die Pandemie hat auch ihre guten Seiten. Ich habe das Buch von Michael Wedel: „Wilfried Berghahn – Filmkritiker“ mal anders gelesen als sonst meine Buecher. Vorwiegend im Umgang mit dem Gebrauch und dem Lesen von Fremdworten. Michael Wedel hat viele Texte von Wilfried Berghahn herausgesucht. Einige davon kannte ich aus meiner Filmjugend. Die hatte ich in meiner damaligen Lieblingszeitschrift „Filmkritik“ gelesen, aber meistens nicht verstanden. Das geht mir heute natuerlich anders. Auch den Umgang mit mir fremden Worten hat sich seit dieser Zeit bei mir geaendert.
Zum Umgang mit Fremdworten: Ich habe da verschiedene Entwicklungsstufen. Erste Stufe: Wenn mir Worte fremd sind und ich ihre Bedeutung nicht erkennen kann, schaue ich nach. Zweite Stufe: war dann oft die Feststellung, das die eingesetzten Worte falsch verwendet wurden oder ihr Einsatz machte bei vielen Texten keinen Sinn. Im Gegenteil: Der Autor, oder die Autorin versteckt sich hinter etwas und taeuscht Wissen vor, das nicht vorhanden ist. Schaumschlaegerei. Vortaeuschung von Intellektualitaet, die aber auch nicht vorhanden ist. Angeberei.
Daraus folgend die dritte Stufe. Nach der Erfahrung mit Texten, wo der Einsatz der Worte fehlerhaft ist: Einfach ueberlesen und so stehen lassen. Bei den Texten von Wilfried Berghahn habe ich es anders gemacht und mir jedes mir fremde Wort nachgesehen und habe erfahren, dass es tatsaechlich Texte gibt, wo es einen Sinn macht, im Fremdwoerterbuch nachzusehen. So ist eine stattliche Summe von Worten entstanden, die in den Texten von W.B. tatsaechlich Sinn machen.
Hier eine kleine Auswahl der von ihm verwendeten Worte:denaturieren=introspektiv=puerilen=evaporieren=travestieren=ridikuele.
Und ich stelle fest. Zum ersten Mal in meinem Leben, hat mir das Fremdwoerterbuch die Sicherheit verschafft, dieser Wilfried Berghahn kennt (kannte = weil schon verstorben) tatsaechlich die fremden Worte, die er benutzt, Verzeihung, natuerlich benutzte.
Manchmal kommen natuerlich die Fragen, ob es nicht die einfachen Worte auch gebracht haetten. Aber was solls. Darauf lasst uns pekulieren. Verzeihung- ich meinte natuerlich: pokulieren.
Und fuer alle Menschen, die ueber kein Fremdwoerterbuch verfuegen:(abgeschrieben aus dem Duden Fremdwörterbuch vom Juli 2001):
denaturieren= 1) Stoffe durch Zusaetze so veraendern, dass sie ihre urspruenglichen Eigenschaften verlieren, 2) vergaellen, ungenießbar machen 3) Eiweißstoffe chemisch irreversiberl veraendern. Darunter das naechste Wort ist: denazifizieren = entnazifizieren. introspektiv = auf dem Weg der Innenschau, der psychologischen Selbsterkenntnis. puerilen = kindlich, im Kindesalter vorkommend, dafuer typisch. evaporieren = a) verdunsten, b) Wasser aus einer Fluessigkeit (bes. Milch) verdampfen lassen u. sie auf diese Weise eindicken. travestieren = 1) als Travestie darbieten. 2) ins Laecherliche ziehen. (Anmerkung des Lesers: Ein Fremdwort mit einem anderen Fremdwort zu erklaeren, dazu gehoert schon was, aber das genannte Wort steht direkt da drueber: Travestie = Umkleidung: komisch-satirische literarische Gattung, die bekannte Stoffe der Dichtung in eine ihnen nicht angemessene Form uebertraegt; vgl. Parodie. ridikuel = laecherlich (dahinter steht noch: veraltend, was auch immer das heissen soll). Pekulieren fehlt in dieser Dudenausgabe, aber das Wort pokulieren ist da = zechen, stark trinken. Hier steht dahinter: (veraltet) und das wollen wir den Damen und Herren aus Mannheim, Leipzig, Wien und Zürich mal glauben. Jens
„1393: Hamburgische Truppen, unterstützt von 800 Wurstfriesen, erstürmen das Schloß Ritzebüttel. Die Besigten mußten schwören, das „dies in rechter und ehrlicher Fehde geschehen sei.“ „1394: Die Hamburger schlossen mit Wolder und Alweick Vedderen einen Kaufkontrakt ab. Hamburg erwarb damit das ein Jahr vorher eroberte Schloß Ritzebüttel mit den Gemeinden „zu ewigen Zeiten“. Cuxhaven hat damals anscheinend nicht existiert, es wird in dem Vertrag nicht erwähnt.“ Leider wird in dem Text nicht erklärt, was denn nun „Wurstfriesen“ sind. Oder ist das vielleicht nur ein sogenannter“Druckfehler“?
Oder: Nachrichten aus dem Bezirksamt. (Ein Brief an einen Rechtsanwalt)
Es ist doch erstaunlich, wie eine Behörde, die doch eigentlich für die Bürger da sein soll, sich gegen die Bürger wendet. Das erinnert mich ein wenig an die Methoden der Bild Zeitung „Bild kämpft für Sie“, die den Lesern dieser Zeitung signalisiert, sie sei auf ihrer Seite, um sie anschliessend mit einer Skandalgeschichte an den Pranger zu stellen.
Damit verstanden wird, was mit diesem Vergleich gemeint ist, hier meine Geschichte über den § Schein für die Englische Planke mit dem Bezirksamt Altona .
Seit 1995 bin ich in der Wohngruppe Pauline, die sich damals vorgenommen hatte, gemeinsam ein Haus zu planen. Wir liessen uns auf der Warteliste der Baubehörde für ein Grundstück der Liegenschaft registrieren.
Nach vielen Mißerfolgen meldete sich 2002 der Bauverein der Elbgemeinden bei uns, bei dem ich selber seit 1983 Mitglied bin und bot uns ein Grundstück für eine Wohngruppe in der Englischen Planke an. Es handelt sich um Genossenschaftswohnungen, die im sozialen Wohnungsbau errichtet werden sollten.
Die Planungen gingen zügig voran und im Herbst 2005 war es dann so weit, daß die § 5 Scheine für die geplanten Wohnungen der Wohnungsbaukreditanstalt vorgelegt werden sollten, damit die Kreditvergabe an den Bauverein der Elbgemeinden erfolgen könne.
An dieser Stelle kommt das Bezirksamt Altona ins Spiel. Mit den notwendigen Unterlagen (Gehaltsbescheinigungen, Ausbildungsvertrag u. a.), erschien ich am 15. Dezember 2005 im Bezirksamt Altona und wollte einen gemeinsamen § 5 Schein für mich und meinen Sohn beantragen. Die Mitarbeiterin stellte mir die Frage, ob ich schon früher einen § 5 Schein erhalten habe und ich antwortete wahrheitsgemäß mit Ja.
Darauf hin erklärte mir die Mitarbeiterin, daß dieser ein Jahr gültig sei und wenn ein neuer ausgestellt werde, dann müsse erst der alte § 5 Schein vorher zurückgeben werden.
Ich erwiderte darauf hin, daß der neue § Schein erst im März 2007 zur Anwendung käme und dann der alte § 5 Schein ohnehin (ausgestellt im Mai 2005) abgelaufen sei. Für diese Lage wusste sie keinen Rat und ich bat darauf hin, mit ihrem Vorgesetzten sprechen zu können.
Herr Siegmann, der damalige Leiter der Wohnungswirtschaftlichen Abteilung, war nicht in seinem Büro und ich wartete geduldig 1,5 Stunden vor seiner Tür, bis er endlich erschien.
Er war sehr freundlich und er wurde von mir umfassend informiert, durch welche Umstände ich gezwungen war, einen zweiten § 5 Schein zu beantragen, obwohl der erste noch vier Monate gültig war.
Das Gespräch dauerte ca. 15 Minuten. Herr Siegmann erhielt von meiner Seite aus alle Informationen, mit denen jetzt von Mitarbeiterinnen des Bezirksamtes versucht wird in rhetorisch denunziatorischer Weise “ . . . zwischenzeitlich habe ich festgestellt . . . “ “ . . . dieser Verdacht erhärtet sich dann noch noch“ . . . usw. diese gegen mich zu verwenden.
Jedenfalls versprach Herr Siegmann am 15. 12. 2005 sich um eine Lösung des Problemes zu kümmern. Herr Siegmann wolle sich bei mir melden, so wurde mir von ihm versprochen. “ . . . notfalls müsse ich eben, in den sauren Apfel der Zweitwohnungssteuer beissen“, meinte Herr Siegmann am Ende unseres Gespräches.
In diesem Zusammenhang weise ich ausdrücklich darauf hin, daß ich in keinem dieser beiden Gespräche von den Mitarbeitern des Bezirksamtes Altona darauf hingewiesen wurde, daß es sozusagen strafbar sei, in Hamburg zwei verschiedene Mietverträge mit § 5 Schein Wohnungen zu haben.
Hätte ich tatsächlich die Absicht gehabt, wie jetzt von MitarbeiterInnen des Bezirksamtes behauptet wird, in “ . . . betrügerischer Absicht ein Gesetz umgehen zu wollen“, dann hätte ich in dem Gespräch mit dem Leiter der Abteilung nicht alle Umstände offen gelegt.
Jedenfalls meldete sich Herr Siegmann in den folgenden Wochen nicht bei mir und ich beschloss darauf hin, in den sauren Apfel der Zweitwohnungssteuer zu beissen und mich mit Hauptwohnsitz in der Billrothstrasse anzumelden und auf diese Weise die Situation für die Verwaltung der § 5 Scheine ein wenig einfacher zu machen.
Aus der Tatsache, daß Herr Siegmann sich nicht bei mir gemeldet hat, gehe ich heute davon aus, daß er gar nicht die Absicht hatte, einen Verwaltungsvorgang zu vereinfachen, sondern lediglich, die von mir erhalten Informationen dazu verwendet hat, um seine Mitarbeiter anzuweisen, ein entsprechendes Verfahren gegen mich einzuleiten. Das entspricht dann dem zitierten „Bild kämpft für Sie“ Vorwurf.
Der Brief ist vom 13. 05. 2006 und könnte auch vom 13.05. 2022 sein. Vermutlich sind die handelnden Personen andere.
Drehbuchschreiben soll ein einträgliches Gewerbe sein. Das weiß ich schon seit 1969 von dem Sohn eines Massenmörders, der seine Arbeit als Drehbuchumschreiber, wie er meinte, locker verdient hat. Niklas Frank. Seinen Text, den er damals in der Zeitschrift Film veröffentlicht hatte, habe ich Dir beigefügt.
Rezepte zum Drehbuchschreiben für Fernsehfilme gibt es natürlich nicht. Das wäre ja sicher auch verboten. Sowas. Und es geht ja auch gar nicht darum, Anweisungen für die Drehbuchherstellung von Fernsehfilmen zu geben. Im Gegenteil.
Diese Rezeptbücher für die sogenannten Kriminalfilme des Fernsehens scheint es schon zu geben. Wie anders wäre es zu erklären, das immer wieder die gleichen Standard Situationen gezeigt werden? Was sozusagen überall wiederkehrt. Zunächst die Fragen:
Je nach Länge des Filmes kommt es zu Verhaftungen eines Verdächtigen. Meist, je nach Länge des Filmes, im dritten Drittel des Filmes. Bei einem Neunzigminutenfilm also in Minute 6O. Es ist die immer wiederkehrende Frage nach dem Alibi.
Die lautet meist: Wo waren sie am 23. zwischen 23.00 und 24.00 Uhr? Es gibt Variationen. Zum Beispiel diese: Wo waren sie am 25. zwischen 20.00 und 22.00 Uhr. Eine Regel lautet, Mord findet im Dunklen statt. Weil im Dunkeln lässt sich besser morden und die Zahl der Verdächtigen ist damit geringer.
Schließlich gibt es nur 90 Minuten, in denen alles abgewickelt werden muß. Der Anfang ist einfach. Meist hat der Mord bereits vor Beginn des Filmes stattgefunden. So bleibt mehr Zeit für den Besuch der Leichenbeschau. Immer wieder die erste Frage, wann ist der Mord genau passiert.
Die Standardantwort, die bei 99 % der Filme zum Einsatz kommt, ist eine Verzögerung in der Weise, daß diese Frage erst nach der vollständigen Obduktion beantwortet werden kann. Ist die Kommissarin oder der Kommissar besonders hartnäckig, dann gibt der »Obduzierer«, da kommen neuerdings auch oft Schauspielerinnen zum Zug, dann einen Zeitraum an. Meistens zwischen 22.00 und 23.00 Uhr. Auch da gibt es Variationen. Zum Beispiel, wenn der Todeszeitpunkt in der Hellphase eingetreten ist. Zwischen 9.00 – 12.00 Uhr. Regel: Je länger der Zeitraum, desto mehr mögliche Täter.
Zur Wahl stehen, bei Wasserleichen 10 Tage bis mehrere Monate, bei einfachen Leichen kürzere Zeiträume. Um Sendezeit zu gewinnen werden oft längere Zeiträume genannt, die im Verlauf des Filmes dann präzisiert werden. Oft kommt jetzt die Frage, ob das Opfer Gegenwehr geleistet hatte.
Wenn die Variante keine Gegenwehr vom Drehbuchautor gewählt wurde, kommt dann regelmässsig der Hinweis, das das Opfer seinen Mörder oder seine Mörderin, das ist eher selten, gekannt haben muss.
Bei dem weiblichen Mordopfer kommt dann regelmässig noch die Frage, ob sich Sperma in der Vagina befunden hat. Das wird meist anders ausgedrückt. Es schauen ja auch Kinder zu. Besonders dann, wenn vorher der Warnhinweis kam, dass dieser Film für Jugendliche ab . . . nicht geeignet sei.
Offensichtlich ist ein Film mit einer Vergewaltigung spannender als einer ohne. Manchmal wird die Ermordete weder als Leiche noch im Leichenschauhaus gezeigt. Dann sind die Verletzungen und Verstümmelungen so erheblich, dass kein Maskenbildner diesen Zustand mit herkömmlichen Fernsehmitteln herstellen könnte.
Wenn doch ein solcher Zustand gezeigt werden soll, um dem Zuschauer noch einen Schrecken einzujagen, dann greift man auf Fotos zurück, die vermutlich aus Archiven stammen und auf tatsächliche Verbrechen zurückgehen.
Neuerdings kommen immer mehr Mobiltelefone in die Drehbücher hinein. Da geht es immer darum, wo das Mobiltelefon eingelockt war, als der Mord geschah. Das bedenken viele Mörder bei den Vorbereitungen des Mordes oft nicht und sind dann meistens auch dran. Als Regel für den Fernsehzuschauer bleibt erhalten: Das Mobil Telefon beim Mord besser zuhause lassen und abschalten.
Die Lagerung im Eisfach des Kühlschrankes wird selten propagiert. Auch das Entfernen des Akkus, das bei modernen Mobiltelefonen kaum noch möglich ist und damals eine gute Möglichkeit war, nicht geortet werden zu können um den Häschern zu entkommen, wird nicht mehr gezeigt. Das könnte womöglich den Absatz dieser Geräte stoppen. Und das wollen wir ja nicht. Wegen der Arbeitsplätze in der Industrie und so.
Schließlich stehen nur 90 Minuten Filmlänge zur Verfügung. So muß auch die Zahl der Verdächtigen eingegrenzt werden. Fünf Verdächtige zu verhören dauert einfach länger als zwei oder drei.
Auch die Antworten sind standardmässig erfasst. Am unverdächtigsten ist immer noch, wenn der potentielle Täter oder die potentielle Täterin für die Tatzeit kein Alibi hat, was eigentlich nur bedeutet, das der Mord nicht genügend vorbereitet wurde und deshalb vielleicht gar keiner ist und die Tat im Affekt stattgefunden hat und damit strafrechtlich ein Totschlag ist, wie wir als aufmerksame Zuschauer schon lange wissen.
In fünfzig von hundert Alibifällen ist es die gutmütige Freundin oder der gutmütige Freund, der dem potentiellen Täter oder der Täterin ein, natürlich falsches, Alibi verschafft, in dem behauptet wird, man sei die ganze Nacht mit jener Person im Bett gewesen. In Familienkriminalfilmen sind es immer die Ehefrauen, die dann aber hinterher, wenn der Kriminal weg ist, ein Theater anfangen.
Auf die Tätigkeiten, die man in dieser Alibizeit ausgeübt hat, wird nicht weiter eingegangen, aber alle wissen natürlich, was da stattgefunden hat.
Im Kriminalfilm wird darauf weiter nicht eingegangen, dass das Alibi natürlich nur Bestand hat, weil in dieser Zeit der Geschlechtsverkehr stattgefunden hat.
Niemals unterstellt der Kriminalbeamte, dass nach erfolgtem Geschlechtsverkehr, der Mörder oder die Mörderin das Bett verlassen hat, um noch schnell mal jemanden um die Ecke zu bringen, während der Geschlechtspartner oder die Geschlechtspartnerin geschlafen hat.
Dieser Verdacht eines Beamten oder einer Beamtin erübrigt sich zumeist. Vor allem deshalb, weil in der nächsten Einstellung des Filmes, der Grund für das falsche Alibi auftaucht. Die Polizei und wir haben es ohnehin gewußt.
Manchmal gibt es richtige Alibis und dann meist einen weiteren Verdächtigen, was den Film ein wenig länger macht. In den englischen Serien, besonders bei den Filmen der BBC, die bei uns ausgestrahlt werden, kommt eine bestimmte Technik bei der Verfolgung der Straftäter immer wieder zum Einsatz.
Fünf Beamte, die zusammen einen Täter suchen. Alle machen irgend was. Verhören. Telefonkontakte überprüfen. Versicherungspolicen überprüfen. Kontobewegungen überprüfen. Überwachungsvideos ansehen und was es der Tätigkeiten sonst noch so gibt. Die Ergebnisse landen alle auf einer Tafel an der Wand. Das wird jetzt immer beliebter und hat sich, glaubt man den Drehbuchautoren, sogar bis Lübeck rumgesprochen.
Und der Hauptkommissar hat in Minute 78, bei Filmen mit einer Länge von 90 Minuten, einen Einfall, der alle Mitarbeiter erstarren lässt. Er hat die Lösung gefunden und hält diese vor seinen Mitarbeiterinnen und seinen Mitarbeiter und vor uns natürlich geheim, weil sonst würden wir ja jetzt auf einen anderen Kanal wechseln .
Damit das nicht passiert, beauftragt der Oberkriminal, alle Verdächtigen zusammen zu rufen. Und dann brilliert er mit seinen Kriminalkünsten und verkauft die Sache so, daß seine Mitarbeiter und die Mitarbeiterinnen alles ganz logisch finden, was da passiert.
Und weil die das laut Drehbuch logisch finden, finden wir Zuschauer es auch logisch, was sich der Drehbuchautor oder die Drehbuchautorin da so zusammen spintisiert hat.
Und sei es noch so herbeigeholt. Hauptsache, der Täter oder die Täterin wird am Ende des Filmes überführt. Meist wird er in Handschellen abgeführt. Meist Männer. Frauen werden selten Handschellen angelegt.
Nur, wenn sie als ganz böse, oder ganz hinterhältig dargestellt werden. Wenn der Film noch ein bißchen länger gehen soll, dann gibt es manchmal noch einen Fluchtversuch, der in 90 % aller Fälle aber scheitert. Den gibt es auch mit der Variante Geiselnahme und Pistolenklau.
Auch die Variante, das ein überführter Täter oder eine Täterin, sich der gerechten Strafe durch einen Sprung aus dem Fenster oder dem Schuss aus der Pistole, den er im Zweifelsfall der ermittelnden Polizisten entwendet hat, rettet, oder umbringt kommt vor. Mißlingt aber meistens, weil dann wird der Film zu lang.
Das führt im Regelfall dann zur nächsten Szene, in der den ermittelnden Beamten und Beamtinnen von dem Vorgesetzten oder, was jetzt immer häufiger vorkommt, der Vorgesetzten, der Kopf gewaschen wird.
Das geschieht meist in der Form, dass sie ihre Pflichten grob verletzt haben. Sie hätten einen Selbstmord, der zu vermuten war, auf jeden Fall verhindern müssen.
Nun kommen wir zu den besonderen Bildern. Ein wiederkehrendes ist, wie der Polizeibeamte oder die Polizeibeamtin, dem Täter beim Einstieg in das Polizeifahrzeug, für mich immer noch Peterwagen, in der Weise hilft, dass er ihm oder ihr auf den Kopf drückt, damit er oder sie sich nicht den Kopf an der Karosserie des Peterwagens stößt.
Vor der Verhaftung kommt in vielen Filmen noch die Verfolgungsjagd und dann die Festnahme. Die Verfolgungsjagd hat, auch im Fernsehfilm verschiedene Varianten:
1) Zu Fuss (eher selten)
2) Mit dem Auto (sehr oft)
3) Mit der U-Bahn (eher selten)
4) Mit dem Zug (manchmal)
5) Mit dem Schiff (ganz selten)
6) Mit dem Pferd (wenn der Film Gmb spielt)
7) Mit dem Fahrrad (fast nie)
Das alles gibt es natürlich auch in einem »richtigen« Film, bei dem manchmal nicht an Geld gespart wird. Bei dem fürs Kino. Besonders ermutigend im richtigen, amerikanischen Film ist die Großzügigkeit mit der, vorwiegend große Autos, dabei zerstört werden. Das macht mir immer besonders viel Freude, wenn auf den Straßenkreuzungen die Straßenkreuzer zu Schrott gefahren werden.
Eine Steigerung des Vergnügens gibt es nur noch dadurch, wenn es sich dabei um Polizeifahrzeuge handelt, die hier zu Schrott gefahren werden.
Das geht natürlich in einem deutschen Fernsehfilm nicht, viel zu teuer, es sei denn, der unzulässig hohe Verdienst, der in Wahrheit nicht Verdienst heissen dürfte, den der Intendant des Senders jeden Monat erhält, würde um die entsprechende Summe der zu zerstörenden Fahrzeuge gekürzt. Was auch ein guter Vorschlag ist. Wozu braucht der Intendant vom WDR 490 Tausend Euro im Jahr?
Doch das wird, so lange es »Öffentlichrechtliche« Sender gibt, sicher nicht passieren. Das mit der Fahrzeugzerstörung auf der Kreuzung. In Fernsehfilmen wird höchstens mal ein Auto gegen einen Baum gefahren, und das haben sie sich sicher vorher vom Schrottplatz geholt. Eben receycelt. Grünes Fernsehen. Nachhaltig. Eben.
Für das nötige Kleingeld wird notfalls noch ein Wetterbericht eingeschoben, den vielleicht eine noch andere Müslifirma finanziert. Wetterberichte, alle zehn Minuten dargebracht, kann es gar nicht genug geben. Und jeder Meterologe sieht es gern, wenn sich das Wetter an seine Vorhersagen hält.
Auch die Berichte von der Börse, die vermutlich nur wenige Personen wirklich interessieren, verkürzt auf jeden Fall die zu finanzierende Sendezeit. Manchmal ist es sogar so, dass abgehalftetete Moderatoren sich ihre Zuteilungen noch ein wenig aufbessern, in dem sie selber in den Ratesendungen, Quiz genannt, den Blödmann oder die Blödfrau machen.
Das kommt immer gut. Sieht es doch jeder gern, wenn es im Fernsehen hochbezahlte Leute gibt, die noch weniger wissen, als man selber. Solche Sendungen machen uns Mut und sind deshalb scheinbar besonders beliebt.
Die scheinen noch preisgünstiger als die Fußballspiele zu sein, mit denen man neuerdings das Wochenendabendprogramm gestaltet.
Und wenn was falsch gemacht wird, trifft die Schande nicht die Fernsehredakteure, die für langweilige Fussballspiele nicht verantwortlich zu machen sind.
Für langweilige Filme, selbst produziert oder angekauft, schon. Und nicht erst bei der siebten Wiederholung. Doch nun zurück zum eigentlichen Thema: Der durchschnittliche Kriminalfilm mit einer Leiche und einem Mörder, wahlweise, aber höchst selten, mit einer Mörderin. (wird fortgesetzt oder auch nicht)
Nachtrag: Wiebeke hat mich zu Recht darauf hingewiesen, dass in den neueren Fernsehfilmen der Datenstick und der Datenklau eine große Rolle spielen. Nachts wird eingebrochen. Dann die aufregende Szene, wie das Passwort herausgefunden wird, während gleichzeitig der Wachdienst im Anmarsch ist. Manchmal mit der Variante, dass draußen eine Komplize oder gar eine Komplizin Schmiere steht. So nennt man das aber heute nicht mehr. Ja. Das müsste auch mal behandelt werden. Aber das passiert dann in einem der nächsten Briefe an Wiebeke.
eben hatte ich noch mal auf der dffb-Alumni Seite nachgesehen und bemerkt, dass Deine Fotos dort hochgeladen sind. Bei der Suche nach dem Rio Hotel habe ich in das elektronische Adressbuch von Berlin im Straßenverzeichnis nachgesehen. Und daher meine Frage, bist Du sicher, das das Hotel in einer Seitenstrasse von Kudamm war? Die Nummer 58 auf Deinem Foto hat mich ermuntert mal nachzusehen. Und da gab es 1970 ein Hotel Rio Steiner in der Albrecht Achillesstraße 58. Und der Eingang, den die Suchmaschine dort heute praesentiert, sieht Deinem Foto sehr aehnlich, die Leuchtreklame ist natuerlich verschwunden, aber sonst koennte es stimmen. Ich hab schon mal eben eine Eingeborene (Berlinerin) angerufen, aber wie das bei den Berlinern und Berlinerinnen so ist, die kennen immer nur den Bezirk, in dem sie selbst gewohnt haben (Britz), J.
Lieber
J.,
Chapeau, das wird tatsächlich der Eingang zum ehemaligen Etagenhotel RIO gewesen sein. Die Tür wurde zwar inzwischen geändert, auch das Fernster rechts ist umgebaut worden. Aber die ehemalige Leuchtfläche ist noch gut erkennbar und der Fensterumbau ist eine Vergrößerung nach unten. Das in der vorletzten Mail mitgeschickte Foto 1979-1982 zeigt das genaue Gegenüber des Hoteleingangs. Im Google-Streetview-Foto sieht man, dass jetzt der Verkehrsschildmast fehlt. Aber gut ist noch ein Teil der weißen Banderole am Baum zu erkennen, die nur auf der Straßenseite aufgetragen war. Auf dem SW Foto ist ein kleines Stück erkennbar, auf dem Streetview-Foto sieht man den inzwischen verblichenen Rest. In meiner Erinnerung hatte ich das Hotel weiter Richtung Gedächtniskirche verortet, aber wenigstens stimmt die Ku-Damm Nähe. Ist ja auch vor 42 Jahren gewesen . . . LG J. (Ist Britz noch Berlin? Denn Berliner und Fernreisen über die eigene Schrebergartenparzelle hinaus ist so’ne Sache. Bin selber mit einer Mariendorferin verheiratet.)
Hallo J.,
ja D. (geboren in Berlin) hat das glaubwuerdig versichert, das Britz noch in Berlin liegt und da ich damals auch ihr Elternhaus besichtigt habe, kann ich das bestaetigen. Und das mit dem Hotel, da ist es gut, das wir darueber geschrieben haben. Jetzt setze ich die Anschrift dahinter, wer weiss, ob das Haus nicht spaeter mal abgerissen wird. Die Fotos von Dir sind wirklich gelungen, J.
Hallo J,
Danke fuer die Blumen. Hoffentlich verzeiht mir D., falls ich ihr mal im Britzer Garten begegne. Lg, J.
Hallo J.,
da gibt es ja noch eine Geschichte zu schreiben und die ist auch ganz kurz. Zuerst habe ich die Dame 1977 nach Hamburg gelockt. Als dann ihre Mutter, die Hausbesitzerin starb, hat D. zum Abschied ein kleines Buechlein mit dem Titel „Das Haus meiner Mutter“ gemacht (noch nicht vergriffen, es gibt noch einzelne Exemplare, hat mir die Autorin versichert). Ein paar Jahre lang ist D. dann immer wieder mal hingefahren, um nach dem rechten zu sehen. Es handelte sich um eine Doppelhaushaelfte in einer Siedlung, die nach dem ersten Weltkrieg entstanden war. (Das Haus ihrer Großeltern). Als dann klar war, dass weder sie noch unsere Kinder in den Haselsteig zurueckkehren wuerden, hat sie das Haus der Mutter verkauft. Und zwar in einer Zeit, als selbst im Haselsteig die Grundstueckspreise sehr gestiegen waren. Immerhin nicht an einen Bodenspekulanten, sondern an die Nachbarstochter, der es im Haus ihrer Mutter (!) zu eng geworden war. Kurz nach dem Verkauf machte ein starker Sturm der Tanne, die im Garten stand, ein Ende. Gottseidank Westwind, oder war es Ostwind, sodaß die Tanne nicht auf das Haus ihrer Mutter gefallen ist. Das Haus steht also noch immer im Haselsteig Nummer 13. Im Nachbarort (in Rudow), wo D. nie gewesen ist, gibt es noch eine Filmgeschichte zu erzaehlen, das mache ich jetzt aber nicht. Nur der Hinweis. Dort hat Ilse Kramp, die nach ihrer Heirat 1938 Ilse Kubaschewski hieß, ihr erstes Kino aufgemacht. D. ist in dem Kino nie gewesen, obwohl es doch eigentlich um die Ecke lag,
Abteilung: Nutzloses Wissen. Das Rätsel ist gelöst. Das Hotel (Etagenhotel) war 1979 in Berlin in der Albrecht Achilles Straße Nummer 58. Und hier die Fotos von Jochen Hergersberg. Auf dem Foto ist Martin Streit bei den Dreharbeiten zu Henry Angst zu sehen. Und wer genau hinsieht stellt fest: Es handelt sich um zwei Hotels in zwei verschiedenen Stockwerken. Hotel Rio ist im ersten Stock und das Hotel Steiner im dritten Stock. Damit sind alle Unklarheiten beseitigt. Beide Hotels gibt es heute (2021) nicht mehr.
Das Märchen von Ali und Fatima (Hab das am 19.10.79 im Rias gehört. Weil ich da aber schon fünf Tage nichts mehr gegessen hatte, kanns sein, daß mir beim Nacherzählen einiges durcheinander geraten ist).
Es war einmal ein mächtiger König im Morgenland, der, wie das in seinen Kreisen häufig vorkommt, eine wunderschöne Tochter hatte. Die hieß Fatima. Und weil es in diesen alten Märchen oft recht patriarchalisch zugeht, begann der König dann auch, nach einem geeigneten Schwiegersohn Ausschau zu halten, als Fatima zu einer Blüte des Orients herangewachsen war, wie es in einem zierlichen Sonett des Hofdichters Abu Klöpack ohne Übertreibung hieß. Die Bewerber standen Schlange: Prinzen aus fernen Ländern, smarte Vertreter der Ölmultis, berühmte Leinwandhelden und scharmante Abgesandte aus den Politbüros von Ländern, wo manches noch realer ist als der Sozialismus.
Es begab sich nun, daß der König einen Traum hatte: sein alter Kammerdiener Ali und Fatima wurden darin zum Ehepaar. Er erzählte seinem Wesir Egbert Dreckpferd von dem närrischen Traum, und die beiden hielten sich die Bäuche vor Lachen über solchen Unsinn. Als der König in der Nacht darauf abermals von der Vermählung seiner Tochter mit dem alten Kammerdiener träumte und wie sie nach der Feier auf einem weißen Schimmel davon ritten, erschrak er doch, denn es fiel ihm das alte jemenitische Sprichwort ein: ‚Dreimal geträumt ist fast schon geschehen‘. Als der König dem Wesir davon erzählte, meinte der: “Ach was, Träume sind Schaumgummibäume.“ Vor lauter Übereifer hatte er sich versprochen, denn er dachte an die vielen Bakschischs der Freier Fatimas, die ihm entgingen, wenn sie etwa mit einem Mann vermählt würde, dem der tüchtige Wesir keine Hoffnungen gemacht und von dem er noch keine kleinen Geschenke erhalten hatte.
Als der König aber in der folgenden Nacht zum drittenmal träumte, das sein alter Kammerdiener und seine junge Tochter Mann und Frau wurden, geriet er fast in Panik und rief Egbert Dreckpferd zu sich. Der Wesir versicherte, nach wie vor nicht an Träume zu glauben, hätte aber zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung dem König gern empfohlen, den alten Ali einen Kopf kürzer zu machen. Da er jedoch wußte, daß der König an dem alten Kammerdiener hing, unterbreitete er einen anderen Plan, den der König schließlich gut hieß. Er ließ Ali holen und sprach: “Ich habe einen wichtigen Auftrag für dich, von dem die Zukunft meiner Tochter abhängt. Du sollst die Berge des Schicksals aufsuchen und dich erkundigen, ob das Leben ein Traum und Träume Wirklichkeit sind. Frage auch nach dem Sinn des Lebens und ob es einmal eine Gesellschaft geben wird, in der alle Menschen glücklich sind und liebevoll miteinander umgehen.“
Der alte Ali sattelte sein nicht minder altes Kamel, packte Proviant in die Satteltaschen und ritt los. Der König hatte noch leichte Gewissensbisse, da weder er noch der Wesir wußten, ob es die Berge des Schicksals überhaupt gibt und er befürchten mußte, seinen alten Ali niemals wiederzusehen. Der zog indessen gemächlich, aber auch so stetig es sein altes Kamel zuließ, in die Welt hinaus und fragte überall nach den Bergen des Schicksals. So erreichte er eines Tages eine alleinstehende Dattelpalme, die ihn fragte, wie er denn in diese trostlose Gegend geraten sei. Ali sagte, er sei unterwegs zu den Bergen des Schicksals und habe im Auftrag seines Königs einige wichtige Fragen an das Schicksal zu richten. “Ach,“ seufzte die Dattelpalme.“Auch ich hätte eine Frage an das Schicksal: ich steh mir hier schon seit vielen Sommern den Stamm in die Blätter und trage keine Früchte. Ich weiß gar nicht, wozu ich auf der Welt bin.“ Ali wußte der Palme auch keinen Rat, versprach aber, das Schicksal auf ihr Problem anzusprechen, und zog weiter.
Er entkam mit knapper Not einem Wüstensturm und einer Horde Arabien-Touristen aus Schlamerika, die sofort ihre Fotoapparate zückten, als sie seiner ansichtig wurden, hängte einen Greiftrupp des BeKaA ab, der in ihm einen Drahtzieher des internationalen Terrorismus vermutete, und gelangte zu einem kleinen Tümpel. Auch der Tümpel war von der neugierigen Sorte und fragte Ali nach woher und wohin. Bereitwillig erzählte der auch dem Tümpel von seiner schicksalhaften Mission, und es stellte sich heraus, daß auch der Tümpel, der merkwürdigerweise etwas berlinerte, eine Frage an das Schicksal hatte. “Also weeßte,“ sagte der Tümpel,“ ich hab garkeen Bock mehr. Mein Wasser ist so schmutzich und übelriechend, datte denkst, Schering hätt seine Jauche in mir abjelassen, wa, und keen Mesch will in mir baden oder von mir trinken. Wat soll ik bloß machen, Alter?“
Ali wußte ihm auch nichts weiter zu raten als abzuwarten, bis er das Schicksal auch in dieser Sache interwjut habe, und bat ihn, in der Zwischenzeit nur nicht auszutrocknen. “Iwowerikdenn, I wo wer ik denn,“ blubberte der Tümpel. Nach jahrelanger Reise und als er die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, gelangte Ali endlich doch in die Berge des Schicksals, und nach einigem hin und her erfuhr er, daß er in einem bestimmten Tal in einer Vollmondnacht die Pressesprecherin des Schicksals treffen könne. Tatsächlich traf er dort in der nächsten Vollmondnacht eine alte Frau, die bereit war, seine Fragen anzuhören. Und so fragte er, wie ihm aufgetragen war, ob das Leben ein Traum und Träume Wirklichkeit seien. Darauf nickte die Alte nur ein wenig (aber nicht etwa so stark und ausdauernd wie der Kammergerichtsrat Dr. Wolldecke in Berlin) mit dem Kopf, und das sollte heißen ein bißchen ja und ein bißchen nein.
Auch die Frage nach dem Sinn des Lebens, und die dritte Frage, ob es einmal eine Gesellschaft geben wird, in der alle Menschen frei und glücklich sind und liebevoll miteinander umgehen, entlockte der Alten nur ein Schmunzeln, das alles mögliche bedeuten konnte.
Ali gab sich damit zufrieden, aus Respekt vor der Alten und wagte nicht, weitere Fragen zu stellen. Aber er vergaß nicht die beiden Fragen, die er nicht im Auftrag des Königs zu stellen hatte. Als er von dem Unglück der Palme, die keine Datteln trug, erzählte, unterbrach ihn die Alte: die Palme habe überhaupt keinen Grund zur Traurigkeit, denn sie trage zwar keine Früchte, aber wenn sie wüßte, daß von ihren Blättern ein Tee gekocht werden könne, der alle Krankheiten und Gebrechen der Menschen heile, dann wäre die Palme wohl zufrieden. Und als Ali um Rat für den Tümpel fragte, da erwiderte die Alte nicht etwa, wie die geneigte Leserin im Zeitalter der globalen Energiekrise im allgemeinen und der linken Energiekrise im besonderen erwarten mag, daß das Wasser des Tümpels reines Erdöl sei. Vielmehr sagte sie, daß es mit dem Tümpel folgende Bewandtnis habe: Junge Menschen, die in ihm badeten würden alt und alte Menschen jung.
Ali bedankte sich höflich für die Auskünfte und erhielt von der Alten zum Abschied noch ein Bücherpäckchen. Darin waren ‚Gelebtes Leben‘ von Emma Goldmann,‘ Zum Glück gehts dem Sommer entgegen‘ von Christine Rochfort, ‚Do it‘ von Karl Marx, die ‚Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsfilosofie‘ von Jerry Rubin und auch sonst allerlei Wissenswertes, was beim Nachdenken über die drei ersten und nicht so besonders ausführlich oder zufriedenstellend beantworteten Fragen helfen mochte.
Außerdem steckte sie ihm noch eine AKW-Nee-Ansteckknopf mit einer leuchtend gelben Sonne an den Turban. “Dufte,“ sagte der Tümpel, als er von seinen besonderen Eigenschaften erfuhr, die Ali als erster erprobte, und wirklich und wahrhaftig verließ er den Tümpel so jung und schön wie Muhammed Ali Rom nach dem Gewinn der Goldmedalje. Da er auch das Kamel noch einmal durch den Tümpel führte, gings auf der Weiterreise wesentlich flotter.
Die Palme erkannte den jungen Mann zunächst gar nicht und war ganz verdattelt, als er sie anquatschte. Als sie erfuhr, welche Kraft in ihren Blättern steckte, da freute sie sich: “Wie schön ist es, etwas zu haben, das baum verschenken kann,“ sagte sie und offenbarte damit eine Einstellung, die es auch unter Menschen verdient hätte, etwas weiter verbreitet zu sein. Die Palme jedenfalls schenkte ihm einen ganzen Sack voll Blätter, und es dauerte nicht lange, bis Ali am Ausgangsort des Märchens angelangt war.
Als er den Palast betreten wollte, wurde ihm der Zutritt verwehrt, da ihn die Palastwache nicht erkannte. Ali schlenderte durch die Straßen der Residenz und erfuhr, daß der König schwer krank darniederliege, der Wesir Egbert Dreckpferd habe inzwischen noch den Beinamen Schreckschwert erhalten, da er sich die Krankheit des Königs zunutze mache, um das Volk unter die Knute zu zwingen.
Die schöne Fatima aber solle demnächst auf Betreiben Egberts zwischen Aristoteles Onassis, Hauard Hugs, König Scheisal, und noch so ein paar alten Geldsäcken meistbietend versteigert werden. Egbert warte nur noch, bis der König seine Augen für immer schließe. Das waren keine besonders guten Nachrichten, aber Ali mietete eine Hütte am Stadtrand und befestigte ein Schild über der Tür: Doktor Ali Ben Schixali Facharzt für alles mögliche. Hiermit gebe ich Kunde: Ich heile jede Wunde, jede Krankheit, jeden Schmerz, ob Niere, Lunge, Galle, Herz. Und als Fatima mal wieder durch die Straßen ritt, begleitet von ihrer Zofe und einem Rudel Leibwächter, ohne die Egbert sie nicht in die Stadt ließ, um vielleicht doch noch Rettung für ihren Vater zu finden, kam sie an Alis Hütte vorbei und staunte nicht schlecht, als der heilkundige Gelehrte alles andere als ein alter Knacker war.
Sie bat ihn mitzukommen, und als Ali am Krankenbett des Königs stand, ließ er heißes Wasser bringen und verlangte, mit dem König alleine zu bleiben. Dann brühte er einen Tee von den Palmenblättern und flößte ihn dem König ein, der nach dem ersten Schluck die Augen aufschlug. Nach dem zweiten Schluck richtete er sich auf, und nach dem dritten Schluck schnalzte er mit dem Finger und befahl seinen Dienern, Brathähnchen und Lammkeule, Pizza und Salate, Marzipan und Pistazienkerne, Wein und Mokka und einen Fruchteisbecher mit Schlagsahne, aber ein bißchen dalli, zu bringen. Und als Fatima den Retter ihres Vater geheiratet hatte, da vertraute der König seinem Schwiegersohn an, nun sei er restlos glücklich, es tue ihm nur leid, daß er seinen alten Kammerdiener Ali vor Jahren in die Wüste geschickt habe. Dazu sagte Ali gar nichts und grinste sich nur eins.
Der böse Wesir Egbert jedoch, der bei den Vermählungsfeierlichkeiten dem König noch ins Ohr geflüstert hatte: “Hab ichs nicht gesagt? Träume sind Schäume!“ wurde von den Mächten des Schicksals dessenungeachtet ans Jammergericht in Berlin verschlagen, wo er sich mit den Angeklagten rumärgern muß bis zum Herzinfakt. Und daß ihm Ali dann einen Tee kocht, das glaubt wohl keiner. So haben sich die Menschen oft ihr Schicksal selbst erworben. Und wenn sie nicht mehr leben tun, dann sindse halt gestorben. Firiz Scheytan
Erschienen in dem Buch: Märchen aus der Spaßgerilja, (Seite 21-27) Fritz Teufel und Robert Jarowoy, Verlag Libertäre Assoziation / Verlag roter Funke, ISBN 3-9226611-00-1 April 1980