Brief an einen Freund (II)

Brief an meinen Freund Dietrich. Über ein Buch: Die Geschichte des Films im Dritten Reich von Francis Courtade / Pierre Cadars, Hamburg 25. Januar 2021

Hallo Dietrich, hier kommt nun die positive Seite der Pandemie zum Vorschein. Ich lese viel. Erst habe ich mit Vergnügen das Buch, das Du mir geschickt hast (David Wittenberg) gelesen, und jetzt habe aus der Bürosammlung ein Buch mitgenommen, das ich noch nie gelesen hatte. Und das mit gutem Grund. Wer liest schon Bücher über die Filmgeschichte? Ich jedenfalls habe alle Filmgeschichtsbücher (Gregor Patalas und was es sonst noch so alles gibt) immer nur zum Nachschlagen benutzt, aber niemals von vorn nach hinten durchgelesen. Jetzt bin ich bereits auf Seite 181 in der deutschen Übersetzung von Francis Courtade und Pierre Cadars „Geschichte des Films im Dritten Reich“, von 1976 von der Büchergilde Gutenberg herausgebracht, übersetzt hat das Buch Florian Hopf. Ich finde das Buch, die Nazis aus der Sicht der Franzosen, richtig charmant. Was mir gut gefällt sind die Beschreibungen der Nazi Filme. Kein deutscher Buchautor (den ich kenne) traut sich aus Mein Kampf wörtlich zu zitieren, was der Führer aller Nazis da so gemeint haben könnte. Auch bestimmte Worte, die es scheint, das es sie im Französischen nicht gibt, kommen manchmal vor. (Der schreibt nie von einer Kamerafahrt, sondern nimmt immer das englische Wort). Auch das macht die Sache flott. Damit Du das Buch in Deinem Regal schnell findest, habe ich den Umschlag auf den Scanner gelegt. Das Nachwort von Gerd Albrecht werde ich vermutlich auslassen. Ich hatte ein Seminar in der dffb mit ihm, das nannte sich „Vorurteilsminderung“ – ich habe so in Erinnerung, das ich der einzige Student war, der damals sein Seminar besucht hat, die anderen Studenten und Studentinnen (bei uns gab es einen Frauenüberschuss) haben gesagt, es gehe ihnen nicht um Vorurteilsminderung, sondern es gehe um die Revolution. Das konnte ich damals gar nicht glauben, ich kam ja direkt von der Werft zu Ihnen und hatte mir nur gemerkt: Nicht schnell laufen, weil, wer schnell läuft, das hatten mir die Werftkollegen beigebracht, wird erschossen. Und das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Ich war schon immer mehr füt Daumendrücken (Siehe: Sein oder Nichtsein von Lubitsch), Jens

Warnung vor einem Buch

Hallo J. noch ist Zeit, Dich vor einem Buch zu warnen, das ich selber gerade absolviert habe. Der Umschlag verspricht viel. Nur schade, dass ich nicht meinem Bauchgefühl beim Lesen des Wortes „Rechtsterror“ gefolgt bin. Dahinter steckt meist eine Relativierung. Auch hier. Am Ende sind die Erkenntnisse von Tucholsky wieder da, der sich auf die Zählung beschränkt und verlassen hat. In etwa so: 400 Tote durch Nazis, 4 Tote durch Kommunisten. 2 Nazis verurteilt, natürlich auf Bewährung. Die 4 Kommunisten alle zum Tode verurteilt. Bei Florian Huber kommt es genauso, wird von ihm, aber nur scheinbar, differenzierter dargestellt. Dadurch bleiben die Versprechungen des Umschlags erhalten und bleiben auf diese Weise unbefriedigt zurück, was eigentlich nicht verwundern sollte. Das hat übrigens damals schon dein Papa erkannt. Ich erinnere mich an eine Diskussion mit ihm über die Besatzungsstreitkräfte (Amis), die er kennen gelernt hatte und die immer auf der Suche nach der nationalsozialistischen Ideologie waren und sie nicht finden konnten, was nach Ansicht deines Vaters gar kein Wunder war, weil, die Nazis hatten eben keine Ideologie, das macht auch die Auseinandersetzung mit Ihnen so unmöglich: Da ist es besser, mal wieder ein paar alte Schallplatten aufzulegen. Gerade habe ich bei mir eine Amiga Pressung (LP) ausgegraben und dort zum ersten mal ein Lied gefunden, das ich ganz toll finde und vorher aber nie bemerkt hatte. Probier doch mal, ob Du den Song in der Runterladeabteilung deiner Generation findest: Es handelt sich um die AMIGA Platte 20 x Beat. Das Jahr der Veröffentlichung ist 1975. Auf Seite 1 der LP ist das Lied von Nina Hagen und der Gruppe Automobil, das 1974 zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Das mit dem Farbfilm, den sie vergessen hat und es ihrem Freund in die Schuhe schieben will. Aber um das Lied geht es nicht. Es geht um das siebte Lied auf Seite eins mit dem Titel: „Wind, komm, bring den Regen her“. Die Sängerin heisst Kati Kovács und die Juventus Gruppe spielt dazu. Die Frau kann was, oha!! Es scheint sich um einen Import zu handeln (Ungarn? Slowakei? Tschechien?) aber die Dame singt deutsch, wenn man sie mehrfach gehört hat klingt das durch, aber der Text nicht so richtig, was dem Lied gut bekommt, also eine Suche, die sich lohnt, Nina Hagen mit dem Farbfilm kennen wir ja schon. Wie das Buch heisst. Hab ich vergessen, Jens

In Erinnerung an Wilfried Berghahn (VII) – Zwei Männer-Versuch über Polanskis Kurzfilme- aus Filmkritik September 1963

Die Staatsanwaltschaft auf der Seite der Mörder

Abschrift: Wolfgang Abendroth Über Klassenjustiz und Arbeiterklasse in der Weimarer Zeit.(Aus Wolfgang Abendroth, Ein Leben in der Arbeiterbewegung, Edition Suhrkamp, Band 820, Gespräche mit Barbara Dietrich und Joachim Perels. Seite 96.)

„Klassenjustiz wirkte sich in mehrfacher Hinsicht gegen die Arbeiterklasse aus. In der politischen Strafjustiz insofern, als sich die äußerste Rechte an Verbrechen und Morden leisten konnte, was immer sie wollte. In den Jahren 1919 und 1920 wurden Hunderte deutscher Arbeiter von den Freikorps ermordet. (109) Es begann mit der Ermordung linker und kommunistischer Arbeiterfunktionäre, griff dann über auf Mitglieder der USPD, traf auch Pazifisten wie Paasche, schließlich auch bürgerliche Politiker wie z. B. Erzberger und Rathenau. (110) In den beiden letzten Fällen wurden zwar ernstliche Strafverfahren eingeleitet, im übrigen aber stand die Staatsanwaltschaft auf der Seite der Mörder. Kam es dennoch zu einem Strafverfahren, so wurden Scheinstrafen ausgesprochen – ich erinnere an den sehr spät durchgeführten Prozeß wegen des Mordes an Rosa Luxemburg (111) – , oder es erfolgte Freispruch. Wenn sich dagegen Arbeiter politisch etwas »zuschulden kommen ließen«, hagelte es Strafen noch und noch – so bei allen sogenannten Gewaltdelikten, dann in extensiver Auslegung dieser Gewaltdelikte wegen Landfriedensbruchs und Hausfriedensbruch bei Auseinandersetzungen in Versammlungen und schließlich bei der Teilnahme an Massenstreiks oder bei gewaltsamen Auseinandersetzungen wie nach dem Kapp-Putsch. Für die Justiz der damaligen Zeit war es selbstverständlich, daß sie Anlässe dieser Art benutzte, um hohe Strafen zu verhängen.“ (112)

(109) Freikorps waren gegenrevolutionäre militärische Verbände, die von Offizieren der alten kaiserlichen Armee gebildet und geführt wurden; vgl. Arthur Rosenberg, Geschichte Weimarer Republik, Frankfurt/Main 1961 S. 59 ff.; Emil J. Gumbel, Vom Fememord zur Reichskanzlei, Heidelberg 1962 S. 45 ff.(110) Vgl. Emil J. Gumbel, a.a.O. , S. 45 ff.(111) Vgl. Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, Dokumentation eines politischen Verbrechens, hrsg. von Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover, Frankfurt/Main 1967, S. 59-126(112) Vgl. Emil J. Gumbel, a.a.O., S. 46 f. ; Heinrich Hannover und Elisabeth Hannover-Drück, Politische Justiz 1918-1933, Frankfurt /Main 1966. (Für alle, die es nicht wissen, bzw. nicht wußten (so wie ich) heisst a.a.O= am angegebenen Ort!)

Fallobst

Aus dem Buch: Fallobst, Suhrkamp, von H.M.E. Seite 19. Ein Text, der es wert ist, dass er abgeschrieben wird: Abgeschrieben von G. Klaut.

>Ich spreche von der lasterhaften Gewohnheit, andern die eigenen Schriften vorzulesen oder zu rezitieren. Zwar geht sie auf die ältesten Zeiten zurück; doch war dieses Elend in den vergangenen Jahrhunderten noch zu ertragen, weil es seltener vorkam, während heute, da das Schreiben Allgemeingut geworden ist, schwerlich jemand zu finden ist, der nicht irgend etwas verfaßt hätte. So ist die neue Plage, eine Heimsuchung, eine Geißel der Menschheit daraus geworden.

Das ist kein Scherz, sondern die reine Wahrheit. Denn inzwischen muß man deshalb bereits vor Bekanntschaften auf der Hut sein und der Freundschaft aus dem Weg gehen; denn an keinem Ort und zu keiner Stunde kann ein unschuldiger Mensch sich sicher sein, daß man ihn nicht überfällt und entweder auf der Stelle quält oder dorthin verschleppt, wo er endlose Prosaschriften oder Tausende von Versen über sich ergehen lassen muß.

[ . . . ]

Obwohl jeder Verfasser die unsägliche Belästigung kennt, unter der er selber leidet, wenn er die Sachen andrer anhören muß; obwohl er merkt, wie seine Gäste erbleichen, sich räkeln und gähnen; obwohl er weiß, daß sie alle möglichen Ausreden vorbringen oder gleich die Flucht ergreifen, um sich vor ihm zu verstecken, verfolgt er mit eiserner Stirn und unbegreiflicher Hartnäckigkeit wie ein hungriger Bär seine Opfer, und wenn er sie überrascht, zerrt er sie dorthin, wo er sie haben will. Und während der Lesung sieht er zwar, wie sich die Todesangst des unglücklichen Zuhörers darin äußert, daß er sich windet, daß er gähnt, daß er sich am liebsten gleich hinlegen würde. Aber er gibt keine Ruhe. Im Gegenteil, nur noch wilder und verbissener tönt und schreit er stundenlang weiter, während der Hörer längst der Ohnmacht nahe ist, so lange, bis ihn die Heiserkeit übermannt und seine Kräfte schwinden. Nicht, als gäbe er sich damit zufrieden! Denn eben das, was er seinem Nächsten antut, erfüllt ihn mit seiner paradiesischen, quasi übermenschlichen Lust. Siehe, so einer vergißt alle anderen Lüste, verzichtet ganz auf Schlaf und Essen und verliert das Leben und die ganze Welt aus den Augen, nur weil er fest davon überzeugt ist, daß das Publikum an seinen Lippen hängt und ihn bewundert. Sonst nämlich würde er uns verschonen und lieber in der Wüste predigen.<

Giacomo Lepardi, Pensieri XX, übersetzt von H. M. E.

Wer hat die Ehefrau heraus- und / oder hineingeschmuggelt?

Wer hat die Ehefrau hinein- oder herausgeschmuggelt?

In dem Westernlexikon von Joe Hembus findet sich in der Taschenbuchausgabe von 1976 (Heine Verlag), unter dem Stichwort >Rio Bravo< (beginnend auf Seite 479) auf Seite 481 folgendes Zitat: „Wer hat die Ehefrau heraus- und / oder hineingeschmuggelt?“ weiterlesen

PROTESTE GEGEN DIE DREIGROSCHENOPER von Peter Panter

Warum pfeifen in vielen Provinzstädten die Leute wie toll, wenn die >Dreigroschenoper< oder ein andres Stück von Brecht und Weill aufgeführt wird? Irre ich nicht, so wird da an der Bühne vorbeigepfiffen. „PROTESTE GEGEN DIE DREIGROSCHENOPER von Peter Panter“ weiterlesen

VOM NACHTTISCH GETRÄUMT von Stinki Müller

VOM NACHTTISCH GETRÄUMT von Stinki Müller

Da gibt es zwei Bücher, auf die ich gerne hinweisen will. Das erste ist ein Kinderbuch, das ich gestern im Buchladen um die Ecke gefunden habe. Es ist aus Amerika für die Kinder der kommenden Daumenwischgeneration. „VOM NACHTTISCH GETRÄUMT von Stinki Müller“ weiterlesen

BEDENKE, WIR LEBEN IN EINEM RECHTSSTAAT von Ignaz Wrobel

DAS A-B-C DES ANGEKLAGTEN

Wenn der Deutsche grade keinen Verein gründet, umorganisiert oder auflöst, dann hat er einen Prozeß. „BEDENKE, WIR LEBEN IN EINEM RECHTSSTAAT von Ignaz Wrobel“ weiterlesen

Ja, die Katze ist ein Tier, das gern in Schubladen schläft von Peter Panter

EIN KATZENBUCH

Die Morallosigkeit und die Sinnlosigkeit der Katze; ihre Ungreifbarkeit und substanzlose Körperlichkeit, die leisen Funken, die dauernd aus den Pelzen sprühen und dann noch das andre . . . das nicht Nennbare . . . 

„Ja, die Katze ist ein Tier, das gern in Schubladen schläft von Peter Panter“ weiterlesen