Briefe von Wiebeke (I) Ueber kuenstliche Intelligenz und echte Dummheit

(Zeichen 1.391)

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Römische Zahlen

PDF Briefe von Wiebeke (I)

Briefe von Wiebeke (I) Ueber kuenstliche Intelligenz und echte Dummheit

Hallo Jens, „Avanti“ hab ich tatsechlich nie gesehen, und irgendwie draengt es mich auch nicht. Niemand scheint ihn grottenschlecht zu finden, aber es scheint ihn auch niemand zu moegen – was ja eigentlich kein Grund sein sollte, sich einen Film nicht anzusehen (ueber 1, 2, 3 hatte auch jahrzehntelang niemand was Gutes zu sagen), aber in diesem Fall habe ich den Eindruck, ich kann der Mehrheitsmeinung trauen.

Die DAK hat sich mal wieder mit Ruhm bekleckert. Vor etwa einer Woche habe ich ueber das Kontaktformular auf ihrer Webseite („Fragen Sie uns einfach! Wir sind immer fuer Sie da!) folgende Frage gestellt: „Meine DAK-Karte laeuft Ende Mai ab. Ich bin aber ab Anfang Mai fuer sechs Wochen unterwegs. Was tue ich, wenn ich nach Ablauf meiner alten Karte aerztliche Hilfe brauche, die neue Karte aber noch nicht habe?“

Antwort: „Vielen Dank fuer Ihre Anfrage. Ihre neue Gesundheitskarte wird Ihnen automatisch zugeschickt werden.“ Ich (neues Kontaktformular, weil man ja nicht zurueckschreiben kann, neue Darstellung der Sachlage):

„Danke. Ich bin aber, wie bereits erwaehnt, ab Anfang Mai nicht im Lande. Was tue ich, wenn . . . usw.“Antwort: „Vielen Dank fuer Ihre Anfrage. Ihre neue Gesundheitskarte ist bereits in Bearbeitung und wird Mitte Mai bei Ihnen eintreffen.“

Ich (neues Kontaktformular): „Danke. Ich bin aber bereits ab Anfang Mai . . . “ usw. Die Antwort auf diese dritte Anfrage steht noch aus. Alles regt sich auf ueber kuenstliche Intelligenz, aber manchmal waere mir kuenstliche Intelligenz tatsaechlich lieber als echte Dummheit. Wiebeke

Katze auf dem Fair fone

Fehlt noch die Anekdote ueber die Abkuerzung DAK, die eine Lohnsteueraussenprueferin vom Hamburger Finanzamt (natuerlich ohne Namensnennung) dem zu Pruefenden 2019 mitgeteilt hatte: „DAK= Duemmste Aller Krankenkassen“. Das ist natuerlich nur ein Zitat von dem wir (Medienberatung & Vermittlung e.V.) uns auf das Schaerfste distanzieren. Nun kommst Du mit Deiner Kuenstlichen Intelligenz. J.

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Bürger beobachten das Fernsehen

(Zeichen 5.044)

PDF Zwei Bürger (W.+ J.) beobachten das Fernsehen

Zwei Bürger (genau genommen eine Bürgerin W. und ein Bürger J.) beobachten das Fernsehen in Zeiten der Pandemie

Hallo J., na, da hat aber ein Buerger das Fernsehen sehr genau beobachtet! Falls mir was einfällt, womit man Dich beschäftigen oder unterhalten kann, mache ich natürlich sofort Mitteilung.

Hallo W., seit dem die weltweite Krankheit da ist, schaue ich ausserordentlich viel Fernsehen. Besonders gerne sehe ich die Virologinnen aller Länder, besonders gerne die attraktive Virologin aus dem Hamburger UKE, aber auch der Herr von der Scharitee in Berlin gefaellt mir gut.

Hallo J., ich gucke nicht, ich lese nur; das finde ich leichter verdaulich.

Hallo W., besonders interessieren mich immer die Antworten auf die immer wieder gestellten Fragen, als da wären: Warum es in New York so wenig Beatmungsgeraete und so viele Kuehlwagen gibt.

Hallo J., das weiss ich allerdings auch nicht. Warum denn?

Hallo W., die Antworten fehlen. Das ist vermutlich geheim. Die Sender, die mir die freundliche Genossenschaft zur Verfügung stellt, haben jetzt öfter Motten (meint die Mehrzahl von Motto) an verschiedenen Stellen des übertragenen Bildes. Hier die Zusammenstellung, die ich extra durch Beobachtung für Dich hergestellt habe, weil Du bestimmt diese Sender alle nicht beobachtest.

Hallo J., in der Tat. Hallo W., NDR Drittes Programm Hamburg links oben steht: Der Norden hält zusammen (leider wird nicht mitgeteilt, was oder wen der Norden da zusammen hält und wer denn eigentlich dieser Norden ist.)

Hallo J., na, das ist doch richtiges Deutsch. Auch wenns natürlich nicht wahr ist.

Hallo W., der BR (3. Programm) rechts oben: „daheim bleiben“. Man weiss nicht recht, sollen nur die Bayern daheim bleiben oder auch die anderen Stämme?

Hallo J., richtet sich vielleicht nur an die südlichen Stämme, die „daheim“ sagen und nicht „zuhause“ (wozu wir ja gleich noch kommen). Hallo W., der WDR schreibt einfach nur (links oben) Zuhause und das in einem Wort, was immer das sein soll.

Hallo J., ist beides richtig, zusammen und getrennt. Und als Substantiv muss man es sogar zusammen schreiben: „mein Zuhause“. Hallo W., heute morgen um 9.00 Uhr hatten sie eine gute Sendung mit Armin Maiwald über seinen Papa.

Hallo J., du siehst morgens um 9 Uhr fern? Das ist aber schon ein bisschen besorgniserregend. Hallo W., leider ist die Sendung mit der Maus in gewisser Weise auch schon verstümmelt. Sie passen sich an den Rest des Programmes an, das kein Bild mehr über den Sender geht, wo nicht mindestens ein Klavier im Hintergrund zu hören ist.

Hallo J., ja, der Zug ist abgefahren. Leider. Hallo W., dabei fällt mir noch auf, wann hat das eigentlich mit den Namensmützen für die Mikros angefangen? Dass jedes Mikro eine Mütze auf hat? Damit es wieder in richtige Kiste reinkommt und das auch nicht vergisst, wie die Kiste heisst und wem sie gehört? Oder warum muß es noch seine Herkunft ständig zeigen? Früher haben nur kleine Zeichen darauf aufmerksam gemacht, dass das MKH von Sennheiser hergestellt worden ist.

Hallo J . , das weiss ich nicht, ist aber eine interessante Beobachtung. Hallo W., der HR schreibt: zusammenhalten (ebenfalls in einen Wort).

Hallo J., gehört sich auch so. Die Faustregel lautet, wenn der erste Wortteil betont wird (in diesem Fall „zusammen“), wird das Verb zusammengeschrieben.

Hallo W., wo man nicht recht weiss, ob sich das nur an die Frankfurter mit ihren Würstchen wendet. Haben nicht auch die Kameraden früher immer zusammen gehalten, wenn sie plündern waren?

Hallo J., ja, das ist eins dieser politisch verdächtigen Wörter, die sich für praktisch alle Zwecke eignen. Hallo W., der MDR titelt (links oben): ZUHAUSE # MITEINDANDERSTARK (Beide Worte in Grossbuchstaben mit der Raute von Angela dazwischen und zusammengeschrieben (vermutlich um Platz zu sparen).

Hallo J., nee, das hat mit Platz sparen nichts zu tun; das ist ein Hashtag. Falls Du jetzt, was ich fuer wahrscheinlich halte, sagst, „wassn das“, schlage ich vor, dass Du mal nachguckst, was es ist (hier zum Beispiel:; du wirst es zwar selber wahrscheinlich nie brauchen, aber es erleichtert die Kommunikation mit der jüngeren Generation. Und das ist doch zumindest ein bisschen nützlicher als auswendig zu lernen, welche Verben zusammengeschrieben werden.

Hallo W., der SWR hat es auch mit den Grossbuchstaben und schreibt FÜR EUCH DA (Vermutlich ist der Sendeplatz, der eben da ist, wo er jetzt ist und nicht woanders, sonst würde da ja jetzt stehen: FÜR EUCH JETZT HIER.

Hallo J., na, das ist jetzt aber schon sehr kleinkraemerisch :-).

Hallo W., und nun kommst Du, und nicht, dass Du schreibst, ich hätte diesen Text nur geschrieben, weil ich Cleopatra und Caesar nicht mehr habe aushalten koennen.

Hallo J., ja, irgendwie ist mir auch langweilig.

Hallo W., ja, das merk ich.

Hallo J., ich habe einen Freund im ländlichen Kanada, den die Viruskrise direkt nach einer extrem unschönen Scheidung und dem Auszug aus dem gemeinsam bewohnten Haus erwischte, und zwar in einem Trailer auf dem Gelände eines Hundeübungsplatzes (heisst das so?) ohne Klo, Herd und Kühlschrank. Dort wollte er eigentlich nur ein paar Wochen bleiben, bis eine neue Wohnung gefunden war, und dann kann das (der ?) Virus. Nun sitzt er da und kann nicht weg. Das Internet reicht nicht aus zum Filme gucken, und so hat er sich denn auf den Weg zur nächsten Tankstelle begeben (ich weiss aus eigener Erfahrung, dass die im ländlichen Ontario gern mal 60 km weit weg sind) in der Hoffnung, da einen Armvoll DVDs zu ergattern, aber die Idee hatten schon andere gehabt, und es gab noch genau drei, und zwar folgende:- die erste Staffel von „Kojak“- Robocop 3- einen Kung Fu-Film auf chinesisch. Die hat er dann alle gekauft und guckt sie sich seitdem reihum an. Ich fand das todkomisch (hab‘ ich ihm natürlich nicht gesagt) und habe gedacht, da müsste doch eigentlich jemand mit einen Sinn für Tragikomik einen Film draus machen. Falls mir was einfällt, womit man Dich beschäftigen oder unterhalten kann, mache ich natürlich sofort Mitteilung. W.

Briefe an Eugen (XLV) Victor Serge

(Zeichen: 1.174)

PDF Briefe an Eugen (XLV) Victor Serge (Zeichen 1.174)

Briefe an Eugen (XVIII) Victor Serge

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Hallo Eugen,

das habe ich mal aus einem Buch abgeschrieben. Das Buch ist zuerst 1951 in Frankreich erschienen. Geschrieben hat es Victor Serge.

Victor Serge

Der Originaltitel der französischen Ausgabe ist, wenn ich das richtig abgeschrieben habe: »Mémoires d’un Révolutionnaire 1901-1941« erschienen bei Editions du Seuil, Paris. Deutsch im Räte Verlag, Wiener Neustadt 1974. Printed in Austria – Westdeutsche Ausgabe. 542 Seiten.

Auf Seite 428 steht das Zitat: „Als Revolutionäre, die eine neue Gesellschaft schaffen wollten,>die größte Demokratie der Arbeiter<, hatten wir mit unseren eigenen Händen ahnungslos die bedrohlichste Staatsmaschine gebaut, die man sich vorstellen konnte, und als wir es empört bemerkten, wandte sich diese Maschine, von unseren Brüdern und Genossen gesteuert, gegen uns und zermalmte uns.

In einen unversöhnlichen Despotismus verwandelt, zog die russische Revolution nicht mehr die Massen in Deutschland an, die mit ihren Hilfsmitteln und ihren Nerven am Ende waren.

Der Nazismus richtete sich ein, indem er den Marxismus nachahmte, den er verfluchte. Europa bedeckte sich mit Konzentrationslagern, verbrannte Bücher oder ließ sie einstampfen, behandelte das Denken mit der Straßenwalze, verbreitete durch alle seine Lautsprecher irrsinnige Lügen.“

Victor Serge (Seite 428-429)

(Mexiko 1942 – Februar 1943)

Briefe an Eugen (XVI) Neue Filmkunst Walter Kirchner + VEB Progress Film Verleih

(Zeichen 5.654) Briefe an Eugen (XVI) Neue Filmkunst Walter Kirchner

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PDF Briefe an Eugen (XVI) Neue Filmkunst

Bremen Foto RHM

Hallo Eugen, der Film »Titanic« wurde 1942-43 hergestellt. Geplante Dreharbeiten vom 12. 03. 1942 – Oktober 1942. Im April 1963 brachte ihn der Verleih: »Neue Filmkunst Walter Kirchner« aus Göttingen ins Kino.

Zu jedem Film dieses Verleihs wurde ein Programmheft erstellt: »Kleine Filmkunstreihe Nr. 30«. Die Redaktion dieser Hefte hatte Fritz Puhl. Die Zusammenstellung und der Text stammt von Wolfgang R. Langenbucher. Die Graphik stammt von Hans Hillmann und Isolde Baumgart. Leider habe ich das Programmheft nicht einzeln, sondern nur in der gebundenen Fassung. Deswegen kommt hier eine Abschrift aus selbigem Heft Nummer 30:

Abschrift: „Mehrmals in der Geschichte des Films hat die Tragödie des Ozeanriesen TITANIC vor der Kamera ihre Nachgestaltung erfahren. Zum erstenmal bereits im Jahre 1913 in Dänemark durch Augustus Blom (unter dem Titel „Atlantis“, nach dem gleichnamigen Roman von Gerhard Hauptmann); zum bisher letztenmal in Amerika durch Jean Negulesco („Der Untergang der Titanic“, 1953).

Der deutsche Film TITANIC entstand 1942/43. Er hat ein so bewegtes Schicksal gehabt, daß er selbst Gegenstand eines Filmes oder eines Romans werden könnte, nicht zuletzt, weil er der Anlaß war für die persönliche Tragödie des Regisseurs Herbert Selpin.

Es begann bei den Außenaufnahmen auf dem im Hafen von Gdingen liegenden deutschen Luxusdampfer CAP ARCONA. Schon während der ersten Drehtage kam es zu erheblichen Differenzen zwischen dem Regisseur und einigen Offizieren der in Gdingen stationierten Verbände der deutschen Kriegsmarine.

Sie störten bei Tage die Dreharbeiten, funkten nachts mit ihren Blinklichtern dazwischen und unternahmen am Tage wie bei Nacht schneidige Kaperfahrten auf die Herzen der Statistinnen. Im Kasino von Zoppot ließ Selpin seinem Zorn freien Lauf und nahm, was seine Meinung über das Verhalten des Militärs betraf, kein Blatt vor den Mund.

Ein Kollege und ehemals persönlicher Freund [Walter Zerlett-Olfenius] denunzierte ihn bei dem Präsidenten der Reichskulturkammer, SS-Obergruppenführer [Hans] Hinkel. Nur mit Mühe und Not konnte verhindert werden, daß man Selpin bereits vor Abschluß der Außenaufnahmen verhaftete.

Kaum waren jedoch die Aufnahmen in Gdingen beendet, mußte Selpin — die übrigen Arbeiten an dem Film waren noch im vollen Gange ― vor einem Ehrengericht erscheinen. Er lehnte es ab, seine Äußerungen zu widerrufen.

Damit war sein Schicksal entschieden. Seine Verhaftung erfolgte am 30. Juli 1942. Zwei Tage später, am Morgen des 1. August, fand man ihn tot in seiner Zelle. Alles war so arrangiert, daß man auf Selbstmord schließen sollte. Fotos des Ermordeten erwiesen später jedoch, das man ihn erwürgt hatte.

Selpins Freunde glaubten keinen Augenblick an die Selbstmord-Version. Es kam zu Sympathiekundgebungen, den ersten öffentlichen Protesten der „Kulturschaffenden“ gegen die Gewaltmethoden des Dritten Reiches. Mitarbeiter, die als Selpin-Gegner bekannt waren, wurden offen boykottiert ― bis Goebbels durch Anschläge in den Ateliers mit allem Nachdruck vor weiteren ähnlichen Kundgebungen warnen ließ.

Am Vorabend des Tages, an dem trotz der „Affaire Selpin“ der Film uraufgeführt werden sollte, zerstörte ein Bombenangriff in Berlin das Kino und die bereitliegende Uraufführungskopie. Das war für Goebbels eine willkommene Gelegenheit, den Film endgültig „bis nach dem Kriege“ zu verbieten — angeblich, um die Nerven der Kinobesucher zu schonen.

Die noch vorhandenen Kopien und das Negativ wurden unter Verschluss getan und galten seitdem als verschollen. Erst im Jahre 1949 fand man eine Kopie des Films wieder und ließ ein neues Negativ anfertigen. Der Film lief an — und mußte schon nach kurzer Zeit wieder abgesetzt werden.

Die Engländer hatten, obwohl der Film von dem damaligen amerikanischen und französischen Film-Kontroll-Organen freigegeben worden war, die Aufführung gesperrt und die Zurückziehung der Vorführgenehmigung verlangt. Ihrer Ansicht nach war der Film eine Verunglimpfung der White-Star-Linie wie überhaupt ein Werk von allgemein antibritischer Tendenz.

Erst nachdem die Amerikaner selbst einen Titanic-Film herausgebracht hatten, wurde der Film endgültig freigegeben und konnte nun — im Jahre 1955 ― ungehindert gezeigt werden.

Für die heutigen Betrachter ist die Frage, welcher Nation Reederei und Besatzung der TITANIC angehörten bedeutungslos geworden. Die Ursachen der Tragödie — skrupelloses Gewinnstreben und blinde Rekordsucht ― haben keine Nationalität. Gewiß hätte Goebbels keine Millionen für den Film aufgewendet, wenn er in dem Stoff nicht Möglichkeiten gesehen hätte, den rücksichtslosen Geschäftsgeist in den „westlichen Plutokratien“ darzustellen.

Andrerseits: die Vorgänge, die der Film schilderte, haben sich ja in der Tat abgespielt. Börsenspekulationen standen durchaus — wenn sie auch nicht die einzigen Antriebsmomente für die Rekordfahrt waren — im Hintergrund der Ereignisse.

Ebenso gab es an Bord ― wenn auch die verschiedenen privaten Schicksale frei erfunden sind ― einen 1. Offizier mit Namen Petersen und einige andere, die den Kapitän wiederholt vor den Gefahren des eingeschlagenen Kurses warnten. Auch die Darstellung der Verhaltensweise des Kapitäns und des massiven Druckes, der auf ihn ausgeübt wurde, entspricht den Tatsachen.

Der Grund dafür lag letzten Endes, neben den Finanzspekulationen, in dem damals gerade zwischen englischen und und deutschen Reedereien geführten Wettstreit um die Vorherrschaft im Personenverkehr über den Atlantischen Ozean.

Der Prestigekampf zwischen den Großmächten hätte — wäre es Selpin und seinen Mitarbeitern um einen reinen „Gott-strafe-England-Film“ nationalsozialistischer Prägung gegangen ― ganz andere Möglichkeiten geboten, als die Vorgänge, die sie in dem Film zeigten.

Doch diese Dinge sind 50 Jahre nach der Katastrophe ohne Belang. Wir sehen heute in dem Untergang der TITANIC mehr als nur einen von bestimmten Menschen verursachten Unglücksfall. Wir sehen in ihm — unabhängig davon, unter welcher Flagge das Schiff fuhr ― ein allgemeingültiges Sinnbild für das Scheitern des Menschen mitsamt seiner Technik an den Gewalten der Natur.

Und gleichzeitig ein eindringliches Beispiel für die Folgen menschlicher Vermessenheit, wie sie sich in den Worten eines Angehörigen der Besatzung ausdrückt, der kurz vor dem Auslauf des angeblich unsinkbaren Ozeanriesen erklärt hatte: „Dieses Schiff könnte selbst Gott nicht versenken!“ Da gibts natürlich noch mehr Texte, aber da hatte ich keine Lust, die alle abzuschreiben, J.

Hallo Eugen, ja, zu Deiner Nachfrage. Vor einigen Jahren habe ich mir mal eine DVD von der Deutschen Fassung von Titanic angesehen. Die war in einem grauenhaften Zustand. Wenn Friedrich Wilhelm Murnau das gesehen hätte. Nicht auszudenken. So konnte er sich nur im Grabe umdrehen, als ich ihm davon berichtete, J.

Hallo Eugen, inzwischen habe ich noch herausgefunden, daß der Film auch in der DDR ins Kino gekommen ist. Der Progress Film Verleih hat ihn 1961 als Reprise herausgebracht. (Heft 102/61). Sogar ein eigenes Plakat wurde dafür gedruckt. Wenn man bedenkt, daß Herbert Selpin bei Friedrich Wilhelm Murnau Hilfsassistent des Aufnahmeleiters beim »Faust« Film gewesen ist, also der Lehrling, dann wundert man sich schon darüber, über die grottenschlechte DVD Kopie, die diese Murnau Stiftung von Selpins Film (war er das überhaupt noch?) auf den Markt gebracht hatte, J.

Kameramann Friedl Behn-Grund

Hallo Eugen, ja es sollte sich mal jemand, so ähnlich wie Enno Patalas um den Film »Metropolis« von Fritz Lang, mal daran machen und den Film »Titanic« so wiederherstellen, wie er eigentlich hätte werden sollen. Davon, das der Kameramann, Friedl Behn-Grund, ein Talent gewesen sein soll, sieht man bei der Wiedergabe der DVD von der Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung , kurz geschrieben: nichts.

Herbert Selpin
Regisseur Herbert Selpin

Hallo Eugen, nur um Deine Neugier zu befriedigen. Ja, Selpin hat es bis in die Seite imdb geschafft. Dort findet sich: Text bei IMDB.com: Herbert Selpin (29 May 1904 – 1 August 1942) was a German film director and screenwriter of light entertainment during the 1930s and 1940s. He is best known for his final film, the partly suppressed Titanic, during the production of which he was arrested by Propaganda Minister Joseph Goebbels. He was later found dead in his prison cell. Died under mysterious circumstances, was quite possibly killed by the Gestapo. Dissatisfied with the scenario of the film Titanic (1943), Selpin openly criticized its writer Walter Zerlett-Olfenius and the whole German Navy. Goebbels had him arrested by the Gestapo. Selpin was found hung in his cell the following day. Suicide or murder.

Die Suchmaschine übersetzt: Unter mysteriösen Umständen gestorben, wurde möglicherweise von der Gestapo getötet. Unzufrieden mit dem Szenario des Films Titanic (1943) kritisierte Selpin offen dessen Autor Walter Zerlett-Olfenius und die gesamte deutsche Marine. Goebbels ließ ihn von der Gestapo verhaften. Selpin wurde am folgenden Tag erhängt in seiner Zelle aufgefunden. Selbstmord oder Mord.

Hallo Eugen, das mit dem RMS der Titanic stimmt auch. RMS ist die Abkürzung für: Royal Mail Ship / Royal Mail Steamer = Königlicher Postdampfer. So schreibt das Heft aus dem Hause Walter Kirchner: „In Southhampton, Cherbourg und Queenstown hatte die TITANIC Post aufgenommen; insgesamt lagerten bei der Überfahrt mehr als 3000 Postsäcke in ihren Laderäumen.“

Hallo Eugen, auch das schreibt das Heft aus dem Hause Kirchner: „Die offizielle Totenliste des englischen Handelsministeriums registrierte: von den 323 Passagieren der 1. Klasse wurden 202 gerettet, von den 277 der 2. Klasse 115, aber von den 709 Passagieren der 3. Klassse entgingen nur 176 dem Tod; von der Mannschaft wurden 4 Offiziere und weitere 206 Menschen bei einem Personal von insgesamt 900 Mann Besatzung gerettet.“ Was lernen wir daraus? Nie bei der Besatzung sein und wenn schon mit einem Schiff nach Amerika, dann immer 1. Klassse fahren, J.

Hallo Eugen, nur um Deine Neugier zu befriedigen. Ja. Seit 14. März 1933 war er Mitglied der NSDAP, J.

Hallo Eugen, über die Deutsche Erstaufführung gibt es unterschiedliche Informationen. Zum Beispiel die, dass eine Premiere in Berlin stattfinden sollte. Leider wurde das Kino am Tage der Aufführung mitsamt der bereit gestellten Kopie bombardiert. Der Name des Kinos wird in diesem Zusammenhang nicht genannt. Nun wurden im fraglichen Zeitraum (September – November 1943) eine ganze Reihe von Kinos in Berlin bombardiert. Eine andere Information lautet: Am 17. Dezember 1942 fand im Reichspropagandaministerium eine Vorführung statt.J.

Hallo Eugen, ja im Ausland war »Titanic« ein großer, auch finanzieller Erfolg. Premiere in Prag am 12. September 1943 (vermutlich eine untertitelte Version?), am 10. November 1943 in Paris (vermutlich eine französische Synchronisation), am 12. November 1943 in Finnland (Untertitel ?), am 28. Januar 1944 in Schweden (Untertitel ?). Am Ende des Filmes gibt es in der ursprünglichen Fassung eine Gerichtsverhandlung in New York, die in der Version, die die Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung vertreibt, fehlt. Die Längenangabe von FWMS ist 2467 m. Noch Fragen? J.

Achso, ja, In der SU kam der Film am 27. August 1949 ins Kino, J.

Hallo Eugen, Du bist ja wirklich unendlich neugierig. Ja, ich habe was über den Kameramann von Titanic, Friedl Behn-Grund gefunden. Bei Hans Helmut Prinzler in seinem Buch: »Chronik des deutschen Films« auf Seite 15 + Seite 385 schreibt er:

„Friedl Behn-Grund, geb. am 26. August 1906 in Bad Bolzin, gest. am 2. August 1989 in West-Berlin. Kameramann. Zwischen 1925 und 1969 hat er an die 170 Filme photographiert. Sein Faible waren die Hell-Dunkel-Kontraste des Schwarzweiß-Films. »In den 30er und 40er Jahren gehört er zum Kamerastab der Ufa und Tobis. Er gilt als solider Handwerker, dessen Arbeit weniger auf Virtuosität einzelner Einstellungen als auf die Geschlossenheit der Filmdramaturgie zielt. Seine Lichtsetzung orientiert sich an den Standards der realistischen Malerei.« (Michael Esser, Gleißende Schatten, Mannheim 1994), Da hast Du es. Jedenfalls sehen die Fotos bei Alamy und Imago viel besser aus, als die Bilder auf der DVD von FWMS, J.

Hallo Eugen, da hab ich noch was gefunden. Bei Ernst Klee auf Seite 567 seines »Kulturlexikon zum Dritten Reich« und das ist vermutlich kein Witz von ihm. Danach hieß Herbert Selpin eigentlich Herbert Pinsel. Er hat das nur umgedreht, J.

Casino Hotel in Zoppot
RMS Titanic
RMS Titanic (RMS: Royal Mail Ship, Royal Mail Steamer=Königlicher Postdampfer)
Selpins Titanic

Briefe an Eugen (XLIV) 4.45 Uhr

Römische Zahlen am BUG
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Hallo Eugen, was man so alles rausfindet bei den Nachforschungen im Netz: Nicht mal die Uhrzeit stimmte. Es war gar nicht 5.45 Uhr. Das war schon eine Stunde früher. Um 4.45 Uhr. Hat er verschlafen.? Oder sich nur versprochen? Da kann man nur den König von Deutschland zitieren: Alles Lüge. Gehab Dich wohl, J.

Briefe an Eugen (VII) Alfred Naujocks

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Hallo Eugen, Ernst Klee hat ihn gefunden. Den Mann, der den Zweiten Weltkrieg auslöste. Auf Seite 428 seines Buches: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer was war vor und nach 1945. Fünfte Auflage vom April 2015. Hier ist der Schnipsel dazu:

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Alfred Naujocks

Besuch aus Berlin und Mexiko

Stolperstein Urich Sass. Besuch aus Berlin und Mexiko in Hamburg, Reeperbahn 1, im August 2023. Foto Miguel Manzanilla Urich Sass
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Apropos Hans Bernd Gisevius (III)

(Zeichen 2.973)

Apropos Hans Bernd Gisevius (III)

Hans Bernd Gisevius als Zeuge in Nürnberg

PDF Apropos Hans Bernd Gisevius (III)

Auf Seite 86 seines Buches »Bis zum bittern Ende« [1946] schreibt Hans Bernd Gisevius:

„In der Tat war besagter [Adolf] Rall auf Geheiß der Gestapo nach Berlin beordert und eingehend verhört worden. Diese Vernehmungen hatten sich in [Hubert] Geißels [Kriminalrat] Zimmer abgespielt. Nach ihrer Beendigung wurde der Häftling eines Nachts aus dem Polizeipräsidium geholt. Angeblich sollte es sich um eine kurze Gegenüberstellung handeln. In Wirklichkeit mußte er sich in der Prinz-Albrecht-Straße bis aufs Hemd ausziehen.

Dann fuhren sie zu viert, den vor Kälte und Todesangst zitternden [Adolf] Rall unten ins Auto gepfercht, zur Stadt hinaus. Dort, wo die Gelegenheit günstig schien, machten sie halt, und was sich dann ereignete, wußte jener unbekannte SA-Mann, er hieß [Karl] Reineking, scheußlich plastisch zu berichten.

Sie sahen an einem Waldesrande ein freies Feld liegen, und in der Nähe erspähten sie eine Aussichtsbank. Auf diese mußte sich [Adolf] Rall setzen, worauf sie ihn gemeinsam erwürgten. Nach [Karl] Reinekings Schilderung soll es eine endlose Zeit gedauert haben, bis ihr Opfer tot war: zumindest scheinen den Mördern bei diesem üblen Geschäft die Minuten zu Stunden geworden zu sein.

Darauf ließen sie die Leiche auf der Bank lehnen und machten sich am nahen Acker daran, ein Grab zu schaufeln. Doch wer beschrieb ihren Schrecken, als sie plötzlich ein Geräusch hörten, sich umdrehten und von weitem die Leiche weglaufen sahen.

Der Anblick des im hellen Mondschein und mit dem flatternden Hemde davonspringenden Toten war selbst für die abgebrühten Totschläger der SA grauenerregend.

Noch größer war indessen die Angst der Mordbuben, alles könne entdeckt werden. Eilig rannten sie hinter der Leiche her, und jetzt würgten sie so gründlich, bis ihr wirklich das Atmen verging. Hastig wurde sie verscharrt. Man konnte es [Karl] Reineking glauben, daß ihm und seinen Kumpanen sehr unbehaglich wurde, als sie bereits am nächsten Mittag auf diesen peinlichen Zwischenfall angesprochen wurden.

Es gibt Jugendeindrücke, die man niemals vergißt. Ähnlich geht es mir mit dieser Schilderung der Ermordung des [Adolf] Rall. Wenngleich ich späterhin tausenderlei schlimmere Sachen gehört habe, so steht dieses gespenstische Bild immer wieder vor meinen Augen.

Die sausende Autofahrt, die Mondscheinnacht, der Mann im Hemd, die Würgerei, der Tote auf der Bank, die Leiche, die fortläuft — ich gebrauche diese Ausdrucksweise, weil sich [Karl] Reineking ihrer bediente ―, nicht zu vergessen dieses hastige, unzulängliche Verbuddeln, so daß das Verbrechen nach wenigen Stunden offenkundig ist: ich finde dieses trostlose Gemälde in seiner Plastik so eindringlich, daß ich es aus Chronistenpflicht festhalten muß, wenn ich über die Geschichte des Reichstagsbrandes schreibe. Aber welchen Verbrechens hatte sich besagter [Adolf] Rall schuldig gemacht, daß er zunächst tagelang in der Gestapo vernommen und daran anschließend im Nachtdunkel ermordet werden mußte? Und wer war dieser [Karl] Reineking, der so plötzlich in unserem Blickfeld erschien? Nun, jetzt war es nicht mehr schwer die weiteren Ermittlungen zu tätigen. Wir erkannten, wo wir anzusetzen hatten. [Hubert] Geißel mochte schweigen, so viel er wollte, [Karl] Reineking war ein um so größerer Schwätzer. Neuling auf gestapistischen Boden, fühlte er sich hochgeehrt, als [Arthur] Nebe sich mehrfach seiner annahm, mit ihm eine Konferenz unter vier Augen abzuhalten.“

(Seite 86-87)

Anmerkung 2023: Der Kriminalrat Hubert Geißel hat sich am 26. September 1938 umgebracht. Weil über diesen „öffentlichen“ Selbstmord wenig bekannt ist, hat Jens Dobler im Dezember 2022 einen Artikel geschrieben.

Dort schreibt er: „Am Montag, den 26. September 1938 gegen 22.15 Uhr erschießt Hubert Geißel zunächst seine Frau und dann sich selbst. Die Tat findet öffentlich, unmittelbar am Polizeipräsidium Neukölln in der Wildenbruchstraße 4 statt.“

Ein ausführlicher Bericht findet sich im „Archiv für Polizeigeschichte Nr. 47, Heft 2/2021“. Im Netz: file:///home/jens/old/Downloads/Historiker-Nr78-3.pdf, abgerufen am 7. August 2023

Apropos Hans Bernd Gisevius (II)

Hans Bernd Gisevius als Zeuge im Nürnberger Prozess
H.B. Gisevius

(Zeichen 4.141)

Apropos Hans Bernd Gisevius (II)

Abschrift Seite 100/101/102:

PDF Apropos Hans Bernd Gisevius (II)

„Am Brandtage hatten sie [Adolf Rall, Heini Gewehr genannt Pistolen Heini und Willi Schmidt genannt Schweinebacke u. a.] sich spätnachmittags in Bewegung gesetzt. Erstes Ziel war eine Drogerie im Norden der Stadt. Der Drogist war ein alter Parteigenosse, ein hingebungsvoller SA-Mann, das sagt in diesem Falle alles.

Zugleich verstand er sich auf sein Geschäft, auf das technische wie auf das kassenmäßige. Diesen Abend war auch er «ganz groß». Hinwiederum war die Mixtur, die sie abholten, gar nicht so viel, wie sie sich ausgemalt hatten.

Für jeden gab es von dieser kostbaren Flüssigkeit nicht mehr als ein würfelförmiges Gefäß, das sie gut in großen Rucksäcken, wie sie zum Tragen von Zeitungen gebraucht wurden, verstauen konnten.

Sie staunten ein wenig, daß das genügen sollte, aber der Drogist mußte es wissen. Gegen sechs Uhr fuhren sie vor dem Palais des Reichstagspräsidenten vor, das gegenüber dem Hauptgebäude lag und durch einen unterirdischen Gang mit diesem verbunden war.

Es standen dort so viele Autos herum, daß ihre Ankunft überhaupt nicht auffiel, ebenfalls nicht die komischen Akten, die sie in das Gebäude hineintrugen.

Ob der Pförtner mit im Spiel war, ob er zu jenem Zeitpunkt in seiner Loge saß, ob er grade «dienstlich» abberufen war, konnte [Adolf] Rall nicht sagen, er hatte nicht darauf geachtet. Sofort gingen sie in den Keller hinunter. Dort mußten sie eine ziemliche Weile warten. irgendein verabredetes Zeichen fehlte noch.“

( . . . )

„Als sie sich in strammer Haltung bei Karl Ernst zurückmeldeten, bekamen sie diesmal keine Flüche, sondern Worte wärmster Anerkennung zu hören. Nochmals wurden sie zur Verschwiegenheit angemahnt und ― das war für unseren Strolch die Hauptsache ― eine beachtliche Belohnung wurde ihnen in Aussicht gestellt. Aber gerade damit fing Ralls Elend an! Dieser Narr glaubte tatsächlich, man würde ihnen die Belohnung auszahlen.“

( . . . )

„Log Rall? Nein, er log nicht. Alles was er sagte, ist in sich glaubwürdig. Und selbst wenn uns hier und da ein Zweifel aufkäme: den besten Beweis für den Wahrheitsgehalt seiner Schilderung lieferten seine früheren SA-Führer mit der für ihn so fatalen Schlußfolgerung, daß sie ihn umbrachten.“

Abschrift Seite 104/105

„Das für uns Sensationellste — nur zögernd ließen wir uns überzeugen ― war, daß nicht Göring, sondern Goebbels der eigentliche Reichstagsbrandstifter war.

Goebbels hatte den ersten Gedanken gehabt. Goebbels hatte die Vorbesprechungen mit Karl Ernst geführt. Goebbels hatte die Auslese der Kolonne überwacht.

Goebbels hatte die Räume bezeichnet, wo es am schnellsten brennen würde. Goebbels hatte die Durchführung der Tat «vereinfacht», indem er darauf bestand, etwaige Tatzeugen sollten kurzerhand niedergeknallt werden.

Goebbels hatte sich verbürgt, im Gruppenhauptquartier oder im Reichstagspräsidentenpalais werde niemand Haussuchung halten.

Goebbels hatte sich stark gemacht, jedes Vorgehen gegen die eigenen Leute würde als verleumderischer Anschlag gegen die Bewegung gebrandmarkt werden.

Goebbels hatte folgerichtig die Idee vertreten, bei dieser «Rechtslage» brauche man nicht bloß die Kommunisten zu beschuldigen, ebenso großmütig könne man die Aufklärung des Verbrechens der Polizei übergeben.

Goebbels hatte klar erkannt, was in diesem Zusammenhang die Mundtotmachung der gesamten Linkspresse bedeutete. Goebbels hatte deshalb schroff auf diese scharfen Notverordnungen gedrungen. Goebbels hatte hierüber eingehend mit Göring verhandelt.

Goebbels hatte dabei geheimnisvoll angedeutet, der Führer sehe ein, es müsse irgend etwas Durchschlagendes geschehen, vielleicht ein Attentatsversuch, vielleicht ein Brand, doch Hitler wünsche überrascht zu werden.

Und Goebbels hatte es alsdann übernommen, seinen Führer für diese Posse «fertigzumachen», ihn für seinen Tobsuchtsanfall in der Brandnacht gut zu präparieren.

Erinnern wir uns, daß man gerade bei Goebbels zu Abendessen saß, als die Nachricht von dem Brande den Reichskanzler überraschte? Göring hatte zu alledem lediglich sein Plazet gegeben.

Der Vorschlag des Reichspropagandaleiters hatte ihm eingeleuchtet. Am meisten hatte ihm gefallen, daß von ihm so gut wie keine Mitwirkung erwartet wurde.

Das Palais samt Durchgang wollte er gerne zur Verfügung stellen, aber wenn im übrigen Goebbels und Karl Ernst das Ding allein drehen wollten, um so angenehmer für ihn.

Auf diese Weise konnte er Hitlers oder Hindenburgs Reaktion abwarten. Und daß er ohne Wimperzucken jeden, auch den verlogensten, Anlaß benutzen würde, um auf die Marxisten loszuprügeln, nun darauf konnte sich Goebbels ohnehin verlassen.

Gewiß Göring ging auf das ihm angetragene Spiel ein; er besprach sich vorsorglich mit Diel, ein paar Andeutungen machte er Daluege. Im großen ganzen aber ließ er die Dinge auf sich zukommen.“ In seinem Text schreibt Gisevius auf Seite 101 von acht Personen, die die „kostbare Flüssigkeit“ im Reichstagsgebäude verteilten: Vier Personen im Sitzungssaal, zwei Personen im Restaurant und zwei Personen in den Wandelhallen: „Sie splitterten sich in drei verschiedene Gruppen auf.“ Die befohle Arbeit war nach „ungefähr zehn Minuten“ beendet, schreibt Gisevius auf Seite 101.

Nachforschungen im Keller des ausgebrannten Reichstages. Oberbranddirektor Walter Gempp und 3. von vorn (mit Brille) Hans von Dohnanyi, der spätere Widerstandskämpfer, als Mitarbeiter des Reichsjustizministeriums
Ein Teilstück hat es bis ins Museum geschafft.

Brandstiftung in Berlin

Im Heyne Verlag ist 2023 ein neues Buch über den Reichstagsbrand erschienen. Mein Neffe hat es entdeckt und weil er wußte, daß dies ein Thema von mir ist, mir zum Geschenk gemacht. Der Name des Autors, Uwe Soukup, war mir bereits aus einem anderen Zusammenhang positiv bekannt geworden. Ich habe sein Buch über den Reichstagsbrand mit großem Interesse gelesen.

Sein Buch beschäftigt sich in der Hauptsache mit den Erfindern der »Alleintäterthese«: Fritz Tobias und Hans Mommsen und gelangt zu dem Ergebnis, daß ihre sog. Erkenntnisse mit Wissenschaft nichts zu haben. Merkwürdig finde ich, das er bei seiner Untersuchung nicht auf die Erkenntnisse der Fachleute von Brandursachen und Brandverläufen zurueckgreift. Auch der im Museum ausgestellte Tunnel kommt hier nicht zum Einsatz, J.

Abschrift des Interviews in der Abendzeitung (AZ) in München mit Uwe Soukup von Martina Scheffler erschienen in der AZ vom 27. Februar 2023.

Uwe Soukup vor dem Objekt der Begierde

Martina Scheffler: Herr Soukup, um die Frage, wer den Reichstag in Brand gesteckt hat, gibt es eine jahrzehntelange Debatte. Warum ist es Ihnen persönlich wichtig, diese zu führen?

Uwe Soukup: Es geht mir darum, zu klären, was damals wirklich passiert ist. So wie es sich in der Geschichtswissenschaft weitgehend durchgesetzt hat – also die Nazis haben mit der Brandstiftung nichts zu tun -, kann es nicht gewesen sein. Ich bin gespannt, ob es möglich ist, eine falsche Theorie endlich, nach Jahrzehnten, in Frage zu stellen und ob man andere Sichtweisen endlich akzeptiert. Das haben schon viele versucht, vielleicht klappt es diesmal. Wobei ich ganz klar sagen muss, dass es meinen Versuch ohne die früheren Versuche nicht geben könnte.

Martina Scheffler: Die Reichstagsbrand-Akten: Genaueste Untersuchungen wurden ignoriert? Warum?

Uwe Soukup: Ich profitiere von den Pionieren, die teilweise seit Jahrzehnten, seit die Reichstagsbrand-Akten zur Verfügung standen, geforscht haben und die Ergebnisse ihrer Untersuchungen publiziert haben. Als ich feststellte, dass selbst die genauesten Untersuchungen ignoriert oder unfair abqualifiziert wurden, hat es mich noch mehr gereizt, es vielleicht mal auf einem anderen Weg zu probieren. Es geht ja hier nicht um eine Kleinigkeit. Wie die Nazis das Volk überrumpelten und in die Knie zwangen – es sind ja nicht alle den Nazis hinterhergelaufen -, um ihre bis bis heute unvorstellbaren Verbrechen zu begehen, ist ein Vorgang, über den man doch etwas besser Bescheid wissen sollte „Marinus van der Lubbe kann es alleine nicht getan haben“

Martina Scheffler: Die verbreitete Auffassung, es habe nur einen Täter – Marinus van der Lubbe – gegeben, beruht auf Forschungen des niedersächsischen Verfassungsschutzbeamten Fritz Tobias. Wie muss man seine Schlussfolgerung, nicht die Nazis, sondern der Niederländer habe den Reichstag angezündet, sowie die Art und Weise, wie er diese belegt, bewerten? Ist nichts davon haltbar?

Uwe Soukup: Es ist ja nicht so, dass Marinus van der Lubbe den Reichstag nicht angezündet hätte. Er wurde im brennenden Reichstag verhaftet und hat alles gestanden, warum auch immer. Das Problem ist nur: Er kann es alleine nicht getan haben. Er hatte keine wirklichen Brandbeschleuniger – Kohlenanzünder kann man bei so einem Großbrand vergessen – und er hatte zu wenig Zeit, um ein derartiges Riesenfeuer im Plenarsaal des Reichstages zu entfachen. Um diese rein naturwissenschaftliche Frage hat sich Tobias nie gekümmert. Die damaligen Brandsachverständigen hat er abqualifiziert. Von der Theorie des Fritz Tobias ist im Grunde nichts haltbar, nein. Dennoch wurde sein Buch mit wissenschaftlichen Weihen versehen – vom Institut für Zeitgeschichte.

Martina Scheffler: Was spricht gegen die Alleintäterschaftsthese? Was ist für Sie der entscheidende Punkt, die Alleintäterschaftsthese anzuzweifeln?

Uwe Soukup: Zuallererst die Zeit-Problematik. Es gibt keinerlei Möglichkeit, innerhalb weniger Minuten ein derartiges Großfeuer zu entfachen – mit nichts. Vor fünfzehn Jahren hat der „Welt“-Redakteur Sven Felix Kellerhoff versucht, diese Lücke in der Theorie von Fritz Tobias zu schließen, indem er das Phänomen des „back draft“ ins Spiel brachte, also eine Ansammlung gefährlicher Gase in einem geschlossenen Raum infolge eines Feuers, dem Sauerstoff fehlt. Wird frischer Sauerstoff in den Raum hereingelassen, etwa durch das Öffnen einer Tür, kommt es zu einer schwerwiegenden Ausbreitung des Feuers, ja, zu einer Explosion. Das klingt gut, kann sich aber so nicht abgespielt haben, wie Brandexperten versichern, denn für dieses Phänomen hätte es stundenlang brennen und schwelen müssen. Wir reden hier aber über einige wenige Minuten.

Martina Scheffler: Ihr Buch enthält unzählige Hinweise darauf, dass ein Einzeltäter diesen enormen Brand nicht entfacht haben kann, sowie auf eine Beteiligung von NS-Seite. Warum werden diese offenbar von vielen Historikern bis heute ignoriert – sind sie nicht bekannt, gibt es kein Interesse an ihnen?

Uwe Soukup: Schwer zu sagen. Ich fürchte, niemand hat die Größe, aus den alten Schützengraben herauszukommen. Es wäre besser gewesen, sich da gar nicht erst hineinzubegeben, ohne die Sache selbst zu überprüfen. Andererseits: Wenn das Institut für Zeitgeschichte begutachtete, dass Fritz Tobias Recht hat, dann verlässt man sich als Historiker darauf. Historiker sind ja keine Naturwissenschaftler oder gar Brandexperten. Der Kampf um die Alleintäter-Theorie ist immer auch ein ideologischer Kampf gewesen. Tobias, das ist jetzt wörtlich zitiert, wollte mit seiner These „die kommunistische Propagandaflut aus dem Osten“ stoppen. So kann man aber nicht wissenschaftlich arbeiten.

Martina Scheffler: Welches Interesse kann es umgekehrt heute daran geben, an der Einzeltäterthese festzuhalten?

Uwe Soukup: Möglicherweise das Problem, einzugestehen, dass man sich geirrt hat. Das ist bedauerlich. Dass es einem seriösen Wissenschaftler darauf ankommen könnte, die Nazis ausgerechnet von dieser Tat, dem Ur-Verbrechen der Nazis, zu entlasten, vermag ich mir nicht vorzustellen.

Martina Scheffler: Der „Spiegel“ verteidigt die Alleintäterthese. Sie sehen die Debatte um den Reichstagsbrand auch als Medienskandal – warum?

Uwe Soukup: Vor allem wegen der Rolle, die der „Spiegel“ seit Jahrzehnten in der Sache spielt. Er hat 1959 die Alleintäterthese in die Welt gesetzt und seither immer verteidigt. Vor einigen Jahren wurden im „Spiegel“ Zweifel an der Alleintäterthese in den Bereich des Obskurantismus verwiesen, laut Duden das „Bestreben, die Menschen in Unwissenheit zu halten, selbstständiges Denken zu verhindern und sie an Übernatürliches glauben zu lassen“. Das ist absurd. Obskur ist es doch vielmehr, den Menschen zu erzählen, dass ein Mensch allein ohne Hilfsmittel, nur mit seiner brennenden Kleidung, in wenigen Minuten ein flammendes Inferno erzeugen kann.

Martina Scheffler: Sie erheben Vorwürfe gegen das Institut für Zeitgeschichte in München, es wolle die Chance nicht nutzen, um falsche Erkenntnisse geradezurücken. Was würden Sie sich vom IfZ wünschen und haben Sie zuletzt noch etwas von dort gehört?

Uwe Soukup: Das Institut für Zeitgeschichte beziehungsweise der damalige Direktor Helmut Krausnick wurde von Tobias mit seiner, also Krausnicks, „Nazi-Vergangenheit“ erpresst, damit das Institut Tobias den Segen erteilt. So geschah es. Eigentlich hatte man sich im Institut über Tobias eher amüsiert gezeigt. Hans Mommsen spottete in einer langen Rezension 1962 geradezu über Tobias‘ Buch. Doch 1964 winkte er es durch. Das ist merkwürdig. 2001 hat sich das Institut für Zeitgeschichte von den damaligen Methoden Hans Mommsens scharf distanziert – da ging es darum, wie Mommsen 1962 einen anderen Autor, der das Buch von Tobias im Auftrag des IfZ erschüttern sollte, verdrängt hat – aber das Institut unterschlägt dabei, dass Hans Mommsen das ja nicht alleine getan hat, sondern mit Rückendeckung des Instituts, ja sogar in dessen Auftrag. Noch schwerer wiegt aber etwas anderes: Das Institut hat die Alleintäterthese damals abgesegnet, sich aber niemals von diesem durch Tobias erzwungenen „Irrtum“ distanziert. Ich hatte das Institut gebeten, dieses Problem zu „heilen“, indem es sich auch von der Begutachtung Mommsens, nicht nur von dessen Methoden, die das Institut ja damals mittrug, distanziert. Leider bekomme ich da die immer gleichen Antworten. Es herrsche im IfZ Meinungspluralismus, was ja zumindest damals nicht der Fall gewesen sein kann. Ich hätte mir vom IfZ etwas mehr davon gewünscht, was man heute Fehlerkultur nennt. Martina Scheffler: Was erhoffen Sie sich vom Erscheinen Ihres Buches?

Uwe Soukup: Dass die ganze Angelegenheit endlich neu und vorurteilsfrei angeschaut wird. Am besten interdisziplinär, warum nicht durch den Bundestag? Also dass Brandexperten, die über die Entstehung eines Großfeuers Bescheid wissen, sich dazu äußern, Historiker sich mit van der Lubbe beschäftigen, mit der Berliner Gemengelage im Jahr 1933, in der es möglich gewesen war, dass van der Lubbe mit Anarchisten in Kontakt kam, die auf dem Absprung zu den Nazis waren. Es muss eine Erklärung geben, vielleicht nicht mehr für jedes Detail, aber doch eine ganze Menge weitergehende Ergebnisse. Ich bin gespannt, ob jetzt vielleicht doch noch Bewegung in die Sache kommt.

PDF Brandstiftung Interview Soukup

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Uwe Soukup Foto von Fridolin Freudenfett 2. Juni 2017 in Berlin

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Fotos Jens Meyer