines Anschlagschaftes. Im revolutionären Rußland nannte man die diese Waffe auch »Bolo-Mauser«. Bolo war der in der Umgangssprache entstandene Ausdruck für Bolschewik. Eine spanische Version dieser Pistole war bei den chinesischen Genossen der zwanziger Jahre als Maschinenpistole recht verbreitet. Wenn die Mauser auch bei uns jetzt durch andere, handlichere Konstruktionen ersetzt ist, erfreut sie sich doch in manchen Länder noch eines außerordentlichen Zuspruchs.“

In der Neuausgabe von 2013 wird daraus: „rede Genosse Mauser! Zitat aus dem Gedicht »Linker Marsch« von Wladimir Majakowski, später vertont von Hanns Eisler: »Entrollt euren Marsch / Burschen von Bord / Die Rede ist hier von der Mauser C 96, einer der ersten Selbstladepistole.“

Zwei Revolutionen sind verschwunden. Stattdessen erfaehrt der »Leser von heute«, wer die Musik dazu gemacht hat. Naechstes Beispiel: hauptvollblut und wasistdas Während es bei Christian Geissler kurz und buendig heißt: »Kurzfassung der Schwerpunkte lutherischer Glaubenslehre« schwafelt der Faktenbehutsamergaenzereditor vom Verbrecherverlag von Paul Gerhard, Johann Krüger, Martin Luther und dem Kleinen Katechismus.

Auch das Stichwort »im Krieg in Kiel« erfaehrt eine erstaunliche Veraenderung. Während Christian Geissler schreibt: »Die November Revolution 1918 begann am 3.11. mit dem bewaffneten Aufstand der Matrosen in Kiel. Als auf den Schiffen des III. Geschwaders umfangreiche Verhaftungen vorgenommen wurden, erhoben sich die Matrosen und begannen den Kampf um die Befreiung ihrer Kameraden.«

Daraus macht der Faktenbehutsamergaenzer des Verbrecherverlags (natuerlich ohne Namensnennung und Begruendung): »Der Kieler Matrosenaufstand fand Anfang November 1918 – gegen Ende des Ersten Weltkrieges – statt. Auch der Rest dieses geaenderten Textes ist nicht besser. Da mutiert die Revolution zu einem »Impuls der Ausbreitung der Unruhen«. Auch die EK –Offiziere von Christian Geissler werden von dem Faktenbehutsamergaenzer umgearbeitet. Bei Christian Geissler steht unter Nr. 160: EK-Offiziere Offiziere mit dem sog. Eisernen Kreuz, also mit Praxis aus dem ersten Weltkrieg, vgl. BGS-Offiziere mit Nazikriegspraxis. Daraus wird: (213) EK-Offiziere, die mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet waren, also im Ersten Weltkrieg gedient hatten. Geissler vergleicht sie mit Offizieren des Bundesgrenzschutzes »mit Nazikriegspraxis«.

Verschwunden ist das Wort sog. und sie wurden mit Eisernen Kreuz „ausgezeichnet, weil sie also im Ersten Weltkrieg gedient hatten“ und nicht schnöde mit dem EK ausgezeichnet. Christian haette sicher gefragt: Wem gedient?

Christian Geissler am 12. 03. 2007. Foto von Sven.

Alles eher aergerlich, wie ich finde. Aber natuerlich kein Grund, diese Ausgabe nicht zu kaufen und zu lesen. Vielleicht kann der Verlag ja eine Beilage mit den Originalanmerkungen von Christian Geissler beilegen, so liesse sich der entstandene Schaden begrenzen, J.

PDF Anmerkungen 1979

Wird Zeit, daß wir leben 2013 U1

Wird Zeit, dass wir leben 2013 U 4

Wird Zeit, dass wir leben Seite 317

PDF Briefe an Eugen (XXIV) Gruesse vom Editor

Wird Zeit,daß wir leben U1

Wird Zeit, daß wir leben U4

Hallo Eugen, es gibt in dem Buch von Christian Geissler nur einen Fehler.  Der befindet sich auf Seite 150 der zweiten Auflage.  Mal sehn, ob Du den findest. Hier ist der Ausschnitt,  J.

Zeichnung Helga Bachmann
Creative commons.org
cc

pdf feder und pauli kalamatta

Hallo Eugen, heute ist Sonntag, der zweite Juni. Ein Schreiben vom Verleger (Verbrecherverlag) oder von dem ersten Vorsitzenden der Christian Geissler Gesellschaft e. V. ist bisher nicht angekommen. Es ging um die Frage, wer da in dem Text von Christian Geissler (Wird Zeit, dass wir leben) rumgepfuscht hat und noch nicht einmal dazu steht, J.

Briefe an Eugen (XXIV) acht meter lang

Römische Zahlen

PDF Briefe an Eugen die platte is acht meter lang und vier meter breit

die platte ist acht meter lang und vier meter breit. und zwölf tonnen schwer.

Hallo Eugen, auch dieser Text, so finde ich, ist es wert abgeschrieben zu werden. Er stammt aus dem Buch von Christian Geissler. Du weisst schon, der mit der Kleinschreibung.

(16) „der tag bei blohm war schrill und kantig wie immer die anderen tage, aber in einem moment war musik, hohe offiziere aus der türkei, zusammen mit drei toptypen aus der werft und einer uniformfigur aus bad godesberg, hatten, die einen aufgezäumt klimprig, die andren dunkelblau fadig schlicht schlecht, hoch oben auf einer der laufgerüstbrücken fachgesimpelt ins halbfertige schiff, ins kriegsschiff, ins boot für nato. unten im boot hockten brocken und tapp und zwei türkenkollegen, armaturen montieren, und mampften die pause, sannen hinauf. sie hängt in ketten. an einem haken. ungefähr fünf meter hoch. über den kraken. im krankasten steht der rote schieber. von uns eine hand entsichert. die hakenzange öffnet sich lautlos. in nullkommazwei sekunden auf die brücke fallen zwölf tonnen stahl. es gibt keine fluchtzeit. ohne zu kreisen der tod fällt ein. unser leben kommt schnell. es dröhnt weit weich. es wird still. der kran hebt die platte langsam zurück nach oben. wir arbeiten nun mit klarem wasser. räumen den rest blech, baumwollfaden und blut. licht spülicht. das ende einer verkleidung. keiner hatte zum andern ein wort gesagt. keiner hatte sich von seinem platz, werkzeugkiste, werg unterm arsch, gerührt. schade noch erstmal, kaute tapp. und ein türke sagte, ich sehe einfaches unglück. dann hatten sie die augen wieder geschmissen nach oben hinab auf die, still hin gerichtet.“

Hallo Eugen, das ist aus kamalatta von christian geissler. seite 144-145. (2. auflage rotbuch verlag berlin 1989). Anmerkung 2024 : Ganz schoener Kawensmann. Die Stahlplatte ist rund 50 mm dick, sagt mir mein Taschenrechner. J. Und nun kommst Du.

Briefe an Eugen (XXXIII) Drei Bilder

Römische Zahlen

Hallo Eugen, heute wieder nur drei Bilder.

Landungsbrücken
HDW Werk Ross
Sebastianstraße, Berlin 36 (1974)
Creative commons.org
Fotos Jens Meyer
Zeichnung Helga Bachmann

Briefe an Eugen (XXII) brocken darf alles

pdf 1 brocken darf alles

Hallo Eugen, heute mal wieder eine Abschrift, weil das Foto von der Buchseite viel zu groß ist zum schicken. Es war beim Abschreiben eine große Herausforderung an mich, das mit der Kleinschreibung auch so abzuschreiben. Immer wieder habe ich mich ertappt bei den Anfangsbuchstaben der Sätze.

(Zeichen 1.643) Abschrift brocken darf alles. mag aber nichts alleine nur dürfen.

hier die hochhaussiedlung, fernab, neugraben, war dicht auf dicht leicht licht gebaut, durchsichtig kontrollierbar, flach bunt getopft in den innenhöfen, man lag da im sonnenschutt, schlief oder schrie. bis broken die einigkeit machte, mitten im stein die kühlung. ein kleiner teich, wirklich zwischen hochhauswänden ein flaches becken für schnecken, die menschen sollten das gras umhin nicht betreten, war ausgelaufen, lag trocken grau, und die aufsichtsfigur der hausbaugesellschaft war wegverreist, ins sauerland, muß ja auch mal. der rest hier liegt heiß im wochenendhof.

wo kriegen wir wasser fürs becken. die kinder schreien uns ja tot. hat keiner den schlüssel bis an die leitung. sind alle nur weggeschlossen ins freie, denn man darf keine türen aufbrechen, man darf keinen rasen aufgraben, den schweren deckel nicht sprengen mit stangen. brocken darf alles. mag aber nichts alleine nur dürfen.

wenn wir zusammen was wollen, dann machen wir das auch zusammen. wassermusik für uns alle. was brauchen wir sauerland, wenn wir gesund sind.

alle sind flott gesund. wir werden ins wasser springen. wir werden die trockenen becken durchplätschern. los schmeiß an, vier ecken, vier mann!

heiß gehn die wühler ans werk. das kellertürschloß reißt ab, der deckel platzt auf, die feine rasensohle fliegt weg, der schaden ist bald behoben, dreck raus, rohr frei, wasser marsch. die kinder springen nackt in den ersten strahl. die kinder wundern sich über die freude der alten.

es wird eine lange nacht, ein fressen und saufen an unsern ufern, samt rollstuhl und kopftuch und doors. wir schwimmen und summen.

wir mummen am montag durch alle ordnungsbefragung. wer war das. weiß ich doch nicht.

das waren wir, sagte tapp zu blues, die bande, die sie nicht mögen.

(seite 288 kamalatta, christian geissler, romantisches fragment, rotbuch verlag, berlin, 2. auflage 1989)

Hallo Eugen, ich habe dieses Buch jetzt noch mal gelesen. Es hat nur einen Fehler. Der ist auf Seite Seite 150 in der Mitte. Mal sehn, ob Du den Fehler findest.J.

Briefe an Eugen (VIII) Das Besatzungsregime

PDF Briefe an Eugen Das Besatzungsregime von Roeber und Jacoby

Römische Zahlen
Roeber und Jacoby

Hallo Eugen, ich erinnere mich, daß ich Dir mal von der dicken Schwarte von Roeber und Jacoby erzaehlt hatte. Gestern habe ich im Philturm diese Schwarte noch mal in der Hand gehabt und einige Seiten daraus fotografiert. Das ist ja schon einfacher, als es vor Jahren war, wo man dann immer suchen mußte, wo man eine Kopie davon machen konnte. Das mochten die Bibliothekarinnen immer gar nicht, wenn man die Buecher auf dem Kopierer platt drueckte, damit man das spaeter auch lesen konnte. Jetzt fotografiert man das und weil die Datei so groß ist, das man sie nicht verschicken kann, faehrt man heim und schreibt das Bild mit einem zweiten Klapprechner von dem ersten Klapprechner ab. Natuerlich ohne sich dabei zu fragen, ob das nun wirklich praktischer als frueher ist. Hier kommt nun die Abschrift des Fotos:

Abschrift “2. Abschnitt: Das Besatzungsregime I. Vorbemerkung 1. Grundlagen. Nach dem Zusammenbruch gab es zunächst keine Filmtätigkeit im gesamten Gebiet des ehemaligen Deutschen Reiches mehr. In der Proklamation des alliierten Kontrollrates Nr. 2 vom 20. September 1945 war auch der Film unter alliierte Kontrolle gestellt. (1). Diese Proklamation war die allgemeine Grundlage auch für die Beschlagnahme der Vermögenswerte des reichsmittelbaren Filmvermögens. (2) Durch das Kontrollratsgesetz Nr. 2 (3) erfolgte im Rahmen der Auflösung sonstiger nationalsozialistischer Organisationen auch die Auflösung der Reichskulturkammer und damit der Reichsfilmkammer. (4) Die Besatzungsmächte erließen für ihren räumlichen Zuständigkeitsbereich (5) auf dem Gebiet des Films Gesetze und Verordnungen (6), die zum Teil unveröffentlicht blieben. (7) Solche Maßnahmen stimmten in der Amerikanischen Zone und der Britischen Zone weitgehend überein; die Französische Zone folgte mit entsprechenden Maßnahmen. Mit der Proklamation Nr. 1 des Oberbefehlshabers der Westalliierten Streitkräfte in Europa (Dwight D- Eisenhower) wurden alle deutschen Amtsstellen ihrer Befugnisse enthoben. (8) Auf Grund des Gesetzes Nr. 52 wurde das mittelbare und unmittelbare Filmvermögen der öffentlichen Hand beschlagnahmt (Property Control). (9)“ (Die Suchmaschine übersetzt: Eigenschaftskontrolle).

Eine erstaunliche Wortwahl von Roeber und Jacoby, wie ich finde. Besonders das Wort Besatzungsregime und das Wort Zusammenbruch. Das Wort Militärregierung und das Wort Kapitulation wollten sie offensichtlich nicht verwenden. Und wer ihre Geschichte kennt, den wird das nicht verwundern.

Nachtrag: Anmerkungen aus dem Handbuch der filmwirtschaftlichen Medienbereiche 1973, Verlag Dokumentation von Dr. Georg Roeber und Gerhard Jacoby

Anmerkung 11) Siehe Turatus, Die Entwicklung der deutschen Filmwirtschaft nach 1945, Seite 2 Anmerkung 167) Im Juli 1945 waren in Bayern die ersten Filmtheater wieder spielbereit (so in Tölz). München folgte im August 1945 mit acht lizensierten Filmtheatern. Anmerkung 168) Die ursprüngliche Bezeichnung war „Amerikanischer Filmverleih“. Der amerikanische Leiter war Sgt. Klinger. (früher Wien); ihm stand Hans Kubaschewski (früherer Bezirksvertreter der Deutschen Filmvertriebsgesellschaft in Berlin) als Deutscher zur Seite. Kubaschewski wurde später Deutschland-Chef des Warner Brothers-Verleihs und war anschließend Geschäftsführer der reprivatisierten Bavaria-Filmkunst. Anmerkung 169) Vergleiche Turatus, aaO. Seite 4. Anmerkung 170) Siehe Anm. 153. Anmerkung 171) Nachteilig vor allem für den Wiederverkauf einer deutschen Spielfilmproduktion. Anmerkung 172) Lizenträger war Dr. Berger, Zahnarzt in Burgkunstadt (Ofr.) Anmerkung 173) Später Bundeswirtschaftsminister und nachfolgend Bundeskanzler. Anmerkung 174) In dieser Richtung bewegten sich auch die Absichten britischer Besatzugsstellen die zur Gründung der Atlas-Film GmbH in Hamburg führten, jedoch mit dem Erfolg, daß die Atlas-Film den Militärfilmverleih ablöste und – auch nur vorübgehend – wurde. Anmerkung 175) Ehefrau von Hans Kubaschewski, ehemalige Chefdisponentin des Siegel-Monopol-Filmverleihs in Dresden, bei Einmarsch der amerikanischen Besatzungstruppen Filmtheaterbesitzerin in Oberstdorf. Siehe auch Anm. 168. Anmerkung 176) Mitgeschäftsführer war Erich Motzkus, später bei der National Film, Hamburg und zuletzt in Berlin auf verschiedenen Filmgebieten tätig. Hallo Eugen, noch Fragen? J.

Zeichnung Helga Bachmann

Hallo Eugen, beim nochmaligen Lesen faellt mir auch der Begriff von Roeber und Jacoby: “ . . . und war anschließend Geschäftsführer der reprivatisierten Bavaria-Filmkunst. “ ins Auge. Soll vermutlich heissen ein Privatbetrieb wieder ein Privatbetrieb. Das Gegenteil ist der Fall, wie man den Nachforschungen von Roeber und Jacoby entnehmen kann. Und nun kommst wieder Du!, J.

Briefe von und an Wiebeke (LI) Noch mal durchgerüttelt

Römische Zahlen
Blohm & Voss
Fotograf unbekannt

PDFVierundzwanzig Briefe an und von Wiebeke

(Zeichen 23.582)

Vierundundzwanzig Elektronische Briefe an und von Wiebeke

1) Hallo Jens, nein, ich meinte nicht, dass du das Foto nicht haettest online stellen sollen, nur stell bitte diesen Namen nicht rein. Ob MICS tatsaechlich dieser Michael Schaaf ist, ist ja halb geraten. Und mir waere es unangenehm, wenn das Foto aufgrund einer fuenfminuetigen Internetrecherche jemandem zugeschrieben wird, der es nicht gemacht hat. Oder jemandem, der tot ist, waehrend der tatsaechliche Fotograf noch lebt. Apropos tot, hast du denn anlaesslich des Todes deines Helden Belmondo eine Gedenkminute eingelegt? L.G. Wiebeke

2) Hallo Wiebeke, nein. Einen Gedenkabend. Bei Arte waren sie ganz schnell und haben erst einen ganz alten Belmondo Film gezeigt (2 Std.), den ich noch nicht kannte und dann einen Belmondo Film, den ich zwar kannte, aber nie im Kino gesehen hatte und der sehr komisch war. Der ist von Philippe de Broca. Im Original: „Les tribulations d’un Chinois en Chine“, der deutsche Verleihtitel war: „Die tollen Abenteuer des Monsieur L.“. Der Titel hatte mich 1965 wohl nicht angesprochen. Und auf meinem Fernseher kann sich die Leistung auch nicht richtig entfalten, aber es gibt eine Ahnung davon, das das moeglicherweise ein sehr guter Kinofilm gewesen war. Eben hatte ich das Foto von der Werft wieder runtergenommen und gleich schwupps mach ich es gleich wieder rauf, weil Svea gesagt hat, bereits beim ersten Mal der Veroeffentlichung ist das Copyright schon verletzt. Uebrigens hat sich der Herr aus Neuseeland, obwohl mit einem wunderbaren Brief bedacht, geschickt mit der herkoemmlichen Post, niemals bei mir gemeldet und schwupps waren die Fotos mit der cc Lizenz im Beipack vom Civic Kino der Fotografin Julia Kuttner aus Takapua auch schon hochgeladen. L. G. Jens

3) Hallo Jens, ich fuehle mich geehrt. Auch wenn ausser dir und mir natuerlich niemand weiss, dass ich das bin. Du konntest auf dem Foto nicht lesen, dass das „Gr. Marienstraße.“ heisst? Das kann ja sogar ich lesen und ich bin dreimal an den Augen operiert. Und sag mal, wieso hast du den Eintrag fuer Raupert im Hamburger Adressbuch gefunden; die Grosse Marienstraße war doch in Altona? Und die letzte Frage: Was heisst denn LGB? Ich kenne das nur als Abkuerzung fuer „Lesbian, gay, bisexual“ und wuerde mich doch sehr wundern, wenn das in diesem Zusammenhang gemeint waere. L. G. Wiebeke

4) Hallo Wiebeke, ja, so soll es sein. Lesen? Das Wort heisst „ahnen“ und das auch nur, weil in der Bildunterschrift ja nur ein kurzes Wort auftaucht. Johannesstraße hat acht Buchstaben und Marienstraße nur sechs. (Das Wort Straße ist ja bei beiden gleich lang). Die Adressbuecher bei Agora sind alle unter Hamburg geordnet. (Da steht dann immer heutiges Gebiet, ohne den Hinweis, wem das zu verdanken ist), aber Du hast natuerlich recht: Ich habs im Altonaer Adressbuch gefunden. Aber das Du die LGB nicht kennst! Wenn Du als Junge diese Erde betreten haettest, dann waere das nicht passiert. Jeder Junge der damals in meinem Alter war, kannte die LGB.. Das war die Alternative zu den eingebildeten Schnöseln. Die hatten [weil ihre Eltern so reich waren und sie selbst zu Angebern erzogen werden sollten], immer die Nase oben und hatten den Mercedes der Modelleisenbahn: „Maerklin“. Die war eigentlich scheisse, weil sie mit Wechselstrom fuhr und keine durchgehende Stromschiene hatte und deswegen dauernd stehenblieb, was den Angebern natuerlich egal war. Also »LGB« ist die Abkuerzung fuer »Lehmann Garten Bahn«. Inzwischen ist Maerklin zweimal pleite gegangen und fuenf mal verkauft worden. Lehmann Garten Bahn ist nur einmal pleite gegangen und jetzt an Maerklin verkauft worden. Uebrigens faehrt die heutige Maerklin auch mit Gleichstrom, das ham sie jetzt endlich verstanden. Das mit dem Hamburger Adressbuch muß ich natuerlich gleich aendern. L. G. Jens

5) Hallo Jens, er ist durch den Elbtunnel geradelt, und das Stempeln war garantiert einer der Gruende dafuer, dass er da wegwollte; das Einzige, was er von diesem Job je erzaehlt hat, war, dass er jeden Morgen zur Arbeit pedalt ist, als ob’s um den Tour de France-Sieg ginge, denn im Gegensatz zu mir ist er ein notorisch unpuenktlicher Mensch. Bei der Oper musste man auch frueh aufstehen – Schichtarbeit – aber jedenfalls nicht stempeln, und ausserdem war man da nach 15 Jahren unkuendbar, weil’s ein halbstaatlicher Betrieb war, also quasi verbeamtet. Aber bis dahin war’s ein weiter Weg; angefangen hat er als sogenannter »Deckenzwerg«, das waren die, die auf den Knien auf der Buehne rumgerutscht sind und die Teppiche festgekloppt haben. So dass ich, als ich in der 1. Klasse in der Grundschule gefragt wurde, was denn mein Vater von Beruf ist, erhobenen Hauptes sagte, „Deckenzwerg“ und die allgemeine Heiterkeit gar nicht verstehen konnte. L. G. Wiebeke

Elbtunnel Hamburg
Foto Jörg Lodemann

6) Hallo Wiebeke, ich bin eben noch mal vorbeigefahren und habe den aktuellen Stand von Blohm & Voss fotografiert. Es ist nicht wahr, dass beide Schwimmdocks verkauft sind. Eins haben sie noch. Vom anderen Ufer fotografiert sieht das natuerlich nicht so aus, wie auf Deinem Foto. Aber die Kraehne sind noch dieselben. Oder waren es die gleichen? L. G. Jens

Foto von Erich Andres 1936

7) Hallo Jens, grade nach da, das ist in der Tat lustig. Ich meine die Ehemals-Ökosan-Rechnung, nicht den fuenfseitigen Schrieb von der IFB, von dem ich mir bisher erst die ersten zwei Seiten angetan habe; man will sich ja nicht vollends die Laune verderben. Worauf fuehrst du zurueck, dass die das mit derartigen Enthusiasmus und Einsatz durchzusetzen versuchen? Man sollte meinen (ich jedenfalls), drei Fuenftel der Empfaenger*innen knicken eh ein und zahlen die Kohle auf Raten zurueck, einem Fuenftel koennen sie nix, und das verbleibende renitente Fuenftel ist die Muehe nicht wert, jedenfalls nicht, was die Summen angeht, um die es da geht. Man hat fast den Eindruck, den IFB-Federfuchsern geht selber der Arsch auf Grundeis, aber wer atmet ihnen da von hinten auf die Ohren? Und vor allem warum? Angesichts dessen, dass das alles ja sowieso (fast) unter Ausschluss der indifferenten Oeffentlichkeit stattfindet und eine gerichtliche Niederlage von dir und deinesgleichen deshalb ja nicht mal abschreckende Wirkung hat. Ich bitte um Interpretation. L. G. . Wiebeke

8) Hallo Wiebeke, falls Du also jemals einen autobiografischen Text [von einem Buch will ich gar nicht schreiben] in Angriff nehmen willst, dann solltest Du den Titel: „Mein Vater, der Deckenzwerg“ nehmen. Du koenntest es natuerlich auch mit dem Schwimmer probieren, allerdings ist „Mein Vater, der Elbdurchschwimmer“ kein Erfolgstitel, das muesste dann schon: „Mein Vater, der Atlantikdurchschwimmer“ sein. Eine Spur, die aber ins Abseits fuehrt und da willst Du ja bestimmt nicht hin. Und das alles koennte man auch „Die Tochter des Deckenzwergs“ nennen, auf Deine Schwester bezogen koennte ein Buch von ihr dann heissen: „Die Tochter des Deckenzwerges, die es einmal besser haben wollte oder sollte“ was natuerlich ziemlich lang ist. Aber lang, so scheint es mir, ist heute modern. Ich habe, da war ich aber schon in der vierten Klasse, sagen muessen, mein Vater sei Prokurist. Das, so wurde mir eingeschaerft, sei ein ziemlich wichtiger Mann, das, wie sich spaeter herausstellte auch nicht richtig war, denn er war der Prokurist einer ganz kleinen Maschinenfabrik und Prokurist war er nur geworden, weil sein Chef Wilhelm Busch [der hiess wirklich so] sich mehr mit seinen Urlaubsbreisen [Geschaeftsreisen nannte er das] beschaeftigte, als sich im Betrieb mit dem Unterschreiben von Briefen zu beschaeftigen. Wilhelm Busch haette sicher „Die Partei“ [Urlaub muss sich wieder lohnen!] gewaehlt, waehrend mein Vater, als ehemaliges NSDAP Mitglied lieber Erich Mende [ebenfalls ehemaliges NSDAP Mitglied steht zu vermuten, ich habe es nicht ueberprueft, nee passt nicht, war noch zu jung, war erst 17 Jahre alt] gewaehlt hat. Und am Sonntag haben meine Eltern zusammen im Bett die »Welt am Sonntag« gelesen. Gerade ist der Tuermer mit seiner Trompete fertig geworden und es scheint mir an der Zeit, Dich nicht laenger zu quaelen. Das war der Text zum Dienstag fuer die Tochter des Deckenzwergs und nicht der Text für die Schwester, ebenfalls Tochter des Deckenzwergs, die es einmal besser haben sollte, schoene Gruesse auch vom Erbeerschorsch. L. G. Jens

Urlaub muß sich wieder lohnen

9) Hallo Wiebeke, grad habe ich Dein Foto von Blohm & Voss wieder hochgeladen und auf die Seite gestellt. Dabei ist mir aufgefallen: Man sieht den Schatten der Haende der Fotografierenden, deswegen kommt jetzt das Lied, das meine Freundin immer zitiert, wenn sie sich ueber eine Saengerin aus der DDR lustig machen will. Dann singt sie die Zeile: „Sind so kleine Haende, winzige Finger dran“ den Rest habe ich vergessen, bzw. verdraengt. Ich fand das Lied immer ganz schoen. So unterschiedlich koennen Geschmaecker sein. L. G. Jens

10) Hallo Wiebeke, ich guck ja im Moment viel Fernsehen. Am Sonntag gab es bei Arte noch mal »Fahr zur Hoelle Liebling«, den ich sehr gerne mag. Im Abspann des Filmes taucht der Name Jim Thompson auf. Das war mir frueher nie aufgefallen. Jim Thompson spielt den alten Ehegatten von Velma [Charlotte Rampling]. Es handelt sich tatsaechlich um den Autor dieser wunderbaren Buecher, den ich versucht habe, Dir schmackhaft zu machen. Und das zweite Erlebnis will ich auch nicht verschweigen. Es gibt ja diese Amis, die ueber die Weltwunder Filme machen und die dann berichten, was sie Neues gefunden haben. Darunter eben dieser Film ueber die Bauplaene der Cheops Pyramide die hundert Kilometer entfernt gefunden wurden. Auf Papyrus geschrieben. Ham sie entziffert. Ungefaehr fuenftausend Jahre altes Speichermedium. Gleichzeitig ist meine externe Festplatte, das Speichermedium der Gegenwart, von einem Brett, zwanzig Zentimeter ueber dem Fußboden liegend, heruntergefallen und ist tot. Kann nicht wiederbelebt werden. Da hatten es die alten Aegypter doch viel besser. L. G. Jens

11) Hallo Wiebeke, eben im Briefkasten: ein Brief von EWS. Ich bin jetzt mit 1.968 Kwh pro Jahr in der Stromverbrauchsgruppe A, sehr gut, schreiben sie mir aus dem Schönau-Schwarzwald. Im Vorjahr waren es 1.979 Kwh. Aber der wichtigere Brief kommt vom Bezirksamt Hamburg Mitte. Und da habe ich, was ich von der Stasi gelernt habe, den Umschlag so aufgemacht, dass mann ihn auch wieder verschliessen kann, ohne das die Betreffende oder der Betreffende es merkt. Die Nachricht ist folgende: Sie haben Briefwahl beantragt (Lob) und dabei folgende, von der Meldeanschrift abweichende Versandanschrift angegeben.„Bitte prüfen Sie die gespeicherten Angaben auf deren Richtigkeit und wenden sich bei Fehlern an die im Briefkopf angegebene Wahldienststelle. Ist der Versand an die oben genannte Adresse richtig, müssen Sie nichts weiter tun.“ Die oben angebene Adresse ist per E Mail und freundliche Gruesse schicken sie auch. Da ist mir natuerlich sofort das Zitat von Horst Urich Sass in den Kopf gekommen, als er am Flughafen Hamburg, zweimal Hamburg gelesen hatte und gemeint hatte: „Was muessen diese Idioten zweimal Hamburg schreiben!“ L. G. Jens

12) Hallo Wiebeke, die wichtigste Antwort zuerst (Die gilt natuerlich nur fuer die Jahrzehnte von 1949 – 1987): Meine Eltern, aber die sind beide schon lange tot. (1979 + 1987). Und die haben die FDP gewaehlt, weil dort die meisten von den Mitgliedern waren, deren Mitglieder sie vorher waren. Ich will nicht ungerecht sein. Meine Mutter hatte es nur bis zum Deutschen Frauenwerk geschafft. Wer nun die FDP in Hamburg waehlt, weiss man aus der letzten Hamburger Buergerschaftswahl. Die Einwohner von Blankenese. Ueberall sind sie an der Huerde der Prozente gescheitert, nur nicht die Kandidatin aus Blankenese. Ob der Adel angekauft, geliehen oder nur angeheiratet ist ― wie bei der Kekstochter in Bruessel, habe ich nicht ueberprueft. Gestern Abend jedenfalls hat es hier von Kindern (Fryday fuer Future) nur so gewimmelt, aber die Parteien schaetzen sich gluecklich, die Kinder duerfen ja noch nicht waehlen. Die Brieftraegerin muß ich in Schutz nehmen. Mir fallen bestimmt noch Argumente ein. Nur im Moment nicht richtig. Hast Du gesehen, wie Armin aus Aachen, die beiden Kinder angelogen hat? L. G. Jens

13) Hallo Jens, apropos Wahl, meine Briefwahlunterlagen sind am gleichen Tag bei mir angekommen wie der Brief, in dem nachgefragt wurde, ob es mit der Adresse auch seine Richtigkeit hat, wie bei dir. Und wenn ich nun gesagt haette, halt, nein, da ist ein Fehler drin? Diese Unterlagen waeren doch nie und nimmer ein zweites Mal rausgeschickt worden. Und weil wir hier in Sachsen-Anhalt sind, hat die Brieftraegerin diesen Brief, der nur persoenlich und gegen Vorlage des Ausweises usw. usf. ausgehaendigt werden darf, einfach in den (unabgeschlossenen) Briefkasten gestopft. Um deine Festplatte tut es mit Leid; ich hoffe, da ist nichts Unersetzliches verlorengegangen. Und mit dem Papyrus hast du natuerlich recht. Wobei aber dazu gesagt werden sollte, dass auch dieser Papyrus schon laengst vergammelt waere, wenn er irgendwo rumgelegen haette. Wahrscheinlich wurde er an einem luftdichten, staubtrockenen, abgeschlossenen Ort gefunden (z.B. einer Pyramide).

Wenn du deine Festplatten in einer Pyramide deponieren wurdest, waeren sie vielleicht nach 3000 Jahren noch so gut wie neu. Und zu guter Letzt: Wenn das ein echtes Wahlplakat waere, waere das glatt ein Grund, die FDP zu waehlen. Andere Gruende gibt’s ja nicht. Wer waehlt diese Partei, frage ich mich seit Jahrzehnten? L. G. Wiebeke

14) Hallo Jens, hei. Was ist mit dir? Ungewoehnlich langes Schweigen. Ich fuer meinen Teil bin seit 10 Tagen in Prag. Vor ein paar Tagen war ich in Mariánské Lázně / Marienbad, weil da die Ausstellung stattfindet, an deren Vorbereitung ich beteiligt bin, und ich musste natuerlich sofort an den Film denken, den ich nie verstanden habe und auch strunzlangweilig finde. Das ehemalige Kurhotel, in dem die Ausstellung stattfindet, sowie ueberhaupt die Stadt selber sind aber durchaus einen Film wert. Leicht runtergekommener oesterreichischer k.- u.-k.-Bombast mit Art Deco-Touch; sieht alles aus wie in dem Film von Wes Anderson, Grand Hotel Budapest, den du wahrscheinlich nie gesehen hast (muss man auch nicht). Wes Anderson hat, glaube ich, alles nachbauen lassen, aber er haette auch einfach im Hotel Hvězda in Marienbad filmen koennen. Goldene Fahrstuehle mit goldenen Zahnradgetrieben in offenen Fahrstuhlschaechten. Habe ich noch nicht fotografiert, das kommt aber noch. Sag doch mal piep. L. G. Wiebeke

15) Hallo Wiebeke, so ging es mir auch. Aber ich glaube, da gabs auch nichts zu verstehen. Aber: schwarzweiss Fotografie und CinemaScope [und noch das Streichholzspiel 1/3/5/7 und wer das letzte Streichholz zieht, hat verloren, oder war es umgekehrt?] und ausserdem sehen die Frauen doch sehr attraktiv aus, und deswegen haben wir Jungs, die sich fuer was besseres hielten, diesen Film gerne angesehen und natuerlich auch den von Wes Anderson, wo ich mich immer gefragt habe, was diese verschiedenen Formate eigentlich sollen? Meine Doppelanfrage [bezueglich Wohnraum in Berlin] hat mich doch mal wieder in meinen Vorurteilen bestaetigt. Junge Frauen wollen alle, auch wenn kein Platz ist. Doch sobald sie die 40 ueberschritten haben, schon ist es vorbei. Bei Berlin faellt mir noch das Desaster mit den Wahlzetteln ein. Das hat aber die Titanic schon im März 1990 vorhergesagt, wie Du in der Anlage sehen kannst. L. G. Jens

Punka im Oelkerscafe
Punka

16) Hallo Wiebeke, ich hab mal wieder was abgeschrieben, weil diese Fotokopien so schlecht zu lesen sind und natuerlich auch, damit die Kinder sie auch finden, falls sie denn auf die Idee kommen sollten, zu suchen. Ein Text, den Fritz Teufel [der mit der Wahrheitsfindung] mal geschrieben hat und in einem Buch erschienen ist, in dem auch andere Knackis, u. a. einer, der sich vom Anarchisten zum Realsozialisten und Schriftsteller verwandelt hat, dessen Krimis ich aber nie gelesen habe [bzw. immer nur den Anfang] [Robert Jarowoy]. Beide inzwischen in Freiheit und verstorben, jetzt habe ich doch glatt den Faden verloren und muss mal schnell zur Blutabnahme in die Praxis, wo ich schon seit 1983 bin (damals habe ich mir immer die gelben Zettel bei ihm abgeholt und war heilfroh, dass ich nicht wirklich krank war) und die zahlreiche Personalwechsel hinter sich hat [Karl Heinz Roth u.a.] und hier nun der Link auf das »Maerchen von Ali und Fatima«. L. G. Jens

17) Hallo Jens, diese Email musste ich zweimal lesen, bis sich mir erschlossen hat, wovon du eigentlich redest. Erst dachte ich, huch, ich habe ein Buch geschrieben? Das ist mir neu. Aber irgendwann fiel der Groschen dann doch. Freut mich, dass was Lesenswertes dabei ist. Aber was diesen Film betrifft: Das ist doch sehr unwahrscheinlich, dass der noch nicht auf die Muellhalde gewandert ist, oder? In welchem Format wurden solche Fernsehbeitraege denn eigentlich gefilmt? Nicht lachen, ich weiss es wirklich nicht. Die beiden Schreiben von deinem Anwalt lese ich morgen, sonst kriege ich schlechte Laune, und das will man ja nicht zum Feierabend. Ich meinerseits habe seit meiner „das kann doch nicht wirklich von Ihnen sein; ich wittere Betrug“-Email von vor zwei Monaten nichts mehr von der IFB gehoert. Aber die naechste Frechheit wird kommen; da koennen wir von ausgehen. Wie ist denn der Stand der Dinge bei D.; weisst du das? Zu deiner letzten Email: Robert Jarowoy kannte ich fluechtig, weil wir gemeinsame Bekannte hatten; schien mir ein netter Kerl zu sein, aber als Schriftsteller wenig beeindruckend. Fand ich jedenfalls. Im Gegensatz zu seinem Kampfgefaehrten Peter-Paul Zahl, mit dem ich ihn manchmal verwechsle, obwohl der eine ganz dick war und der andere ganz duenn. Gaehn. Wie dir wahrscheinlich aufgefallen ist, bin ich etwas braesig im Kopf. Ich habe den halben Tag Bilderrahmen lasiert, und jetzt ist mir schummrig vom Terpentin. Aber ich wollte nicht auch noch beim Malen und Lackieren eine Maske aufsetzen, wo man doch eh schon staendig mit so einem Kaffeefilter auf der Nase rumlaeuft. Also demnaechst mehr. Sag mal, wieso gehst du denn zum Blutabnehmen, wenn man mal fragen darf? L. G. Wiebeke

18) Hallo Wiebeke, dann fange ich mal von hinten an. Blut abnehmen, weil mein Hals irgendwie geschwollen ist und der Nachfolger von Karl Heinz Roth nach einem Blick in meinen Rachen auch nicht wußte, warum mein Hals geschwollen ist. Mit der Muellhalde, das traue ich weder dem WDR noch dem NDR noch Radio Bremen zu. Da sitzen die Gralshueter der Fernsehgeschichte, die schmeissen so was nicht weg. Den Film von Ulrike Meinhof ― Bambule ― haben sie ja auch nicht weggeschmissen und dann doch noch in irgend einem Nachtprogramm mal gezeigt. Im Studio haben sie mit großen Ampex Kameras gearbeitet, die mit zwei Zoll breiten Magnetbändern gearbeitet haben. Aber wenn sie in der Fabrik in Berlin-Kreuzberg bei DTW [nicht fuer dich aber fuer die Nachwelt: eigentlich De Te We, die Abkuerzung fuer Deutsche Telefon Werke, in Berlin 36, Wrangelstraße 100, die haben das Telefon W 48 gebaut] gedreht haben, dann sicher auf 16 mm Film, vorwiegend mit der Arri BL, aber auch mit der Aaton und der Eclair [aus Frankreich], die beide im Einsatz waren. Eine schoene Kamera. Die Eclair. Die 120 m Kassetten waren klasse. Da mußte man nicht die ganze Zeit im Dunkelsack rumfummeln, wenn man den Film in die Kassette eingelegt hat. Meist auf Umkehroriginal gedreht, manchmal aber auch mit Negativ Film. Die beiden Schreiben des Anwalts dienen eher der Erbauung und der Aufmunterung. Merkwuerdiger Weise hat bisher in Hamburg kein Sturm der Entruestung stattgefunden. Im Gegenteil. Wie ein Film von Bergmann: »Das Schweigen«. Der bescheuerte Innensenator [der aus Hamburg, nicht der aus Berlin von dem Wolfgang Neuss mal gedichtet hat: „Der Innensenator muß immer ne schnelle Fehlbesetzung sein“ oder so] laesst an der Flora immer die Beamten die Schrift uebermalen. Zugelernt haben sie nix. Und dann hat er auch noch zur Corona Rueckzahlung oeffentlich gesagt, dass die Leute, die dieses bekommen haben, ja auch in Raten zurueckzahlen koennen. L.G. Jens

19) Hallo Wiebeke, wird erledigt, ich freue mich ueber jede Begegnung mit Dir! Vorbeikommen immer! Gestern ist mir doch was Komisches passiert. Wieder ein Baustein zur Theorie des Aelterwerdens. Ich habe mit grosser Neugier das Buch, das Du mir geschenkt hast [das von den Scherben] bis zur letzten Seite gelesen. Manchmal hatte ich dabei den Eindruck, dass es sich um Wiederholungen handelt. Ich habe das meinem Gedaechtnis angelastet, da sind ja eine Menge Kenntnisse ueber Ralph und Gert Moebius angehaeuft. Irgendwie kam mir gestern die Idee, doch mal in meinem Buecherregal zu stoebern. Und siehe da, dort ist die Ausgabe von 2005 mit einem anderen Umschlag, den selben Texten und zehn Seiten dicker und sonst identisch, nicht mal die Schrift wurde veraendert. Das die Ausgabe etwas anders ist, kommt daher, das einige Bilder hinzugefuegt wurden. Wer haette das gedacht? Ich jedenfalls nicht. Den einen Text, den ich doof fand in der Neuausgabe, fand ich auch schon in der letzten Ausgabe doof, aber diesmal habe ich drei Seiten mehr gelesen, bevor ich abgebrochen habe. Jetzt kommt noch der Satz ueber Mae West, deren Auftritte in den verschiedenen Filmen ich immer sehr gemocht habe. Da hat jemand ueber sie geschrieben . . . „Sie verliert ihren gut Ruf den sie nie vermisst“. L. G. Jens

20) Hallo Wiebeke, der Brief ist im Kasten. Der Briefkasten, den ich sonst immer benutze, ist seit die gegenueber liegende Kirche in einen Laden umgebaut wird und sie deswegen den Briefkasten beseitigt haben, also der Briefkasten am Michel ist nicht mehr . . . wo war ich stehengeblieben? Ach ja, also der Briefkasten [grosse Version] auf dem Großneumarkt [versteckt hinter Hamburgs schoenster Litfaßsaeule], der hat mein Vertrauen nicht erringen koennen, weil er so voll war, dass man die obersten Sendungen gut haette entnehmen koennen. Also ich habe den genommen, der hundert Meter weiter im Alten Steinweg vor der Wirtschaftsbehoerde steht. Der soll ebenfalls um 16.30 Uhr geleert werden. Ich werde das jetzt nicht ueberwachen. Viel Spass beim Lesen, manchmal macht ja auch die Beamtensprache Freude in ihrem Unbeholfensein. L.G. Jens

Special URSS
Cahiers du Cinema

Ps: Da faellt mir noch das Weihnachtsgedicht fuer die Beamtenkinder ein: „Der Gabentisch ist oed und leer, Die Kinder gucken bloed umher, Da laesst der Vater einen krachen, So kann man auch mit kleinen Sachen Beamtenkindern Freude machen“. [G. Klaut bei Dorle K.]

Mit dem Krachen ist ein bestimmter Laut gemeint, den der Vater [Beamter = Sesselfurzer] mithilfe einer seiner Koerperoeffungen zu Stande bringt.

Aber das kannst Du ja nicht wissen, weil Du kein Beamtenkind gewesen bist. Um den Rassismus rauszukriegen kann man auch was anderes einsetzen. Reimt sich auch mit: Arbeiterkindern -, Angestelltenkindern und Tischlerkindern usw.

21) Hallo Jens, das finde ich super. Zum einen, dass ich dir was geschenkt habe, das du schon hast, ohne dass du’s gemerkt hast, und zum zweiten, weil es einen Jahrmarkt der Moeglichkeiten fuer weitere Geschenke eroeffnet: Zu deinem 90. schleiche ich mich in deine Wohnung, stehle ein Buch, von dem ich weiss, dass es dir gefallen hat, mache einen neuen Umschlag und Geschenkpapier drum, und voilà. [Fremwoerterbuch = sieh da!]. Das erinnert mich ein bisschen an die Leute ― du kennst bestimmt auch welche ― die sich nie erinnern koennen, dass sie einen Film schon mal gesehen haben. 70 Minuten sitzt man mit ihnen vor der Glotze, Dramen spielen sich ab, Ehen gehen in die Brueche, Autos fliegen in die Luft, und in der 71. Minute sagen sie ganz langsam: „Ich glaub, den kenn ich schon.“ L. G. Wiebeke

22) Hallo Wiebeke, das klingt ja ganz traumatisiert. Man spuert die Gedanken, die Dir dabei durch den Kopf gegangen sind. Da faellt mir sofort die Geschichte von dem Kind (weiblich) ein, das nach ihrem Berufswunsch befragt wird und es, wie aus der Pistole geschossen antwortet: Lehrerin! Auf die Frage warum, kommt die Antwort: Dann kann ich Kinder zwiebeln! Was natuerlich uebersetzt heisst: Kinder quaelen. Ich hab das nur hier hingeschrieben, weil ich natuerlich annehme, dass Du noch nie Kinder gequaelt und noch nie den Wunsch gehabt hast, dieses zu tun, was ich von mir aber nicht behaupten kann. Uebrigens zu dem Scherben Buch mit dem neuen Umschlag und Deiner Receycling Idee der Wiederaufarbeitungs-Verwertung ist mir aufgefallen, das es sein koennte, das das Buch doch nicht so gut ist, wie ich erst angenommen hatte. Und zwar aus folgendem Grund: Buecher, die ich vor 15 Jahren gelesen und fuer gut befunden habe, wuerden mir, trotz fortgeschrittenen Alters, sofort in Erinnerung kommen, Alzheimer her oder hin. Da dies bei selbigen Buch nicht der Fall ist, laesst mich auf die Idee kommen, dass es damals bei mir keinen bleibenden Eindruck erzeugt und hinterlassen hat. Bei der »Insel des zweiten Gesichtes« [fuer die Nachgeborenen von Herrn Albert Vigoleis Thelen] ist das ganz anders. Alle Saetze, die Du der Lehrerin [oder dem Lehrer] in den Mund gelegt hast, sind sehr glaubwuerdig. Nur Dein letzter Satz sorgt fuer Irritationen. Als ich noch Lehrer in der Schule selbst erlebt hatte, haben sie niemals die Seitenzahl, die ausreichend sein sollte, angegeben, sondern immer nur die Zeit, die zur Verfuegung stand. Heute morgen habe ich [extra nur fuer Dich] Deutschlands [oder vielleicht Hamburgs] schoenste Litfasssaeule und den Briefkasten, in den ich immer die Briefe werfe, die ich an Dich schicke, fotografiert. L. G. Jens

23) Hallo Jens, das ist doch gar nicht maennerfeindlich, hoechstens eltern- oder trinkerfeindlich. Ich versteh das so, dass Mama hingefallen ist, weil sie auch schon stramm ist. Das waer doch mal ein Gedicht zum Interpretieren im Deutsch-Leistungskurs: „Wie kontrastiert der Autor das Verhalten der beiden Eltern? Laesst seine Schilderung Rueckschluesse auf seine eigene Haltung zu den Ereignissen zu? Welche Reaktion will er damit beim Leser hervorrufen? Und handelt es sich hier Ihrer Meinung nach um eine individualistische Zustandsbeschreibung oder um einen gesellschaftskritischen Kommentar? Mindestens 4 Seiten, bitte.“ L. G. Wiebeke

24) Hallo Jens, danke! Ich fuehle mich geehrt, dass ich persoenlich die Adressatin dieses Aufsatzes bin. Und das ist schon die 11. Epistel? Da habe ich einige der ersten 10 moeglicherweise verpasst. Das wird nachgeholt. Eine Ergaenzung zum Thema „Mobiltelefone in Drehbuechern“: Ich habe letztens ein Interview mit einer Krimiautorin gelesen, in dem sie Folgendes sagt – ich uebersetze aus dem Stegreif: „Mehr und mehr Krimis spielen in der Vergangenheit wegen dieser verdammten Mobiltelefone. Ein immer groesserer Teil der Ermittlungen gruendet sich auf Technologie. Aber die zwischenmenschliche Ebene, die uns an Krimis fasziniert, bleibt auf der Strecke. Man muss nicht mehr fuenf Leute verhoeren, um herauszufinden, wo Joe in der Nacht vom 15. auf den 16. war. Man verfolgt einfach sein Handy. Vor zehn oder zwanzig Jahren, wenn A seine Ex-Freundin gesagt hat, er war nicht bei ihr, und Joe sagt, er war bei ihr, wer hat dann gelogen? Will sie ihn in Schwierigkeiten bringen? Aber jetzt heisst es: „Wir haben Joes Handy. Bei ihr war er nicht.“ Das gilt fuer Fernsehkrimis sicher nicht im gleichen Masse wie fuer Kriminalromane, weil nicht-zeitgenoessische Drehorte das Budget in die Hoehe treiben. Aber ich fand es einen interessanten Gedanken. Ebenfalls interessant ist die Bildsprache, die sich in Krimis und Thrillern um den Einsatz moderner Technologien herum entwickelt hat. Von den Boesen oder einem Geistesblitz getrieben hechtet der Held zum naechstgelegenen Computer, um irgendwas rauszufinden, was die Handlung vorantreibt ― vorzugsweise naechtens in einem dunklen Buerohochhaus ― und wildes Rumgetippe auf einer Laptoptastatur macht natuerlich sowohl optisch als auch akustisch wesentlich weniger her als eine ordentliche Verfolgungsjagd.

Also muss Schweiss auf der Stirn her, blaeuliches Licht, ominoeses Gepiepe, blinkende Grafiken und Passwoerter in 36-Punkt, damit auch die Zuschauer zuhause sie gut lesen koennen. Okay, genug Kulturkritik fuer heute. Bis demnaechst.

L. G. Wiebeke

Hab ich grad in einer alten Cahiers du Cinema gefunden (von 1990). Passt irgendwie in unsere Zeit, fand ich.
Zeichnung Helga Bachmann
CIVIC THEATRE, AUCKLAND NZ
Foto von Julia Kuttner, Civic Kino, Auckland, New Zealand. Februar 1996

Briefe an Wiebeke (XXXXIII) Vermutungen über Herrn K.

Römische Zahlen

PDF Abschrift Leserbriefe Daum + Fischer

PDF (Zeichen 7.647) Briefe an Wiebeke Vermutungen über Herrn K.

Hallo Wiebeke,

Du hast natuerlich Recht. Wenn wir uns schon so lange mit der Millionaerin aus Luebars, bei Berlin, beschaeftigen, dann sollten wir uns auch mit ihrem ersten Ehegatten K. beschaeftigen. Und das geht natuerlich weit ueber das hinaus, was er selbst fuer die Oeffentlichkeit ueber sich preisgegeben hatte.

Schon bei Ilse K. und ihrem Biografen war mir aufgefallen, wie schnell Biografen gerne auf die Bewertungen der sog. »Entnazifizierung« zurueckgegriffen hatten. Dieses: „Unbelastet“ aus den Unterlagen wird gerne dazu benutzt, die Sache nicht weiter zu betrachten. Natuerlich wußten alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen, das dieses Wort „unbelastet“ in Zusammenhang mit der Zeit von 1933 – 1945 keinerlei Bedeutung hatte. Das wußten auch alle. Vor Jahren, als die gefaelschte Version von »Casablanca« ruchbar wurde, hatte ich in meiner Naivitaet angenommen, dies sei mit der Entfernung saemtlicher Nazis aus dem Film auch ein Akt der Entnazifizierung gewesen, was natuerlich falsch ist.

Nein, als K. den Major Strasser aus dem Film »Casablanca« entfernen ließ, war dies natuerlich ein voellig unpolitischer Akt gewesen. Das war, wie spaeter behauptet wurde, nur aus geschaeftlichem Interesse der Firma gewesen, bei der er nach dem verlorenen Krieg untergeschluepft gewesen war: Warner Broth. Deutschland. Am schlimmsten, so folgere ich daraus, sind immer noch die Leute, die von sich behaupten, sie seien unpolitisch, was natuerlich ueberhaupt nicht stimmt. Im Gegenteil. Durch ihre Nichteinmischung ermoeglichen sie, was sonst nicht moeglich waere. »Unbelastet« waren sie keineswegs.

Sehr schnell haben das auch die Militaerregierungen verstanden, das es in Deutschland keine »Unbelasteten« gab. Die waren bestenfalls gefluechtet, hatten vielleicht in den Gefaengnissen ueberlebt. Aber die meisten tatsaechlich »Unbelasteten« waren vertrieben und auf verschiedenste Art und Weise ermordet worden.

Der Fragebogen der amerikanischen Militaerregierung mit seinen 131 Fragen, wurde massenhaft gefaelscht. Gegenseitig hatten sich Taeter und Zuschauer »Persilscheine« ausgestellt, wie tapfer und erfolglos er oder sie in seinem oder ihrem Widerstand gegen die Nazis jeder und jede gekaempft hatte.

Von den sieben Hauptaetern (Hitler, Goebbels, Goering u. a.) hatten sich mehrere schon das Leben genommen. Joseph Goebbels hatte erst seine fuenf Kinder, dann seine Frau und anschließend sich selbst vergiftet. Komisch eigentlich, wo Gift in der Kriminalgeschichte doch eher ein Gelaende weiblicher Personen ist. Ihr Fuehrer dagegen, so berichteten sie, sei im Kampf gefallen: Alle anderen waren Opfer eines »terroristischen Bombenkrieges« geworden. Jetzt gab es ein »Besatzungsregime«, wie einer der Taeter (Dr. Georg Roeber) aus jener Zeit von damals 1973 in einem Buch, das der »Innenminister« herausgab, schrieb. Und diese Taeter wollten die Militaerregierungen und die neuen Machthaber nach dem Kriege zur Verantwortung ziehen? Welch ein Ansinnen!

Da kommt dann auch die Rede ihres Propagandaministers J. G., die er am 28. März 1933 im Kaiserhof gehalten hatte, wieder ins Spiel. Vergleiche hinken, wie wir alle wissen, aber mir faellt dabei sofort der Bremsweg eines Oeltankers von sagen wir mal dreihundert Meter Laenge ein. Eine internationale Vorschrift sagt, dass der Bremsweg eines Schiffes hoechstens 20 Schiffslaengen ausmachen darf. Ein 300 m langes Schiff hat also einen Bremsweg von 6 Kilometern. (6000 Meter hoert sich viel länger an)

Filmgeschichtler der deutschen Filmgeschichte haben vielfach behauptet, das die Kuendigungen aus rassistischen Gruenden, die der UFA Vorstand am 29. März 1933 beschlossen hatte, auf Anweisung von Joseph Goebbels erfolgt seien. Zum Beweis wird seine Rede im Hotel Kaiserhof vom Vortage, dem 28. März 1933, herangezogen. Liest man diese Rede bei Dr. Gerd Albrecht nach, so stellt sich heraus: Das ist komplett an den Haaren herbeigezogen! Der Mann war erst ein paar Wochen im Amt und seine Macht war keineswegs stabilisiert. Im Gegenteil.

Er lobte in der Rede sogar die Filme von Sergej Eisenstein, denen man nacheifern solle, was, wenn man die spaeteren Produkte der deutschen Filmproduktion aus jener Zeit heute bewertet, keineswegs der Fall gewesen ist.

Nein, der UFA Vorstand hatte bei der Entlassung der juedischen Mitarbeiter keineswegs auf Anweisungen des Propagandaministers gehandelt. Zum Beweis dient mir der Tankervergleich: Der Bremsweg des UFA Tankers, der wie ausgerechnet, mindestens 6000 Meter beträgt.

Auch der „vorauseilende Gehorsam“, von dem Dr. Klaus Kreimeier in seinem Buch die »UFA Story« auf Seite 250 schreibt, kann es nicht gewesen sein. Viel eher ist glaublich, was Dr. Klaus Kreimeier auf Seite 247 dem Papier anvertraut: „Jedenfalls überrascht die guillotineartige Perfektion, mit der schon am darauffolgenden Tag die Direktion der Universum-Film AG als Vollstreckungsmaschine in Aktion trat und die antisemitische »Säuberung« des Unternehmens in die Tat umsetzte. Die schwarzen Listen müssen vorbereitet gewesen sein.“

Aus heutiger Sicht kann man sogar davon ausgehen, daß die Entlassung dieser Mitarbeiter, diese »antisemitische Säuberung« des Unternehmens dem Vorstand der UFA im Gegenteil wie gerufen kam. Eine günstige Gelegenheit endlich das zu vollziehen, was schon lange geplant gewesen war.

Und falls die Sache schief gehen sollte, der Minister war ja erst vor kurzem ins Amt gekommen, und sich die Dinge anders entwickeln sollten, dann konnte man sich auf jeden Fall darauf berufen, das man gezwungen worden sei. Eine Technik, die nach Kriegsende von den selben Taetern wieder massenhaft angewendet wurde. Aber soweit sind wir nocht nicht.

Zurück zu Herrn K.. Schauen wir doch mal genau hin. 1925 arbeitet er bei der Parufamet, eine Verbindung von Paramount und MGM und UFA. 1928 ist er Volontär bei der Berliner Filmgesellschaft: Deutsche First National (DEFINA). 1928 wird er bei der Firma Starfilm in der Friedrichstraße Hilfsdisponent. Ein Jahr später, 1929, steigt er auf und wird dort Disponent.

K. hat eine schnelle Aufassungsgabe: »Als sich im Fruehjahr 1933 in der Filmbranche das Geruecht verbreitete, dass den amerikanischen Firmen die Konzession entzogen wuerde, riet mir mein damaliger Chef, F. L. D. Strengholt (Frits L. D. Strengholt) nach mehrmaligen Besprechungen, eine mir von der UFA angebotene, sehr guenstige Stellung, anzunehmen. Ich schied daraufhin im besten Einvernehmen von der Metro-Goldwyn-Mayer aus.« (zitiert nach Michael Kamp, Glanz und Gloria Seite 46, DIF-Frankfurt, Lebenslauf K.).

K. ist wirklich sehr geschickt. Nein. Er hat diesen Karrieresprung gar nicht gewollt. Der wurde ihm aufgedraengt! Von seinem damaligen Chef, der ihm diesen Ratschlag gegeben hatte. Und auch gleich mehrfach. Er wurde also praktisch gezwungen, sich auf einen der frei gewordenen Arbeitsplaetze bei der UFA zu bewerben! Zur Erinnerung: Dort waren, wegen der »antisemitischen Saeuberung« viele Fuehrungsposten »frei geworden.« Wo Frits Strengholm nach dem Krieg weilte, wer weiß das schon?

Nebenbei: Die Geruechte von der schnellen Konzessionsentziehung fuer die amerikanischen Filmgesellschaften waren eben nur Geruechte. 1935 hatte die Firma MGM, mit ihrem Geschaeftsfuehrer Frits L. D. Strengholt, Filialen in Berlin, Duesseldorf, Frankfurt und Muenchen. (The film daily year book of motion pictures-1935).

»1936 hatte Hans Wilhelm Kubaschewski die Filialleitung fuer die Verleihbezirke: Berlin Stadt, Ostdeutschland, Schlesien, Sudentenland und Mitteldeutschland.« (Michael Kamp, Glanz und Gloria, Seite 46, Anmerkung 22 in Kapitel 2)

Aus anderer Quelle, der Lichbildbühne LBB vom 27. Juli 1938, Beilage zur Nr. 174 (31. Jahrgang), kann man hinzufügen, das die Filiale Berlin, deren Vorgesetzter Kubaschewski war, 27 Mitarbeiter hatte. Stellvertreter war Heinz Steckel, der es später immerhin bis ins Familiengrab der Kubaschewskis geschafft hatte. Zum Vergleich: Die Hamburger Filiale der UFA hatte nur 10 Mitarbeiter. Und nun kommst Du, J.

Hans Wilhelm Kubaschewski

Hallo Wiebeke, was ich uebrigens vergessen hatte zu erwaehnen: Der »Karriereknick« von K. 1943 bei der UFA, so will ich das mal nennen, war sehr zu seinem Vorteil geraten. Der Obernazi, der sein neuer Vorgesetzter wurde, hatte seinen weiteren Aufstieg bei der UFA gestoppt und in seiner Boshaftigkeit auch noch dafuer gesorgt, das seine UK Stellung aufgehoben wurde und K. zur Wehrmacht mußte. [Fritz Kaelber, seit 1942 Generaldirektor der UFA*]. Nicht so schlimm, weil er durch glueckliche Umstaende nicht an die Front, sondern in eine Schreibstube der Wehrmacht gelangte. Das hat ihm auch spaeter sehr geholfen, seine Rolle bei der UFA herabzustufen. Dieses Glueck verbindet ihn biografisch mit Dr. Alfred Bauer (dem spaeteren Direktor der Berlinale), der in dieser Hinsicht sogar zweimal Glueck hatte. Einmal vernichteten die Bomberpiloten seine Doktorarbeit in Würzburg und dann wurde auch noch seine UK Stellung bei der Reichsfilmkammer aufgehoben und so mußte der arme Mannn kurz vor Kriegsende auch noch zur Wehrmacht. Und ist aber natuerlich auch in der Schreibstube und nicht an der Front gelandet. Weil, Kameraden helfen sich, und nun kommst wieder Du, J.

*Ach ja , da kommt noch was zur Person des genannten Fritz Kaelber. Juergen Spiker schreibt dazu (in seinem Buch Film und Kapital auf Seite 294: „KAELBER, Fritz (geb. 14. 3. 1893) (28) Seit 1919 als Verleihexperte in der Filmwirtschaft taetig. Vorstandsmitglied der Tobis-Rota, stieg, als diese mit dem Verleih Terra vereinigt wurde, zum geschaeftsfuehrenden Direktor der Terra auf. 1942 als leitender Direktor der Deutschen Filmvertriebs GmbH zugleich Vorstand der Ufa AG. Im Herbst 1943 Nachfolger Klitzschs als Generaldirektor der Ufa AG mit Mandat im Ufi-Vorstand. Seit 1.3.1933 in der NSDAP. Er hatte, wie in seinen Personalakten ausdruecklich vermerkt ist, schon vorher die Partei aktiv, inbesondere illegal in der „Ostmark“, unterstuezt.“ Und nun kommst wieder Du!

1951 Berlinale
Alfred Bauer 1951
Ilse Kramp
Ilse und Hans Kubaschewski, (der Mann mit den Blumen ist Adrian Hoven)
Zeichnung Helga Bachmann