Cinema Feroviar

Zwei Fundstücke Cinema Feroviar in Bukarest

PDF Calin Hentea Cinema Feroviar

Das Foto habe ich vom Trödler. Der Text kommt aus dem Netz und ist geschrieben von Calin Hentea und wurde von einer Suchmaschine übersetzt. Das Foto vom Abriss ist ebenfalls von Calin Hentea und schon gehts los:

Ich weiß nicht mehr, wie alt ich war, wo und was mein erster Film war. Sicher ist, dass ich auf dem Boulevard Dinicu Golescu wohnte, gegenüber dem Eingang zum Nordbahnhof, und meine Großmutter nahm mich, noch bevor ich lesen lernte (sie flüsterte mir die Untertitel zu), vor allem ins Kino Feroviar. Es war einmal, in den 60er Jahren, an der Kreuzung zwischen Calea Griviţei und Buzeşti. Halle mit Balkon, knarrende Holzstühle, der Geruch des Bodens nach Kerosin und diskrete Typen mit extra Ticket am Eingang (aber ich hatte nichts mit ihnen zu tun).

In der Ecke war der Buchladen Ion Luca Caragiale, wo ich die Hardcover-Reihe von Dumas‘ Romanen und die historischen aus der Sammlung „Cutezătorii“ kaufte. Neben dem Feroviar-Kino gab es jedoch ein Fotostudio, in dem Fotos (ein Leu pro Stück) von fast allen ausländischen Schauspielern verkauft wurden, die wir in den Filmen gesehen haben. Wie viele Eiscremes habe ich im Austausch gegen ein Foto der „Corsican Brothers“ oder „Winnetou“ aufgegeben . . . was im Laufe der Jahre zu einer wunderschönen Sammlung geworden ist. Ergänzt wurde es, je nach dem für das Eis vorgesehenen Budget, am Buffet im Nordbahnhof, wo es Kaugummis (lame) mit kleinen Schwarz-Weiß-Bildern von „The Saint“ (der berühmten Samstagabend-Serie mit Roger Moore) gab, als das ganze Land auf der Straße verödet war), aber auch in Farbe, ebenfalls im Format 4,5 x 7 cm, mit verschiedenen Schauspielern.

Ich kehre zum Kino Feroviar zurück, von dem ich viele Jahre lang nur die Ruinen der Außenmauern gefunden habe, und jetzt nicht einmal diese. Welche Filme habe ich dort gesehen, besonders nachdem ich in der Schule eine Zehn bekommen hatte. Gérard Barray (von dem 2010 ein junger Verkäufer in einem großen Pariser Fachgeschäft am Boulevard Saint Michel nichts gehört hatte) war mein absolutes Idol: „Die drei Musketiere“, die Serie mit „Pardaillan“, die Serie mit „ „Scaramouche“, die Serie mit „Surcouf“, die Serie mit „San Antonio“ . . . worüber können wir noch reden. Ich mochte Jean Marais vor allem in der „Fantomas“-Reihe, aber in „Der Bucklige“, auch wenn er gut gekämpft hat, war es, als wäre er zu-ich-weiß-nicht-wie. Als Student durfte ich selbst mit meiner Mutter an der Hand weder in die Serie mit „Angelika, Marquise der Engel“ noch in „Moll Flandern“ eintreten.

Ich weiß nicht, warum und wie, aber meine Eltern haben mich weder ins Marna-Kino, das gleich um die Ecke in der Buzeşti-Straße war, noch ins Dacia-Kino mitgenommen, wo viele Jahre später Mircea Daneliuc mit filmen würde Gheorghe Dinića und Coca Bloos „Ehebett“. Die „Eisenbahn“ war bereits nur noch eine traurige Ruine.

Es war eine ganze Welt da draußen, direkt neben dem Matache-Platz, wo meine Großmutter lebende Hühner kaufte, sie hinter dem Block köpfte, sie selbst „rupfte“ (d. h. ihre Federn rupfte) und dann eine klare Nudelsuppe kochte, wie sie konnte nur in wenigen Haushalten in Siebenbürgen ist sie heute kaum noch zu finden. Heute haben die Bagger diese Orte betreten. Die meisten Ruinen, die vor dem Angriff der Bulldozer fotografiert wurden, wirken unhygienisch, erbärmlich, zigeunerhaft . . . , aber andererseits war es eine Welt, die vielleicht sauberer und ehrlicher war, als wir uns vorstellen konnten. Einige Häuser, die nicht wissen, ob sie vergeben und restauriert werden, zeugen weiterhin von einem Stil, einem Adel, einem Charme, einer längst vergangenen Geschichte.

Scham und traurig. Calea Griviţei, Ecke Buzeşti und mit dem Labyrinth um den Matache-Platz, hätte eine Innenstadt, eine Fußgängerzone, ein kommerzielles, festliches, modisches, böhmisches Vieux-Village sein können, wie es Bukarest nicht hat und verdient hätte.“ (Calin Hentea) (4. November 2011)

Foto von Calin Hentea

Gigantisch in Preis und Service

Hallo Küchen aktuell, letzte Woche fuhr Euer LKW an meinem Fenster vorbei, und da habe bei mir gedacht, jemand sollte Eurer Werbeabteilung mal ein Fremdwörterlexikon schenken. In meinem Fremdwörterlexikon von der Firma Duden steht auf Seite 352 eine wichtige Information. Und da stellt sich mir doch die Frage, ob der Satz auf Eurem LKW: Gigantisch in Preis und Service wirklich klug gewaehlt ist.

PDF Fremdwörterlexikon

Briefe an Wiebeke (XXII) Über angebliche Pioniere und wirkliche

Romische Zahlen am BUG

Zeichen: 11.299 Briefe an Wiebeke (XXII) Über angebliche und wirkliche Pioniere, die aber leider vergessen wurden.

PDF Briefe an Wiebeke (XXII )11332 Über angebliche und wirkliche Pioniere

Hallo Wiebeke, zwei Zitate fand ich aufhebenswert und habe sie für Dich abgeschrieben. Ich weiß sogar noch wo: Das eine fängt so an:

Zitat 1: “Ich habe Coupery‘s Stimme nie gehört. Er war tot, lange bevor ich Ohren hatte.“ (Cees Nooteboom, Der Umweg nach Santiago, Seite 71), und fährt dann fort: “ . . . und ich weiß nicht, ob der Phonograph den Klang dieser Stimme aufgenommen hat.“

Zitat 2: “Die Arbeiter sollen arbeiten, deswegen heissen sie ja Arbeiter. Der Unternehmer heißt Unternehmer, weil er etwas unternimmt: Ins Kino gehen, Urlaub machen und was der Tätigkeiten noch mehr sind.“

Ich glaube, das Zitat 2 habe ich mir selber ausgedacht. Ich würde mir das zutrauen. Während der Corona Zeiten war ich viel zu Hause und im Netz und auch zu Hause.

Bei meinen Nachforschungen über die deutsche Tonfassung von »Im Westen nichts Neues« wurde oft der Name »Rohnstein« genannt. In einem Textbeitrag wird diesem »Konrad Paul Rohnstein« sogar unterstellt, er sei ein deutscher Pionier bezüglich der Synchronisationsarbeiten gewesen.

Dem muss ich hier mal widersprechen. So war es nicht. Ähnlich geht es mir mit einem, der später so beliebte Filme, wie »Hurra, die Schule brennt!« den Du natürlich nicht kennst, weil er 1969 ins Kino kam und Du da noch nicht reindurftest, weil Du noch nicht alt genug warst, regiemässig zu verantworten hatte.

Fehlte noch, das dieser Mensch mit Namen »Werner Jacobs«, der ebenfalls dabei gewesen sein soll, als die Deutsche Fassung dieses Filmes, die damals nicht ins Kino kam und auch später nicht, weil den Nazis die Macht übergeben wurde, ebenfalls zu einem Pionier von »Im Westen nichts Neues« umgelogen wird.

Der »PROMI«, wie ihn mein Vater noch genannt hatte, manchmal auch zärtlich: »Unser Doktor«, hatte ein großes Talent gegen Filme zu sein, die er nicht gesehen hatte. Jedenfalls ist nicht überliefert, ob sich der spätere »PROMI« den Film vorher mal angesehen hatte, bevor er die Stinkbomben und die weißen Mäuse für die Premiere des Filmes bestellte.

Da war er aber noch gar kein »PROMI«. Vielleicht ist er doch selber einkaufen gegangen. Das ist aber eher unwahrscheinlich. Hanns Brodnitz berichtet in seinem Buch: »Kino Intim«:

“ . . . zumal in Parkett wie im Rang des Theaters aus kleinen Pappkartons weiße Mäuse in solcher Anzahl losgelassen wurden, daß man auf einen Ausverkauf dieses Artikels in sämtlichen Berliner einschlägigen Tierhandlungen schließen konnte . . . Keiner von den Protestlern hatte den Film gesehen, jeder begnügte sich damit, eine Parole gehorsam nachzuplappern, von deren Richtigkeit sich niemand überzeugen wollte. Es schien eisern festzustehen, daß dieser Film ein Schandfilm war.“

(Seite 91).

Weiße Mäuse sind immer noch günstig zu haben. Heute kann man sie für 1,00 Euro pro Maus bestellen.

Sieben Tage nach der Premiere, am 11. Dezember 1930 verbot die »Filmoberprüfstelle« die Aufführung dieses Films. Wer sich das Foto des Oberzensors im Netz ansieht, versteht, wer da wie entschieden hat und warum.

Werner Jacobs kommt jedenfalls für die Heldengeschichte des angeblichen »Pioniers« der Entwicklung der deutschen Synchronisation ebenfalls nicht in Frage. Das liegt schon in seiner Biografie: Geboren am 24. April 1909 in Berlin. Gestorben ist er am 24. Januar 1999.

Dazwischen ist natürlich auch noch was passiert. Überliefert ist: 1928 ist er in Berlin Schüler der Oberrealschule in Steglitz und macht dort sein Abitur. Überliefert ist weiterhin: Aus finanziellen Gründen war es ihm nicht möglich, ein Studium zu beginnen. Vielleicht hatte er auch nur keine Lust?

Jedenfalls berichtet eine andere Quelle, das »Werner Jacobs« zwei Jahre lang auf Arbeitssuche war und schließlich 1930 bei der Firma »Rhythmographie GmbH, Alte Jacobstr. 133, Berlin SW 68« eine Anstellung fand. Ob er sich zwischenzeitlich über die Materie »Film« Kenntnisse angeeignet hatte, ist nicht überliefert.

Auch nicht überliefert: Der Zeitpunkt der Auftragserteilung durch die Produktionsfirma: Universal. Die USA Premiere war am 21. April 1930, die UK Premiere in London am 14. Juni 1930. Premiere in West Germany war am 14. März 1952, berichtet imdb.com, die man auch nicht mehr ansehen kann, weil, es wimmelt nur so von Werbung.

PS: Ach, was ich noch vergessen hatte. Schnell waren sie ja bei der Ufa. Ich hab schon mal wieder in dem Buch meines ehemaligen Dozenten, Klaus Kreimeier, nachgesehen. Da schreibt er auf Seite 519 seines Ufa Buches: Am 28. März 1933, übrigens ein Dienstag, redet Herr Goebbels in einer Kneipe, im Kaiserhof, zu den »Spitzen der deutschen Filmindustrie« und einen Tag später beschließt der Vorstand der UFA die jüdischen Mitarbeiter der UFA rauszuschmeissen. Mein ehemaliger Dozent nennt es »vorauseilender Gehorsam« Und da hat er ja Recht, der Gute.

Die erste Deutsche Erstaufführung der Tonfilmversion hat am 4. Dezember 1930 im Mozertsaal Berlin bei Gerhard Reutlas stattgefunden. Hanns Brodnitz schreibt über Gerhard Reutlas im Kapitel „Junger Mann in der Flimmerkiste“:

„Reutlas eröffnete herzklopfend am 14. Juli 1923 bei 35 Grad Hitze im Schatten mit einem Groteskenabend, den er dem dicken Fatty gewidmet hatte. Die nächsten Wochen stümperte er sich durch. Am 3. September zeigte er einen Film, der niemand interessierte. Ein gewitzter Filmverleiher hatte ihn für Deutschland um einen Pappenstiel gekauft. Der Film lief siebzehn Wochen vor ausverkauften Häusern und hieß „My Boy“, mit Jackie Coogan. Nun konnte Reutlas seine Theorien vom modernen Kino in die Praxis umsetzen. Er machte den Nollendorfplatz zur „amerikanischen Ecke“, zum Weltstadtwinkel des internationalen Spitzenfilms . . .“ (Seite 15)

Und Hanns Brodnitz weiter in dem Kapitel:

Der Krieg der weißen Mäuse:

„Reutlas hatte den Film (Im Westen nichts Neues) nach monatelangem Kampf für sein Theater endlich erworben. Die Hersteller waren in ihren Ansprüchen nach den Resultaten der Aufführung in allen Ländern maßlos, und Reutlas versuchte, die Forderungen auf ein erträgliches Maß herabzudrücken. Die von ihm übernommenen Verpflichtungen waren ungeheuer.“

(Seite 87).

Am einfachsten scheint es mir doch, das ich Dir das Buch ausleihe, bevor ich jetzt alles abschreibe. Das Buch von Hanns Brodnitz ist wirklich sehr kurzweilig geschrieben.

PDF Auszug aus Hanns Brodnitz

Dagegen ist mir aus Internet Quellen folgendes Zitat voller Verwirrung in die Augen gefallen, also erst in die Augen gefallen und anschließend kam mir die Verwirrung. Und da ich Dir den Grund meiner Verwirrung nicht vorenthalten will, kommt hier die Aufklärung. Da lebt er auf, der kleine Schulmeister, der in jedem von uns und natürlich auch in mir steckt:

Die deutschen Dialoge von Im Westen nichts Neues sind das Werk eines Pioniers, Konrad Paul Rohnstein, der für Jahre eine zentrale Figur deutschen Synchronisation bleiben wird. Seine Firma Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co. blieb bis 1945 eines der bedeutendsten deutschen Synchronstudios.“

Daran ist so ziemlich alles falsch. Und nun kommst Du.

Fangen wir mal vorn an: Die Firma »Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co. Berlin« wurde erst am 9. August 1933 gegründet. Eine OHG, die am 3. November 1933 ins Handelsregister eingetragen wurde. Man beachte den Zeitpunkt der Gründung und ziehe vermutlich, so wie ich, daraus Schlüsse, die ich aber hier (noch ) nicht ausbreiten will.

Zum Zeitpunkt der Gründung dieser Firma, war die deutsche Fassung dieses Filmes schon seit 10. Dezember 1930 in Deutschland verboten und durfte nur noch in geschlossenen Veranstaltungen gezeigt werden. Die Machtübergabe an die Nazis regelte den Rest.

Das Zitat aus Buchers Enzyklopädie des Filmes, macht die Sache eindeutig: “In Deutschland gelang es den Nationalsozialisten mittels inszenierter Demonstrationen vor den Kinos, sein Verbot zu erreichen.“ Das steht beim Bucher auf Seite 26, wenn Du das noch mal nachsehen willst.

Hat sich was mit Pionier Rohnstein! Das war vermutlich der Lehrling bei der Firma, die die Deutsche Fassung tatsächlich hergestellt hatte. Der Herr Dr. aus Würzburg mit Wohnsitz in Berlin Spandau.

Da habe ich auch noch was herausgefunden, aber nicht schummeln und hinten nachsehen

Apropos Pionier: Da lob ich mir doch den Kameramann Karl Freund, “der im Alter von 15 Jahren als Filmvorführer begann“ wie der Bucher auf Seite 275 schreibt, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hatte, wie man sich in Berlin auszudrücken beliebte, als ich dort weilte. Das ist ein wirklicher Pionier gewesen. Er soll sogar die Schlusseinstellung von »All Quiet on the Western Front« erdacht und gefilmt haben. Die Amis nennen ihn sogar in den credits.

Herr Rohnstein hatte dagegen nur eine langweilige Doktorarbeit geschrieben und war bei der Firma mit dem eigenartigen Namen: “Rhythmographie GmbH“ als „Ungelernter“ angefangen. Ein Doktor ohne jede Materialkenntnis, der sich dann später hochgearbeitet hat.

Die Pioniere sind jedenfalls andere. Auch sie sind Firmengründer und gründen am 16. September 1929 eine Firma mit einem Schreibfehler. Naja, nicht Schreibfehler. Im Firmennamen: »Rhytmographie Gesellschaft mit beschränkter Haftung« taucht der Buchstabe H zweimal auf.

PS: Ach, was ich noch vergessen hatte. Schnell waren sie ja bei der Ufa. Ich hab schon mal wieder in dem Buch meines ehemaligen Dozenten, Klaus Kreimeier, nachgesehen. Da schreibt er auf Seite 519 seines Ufa Buches: Am 28. März 1933, übrigens ein Dienstag, redet Herr Goebbels in einer Kneipe, im Kaiserhof, zu den »Spitzen der deutschen Filmindustrie« und einen Tag später beschließt der Vorstand der UFA die jüdischen Mitarbeiter der UFA rauszuschmeissen. Mein ehemaliger Dozent nennt es »vorauseilender Gehorsam« Und da hat er ja Recht, der Gute.

Die Pioniere finden sich eher unter den Gründern dieser Firma: Ingenieur Karl Robert Blum, Ingenieur Walter Hahnemann und Kaufmann Karl Egon Martiny und den Angestellten dieser Firma, die seit 1930 ihre Geschäftsräume in SW 68, in der Alten Jacobstr. 133 im vierten Stock haben. Wenn man sich ein wenig Mühe gibt, so habe ich herausgefunden, dann kommt man auch mit den digitalisierten Berliner Adressbüchern der Firma Scherl zu Rande. Man hüte sich jedoch davor, irgend welche Schlüsse zu ziehen, aus Erkenntnissen, die man meint, gewonnen zu haben. Was in dem einen Jahr so, ist im nächsten Jahr anders.

Viktor Abel wohnte seit 1928 in Berlin, denn im Adressbuch der Firma Scherl von 1929 (Redaktionsschluss 15. 10. 1928) taucht er mit Namen und Berufsangabe im Teil I (Einwohner Berlins) auf Seite 2 auf. Dort zu lesen: Abel, Viktor, Filmdramaturg, Charlottenburg, Riehlstr. 11 (II) T (Und T = Telefon hat er auch: West 1249). Von dem Toningenieur, Dr. Gerhard Goldbaum, auch ein vergessener Pionier, konnte in den Scherl Adressbüchern keine Berliner Anschrift finden.

Ähnlich wie mit Viktor Abel ist es mit Carl Robert Blum. Zehn Patente habe ich auf der Seite des Deutschen Patentamtes gefunden. Dabei kam mir mein kleines Gastspiel in der Gitschinerstrasse 97 von damals (1974) zu Hilfe. Du erinnerst Dich vielleicht daran, wie mich das Arbeitsamt, Sachbearbeiter Knebel vom Arbeitsamt Steglitz, hereingelegt hatte? Durch die Kopierarbeiten, zu denen ich im Keller des Deutschen Patentamtes, in der Gitschinerstrasse freiwillig gezwungen wurde, verfügte ich über sog. Vorkenntnisse: Auslegeschrift usw.

Auch die Firma, die die Geräte des Erfinders Carl Robert Blum, manchmal auch Karl Robert Blum, herstellte, ist hier zu nennen. Wenn Pionier, dann schon alle: H. W. Müller & Co, Werkstatt für Elektro- und Feinmechanik, SW 48, Besselstr. 21.

Auf der Seite der »vergessenen Filme« steht über Max Bing: “Der Dialogregisseur Max Bing (1885-1945) war in der Hauptsache beim Rundfunk tätig. Er arbeitete vor allem als Hörspielregisseur.“

Und natürlich, und eigentlich zuallererst der Mann, der als Fachmann die Synchronisationsarbeiten geleitet hat: Viktor Abel.

Auch zu Konrad Paul Rohnstein gibt es neue Erkenntnisse und Vermutungen, die sich aus den Nachforschungen ergeben die anhand der ins Netz gestellten Adressbücher möglich waren:

Im Adressbuch von Berlin 1922 gibt es einen Rohnstein, A., Kaufm., unter der Anschrift, Falkenhagener Str. 7 im Straßenverzeichnis von Berlin Spandau. Das ist natürlich noch keine besondere Neuigkeit.

Zehn Wohnungen gibt es in diesem Haus. (Adressbuch 1922, Scherl Teil IV Seite: 1163) In den Folgejahren: 1923/24/25/26 wiederholt sich dieser Eintrag.

Doch 1927 auf Seite 2814 findet sich ein andrer Rohnstein in dem selben Haus: Falkenhagener Str. 7.

Ein Mensch, der scheinbar sehr stolz auf seinen Namen ist und sorgsam darauf achtet, dass im Adressbuch auch alle seine Titel genannt werden: Rohnstein, Paul, Dr. rer. pol. (Adressbuch 1927, Teil IV, Seite 2814).

Aus der Tatsache, das Konrad Paul Rohnstein, dieser eitle Fatzke, sich auch in das Adressbuch von 1924, Redaktionsschluss 15. 10. 1923, mit seinem gerade erst erworbenen Titel (Dr. rer. pol.) in Berlin Spandau, mit der Anschrift Freiheit 2, II Stock, T (Telefon) 445 um den Sohn, des Kaufmannes Alfred Rohnstein handelt.

Wie wäre es sonst möglich, das dieser die Wohnung von Alfred Rohnstein in der Falkenhagenerstr. Nr. 7- 1927 einzieht? Das kann also nur ein naher Verwandter von Konrad Paul Rohnstein sein.

Und wo bleibt nur die Biografie und das Foto von Walter Lindemann, geb. 4. August 1887, gest. 8. Januar 1971, das mir die Enkelin von Walter Lindemann vor drei Monaten schicken wollte? Ja, jetzt hat sie es endlich geschickt. Danke!

Walter Lindemann (Das Foto wurde uns von Birgit Heidsiek zur Verfügung gestellt)

Du erinnerst Dich an diesen mutigen Polizeioffizier aus dem Amt Ritzebüttel, Cuxhaven? Der, der die Nazis nach Hause geschickt hat. Wenn ich doch Verbindung mit Walter Lindemann aufnehmen könnte, und mich über die faule Enkelin, die immer davon schreibt, das sie auf Panels sitzen würde, bei ihm beschweren könnte, das wärs doch ? Oder J.

Ernst Seeger von der Filmoberprüfstelle
Lewis Milestone

PDF BuchumschlagHannsBrodnitzKinoIntim

Plakat My Boy

Apropos Konrad Paul Rohnstein

PDF Apropos Konrad Paul Rohnstein4355 (III)

Wikipedia hat nur geschrieben, wann dieser Mensch geboren ist. Beim Todesdatum steht bis heute (22. September 2022, 20.00 Uhr ): Unbekannt. Doch der Betreiber der Synchrondatenbank, Arne Kaul, hat es herausgefunden. Gestorben ist Rohnstein am 12. August 1973 in München. Geboren ist Konrad Paul Rohnstein am 21. Januar 1900.

Aus seiner Biografie gibt es einige sichere Daten. Er hat in Würzburg studiert und eine Doktorarbeit geschrieben und taucht im Berliner Telefonbuch von 1927 (Redaktionsschluß 15. Oktober 1926) als Rohnstein, Konrad Paul, Dr. rer. pol. auf. Die Doktorarbeit wurde am 18. Oktober 1923 bewertet. Wie, konnte ich nicht herausfinden. Im Telefonbuch gibt es auch Rohnsteins Berliner Anschrift: Falkenhagener Str. Nr. 7, Berlin-Spandau. T: 22 42.

Die Doktorarbeit trägt den Titel: „Beiträge zur wirtschaftlichen Entwicklung der deutschen Filmindustrie unter besonderer Beruecksichtigung des Kinematographentheatergewerbes“. Diese Doktorarbeit steht auszugsweise im Netz. Ich habe sie überflogen. Sie beschäftigt sich nicht, wie man vermuten könnte, mit den technischen Abläufen bei der Herstellung von Filmen, sondern nur mit deren Vermarktung in den Kinos.

In Berlin wurde am 16. September 1929 die „Rhytmographie Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ gegründet und am 30. November 1929 ins Handelsregister Berlin unter der Nummer 43259 eingetragen.

Die Gesellschaft hat ein Stammkapital von 75.000 RM und drei Geschäftsführer: 1. Ingenieur Karl Robert Blum, Berlin, 2. Kaufmann Karl Egon Martiny, Berlin, 3. Ingenieur Walter Hahnemann, Berlin. Im Scherl Adressbuch von Berlin, Ausgabe 1931 (vermutlicher Redaktionsschluß 15. Oktober 1930) habe ich auf Seite 444 den Eintrag gefunden: „Rhythmographie G. m. b. H., Phono- u. Kinotech. Ind., SW 68, Alte Jacobstr. 133.

Die Firma arbeitet auf der Grundlage der Patente von Carl Robert Blum. Blum hatte viele Berufe. Einer davon war: Erfinder. Außerdem war er Kapellmeister und Direktor des: »Mohr’schen Conservatorium für Musik«, das bereits seit 1870 existierte.

Eine der ersten Arbeiten, die die „Rhythmographie GmbH“ (vereinzelt auch in der Schreibweise: Rhytmographie GmbH) ist die deutsche Tonfassung des Filmes: „Im Westen nichts Neues“ (All Quiet on the Western Front, USA 1930, 140/125 Min.) von Lewis Milestone, der als Stumm- und als Tonfilm in die Kinos kam. In die deutschen jedoch nicht. Das wird an anderer Stelle geschildert. (Siehe Anlage Bucher Seite 26)

Die Leitung der Synchronarbeiten hatte der ehemalige Chefdramaturg der UFA: Viktor Abel. Auf der Seite der „Vergessenen Filme“ kann man studieren, wer sonst noch daran beteiligt war, diese Synchronarbeiten im Auftrag der Filmproduktionsfirma Universal durchzuführen: Max Bing (Dialogregie), Konrad Paul Rohnstein (Assistent), Werner Jacobs (Assistent Tonschnitt), Elsa Jaque (Dialogbuch). Diese Angaben habe ich nur teilweise (Abel, Bing, Rohnstein, Jacobs) überprüft.

Einen Eintrag von Viktor Abel fand ich in den Scherl Adressbüchern von Berlin. Die Ausgabe von 1929 (Redaktionsschluß 15. Oktober 1928) enthält den Eintrag: Abel, Viktor, Filmdramaturg, Riehlstr. 11 (II) in Charlottenburg. 1931 taucht Viktor Abel mit gleicher Berufsbezeichnung in Berlin Zehlendorf, in der Lindenallee 4 auf. Geboren ist er am 2. Dezember 1892 in Kiev, das in jener Zeit zum Russischen Kaiserreich gehörte.

Nach der Machtübergabe an die Nazis wurde am 9. August 1933 eine neue Gesellschaft gegründet: »Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co. Sitz: Berlin«.

Diese wurde am 3. November 1933 unter der Nr. 78867 in das Berliner Handelsregister eingetragen: „Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co.Berlin“. (OHG) Gesellschafter sind: Kaufmann: Alfred Lüdtke, Produktionsleiter: Dr. rer pol. Konrad P. Rohnstein und Ingenieur: Erich Luschnath, sämtlich in Berlin. Zur Vertretung sind nur je zwei gemeinschaftlich ermächtigt.

Car Robert Blum Erfinder
Carl Robert Blum
Viktor Abel

PDF Buchers Seite 26

Anmerkungen (2022): Viktor Abel war nach den Nazi Kriterien Jude. Seine letzte Wohnanschrift in Berlin war: Lindenallee 4 in Berlin-Zehlendorf. (Heute: Lindenthaler Allee 4). Am 21.10 1941 wird Viktor Abel nach Lódz deportiert und dort ermordet. Kaufmann Alfred Lüdtke, Teilhaber der Firma »Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co«, ist im Scherl Adressbuch von 1927 mit dem Eintrag: »Lüdtke, Alfred, Kaufm., Cöpenick, Flemmingstr. 16, II, Postscheck=Kto 109 373« auf Seite 2086 eingetragen. Durch die Aufteilung Berlins bei Kriegsende liegt Köpenick im russischen Sektor von Berlin. Konrad Paul Rohnstein verläßt bei Kriegsende Berlin und gründet in München die »Rohnstein Film GmbH«, die sich wiederum mit der Synchronisation ausländischer Filme beschäftigt. Dort entsteht die deutsche Fassung des Hitchcock Films »Spellbound« dessen deutsche Fassung den Titel »Ich kämpfe um dich« bekommt. In Deutschland kommt er am 29.2.1952 ins Kino.

Das moderne Tonsytem 2 von CRB

 Das-moderne-Tonsystem 1 von CRB

Rhythmographie (II)

PDF Abschrift Mutterhände2733 in deutscher Fassung

Abschrift aus: Der gute Film. Mitteilungen der Filmstelle des D.=Ö. Jugendbundes vom 30. März 1934, Wien 1, Elisabethstraße 9, Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Ludwig Gesek, (beide Wien) (erscheint jeden Freitag) Heft Nr 70/71 Seite 2. (Gefunden auf der Seite Anno der Österreichischen Nationalbibliothek.)

“Mutterhände in deutscher Fassung. Die Cando=Filmgesellschaft hat diesen Film deutsch nachsynchronisieren lassen-Die Verdeutschung ist beispiel-gebend gelungen.

In einem großen Raum arbeiten die Künstler, die die Stimmen „nachzusprechen“ haben. Auf der Leinwand zieht der Film vorbei: gleichzeitig mit ihm, an seiner unteren Seite, ein schmales Band mit dem ausgedruckten deutschen Text. Dieses Verfahren bedeutet eine ungeheure Erleichterung für die nachsprechenden Künstler. Sie sind nicht mehr restlos abhängig von ihrem Gedächtnis, sind nicht mehr gezwungen, den größten Teil ihrer Kraft auf dieses zu konzentrieren. Zwar muß ihnen auch jetzt noch die Rolle gut im Gedächtnis sitzen. Aber sie haben mehr Kraft zur Verfügung, sich in ein ihnen fremdes Spiel, eine ihnen fremde Rolle hineinzufühlen.

Was für eine ungeheure Anforderung eine solche Einfühlung an den Künstler stellt, das wird einem ganz klar, wenn man bei einer solchen Ausnahme Zeuge ist. Selbst wenn Originalspieler und Nachspieler nicht nur dem Organ, sondern auch dem Charakter und der Wesensart nach, einander nach Möglichkeit angepaßt sind, so handelt es sich ja für den Nachspieler nicht nur um ein einfaches Nachsprechen, sondern er muß die Rolle so nacherleben, wie sie vom Original vorerlebt wurde.

Man kann wohl sagen, daß für die Frau aus dem Volke die „etatsmäßige“ Aufwartefrau keine bessere Interpretin gefunden werden konnte als Margarete Kupfer. Im Ausdruck, im Tonfall ist die Täuschung, als habe man das Original vor sich, nahezu vollkommen. Für die Rolle der jungen Fürsorgerin wählte man Victoria v. Bellasko, die als Sprecherin der „Annabella“ in dieser schwierigen Kunst debütierte. In der Erscheinung sein und zart, wird eine gewisse Herbheit und Spröde im Ton sie dem Original der Fürsorgerin vielleicht näherbringen als der irrealen Traumgestalt Annabellas. Edith Karin wurde mit der schwierigen Rolle der Vorsteherin betraut. Helene Sauer mit der der Mutter Mries. Bruno Fritz spricht den Dr. Libois.

Aber das schwierigste Problem: die Kinder! Man holte sie zum größten Teil auch hier einfach von der Straße weg: nur einige wenige sind im Atelier bereits bekannt. Staunend und bewundernd steht und hört man, was die meisterhafte Regie von Dr. Werther aus dieser kleinen Schar heraus holt! Sie sind mit einer solchen Begeisterung, mit einer solchen Hingabe und mit einem solchen Verständnis bei der Sache, daß das letzte und schwerste Bedenken am guten Gelingen weichen muß.

PDF Lüdtke RohnsteinBriefv23041934

In einer kleinen Zelle arbeitet Dr. Rohnstein, der mit Dr. Werther gemeinsam Regie führt mit seinem kleinen Stab. Die hier aufgestellte Apparatur bringt den Ton so zu Gehör, wie er bei der Vorführung zu hören sein wird. Es ist also möglich, während der Aufnahmen noch dauernd an seiner Vervollkommnung zu arbeiten, was durch Umstellung der Schallwände und Kulissen im großen Raum ermöglicht wird. Herr Dr. Rohnstein skizziert kurz den Gang der Reproduktionsarbeit, der in dem kurzem Zeitraum von drei Tagen eine für den Laien und vorstellbare Quantität von Mühe, Arbeit, Kraft und auch Geld verschlingt.

Rhythmonom vom Erfinder Carl Robert Blum Berlin

Rheostat Patent Blum
Carl Robert Blum., Berlin

PDF Vier Seiten278-281

Rhythmographie (III)

Manchmal lohnt es sich, in Büchern nachzusehen. In dem »Kleines Filmlexikon« von Charles Reinert, erschienen 1946 in der »Verlagsanstalt Benzinger & Co. AG. Einsiedeln Zürich« steht auf Seite 279 unter dem Stichwort: “Rhythmographie: (in der Schweiz unter dem Namen «Detektionsverfahren» bekannt) — Bei der >Nachsynchronisation von fremdsprachigen Fen angewandtes Verfahren. Der fremdsprachige Dialogstreifen wird durch einen Oszillografen in grafischer >Amplitudenschrift auf einen Papier- oder F-Streifen aufgezeichnet (synchroner Lauf von Ton-, Bild und Oszillografenstreifen). Der neusprachige Dialog wird in exakter Übereinstimmung mit der oszillografischen Aufzeichnung der Originalsprache silbenweise auf den Papier- oder F-Streifen geschrieben. Mit optischen Signalen für die Sprecher versehen, wird dieser Streifen im Synchronraum unter dem F-Bild sichtbar vorgeführt u. bildet so für die Nachsprecher der neuen Fassung die mit dem Bild exakt synchron laufende Vorlage für die Ablesung ihres Textes.“

In dem Buch von Charles Reinert wird im Register: Filmschrifttum unter dem Stichwort Drehbuchgestaltung bereits auf das Buch von: “Abel, Viktor: Wie schreibt man einen F. 127 S. Sensenverlag 37“ hingewiesen.

Apropos Viktor Abel (IV) Westböhmisches Tageblatt

Abschrift aus der Westböhmische Tageszeitung, Nr. 209 , Pilsner Tageblatt vom 31. Juli 1950, Seite 3. Überschrift Frauen suchen Gold — Am laufenden Band. – Können sie auf den schwarzen Strich sprechen.

PDF Abschrift Frauen suchen Gold

„Kinder, wißt ihr das Neueste, Walters Onkel kommt heute!“ „Wie bitte?“ Kinder, wißt ihr das Neueste, Walters Onkel kommt heute! Kinder, wißt ihr das Neueste, Walters Onkel kommt heute!!“ Immerzu sagt das eine schöne blonde Frau und blickt dabei finster ins Ungewisse und sieht und hört mich nicht. „Kinder, wißt ihr das Neueste, Walters Onkel kommt heute!“

Ich fliehe, in frommer Scheu vor dem Wahnsinn, und kombiniere: es wird ihr was zu Kopf gestiegen sein, vielleicht enttäuschte Liebe. Man steht das jetzt so oft: Frauen phantasierend durch die Straßen laufen. Da stockt mein Fuß.

Wieder sitzt da eine Frau und redet in einem fort: „Bleibt doch noch hier, zu euren Männern kommt ihr früh genug, ob ihr sie früher oder später ärgert, bleibt einerlei!“ Aha, denke ich, meine Kombination stimmt also: Die Liebe ist daran schuld. Aber der Blick dieser Frau ist eigentlich gar nicht so verstört. Sie schaut fast munter und keck mich an, und wie ich genauer hinsehe, entdecke ich befreit die wohlbekannten Züge Lotte Werkmeisters. „Ja aber, gnädige Frau?“ „Augenblick, bin gleich fertig, ich muß das erst richtig raus haben: Bleibt doch noch hier, zu euren Männern kommt ihr noch früh genug. Nachher spreche ich auf den schwarzen Strich.“ „Wie bitte?“ „Wir sprechen auf den schwarzen Strich.“

Und dann wird Frau Werkmeister auf einmal ganz menschlich: „Tja, es ist oft die rrreinste Filigranarbeit, lassen Sie sich unser Rhythmonom, dieses Ding mit dem schwarzen Strich, mal zeigen.“

Nun stehe ich mit Viktor Abel, der als Produktionsleiter der Warner Bros. Film hier unumschränkter Herrscher ist, und mit Dr. Rohnstein, seiner linken und rechten Hand, vor dem „Rhythmonom“ und betrachte den senkrechten schwarzen Strich, an dem langsam auf einem hell erleuchteten Band die Worte „Mäuschen=mit=dem=Grübchenknie“ Vorüberziehen. Da stehen nun drei solcher Rhythmonome, vor jedem steht ein Sprecher, hier Gustav Wallauer, da Ilse Baerwald, dort Peter Ihle, auf jedem Rhythmenband kommt ein schöner Text angefahren, und jeder spricht nun sein Verslein, jedes Wort in dem Moment, da es über den schwarzen Strich gleitet. Und es entsteht das schönste Dreigespräch.

Und ein Mikrophon nimmt getreulich alles auf und liefert es zum Tobis. „Tja“, flüstert mir Lotte Werkmeister ins Ohr, „das ist Sprechkunst am laufenden Band.“ Und wissen Sie, wozu das alles? Ganz einfach. Hier wird zu einem fertigen amerikanischen Tonfilm, „Goldsucher auf dem Broadway“ heißt er — Frauen suchen da das Gold —, der deutsche Text gesprochen.

Damit aber die deutschen Worte genau auf die Mundbewegungen der amerikanischen Darsteller im Film passen, hat man schon dementsprechend übersetzt. Zum Beispiel ein Schlager: „Keeping the wolf from the door“ im Deutschen: „Ich bin ein Wolf, sieh dich vor.“ Also fast gleich in der Lautbildung. Oder es sagt einer im Film: „can you imagine.“ Im deutschen Text heißt das: „Denken Sie mal an.“ Da hat man genau dieselbe Lippenbewegung. Probieren Sie’s vorm Spiegel aus. Und da fällt auch zeitlich beim deutschen „Sie“, und das ma von „imagine“ genau auf das i vom deutschen „Sie“, und das ma von „imagine“ genau auf das ma vom deutschen „mal“. Im Redefluß ist nämlich die Mundstellung bei i und a ziemlich dieselbe. Jeder kann sich da denken, daß das Uebersetzen ein schweres Stück Arbeit ist, denn der deutsche Text muß außerdem noch denselben Rhythmus wie der amerikanische haben.

Der Text (oder auch die Noten für den Schlager) wird dann mit Hilfe eines sog. Rhythmographen auf das Rhythmenband geschrieben, genau in dem Abstand, wie es die Sprache im Film erfordert, und er wird — wie schon erwähnt — in demselben Moment gesprochen, wo er über den schwarzen Strich gleitet. Der Kapellmeister muß mithin genau so dirigieren, wie die Noten über den schwarzen Strich hinweggeben. Das stellt freilich an die Kunst der Sprecher und des Orchesters ungeheure Anforderungen, aber das Ergebnis ist überraschend. Da das Rhythmenband im Rhythmonom synchron — das heißt gleichzeitig — mit dem Film läuft, deckt Sprache und Musik genau mit den Bewegungen im Film.

Ich habe den Film auf der Leinwand gesehen, und entfernt hinter einem Vorhang hörte ich die Schauspieler vor dem Rhythmonom dazu sprechen und war erstaunt, auch nicht das geringste Abweichen des Tons vom Bilde feststellen au können. „Wieviel Prozent hat der Film?“, frage ich den Tonregisseur Zander. „Es wird alles gesprochen.“ Also 100 Prozent Ton, wie man das so schön sagt, 100 Prozent Geräusch, 100 Prozent Musik natürlich, 100 Prozent Farbe und 100 Prozent Bild, macht zusammen 500 Prozent. Moderne Mathematik! Und 100 Prozent Lotte Werkmeister.

Man läßt den Wiedergabapparat laufen, um das Ergebnis einer Tagesarbeit sich anzuhören. Da kommen natürlich die Szenen in willkürlicher Reihenfolge, dazwischen mal Schlager. Auf einmal aber gellt eine Frauenstimme grauenhaft, erschütternd durch den Saal: „Herrgott, ist das Weib dumm!!“ Bei dumm hebt sich die herzzerreißende Stimme und will sich vor Entsetzen fast überschlagen. Und schmunzelnd, mit herabgezogenen Mundwinkeln, hört sich Lotte Werkmeister ihr köstliches Produkt an. Und Lotte selbst hat mir auch noch was zu sagen: „Nehmense das von vorhin nicht so genau: zu euern Männern kommt ihr früh genug, ob ihr sie früher oder später ärgert, bleibt einerlei. Wissen Sie, ich ärgere meinen Mann nicht, wir verstehen uns blendend. Was hat man denn sonst schon von dem bißchen Leben? Nun ja, is doch wahr! Stimmt’s nicht?“

Viktor Abel
Carl Robert Blum (Der Erfinder)
Rhythmonom von Carl Robert Blum

Apropos Sondergericht

Abschrift

PDF AbschriftSondergericht WürzburgZeichen14.089

14.089SG. 81/44 Abschrift:

Im Namen des Deutschen Volkes!

Das Sondergericht Würzburg hat in dem Strafverfahren gegen: S.xxxxxxxxx Gertrud, Kontoristin in Würzburg, zur Zeit in Untersuchungshaft, wegen Beihilfe zur Fahnenflucht, in der öffentlichen Sitzung vom 9. Juni 1944, wobei zugegen waren: Landgerichtsdirektor Dr. Förtsch als Vorsitzer, Landgerichtsräte Freihalter und Schlee als Beisitzer, Amtsgerichtsrat Dr. Kuhn als Vertreter der Anklagebehörde, für Recht erkannt: I. S.xxxxxxxxx Gertrud Franziska, geb. 9. 10. 1923 in Würzburg, verh. Kontoristin, zur Zeit in Untersuchungshaft, hat ihren Ehemann Robert S.xxxxxxxxx, im November 1943 bei der Fahnenflucht unterstützt. Sie wird hiewegen zur Gefängnisstrafe von 9 Monaten und zu den Kosten verurteilt. II. Auf die Strafe werden 6 Tage Untersuchungshaft angerechnet.

Gründe:

Die Angeklagte schloss am 3. 6. 1943 in Würzburg mit dem damaligen Unteroffizier Robert S.xxxxxxxx die Ehe. S.xxxxxxxxx war Berufssoldat. Der Vater der Angeklagten war gegen diese Heirat, während sie von der Mutter zunächst begrüsst wurde. Nach der Eheschließung aber änderte auch die Mutter ihre Gesinnung und verhielt sich ablehnend gegen ihren Schwiegersohn. Die ehelichen Verhältnisse der Eltern bzw. Schwiegereltern sind nicht harmonisch. Die Angeklagte liebte ihren Mann tief und innig. Sie litt unter den zerrütteten Familienverhältnissen ihrer Eltern schwer und schloss sich deshalb immer mehr an ihren Mann an.

Dieser stand zu Zeitpunkt der Eheschliessung in Frankreich im Einsatz. Er kam dort ins Lazarett nach Paris und von hier zu seinem Ers. Truppenteil, der Kraftfahrer Ers. und Ausbildungsabteilung Euskirchen. Die Fahrt dorthin führte über Würzburg. Hier unterbrach er sie eigenmächtig und verblieb 8 Tage bei der Angeklagten. Um nicht entdeckt zu werden, fälschte er das Ankunftsdatum um 8 Tage. In Euskirchen erkrankte er abermals und bekam einen Genesungsurlaub nach Tirol. Dorthin begleitete ihn die Angeklagte. Am Ende dieses Urlaubs erkrankte er wiederum und kam für 14 Tage ins Lazarett nach Würzburg und anschliessend zum Ersatztruppenteil telegrafierte nach Euskirchen.

Vom 6.10. – 21.10.1943 erhielt er Erholungsurlaub nach Würzburg. Am 21. 10. befand er sich bereits auf der Fahrt zu seinen Ersatztruppenteil nach Euskirchen. In Köln entschloss er sich jedoch wieder nach Würzburg zurückzufahren. Er fälschte im Soldbuch und Urlaubsschein das Datum “21.10“ in “27.10.“ um und fuhr nach Würzburg zurück. Dem Ersatztruppenteil telegrafierte er am 24.20., er sei krank geworden und ins Lazarett nach Würzburg gekommen. Tatsächlich ging er dort aber erst am 25.10.1943 ins Lazarett. Am Sonntag, den 7.11.1943 besuchte ihn die Angeklagte gemeinsam mit ihrem Vater. Er kam ihr sehr nervös und verstört vor. Die Ursache hierfür erblickte sie zunächst in der Anwesenheit ihres Vaters.

Als dieser jedoch gegangen war, erklärte ihr ihr Mann: “Nun kommen wir zur ernsten Teil“. Er erzählte ihr dann, das man ihm am 5.11. sein Soldbuch abverlangt habe, er hätte eine hohe Zuchthausstrafe von 20 Jahren zu erwarten, ihm bliebe nur noch die Flucht oder Zuchthaus. Die Angeklagte erschrak furchtbar und drängte ihn doch zu sagen, warum er denn diese hohe Strafe erhalte. Er wich der Beantwortung dieser Frage aus und erklärte ihr, wenn sie mitginge, würde er sich erschiessen. Der Schreck und die Aufregung der Angeklagten steigerte sich immer mehr. Sie redete ihm zu, dass er doch nichts so Schlimmes begangen haben könne. Doch er fing immer wieder an und “zerrte sie hin und her“ und liess sie fast nicht zu Worte kommen. Wenn sie etwas sagen wollte, fuhr er sie gleich gereizt an. Auch getraute sie sich nicht mehr zu sprechen, da noch andere Soldaten im gleichen Krankensaal lagen.

Als gegen Ende der Sprechstunde die Zeit drängte, wiederholte er seine Drohung mit dem Erschiessen, übergab ihr einen Zettel, auf dem die näheren Anweisungen für die Fluchtvorbereitung stand, sprach von der Schweizergrenze und eröffnete ihr, das er in der folgenden Nacht gegen 24. Uhr kommen werde. Sie solle ihn im Hofe des Anwesens erwarten. Da die Angeklagte Angst hatte, er würde sich tatsächlich erschiessen und da sie ihn liebte, ihn retten und sich erhalten wollte, erklärte sie sich schließlich bereit mit ihm zu fliehen und die von ihm gewünschten Fluchtvorbereitungen zu treffen.

Zu Hause war sie ganz durcheinander. Ihren Eltern wollte und konnte sie sich nicht anvertrauen, weil sie sich wegen ihres gespannten Verhältnisses zu ihnen nichts sagen traute. Noch am 7.11. ging sie durch Würzburg und schaute sich alle Winkel an, um sich von ihnen gewissermassen zu verabschieden. Sie glaubte nicht mehr nach Würzburg zurückzukommen. Am 8.11. löste sie entsprechend der Weisung auf dem Zettel 2 D-Zugfahrkarten nach Innsbruck und packte 2 Koffer. Nach der Weisung ihres Mannes sollte sie nur die unbedingt notwendige Wäsche einpacken. Sie konnte sich jedoch von den einzelnen ihr lieb gewordenen Wäschestücken nicht trennen und packte deshalb recht viel ein.

Am Abend den 8.11. erwartete sie ihren Mann mit den beiden Koffern und den Fahrkarten im Hof des Anwesens. Als er um 24 Uhr nicht kam, atmete sie erleichtert auf. Inzwischen war auch ihr Vater heimgekommen. Sie wollte ihm schon entgegen gehen und ihm alles sagen, getraute sich aber wiederum nicht. Gegen ½ 1 Uhr wollte sie sich bereits in die Wohnung begeben, da kam ihr Mann. Als er die schweren Koffern hob, fuhr er sie an, ob sie verrückt sei, weil sie alles zusammengepackt habe. Er warf die Wäsche teilweise heraus und verpackte das Notwendige in 2 kleinen Koffern, davon die Wäsche in den einen und das übrige in den anderen Koffer. Diese kleineren Koffer standen in einer Halle.

Über seiner Uniform zog er einen Zivilanzug und einen Mantel an und versteckte seine Stiefel und sein Koppel in einem Korbe in der Halle. Dann gingen sie zum Bahnhof und fuhren von Würzburg aus mit dem D-Zug nach München. Sie stiegen in den letzten Wagen ein. Von München aus fuhren sie über Feldkirch nach Bludenz. Auf dieser Strecke passte die Angeklagte auf und gab ihrem Mann ein Warnungszeichen, wenn eine Heeresstreife kam. Bei Tag ging er dann bei Gefahr in die Toilette, bei Nacht stieg er auf das äusserste Trittbrett des Wagens. Auf diese Weise entging er tatsächlich der Kontrolle.

Ursprünglich wollten beide in Feldkirch aussteigen. Als sie jedoch diese Station überfahren hatten, meinte der Ehemann, es sei wegen der strengen Kontrolle in Feldkirch besser, wenn sie bis Bludenz führen. Von Bludenz sei der Weg zu Grenze zwar etwas weiter, dafür um so sicherer. Sie kamen nachts gegen 2 Uhr in Bludenz an und gingen anschließend sofort außerhalb des Ortes, um nicht aufzufallen. Während der ganzen Fahrt hatten sich beide in einer schlechten seelischen Verfassung befunden. Die Angeklagte wollte ihren Mann wiederholt zur Umkehr bewegen. Sie stellte ihm u. a. vor, er solle doch bedenken, dass er mit seiner Flucht als Soldat in eine furchtbare Zukunft gehe. Doch dieser fuhr sei nur an. Bei Morgengrauen begannen sie mit dem Aufstieg auf den Berg “Gol-iath“ (Gottvater?) und zwar von der Nordseite her nach Osten. Sie stiegen bis Mittag auf.

Dann wurde es dem Manne zu heiß. Er zog seine Militäruniform aus und verbarg sie mit der Pistole und der Pistolentasche und mit einem Fotoapparat unter einem Gebüsch. Auch den Wäschekoffer stellte er unter dieses Gebüsch, da er für den weiteren Aufstieg zu schwer war. Sie gingen weiter. Die Angeklagte jammerte ständig und konnte fast nicht mehr weiter. In einer Höhle übernachteten sie. Während der Nacht erkrankte sie und hatte starkes Fieber. Sie bat ihren Mann doch umzukehren. Sie fragte ihn wiederum, was er denn verbrochen habe und warum er die hohe Strafe erwarte.

Darauf hin erklärte er ihr, wenn sie nicht ruhig sei, stürze er sich den Felsen hinunter. Da bekam die Angeklagte wiederum Angst um sein Leben. Da sie aber nicht mehr weiterkam, begannen sie mit dem Abstieg. Ihr Krankheitszustand verschlimmerte sich jedoch und deshalb blieben sie 3 Tage in der Alpe “Gavalina“. Von hier aus liefen sie dann bis Dalaas und fuhren mit der Bahn über Innsbruck-Salzburg, Freilassing nach Cham und gingen von dort nach Prinzing zu den Eltern des Ehemannes der Angeklagten. In Prinzing kamen sie am 17.11. an, blieben aber nur eine Nacht. Von hier aus gingen sie zu Verwandten des Ehemanns nach Kottmailsling. (Kothmaißling?) Auch hier waren sie nur 1 Nacht. Der Ehemann drängte fort.

Auf dem Wege nach Cham zur Bahn erklärte ihm die Angeklagte, dass sie nicht mehr könne, sie sei am Ende. Dieser erwiderte ihr: “Dann schau nur, dass du heimkommst, ich erschiesse mich dann, dann ist alles aus.“ Aus Angst ging sie dann wieder mit. In Cham bestiegen sie wieder den Zug, um abermals zur Schweizer Grenze zu fahren und den Übertritt in die Schweiz nochmals zu versuchen. Doch schon nach einer kurzen Fahrtstrecke wurde der Ehemann der Angeklagten von einer Zugstreife festgenommen. Die Angeklagte konnte ihn dieses Mal nicht mehr warnen, da die Streife bereits vor Abfahrt im Wagen gewesen war und ein Entweichen deshalb nicht mehr möglich war. Der Ehemann der Angeklagten Robert S. wurde durch Urteil des Feldkriegsgerichtes der Div. Nr. 526 Zweigstelle Aachen A 2 St L . I Nr. 306/43 vom 22. 3. 1944 wegen Fahnenflucht im Felde zur Zuchthausstrafe von 6 Jahren, Rangverlust und Wehrunwürdigkeit verurteilt. In der Hauptverhandlung des Feldkriegsgerichts vom 22.3.1944 wurde im wesentlichen der gleiche Sachverhalt festgestellt, wie in der heutigen Hauptverhandlung gegen die Angeklagte.

Die Angeklagte gibt diesen Sachverhalt zu. Sie habe ihrem Manne helfen wollen, um in der Bestrafung zu entziehen, habe allerdings auch erkannt, dass er fliehen wolle. Sie wäre aber niemals mitgegangen, wenn ihr Mann sie nicht dazu gezwungen hätte, dies einmal dadurch, dass er ihr erklärte, er bekomme 20 Jahre Zuchthaus, ihm bleibe nichts anderes übrig als Flucht oder Zuchthaus, zu anderen aber auch dadurch, dass er wiederholt gedroht habe, sich zu erschiessen, wenn sie nicht mitgehe, bzw. weiter mitgehe. Da sie ihn sehr lieb gehabt habe, allein dastehe und ihn deshalb erhalten wollte, hätte sie um sein Leben zu retten mitgehen müssen.

Soweit die Angeklagte nur bestrebt war ihren Ehemann der Bestrafung wegen Urkundenfälschung u. a. zu entziehen, ist sie nach § 257 Abs. II StGB. straffrei (?) Ihre Tätigkeit diente aber nicht nur diesem Zwecke, sondern sollte ihren Mann auch bei seiner Fahnenflucht unterstützen und war hiezu auch geeignet. Insoweit hat sich die Angeklagte aber eines Vergehens der Beihilfe zu einem Verbrechen der Fahnenflucht nach § § 69 Abs. I, 70 Abs. II MstGB. § 49 StGB schuldig gemacht. Sie hat ihrem Manne durch die Tat wissentlich Hilfe geleistet. Sie war sich der Tatsache bewusst, dass sich die Truppe ihres Mannes im mobilen Zustande befand und dass ihr Mann von seiner Truppe fahnenflüchtig werden wollte und wurde. Sie ist deshalb nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv der Beihilfe schuldig.

Nun beruft sie sich und vor allem auch ihr Verteidiger auf den Nötigungsstand des § 52 STGB. Danach ist eine strafbare Handlung nicht vorhanden, wenn der Täter durch eine Drohung, welche mit einer gegenwärtig, auf andere Weise nicht abwendbaren Gefahr für Leib oder Leben seiner selbst oder eines Angehörigen verbunden war, zu der Handlung genötigt worden ist. Diese Bestimmung setzt zunächst eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben des Täters selbst oder eines Angehörigen voraus. Die Gefahr einer körperlich fühlbaren Einsperrung würde genügen. Dagegen werden andere Rechtsgüter, wie Ehre und Freiheit durch diese Bestimmung nicht geschützt. Soweit danach der Ehemann der Angeklagten nur damit “drohte“, dass er 20 Jahre Zuchthaus bekomme, würde diese Bestimmung schon aus diesem Grunde nicht einschlägig sein. Anders hinsichtlich seiner Drohung mit dem Selbsterschießen.

Das er dabei mit “Selbsterschiessen“ drohte, schliesst die Anwendbarkeit dieser Bestimmung an sich nicht aus. Eine andere Frage ist schon, ob bei der Unterredung am 7. 11. im Lazarett eine “gegenwärtige auf andere Weise nicht abwendbare Gefahr“ vorgelegen hat. Eine Untersuchung der Möglichkeiten, die geeignet gewesen wären eine Gefahr abzuwenden, bedarf es jedoch hier nicht, weil auch beim Vorliegen der formalen Voraussetzungen des § 52 StGB., sei es ganz oder nur teilweise, eine Berufung auf diese Bestimmung aus einer anderen Überlegung heraus ausgeschlossen ist. § 52 StGB. verlangt eine gewisse Verhältnismässigkeit zwischen der Schwere der Gefahr und der Schwere der Abwehrhandlung gelegenen Rechtsgüterverletzung, wenn auch nicht verlangt wird, dass das gefährdete Rechtsgut höherwertig ist, als das durch sie verletzte Rechtsgut. Richtmass ist das gesunde Volksempfinden.

Die in der Abwehrhandlung gelegene Rechtsgüterverletzung ist Beihilfe zur Fahnenflucht. Fahnenflucht ist eines der schwersten Verbrechen, dessen sich ein Soldat schuldig machen kann. Sie stellt nicht nur einen Treuebruch, sondern auch einen Verrat am deutschen Volke dar. Sie wiegt umso schwerer, je grösser die Gefahr für die Volksgemeinschaft ist. Unser deutsches Volk steht heute in einem erbarmungslosen Kampf um Sein oder Nichtsein. Wer die Fahne verlässt, verrät sein Volk und hilft damit dem Feinde. Wer bei einem solchen Verbrechen mithilft, macht sich nicht weniger schuldig. Demgegenüber kann das in der Drohung des Ehemannes der Angeklagten zum Ausdruck gekommene Übel keine Rolle spielen, mag diese Drohung nun darin liegen, dass er sich vorstellte, 20 Jahre ins Zuchthaus zu kommen oder sich zu erschiessen. Auch im letzteren Falle müssen die Einzelinteressen den Interessen des gesamten deutschen Volkes nachstehen.

100 000 deutscher Frauen und Mädchen müssen ihre Männer, Brüder und Bräutigame an der Front opfern, weil es die Sicherung der Existenz des ganzen Volkes verlangt. Keine könnte sich darauf berufen ihnen zur Flucht helfen zu dürfen, damit sie an der Front nicht fallen. Nicht anders kann die Sachlage für die Angeklagte gewertet werden. Die Berufung auf den Nötigungsstand des § 52 StGB. ist deshalb verfehlt und muß vom gesunden Volksempfinden abgelehnt werden. Die Angeklagte war deshalb wegen Beihilfe zur Fahnenflucht nach § 69 Abs. I, 70 Abs. II MStGB, § 49 StGB. zu verurteilen.

Beim Strafausmass geht das Sondergericht mit Rücksicht auf die ungeheure Bedeutung der Fahnenflucht im heutigen Existenzkampfes unseres Volkes von der Erwägung aus, dass auch gegen Angehörige, die sich der Beihilfe zur Fahnenflucht schuldig machen, grundsätzlich nur auf Zuchthaus erkannt werden kann. Nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen kann es gerechtfertigt sein, vom Ausspruch einer Zuchthausstrafe abzusehen und nur auf Gefängnis zu erkennen.

Es gilt auch hier der Grundsatz dass das Wohl des Volkes den Interessen des Einzelnen vorzugehen hat. Ein solcher Ausnahmefall liegt aber hier nach der Überzeugung des Gerichts vor. Die Angeklagte ist noch nicht vorbestraft, ist voll geständig und bereut ihre Tat tief. Sie war zum Zeitpunkt der Tat kurz verheiratet und gerade 20 Jahre alt. Sie macht in der Hauptverhandlung noch einen recht jugendlichen, ja teilweise kindlichen Eindruck. Die misslichen Verhältnisse ihrer Eltern wirken auf sie ein, sodass sie sich immer mehr an den Mann anlehnte und bei ihm eine Stütze suchte. Ihre Liebe, aber auch ihre Abhängigkeit von ihm war zweifellos gross und nur dies Abhängigkeit und die Angst um das Leben ihres Mannes, den sie sich erhalten wollte, macht ihre Handlungsweise erklärlich.

Sie hat einen ausgezeichneten Leumund, wird von allen ihren früheren und jetzigen Arbeitgebern auf das glänzendste beurteilt. Sie stand zweifellos bei ihrer Mithilfe unter einem starken seelischen Druck. Alle diese Umstände verneinen, trotz der Schwere des von ihr begangenen Verbrechens, ihre Zuchthauswürdigkeit. Das gesunde Volksempfinden erkennt vielmehr in einem so gelagerten Einzelfall die zu Gunsten der Angeklagten sprechenden strafmildernden Umstände als so bedeutsam an, das es eine entsprechende Gefängnisstrafe als ausreichende Sühne erachtet. Gemäss § 70 Abs. II MstGB §§ 49,44 Abs., IV, 21 StGB, hat deshalb das Sondergericht an Stelle einer verwirkten Zuchthausstrafe von 6 Monaten auf eine Gefängnisstrafe von 9 Monaten als ausreichende Sühne erkannt.

Die Angeklagte ist seit 2.6.1944 in Untersuchungshaft. Mit Rücksicht auf ihr Geständnis hat das Gericht 6 Tage Untersuchungshaft auf die erkannte Strafe angerechnet. Kosten: §§ 464, 465 StPO gez. Förtsch gez. Freihalter gez. Schlee Zur Beglaubigung: Würzburg, den 14. Juni 1944 Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sondergerichts: Justizsekretär (Unterschrift Unleserlich)