Apropos Waterloo Theater (IV) (Zeugenvernehmung Struckmeyer)

PDF Zeugenvernehmung Hans Struckmeyer1

(Zeichen: 4.264) Abschrift 1 WiK 2/50 12. November 1951. Seite 111 der Akte (IMG 5074.jpg―IMG_5075.jpg) Öffentliche Sitzung. Zeugenvernehmung Hans Struckmeyer im Prozess Hirschel gegen Esslen. Anwesend: RA. Dr. Dehn RA H. Juul 14.15. Uhr Frau Esslen und Herr Heisig. Dr. Warmbrunn als EinzelrichterHirschel gegen 1.) Waterloo Theater GmbH, 2.) Frau Klara Esslen und ihre minderjährigen Kinder, 3.) Heinrich Heisig erschienen bei Aufruf für den Antragsteller RA. Dr. Dehn, für den Antragsgegner RA. Dr. H. Juul und Geschäftsführer Heisig sowie nachstehend benannter Zeuge.

Zeuge Struckmeyer:

Zur Person: Ich heiße Hans Struckmeyer, bin 62 Jahre alt, Kaufmann in der Filmtheaterbranche in Hamburg, ohne Beziehung zu den Beteiligten.

Zur Sache: In der Zeit vor dem Jahr 1933 war ich Vorsitzender des Verbandes Norddeutscher Filmtheater e. V., der die Belange der Inhaber von Lichtspieltheatern wahrnahm. Herr Hirschel war für seine Person nicht Mitglied, sondern sogenannter Außenseiter.

Ich war damals Mitinhaber eines Lichtspielhauses in der Mönckebergstrasse [Passage Kino, Mönckebergstrasse 17 ― 1930 ― 976 Sitzplätze] und befaßte mich außerdem mit der “Verleihung“ von Filmen. Ich erinnere mich genau, das in den Jahren etwa 1931/32 jedenfalls vor dem politischen Umschwung des Januar 1933, ( – 2 – ) Herr Hirschel, den ich persönlich gut kannte, sich in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand.

Da er seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Filmverleihern nicht nachgekommen war, war eine Treuhandschaft eingerichtet worden, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die verfügbaren Einnahmebeträge aus der Treuhandschaft des Waterloo-Theaters pro rata unter den Gläubigern zu verteilen.

Die Grundlage der Tätigkeit war eine Vereinbarung, aufgrund deren der damalige Rechtsanwalt Dr. Eisner [Dr. Kurt Leo Eisner] für die Belieferung des Waterloo-Theaters beteiligten Filmverleihern die Einnahmen in Empfang nehmen und anteilweise der Forderungen verteilen sollte. So ist es auch eine Zeitlang geschehen. Aus welchem Anlaß und zu welcher Zeit Herr Hirschel seine Tätigkeit im Waterloo-Theater eingestellt hat, ist mir nicht bekannt.

[Anmerkung 2023: Zur Person von Kurt Leo Eisner (aus dem Buch von Heiko Morisse, Jüdische Rechtsanwälte in Hamburg, Christians Verlag 2003, Seite 127) Eisner, Kurt Leo10.12. 1892 Berlin ― 27.1. 1985 Wiesbaden. Jüdisch. Valentinskamp 90. Rechtsanwalt seit 1922. War besonders auf dem Gebiet des Lichtspiel- und Theaterrechts tätig. Übernahm im Juli 1935 eine Exportvertretung für Präzisionsapparate in Italien. Nach Aufgabe der Hamburger Wohnung Zulassung am 10. 12. 1936 zurückgenommen. Im November 1939 von Italien nach Brasilien emigriert. Übernahme von Vertretungen; Ehefrau als Verkäuferin tätig. 1941 Eröffnung einer kleinen Werkstatt zur Anfertigung und Reparatur von Damenhandtaschen. 1950 bis 1956 Zwangsvergleichsverfahren. 1967 nach Deutschland zurückgekehrt.] Ich bin nur damit befaßt gewesen, wie die Schulden des Herrn Hirschel an Filmverleihern beglichen wurden, nicht aber darüber unterrichtet, wann und in welcher Weise seine sonstigen Verbindlichkeiten abgedeckt worden sind.

Allgemein kann ich zu der Lage “jüdischer Filmtheater“ in der ersten Zeit nach der sogenannten Machtübernahme folgendes erwähnen:

Meine Position im Verband Norddeutscher Filmtheater habe ich bis zum Sommer 1934 beibehalten. Mein Nachfolger war ein Herr Roman,

[richtig: Paul Romahn, der Buchhalter (“der Syndikus“) vom Henschel Film- und Theaterkonzern]

nach der Umorganisation im Rahmen der Schaffung einer Reichsfilmkammer wurde es Herr Adam [Richard Adam]. Auf die Abgabe von Theatern durch jüdische Inhaber oder auf Entlassung jüdischer Angestellter wurde in der ersten Zeit nach dem politischen Umschwunge nicht hingewirkt.

Wenn mir mitgeteilt wird, daß Herr Hirschel behauptet, Mitte Juni 1933 durch politischen oder rassistischen Druck aus seiner Position verdrängt worden zu sein, so halte ich die Richtigkeit des Vortragens für unwahrscheinlich.

Vielmehr ist anzunehmen, daß andere Gründe damals für sein Ausscheiden maßgebend gewesen sind. Ich weiß auch nichts davon, daß damals außer den Wirtschaftsverbänden andere Stellen Einfluß auf die personelle Besetzung der Filmtheater nahmen.

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Die Schauburg-Theater an denen Juden beteiligt waren, [Man beachte die Wortwahl!] haben noch lange Zeit, sicher bis in das Jahr 1934 hinein, unter Beibehaltung ihrer Leitung und ihres Personals gespielt.

Später sind Änderungen durch Vepachtung oder durch ähnliche Weise herbeigeführt worden. Ich selbst bin in der Lage gewesen, einen jüdischen Angestellten, wenn auch schließlich unter Tarnung, bis in den Krieg hinein (1943) zu beschäftigen, der zurückgekehrt ist und jetzt wieder in meinen Diensten steht. [!]

Herr Adam [Richard Adam] betätigte sich in der Zeit vor dem Jahre 1933 im Vertrieb nationalsozialistischer Propagandafilme, erzielte aber dabei, so weit mir bekannt, keine besonderen Erfolge. Später hat er sich meiner Kenntnis nach an der Arisierung eines Theaters in Kiel [Adam, Romahn und Schümann] beteiligt.

Adam [Richard Adam] war zunächst nur irgendwie in der Propaganda der NSDAP tätig und kam in das Verbandsleben erst zu einem späteren Zeitpunkt hinein. Es wäre zu meiner Kenntnis gelangt, wenn aufgrund irgendwelcher höherer Weisungen Herr Hirschel zur Aufgabe seiner Tätigkeit gezwungen worden wäre. Ich habe hiervon aber nichts erfahren. Vorgelesen und genehmigt.

Hierauf trat die besetzte Kammer, Landgerichtsrat Dr. Warmbrunn als Vorsitzender, Amtsgerichtsrat Ehrhard, Landgerichtsrat Engelschall zusammen. Die Anwälte wiederholten ihre früheren Anträge und verhandelten zur Sache.

Beschlossen und verkündet: Eine Entscheidung soll den Parteien zugestellt werden. Warmbrunn Keßler

Interview mit den Streit Brüdern in Belo Horizonte

PDF InterviewStreitbelohorizonte

Carl Heinz Streit 1990 Belo Horizonte
Carl Heinz Streit (Sohn des Kinobesitzers Hugo Streit) Belo Horizonte (Brasilien) Juli 1990
Rolf Arno Streit
Rolf Arno Streit. Sohn des Kinobesitzers Hugo Streit. Belo Horizonte (Brasilien) Juli 1990.

SRolf Arno Streit: ”Mein Großvater Jeremias genannt James Henschel war der Erste in Hamburg, der Kinos gemacht hat. Er ist auf folgende Weise auf diese Idee gekommen.In Paris, so hat er gehört, gibt es einen Grammophon-Laden, dass heisst Leute konnten in den Laden gehen, sich . . . wie heisst das? . . . Telefone an die Ohren legen und konnten dann eine Musik wählen, die sie bekommen haben durch die . . . durch das Grammophon. Übertragenen. Das wollte er in Hamburg auch machen und deshalb sind sie dann in Paris gewesen, wo dieser . . . wo dieses Grammophongeschäft existierte und sich mit dem Inhaber darüber zu unterhalten . . . Auf dem Wege dorthin sind . . . stehengeblieben an vor einer riesigen Schlange von Menschen, die alle in ein sogenanntes Cine gehen wollte. Das war eine Neuigkeit für meine Großeltern und . . . da wurden eben die ersten Filme vorgeführt. Dann sind sie zu dem Grammophonmann gegangen und sind nachher in ihr Hotel gegangen und haben geschlafen.

Meine Großmutter-Frida Henschel – hat zu Madam . . . zu meinem Großvater gesagt, weißt du James ich hab es mir überlegt, wir machen nicht Grammophon, wir machen Kinos. Und das war die Idee, das mein Großvater der Erste in Hamburg war, der Kinos eröffnete. So ist auch der Henschel Film und Theaterkonzern nach ihm benannt worden.“

Frage: Das erste Kino war das Belle Alliance Kino? Das war ein sehr großes Kino?

Rolf Arno Streit: „Das kann ich nicht genau sagen, wie groß es war. Auf jeden Fall war das das erste Kino – richtige Kino – in Hamburg . . . Hamburg Altona . . . wenn ich mich nicht irre.

Frage: Der Großvater hat dann mit Ende des Krieges alle Kinos verkauft, sie haben erzählt an die Ufa. Können sie mal sagen, warum er die Kinos verkauft hat?

Rolf Arno Streit: “Die Ufa ist an meinen Großvater herangetreten . (LkW Geräusch) . . . Die Ufa ist an meinen Großvater herangegangen und hat ihm gesagt, entweder verkaufen sie uns ihre ganzen Kinos, oder wir machen ihnen Konkurrenz . . . das war der . . . da hat mein Großvater sich entschlossen, seine Kinos an die Ufa zu verkaufen . . . hat sich für das Geld, das er bekommen hat, sofort Häuser gekauft . . . Immobilien . . . und ist dadurch . . . durch die Inflation schadlos herausgekommen. Zu dem Entschluß von meinem Großvater, die Kinos zu verkaufen mußte die Ufa damit einverstanden sein, daß seine Schwiegersöhne -nämlich unser Vater Hugo Streit und unser Onkel Hermann Urich-Saß . . . also seine Schwiegersöhne Direktoren der Ufa wurden für Norddeutschland, was geschah“.

Frage: Bis wann waren Hugo Streit und Hermann Urich Sass Direktoren der Ufa?

Rolf Arno Streit: “Die waren Direktoren bis . . . ungefähr 1926 . Ein ganz genaues Datum kann ich nicht sagen, aber . . . Mitte der 20iger Jahre ist es wohl gewesen.“

Carl Heinz Streit: Das ist aber richtig. Ich mein, ich erinnere das auch nicht mehr so genau.

Hilde Streit: (zu ihrem Mann): Du weisst es noch besser.

Rolf Arno Streit: “Ja, durch die ganze Wiedergutmachungsgeschichte . . . bin ich wieder da . . . irgendwie erinnert worden. Das ist ja auch nun schon viele Jahre her.“Hilde Streit:. Jetzt ist leise . . . Carl Heinz Streit: Das kommt aber immer wenn der Omnibus kommt. Hilde Streit: Ja überall, kommt immer . . . bei uns viel mehr noch.Frage: 1918 wurde die Ufa gegründet und die Ufa trat an ihren Vater heran und er hat seine Kinos verkauft. Können sie das noch mal erzählen?Rolf Arno Streit: ”Ja . . . nachdem . . . ist schon . . . Carl Heinz Streit: ”Nein, wenn das Licht angeht.“ Rolf Arno Streit: „Also . . . nach dem Kriege 14/18 ist die Ufa an meinen Großvater herangetreten und hat ihm gesagt, wir bauen hier Kinos, oder sie verkaufen uns ihre Kinos, und da ist mein . . . hat mein Großvater den Entschluss gefasst, seine Kinos zu verkaufen . . . mit der Bestimmung, dass mein Vater und mein Onkel . . . Hugo . . . Hermann Urich Sass Direktoren der Ufa werden von Norddeutschland, was geschah, außerdem war mein Großvater mit 5 % über viele Jahre an allen Ufa Einnahmen beteiligt . . . und späterhin . . . auch mit 2,5 % für alle . . . von allen Kinos, die noch erbaut worden sind später von der Ufa . . . Mein Großvater selbst hat seine . . . hat die Inflation überstanden durch Ankauf von Immobilien . . . das Geld, was er damals von der Ufa bekommen hatte, hat er sofort angelegt in Immobilien und dadurch ist er aus der Inflation schadlos herausgegangen:“ Frage: Wissen sie noch welche Kinos das waren, die ihr Großvater dort verkauft hat? Rolf Arno Streit: “Ich kenn einige . . . weiß ich . . . das . . . zum Beispiel das Lessingtheater, das Passage Theater, das Harvestehuder Lichtspiele und einige andere . . . ich entsinne die Namen nicht mehr genau. Auf jeden Fall . . . vielleicht sechs Kinos, die mein Großvater der Ufa verkauft hat“. Frage: Das Waterloo Theater gehörte das auch dazu? Rolf Arno Streit: ”Das Waterloo Theater gehörte dazu, ja. Das hat mein Großvater erbaut. Das war damals das vornehmste Kino in Hamburg.“ Frage: Und dann hat ihr Vater Hugo Streit und Hermann Urich Sass . . . haben sich selbstständig gemacht und haben neue Kinos aufgemacht. Wann war das?

Rolf Arno Streit: ”Sie waren, wie gesagt, Direktoren der Ufa bis 1925 oder 1926 . . . und haben sich dann selbstständig gemacht und haben die erste . . . das erste Kino . . . gekauft, die Schauburg Hauptbahnhof . . . die damals anders hieß . . . der Name ist mir entfallen . . . das ist die spätere Barke gewesen. Am Hauptbahnhof. Dadurch . . . Nach und nach haben sie andere Kinos gebaut . . . im ganzen waren . . . bestand der Henschel Film und Theaterkonzern . . . wie er sich nannte . . . aus 12 Kinos. Schauburg Hamm, Schauburg Hammerbrook, Schauburg Wandsbek, Schauburg Harburg und diverse andere . . . die mir im Moment nicht einfallen. Auf jeden Fall waren es zwölf Großkinos und der Konzern war dadurch . . . der größte Konzern in Hamburg . . . was die Theaterbranche . . . die Kinobranche anbelangt“. Frage: Sie hatten mir erzählt, sie haben auch mal eine Eröffnung miterlebt . . . von der Schauburg am Millerntor (1927) . . . das war ja ein sehr großes Kino und zur Eröffnung ist Henny Porten gekommen . . . können sie da noch mal was erzählen? Rolf Arno Streit: ”Ja ich kann darüber erzählen, aber ich weiß, ob es die Schauburg Haupt . . . Schauburg Millerntor war . . . es kann irgend eine andere Schauburg gewesen sein. Alle Schauburgen wurden eröffnet mit irgendeiner Sensation, so auch eine . . .  (LKW Lärm) . . . so auch eine Schauburg mit der Henny Porten. Die Henny Porten kam in Hamburg an . . . am Hauptbahnhof. Es waren viel mehr Menschen dort . . . als seiner Zeit der Reichspräsident Ebert ankam, das schrieben die Zeitungen . . . später. Andere Schauburgen wurden eröffnet mit anderen Filmschauspielern unter anderem auch einmal durch einen Ball bei . . . Sarasa . . . bei . . . in . . . dem Saal . . . ich komm nicht auf den Namen . . . (vermutlich Sagebiel) . . . auf dem größten Saal in Hamburg. Da wurden dann die Leute gefilmt, entweder die getanzt haben oder selbst gesprochen haben und dieser Film wurde vorgeführt in den Schauburgen und die ganzen Leute die gefilmt wurden, haben sich natürlich die Filme angeguckt. Das war ein gutes Geschäft. Nicht nur eine gut Idee, sondern auch ein gutes Geschäft . . . Es wurden auch andere eröffnet mit Emil Jannings, soweit ich erinnere und durch andere Sensationen . . . ich kann nicht auf die ganzen Sachen eingehen, weil die Erinnerung mir nicht die . . . Carl Heinz Streit: (der ältere Bruder) ”Lucie Englisch war auch einmal da.” Rolf Arno Streit: ”Lucie Englisch ja . . . sprich du mal weiter. Carl Heinz Streit: ”Ja ich weiß ja nicht so viel wie du. Du hast doch die ganze Wiedergutmachung betrieben. Dadurch bist du mehr im laufenden.” Frage (an Carl Heinz Streit): Sie haben doch auch mal im Henschel Film und Theaterkonzern gearbeitet? Ein Jahr lang . . . ? Carl Heinz Streit: “Ja in der . . . in dem Booking Department . . . wie heisst das auf Deutsch? Programmation gearbeitet . . . Aber ganz kurze Zeit nur. Frage: Was gab es da für Filme . . . wissen sie das noch? Carl Heinz Streit: “Boh ! . . . an die Filme kann ich mich nicht mehr erinnern. (lacht) Rolf Arno Streit: “Es gab zum Beispiel . . . es wurde in den Schauburgen gezeigt. Der erste Tonfilm mit Harry Liedtke und Marlene Dietrich, der hiess „Ich küsse ihre Hand Madam“. Es waren aber nur einige Minuten, die der Ton herausgekommen ist, nämlich das Lied, ich küsse ihre Hand Madam wurde gesungen von Marlene Dietrich mit dem Harry Liedtke zusammen . . . (Richard Tauber war der Sänger – Länge: 2 Minuten 38 Sekunden). Das war eine Sensation. So fing der Tonfilm in Hamburg an. Später natürlich kamen andere Filme wie zum Beispiel: „Der letzte Mann“ mit Emil Jannings. Das war ein . . . erfolgreicher Film und auch der „Blaue Engel mit Marlene Dietrich . . . Carl Heinz Streit : “ . . . und Emil Jannings“. Rolf Arno Streit: “Ja und Emil Jannings. So nun erzähl du mal wieder was (zu seinem Bruder).“ Carl Heinz Streit: “Dann wurde aufgeführt der Film . . . ich weiß nicht mehr den Namen . . . aber es war dieser Schwarze . . . , der sich als Schwarzer verkleidet hat . . . Al Jolson . . . der Jazzsinger“. Frage: Das war der erste Tonfilm denn auch . . . der erste richtige Tonfilm.

Carl Heinz Streit: “Das war der Tonfilm, der nicht mehr über Grammophon ging. Die ersten . . . die ersten Tonfilme wurden mit Platten bedient. Nachher kam der optische Film. Das war der erste mit Al Jolson“.  Frage: Die Schauburgen – also die Schauburg Hamm und die Schauburg Millerntor . . . das waren ja alles Neubauten . . . das muss ja ne enorme Stange Geld gekostet haben. Wissen sie da irgendwie . . . wieviel das gekostet haben mag? Carl Heinz Streit: “Nein“. Rolf Arno Streit: “Das waren einige Millionen. Ich glaube, mein Großvater – James Henschel- hat das Anfangskapital zur Verfügung gestellt. Vielleicht wurden nachher auch Bankkredite aufgenommen. Ich kann das nicht genau sagen. Aber auf jeden Fall war das ein Großunternehmen und die meisten Kinos sind erbaut worden durch den Verdienst, der schon bestehenden Kinos (Moped im Hintergrund) . . . Die meisten Kinos sind erbaut worden, durch den Verdienst der schon bestehenden Kinos. Die ganzen Schauburgen, bis auf einigen . . . bis auf einigen . . . wurden vom Henschel Film und Theaterkonzern selbst erbaut. Also es waren eigene Grundstücke.“ Frage: Dann waren es . . . wenn ich das so richtig recherchiere . . . dann waren es imgrunde nur zwei . . . zwei große Filmtheaterbetriebe in Hamburg . . . das war der Henschel und die Ufa. Die müssen doch in starker Konkurrenz auch gestanden haben? Rolf Arno Streit: “Ja, solange sie nicht den Ufa Palast gebaut hatten, war das . . . gab es keine große Konkurrenz . . . aber nachdem der Ufa Palast . . . ich glaube es war im Jahre 19 und . . . Ende 1920 . . . vielleicht 1929 . . . oder 28 . . . ich weiß nicht genau . . . da wurde es natürlich eine Konkurrenz. Aber die hat dem Henschel Film und Theater Konzern auch nichts ausgemacht . . . er ist . . . er ist sehr solide geblieben . . . bis zum Ende . . . bis zum Anfang der Nazizeit . . . Da wurde der Henschel Film und Theater Konzern sehr stark betroffen . . . und . . . es wurde ein . . . ein . . . ein Programm gegen die Theater ausgeübt“. Frage: Wann hat das begonnen . . . das man gegen den Henschel Film und Theater Konzern . . . Rolf Arno Streit: “Mit Anfang der Nazizeit . . . 1933 . . . Da wurde der . . . Henschel Film und Theaterkonzern gestempelt als jüdisches Unternehmen . . . und dadurch sind die . . . Besucher ziemlich heruntergegangen . . . .1936 . . . ich glaube mich nicht zu irren . . . (gemeint ist vermutlich der reichsweite Pogrom in der Nacht vom 9/10 November 1938) . . . in der Kristallnacht wurden die Kinos geschändet . . . und zerstört . . . zum Teil, dann haben sie . . . dann haben sich die Nazis davorgestellt und haben keine Juden mehr . . . keine Ar . . . keine Besucher mehr hereingelassen. Dadurch hat der Konzern natürlich sehr stark gelitten.” Frage: Der Henschel Konzern war eine OHG zwischen Hermann Urich – Sass und Hugo Streit und das gab es eine Phase wo . . . ihre . . . ihre Väter das wohl schon voraus gesehen haben . . . sie hatten mir erzählt, er wär . . . der Hugo Streit wär zusammen mit dem einen Geschäftsführer nach Berlin gefahren und wollte das verkaufen . . . das Kino. Können sie darüber was sagen? Rolf Arno Streit: “Ja mein Vater . . . Hugo Streit ist mit Romahn . . . der damals . . . Prokurist gewesen ist, von den Schauburgen nach Berlin gefahren, um mit der Ufa zu verhandeln . . . k . . . önnen wir mal einen Augenblick Schluß machen? ..zu Carl Heinz:. Weshalb ist Papa nach Berlin gefahren? Achso ja . . . kann ich weitermachen . . . Mein Vater ist mit Romahn nach Berlin gefahren, um mit der Ufa . . . (lauter LKW) um mit der Ufa zwecks Verkauf zu verhandeln, die Ufa war interessiert daran, die Kinos zu übernehmen . . . in dieser . . . selben Zeit . . . in diesem selben Zeitabschnitt starb Hermann Urich Sass . . . und Romahn wurde benachrichtigt von dem Tode von Hermann Urich Sass . . . aber sollte nicht stören . . . störend auf die Verhandlungen meines Vaters mit der Ufa wirken . . . Das geschah aber doch aus irgendeinem Grunde, der mir entfallen ist . . . ich glaube durch die Zeitung . . . ich weiß es nicht genau . . . und mein Vater hat die Verhandlungen abbrechen müssen . . . daraus ist nichts . . . leider nichts geworden“. Frage: Das ist ein historisches Datum in zweierlei Hinsicht. Am 27. Januar starb Hermann Urich Sass und am 30. Januar . . . wurde er beerdigt . . . Rolf Arno Streit: „Am 30 . . . wurde Hermann Urich Sass beerdigt, das war an dem Tag als Hitler zum Reichkanzler ausgerufen wurde . . . von Hindenburg . . . später wurde er der sogenannte Fü . . . Führer im möchte lieber sagen Verführer, denn er hat die ganze Welt verführt und sechs Millionen Juden ermordet . . . aber das gehört nicht zu . . . (LKW Geräusch) . . . Soll ich wiederholen. Anfangen mit Hermann Urich Sass, das er starb?“ Frager: Ja Rolf Arno Streit: Mein Vater war mit Romahn dem Prokuristen des Henschel Konzerns in Berlin um mit der Ufa zwecks Verkauf der Kinos zu verhandeln. Während der Verhandlungen ist Hermann Urich Sass gestorben. Das sollte meinem Vater aber nicht mitgeteilt werden, um die Verhandlungen nicht . . . mit der Ufa nicht zu stören . . . und Romahn wurde benachrichtigt, aber er konnte es leider nicht verschweigen, wahrscheinlich hat mein Vater es aus der Zeitung erfahren . . . und ist dann zurückgekommen und die Verhandlungen wurden abgebrochen . . . inzwischen ist der Nazismus weiter gegangen, die Theater wurden weiter geschädigt und die Ufa war nicht mehr interessiert an einem Kauf der Kinos . . . . Später wurde mein Vater gezwungen die . . . nein später wurde eine Kommanditgesellschaft gegründet . . . in dem mein Vater der alleinige Gesellschafter war und die Kommanditisten die Erben des verstorbenen Hermann Urich Sass . . . Später wurde mein Vater gezwungen, die Sachen zu verkaufen . . . oder zu realisiseren, damit . . . die Kinos . . . wie heisst das auf gut deutsch? (An Carl Heinz Streit ) Carl Heinz: “arisiert“. Rolf Arno Streit: “Arisiert worden sind . . . arisiert wurden“. Carl Heinz Streit: “Gleichschalter wurden eingesetzt“ Rolf Arno Streit: “Gleichschalter wurden eingesetzt, das waren Romahn und Schümann . . . die nachher als die Inhaber des Henschel Film und Theaterkonzerns fungierten. Gezahlt haben sie nichts dafür. Dafür hat schon die Partei gesorgt, daß den Juden kein Geld zugefügt worden ist. Und wenn . . . das entsinne ich nicht . . . .ein ganz kleiner . . . Betrag . . . der überhaupt nicht . . . dem Unternehmen entsprach . . . ” Frage: Die Schauburg Lichtspieltheatergesellschaft Romahn und Schümann GmbH . . . wurde ja 1933 schon gegründet mit 20.000,– RM. Nun hab ich mich so gefragt, wie kann man denn mit 20.000,– RM ein Gebäude übernehmen das schon allein 500.000,–RM gekostet hat? Rolf Arno Streit: „Ich glaube sie irren, das war nicht 1930, sondern . . . 1934 oder 1935 . . . Das war nicht 1930. 1930 gehörte doch der Henschel Film und Theater Konzern . . . Frage: Nee 1933 . . . Rolf Arno Streit: Ja 1933 . . . gehörte der Henschel Film und Theater Konzern . . . wurde der Henschel Film und Theater Konzern . . . nach dem Tode von Hermann Urich Sass . . . in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt . . . wie ich bereits beschrieben hatte . . . gesagt hatte . . . Aber ich glaube . . . die Gesellschaft Romahn und Schümann wurde gegründet . . . 1935 . . . oder 1936 . . . das war nicht 1930. Frage: Also ich hab nur die Handelsregister Eintragung und danach ist es schon 1933 passiert. Die Gründung selber und die Eintragung ins Handelsregister. Der Widerspruch ist nur der, das man mit so wenig Grundkapital . . . sag ich mal . . . mit 20.000,– RM so teure Kinos dann später übernehmen kann . . . Rolf Arno Streit: “Ja das weiß ich nicht ganz genau, wie die Sachen gewesen sind, ich weiß nur, daß Romahn und Schümann, die ja kein Geld hatten . . . die erste Zeit meinem Vater Zuwendungen gemacht hatten. Das wurde auch von den Nazis so vorgeschrieben, daß die Juden . . . eben die Geschäfte übergeben mußten, das war ein Zwang . . . es lag ein Zwang dahinter . . . ich glaube nicht . . . daß man . . . das Romahn und Schümann . . . ich weiß das Romahn und Schümann kein Geld hatten um das Unternehmen zu kaufen . . . Deshalb ist vielleicht die Eintragung gewesen . . . 20.000 Mark . . . das war eine Schein . . . eine Schein . . . wie nennt man das auf Deutsch? . . . .Eine Schein . . . Sache.“ Frage (An Carl Heinz Streit) Sie haben ja noch in Berlin lange im Filmverleih gearbeitet? Können sie darüber noch was sagen? Carl Heinz Streit: „Ja ich hab bei der Universal Films gearbeitet . . . wo ich nachher . . . in Brasilien auch angestellt wurde.“ Frage: Universal ist ja eine amerikanische Firma, hat die auch . . . Juden entlassen schon . . . zu der Zeit oder . . . Carl Heinz Streit: Es war eine vollkommen amerikanische Firma und der Präsident seinerzeit, als ich anfing bei der Universal war Carl Laemmle . . . das war ja auch ein Jude . . . die waren in ganz Südamerika . . . in ganz Südamerika vertreten durch den Direktor . . . der vorher in Deutschland . . . Direktor für ganz Europa war . . . Al Szeckler * . . . und als ich in Rio de Janeiro ankam, hat der mich sofort angestellt . . . bei der Universal Films . . . da hab ich gearbeitet als . . . zuerst als Buchhalter, nachher wurde ich versetzt nach Belo Horizonte . . . wo ich die Filiale geleitet habe . . . als Direktor für den Staat Minas Gerais und da hab ich lange gearbeitet . . . zweiunddreissig Jahre . . . in der Universal Films“. Frage: Kommen wir noch mal zurück zu der Zeit . . . sie sind ja aus Deutschland . . . mußten aus Deutschland flüchten . . . das sie mal erzählen, wann das war und wie das so im Einzelnen vor sich gegangen ist. Carl Heinz Streit: “Wir sind 1936 ausgewandert. Sind zuerst in Rio de Janeiro angekommen und von da aus nach Buenos Aires gegangen . . . aber uns gefiel Rio de Janeiro viel besser als Buenos Aires . . . (Lkw Geräusche) . . . willst du nichts erzählen von Sass . . . Hilde Streit: “ . . . das der gestohlen hat . . . Carl Heinz Streit: . . brauchst ja keinen Namen zu nennen . . . sind einem Betrüger in die Hände gefallen“ . . . Carl Heinz Streit: “Das gehört nicht dazu“. LKW Geräusche . . . Frage: Können wir gerne haben. Können ja von irgend einem Mann erzählen . . .Hilde Streit: “Der lebt vielleicht gar nicht mehr” Carl Heinz Streit: “Wo sind wir nun?” Frage: Wir sind noch gar nicht ausgewandert. Sie sind immer schon in Argentinien, aber wir sind eigentlich noch in Deutschland. Carl Heinz Streit: “Naja denn wollen wir noch mal. Also wir sind 1933 ausgewandert . . . mit der . .wir sind nach Brasilien gekommen mit der Monte Pascia (?Schreibweise). Rolf Arno Streit: “Wir sind nicht 1933 ausgewandert.“ Carl Heinz Streit Hilde Streit: “1936 . . . 1936 sind wir ausgewandert . . . sind in Brasilien angekommen . . . sind ungefähr einen Monat in Rio de Janeiro geblieben . . . von da aus nach Argentinien Buenos Aires . . . aber uns gefiel Rio de Janeiro bedeutend besser. Sind wir also . . . nach Brasilien zurückgekommen und . . . da wurde ich sofort angestellt bei der Universal . . . wo der der Direktor der vorjährige Direktor für Europa war . . . Al Seckler . . . da hab ich . . . hab ich ca 40 Jahre gearbeitet bei der Universal.“ Frage: Wie war das.? Das war ja nicht ganz einfach ein Einreisevisum für diese Länder zu bekommen: Rolf Arno Streit: “Ja die Sache war die . . . man hat sich immer den Kopf zerbrochen wohin . . . denn wir wollten und konnten nicht in Deutschland bleiben . . . unter der Naziherrschaft und da kam dann ein Mann zu uns und sagte, er könnte uns Geld rüberbringen nach (lacht) Brasilien und . . . ich will diese ganze Geschichte nicht genau auslegen . . . denn die ist vergessen . . . relativ . . . und auf jeden Fall haben wir das Geld . . . was unser Vater uns gegeben hat . . . nicht ausgezahlt bekommen . . . in Brasilien . . . und der Mann hat dann gesagt . . . das ist versehentlich nach Argentinien überwiesen worden . . . dann sind wir dann alle zusammen nach Argentinien gefahren, wo er dann auch immer wieder die Ausrede hatte . . . es ist noch nicht angekommen. Wir waren vielleicht zwei drei Wochen . . . vier Wochen in Argentinien . . . und da bis dahin das Geld nicht überwiesen wurde . . . wußten wir dass wir einem Betrüger in die Hände gefallen sind. Uns gefiel Rio . . . wie eben schon beschrieben von meinem Bruder . . . uns gefiel Rio besser . . . und deshalb sind wir nach Rio abgefahren und von Rio aus haben wir dann dem Man geschrieben . . . wie das nun ist mit dem Geld . . . daraufhin antwortete er . . . wenn ihr noch mal über die Geschichte fragt oder überhaupt schreibt . . . dann wißt ihr ja, daß ihr noch Eltern in Deutschland habt . . . an die ich mich rächen könnte.” Frage: Sie waren ja schon in Holland, wenn ich das so richtig entsonnen habe und haben ihr Frau nachgeholt nach Holland zum heiraten und haben dadurch das Visum bekommen. Können sie das noch mal erzählen?“ Rolf Arno Streit: “Ja die Sache war folgende. Ich habe meiner Frau die Ehe versprochen, bevor ich Deutschland verließ und wir sind damals nur als . . . als Touristen . . . mit einem Touristenvisum in Brasilien angekommen für die Zeit von einigen Wochen, wir blieben da ungefähr ein halbes Jahr und es war nicht möglich eine Legalisation zu erwirken aus verschiedenen Gründen . . . die mir entfallen sind . . . auf jeden Fall . . . habe ich dann meinem Onkel (Anmerkung 2014:  Dr. Isidor Kahn, verheiratet mit Bianca Kahn geb. Henschel, einer Tochter von Jeremias Henschel, Wohnort Den Haag), der Konsul von Portugal war und in Holland lebte geschrieben, ob er mir helfen kann. Er sagte mir ja . . . er schrieb mir ja, das kann ich machen . . . aber du musst selbst hier herüberkommen, dann wird alles erledigt. Naja ich will nicht weiter darüber reden . . . dass nichts erledigt wurde. (lacht) aber es kam ein Freund meiner Eltern nach Holland um zu hören . . . wie es in Brasilien aussieht, denn er hatte ein Einreisevisum von Brasilien bekommen in Antwerpen von dem Generalkonsul von Brasilien . . . und da hab ich ihn gefragt . . . wie haben sie das gemacht . . . da sagt er einen ganz kleinen Betrag hat er eingezahlt was er in Brasilien wiederbekommen würde und dadurch hat er das sogenannte Kapitalistenvisum bekommen und . . . ist reingekommen . . . und ich hab mir sehr bedankt bei diesem Mann, denn ich bin zwei Tage später nach Antwerpen gefahren und hab dort den Vizekonsul nach dem . . . nach diesem Kapitalistenvisum gefragt und der hat mir dann den Rat gegeben zu heiraten wieder hinzukommen und er würde mir dann das Kapitalistenvisum geben.

Also meine Frau ist dann nach Holland gekommen zusammen mit meinen Eltern und ihren Eltern und da wurde geheiratet in Holland . . . in Haag . . . übrigens wo auch die Prinzessin Juliana geheiratet hat . . . aber das nur nebenbei . . . auf jeden Fall sind wir dann zwei drei Tage später nach Antwerpen gefahren um das Visum zu erhalten aber der Vizekonsul sagt mir . . . es tut mir furchtbar Leid . . . ich kann ihnen das Visum nicht mehr geben, denn es kommt kein Mensch mehr nach Brasilien rein . . . kein Deutscher . . . oder kein Jude ich weiß das nicht mehr genau . . . Hilde Streit: kein Deutscher. . . auf jeden Fall . . . ein Deutscher nicht wahr . . . es war gesperrt . . . vom Außenministerium . . . da hab ich zu dem Vizekonsul gesagt . . . hören sie mal zu ich bin da in einer fürchterlichen Lage, ich kann in Holland nicht bleiben, ich kann nicht nach Deutschland rein, wo ich sofort ins Konzentrationslager gekommen wäre, also was soll ich machen . . . er sagte, ich kann ihnen leider nicht helfen . . . da sagte ich dann . . . kam ich auf die gute Idee und bat ihn mich vorzustellen dem Generalkonsul . . . was geschah . . . dem Generalkonsul habe ich meine Geschichte erzählt . . . und dieser gute Mann hat uns glücklicherweise das Kapitalistenvisum gegeben zusammen mit einem Brief ans Aussenministerium und mir eine Kopie übergeben von diesem Brief . . . in dem unsere Geschichte beschrieben wurde . . . das er keine andere Möglichkeit hatte, als mir das Visum gegen die Anordnung des Ida Maraties (Schreibweise ?) . . . also des Aussenministeriums zu erteilen . . . Aber die brauchte ich nicht, denn wir sind glatt in Rio angekommen . . . Somit fing unsere Geschichte in Brasilien an. Frage: Sie hatten mir gesagt . . . es hätte auch so die Möglichkeit gegeben, daß sie mit einer Ausnahmegenehmigung nach Deutschland für drei Tage fahren und hatten dafür einen bestimmten Ausdruck genannt. Können sie das noch mal erzählen? Rolf Arno Streit: ”Das ist ein . . . ich weiß nicht mehr genau wie das hieß . . . auf jeden Fall war das . . . wurde das Leuten . . . auch Juden erteilt . . . (lautes LKW Geräusch) . . . Frage: Einfach noch mal von vorne . . . diese Ausnahmegenehmigung . . . Rolf Arno Streit: “Diese Einreisegenehmigung für zweidreivier Tagen wurde Juden auch gegeben, um zum Beispiel die Eltern zu beerdigen oder irgend welche . . . aus irgendwelchen Anlässen und diese hab ich mir auch erhofft zu erhalten . . . aber hab sie nicht erhalten . . . bin von dem Konsul in Amsterdam (Hilde flüstert vor: gewarnt worden . . . gewarnt worden) . . . nicht gewarnt worden . . . erstmal rübergerufen worden . . . da hat er mir dann gesagt . . . das es leider nicht möglich ist . . . ich soll . . . die Einreisegenehmigung ist nicht bewilligt worden . . . und da hab ich gesagt zu ihm . . . das könnten sie mir doch auch am Telefon gesagt haben . . . und darauf hin gab er mir keine Antwort . . . also ich bin wech gegangen . . . verärgert . . . und er ist mir nachgelaufen . . . der Konsul . . . Hilde: das war ja deutscher Boden, nech . . . das Konsulat . . . Rolf Arno Streit: „Konsulat war Deutscher Boden . . . da kam der . . . da kam mir der Konsul nachgelaufen ich soll um gotteswillen nicht nach Deutschland einwandern ohne diese Genehmigung, denn ich käme sofort ins Konzentrationslager . . . na daraufhin haben wir dann in Holland geheiratet . . . wie ich schon gesagt habe . . . ” Frage: Hätte man denn mit dieser Genehmigung den Nazis eigentlich trauen können? Rolf Arno Streit: “Das kann ich ihnen nicht sagen (lacht), weil ich das nicht erlebt habe . . . aber ich weiß von Leuten, die rübergegangen sind und wieder rausgekommen sind . . . zwei drei Tage um Eltern zu beerdigen . . . oder irgendwas, aber ich hätte es gewagt, wenn ich das bekommen hätte. In Deutschland geheiratet zu haben . . . wäre für mich einfacher gewesen . . . als in Holland . . . bei meiner Tante, bei der ich gelebt habe. Frage: Sie sind dann zu dritt aufm Dampfer von Amsterdam ? oder von Antwerpen . . . Hilde Streit: zu zweit zu zweit . . . Rolf Arno Streit: “Zu zweit sind wir gefahren . . . denn mein Bruder war ja schon hier. Carl Heinz Streit: ”Ich war ja drüben geblieben.“ Rolf Arno Streit: “Wir sind gefahren mit einem deutschen Dampfer . . . mein Vater hat uns eine Passage geschenkt mit der Monte . . . sie cerra campus (Schreibweise ?) Rolf Arno Streit: „ si cerra campus war das auch nicht . . . Hilde Streit: Nee das war ein sehr schönes Schiff . . . das war das schönste an der ganzen Reise . . . Rolf Arno Streit: „Cap Norte . . . das war die Cap . . . Cap Norte . . . das war die Cap . . . wir sind mit der Cap Norte wieder nach Brasilien gefahren.“ Frage: Nen Hamburg Süd Schiff ne?Rolf Arno Streit: “Hamburg Süd Schiff“ Hilde Streit: „Das schönste von der ganzen Reise .“

Rolf Arno Streit: “Das war ein Schwesternschiff der Cap Polonio . . . und dann sind wir drüben abgekommen . . . wieder hier in Rio . . . und dann ging die Arbeit los . . . das war nicht einfach . . . ich persönlich habe Klavier gespielt abends für eine . . . für einen Club . . . nicht jeden Abend aber Sonnabend und Sonntag auf jeden Fall . . . und einmal die Woche und dann hab ich eine Anstellung bekommen als Aufseher in einer Eimerfabrik . . . da waren Ratten . . . die Eimer wurden teilweise gemacht aus . . . Hilde Streit: Marmeladen . . . Marmeladendosen . . . also großen Marmeladengefässen und die Ratten, die haben sich dabei . . . davon . . . dadurch ernährt . . . aber wenn die Maschinen zur Mittagszeit abgestellt wurden  . . . dann liefen mir die Ratten über die Füsse . . . (lacht) . . . das entspricht der Wirklichkeit . . . aber ich bin dort geblieben . . . einige Monate, bis ich dann den Entschluß gefasst habe, wieder rüberzufahren . . . nach Europa . . . also nach Holland, um zu heiraten . . . weil ich immer meine Versprechungen im Leben gehalten habe und so auch diese . . . nun sind wir sehr glücklich verheiratet schon über 50 Jahre . . .

Hilde Streit: “Dreiundfünfzig“ . . . (lauter LKW).

Frage:. Die fünfzig Jahre sind nicht mehr drauf.

Rolf Arno Streit: “Wir haben schon unsere goldene Hochzeit hinter uns und sind schon dreiundfünfzig Jahre verheiratet. Gottseidank geht es uns heute gut . . . wir sind glücklich . . . wir haben zwei Kinder . . . leider ist eine gestorben . . . ..

Pause Kassettenwechsel

Rolf Arno Streit: “Mein Vater und mein Onkel betrieben auch die Scala am Schulterblatt, das war ein Tanzlokal . . . das größte Tanzlokal von Hamburg . . . dazu gehörten auch die . . . das eine Ballhaus Filmzauber und ein Ballhaus Uhu und noch andere, die mir entfallen sind . . . auf jeden Fall war das ein Zweigunternehmen von den Schauburgen . . . Frage: Sind sie da mit ihrer Frau auch Tanzen gewesen? Hilde Streit: “Ne wir waren . . . da waren wir noch gar nicht verheiratet.”Frage: Man kann ja auch tanzen, ohne verheiratet zu sein. Rolf Arno Streit: “Wir haben uns da sehr gut amüsiert . . . als junge Leute . . . aber mit meiner Frau war ich nie da, denn da . . . damals war das schon nicht mehr möglich . . . ich glaube, die sind auch später abgestossen worden . . . das entsinne ich aber nicht mehr genau. Auf jeden Fall haben wir jungen Leute uns sehr gut da in der Scala amüsiert. Obwohl wir noch nicht achtzehn Jahre alt waren . . . und eines Tages . . . fällt mir grade ein sind wir . . . bin ich mit verschiedenen Freunden dahin gegangen und da sagte ein Mann von der Kapelle, es kommt Jung-Jerusalem . . . und das hat der Freund mir wiedererzählt . . . ich sag, was hat er gesagt? Jung-Jerusalem . . . also Antisemitismus . . . das war vor der Nazi Zeit . . . da kam dann mein Onkel Hermann Urich-Sass hinein und dem hab ich das erzählt . . . der ist dann raufgegangen zur Kapelle hat gesagt wer hat gesagt ist Jung Jerusalem . . . .da wollte sich erst keiner melden und da hat er gesagt, ich entlasse die ganze Kapelle, wenn ich nicht sofort weiß, wer das gesagt hat. Da hat er sich gemeldet. Und den hat er sofort rausgeschmissen. Der ist dann zu Gericht gegangen und wollte sein Gehalt haben . . . das nicht bezahlt worden ist . . . da musste ich als Zeuge . . . vor Gericht treten um zu beweisen . . . also um zu  . . . auszusagen . . . um auszusagen, daß er das gesagt hatte und er hat es auch zugegeben . . . aber er wollte sein Gehalt haben . . . da hat der Richter gesagt . . . er entschuldigte sich damit . . . er wollte einen Spaß machen , . . . da hat der Richter gesagt . . . wenn sie einen Spaß machen wollten . . . dann müssen sie auch die Konsequenzen dafür bezahlen . . . und wir haben den Prozess gewonnen. Hilde Streit: ”Aber denn hat er gesagt, wie alt du bist“ . . . Rolf Arno Streit: „Dann fragte er mich noch, wie alt ich bin, da hab ich mein Alter gesagt, sechzehn Jahre oder fünfzehn Jahre . . . sechzehn Jahre war ich wohl und da sagt er . . . ja dagegen ist doch die Oberschulbehörde wahrscheinlich angegangen, dass sie mit sechzehn (lacht) Jahren sich schon in solchen Lokalen aufhalten. Dann habe ich zu ihm gesagt, ich bin geschickt worden von meinem Vater . . . (lacht) der der Inhaber der Scala war, um nachzusehen, ob da alles in Ordnung ist. Hilde Streit: ” . . . der hat davon gar nicht gewußt” Rolf Arno Streit:” . . . mein Vater aber wußte gar nichts davon, denn er war sehr strenge . . . im Gegensatz zu Hermann, der viel mehr Verständnis für solche Angelegenheiten hatte (lacht)..und..ich weiß nicht mehr genau, wie das ausgelaufen ist . . . auf jeden Fall mein Vater hat mich nicht bestraft, weil wir ja den Prozess gewonnen haben . . . Ja das war alles, was ich über die Tanzlokale berichten kann . . . da war glaub ich noch ein Lokal Filmzauber und auch der Faun . . . der hatte den selben Eingang . . . also Nebeneingang . . . vom Lessing Theater . . . da waren sie auch . . . der war auch . . . der gehörte auch zu den sogenannten Freudenhäusern . . . Frage: (an Carl Heinz Streit) Wissen sie noch was aus ihrer Jugend, was da so berichtenswert wäre? Carl Heinz Streit: “Mit der Scala möchte ich noch bemerken, daß . . . und abends in die Scala war das Wort, das sie gebraucht haben als Propaganda . . . das ist . . . die Scala bestand auch in Berlin . . . die Berliner . . . sind dagegen an gegangen und da haben sie es umbenannt. Anstatt und abends in die Scala und wieder in die Scala . . . .aber sonst aus Berlin wüßte ich nichts mehr zu berichten”. Frage: Mußten sie nun auf den jüngeren Bruder immer aufpassen? Carl Heinz Streit: “Nein (lacht) ich war in Berlin und er hat in Hamburg gelebt . . . ne ganze Zeit lang.”Frage: Ja aber vorher doch Carl Heinz Streit: “Vorher? nein wir haben uns immer sehr gut verstanden” Rolf Arno Streit: “Ich hätte mir auch nicht reinreden lassen von meinem älteren Bruder . . . aber wie mein Bruder eben gesagt hat . . . betont hat . . . wir waren immer nicht nur Brüder sondern auch Freunde und haben alles gemeinsam erlebt und . . . ” Frage: Sie hatten mir erzählt, sie waren dann später bei zwei Konkurrenzfirmen ja eigentlich eingestellt als . . . Rolf Arno Streit: “Also ich war bei der Columbia angestellt als Direktor für . . . für den Staat Minas Gerais und hab dort gearbeitet etwa 14 Jahre . . . da wurde mir ein Angebot gemacht von der United Artists mit höherem Gehalt . . . zu United Artists gegangen “(lauter LKW) . . . Frage: Ich glaub, das müssen wir ganz nochmal haben . . . das müssen wir noch mal von vorn haben. Rolf Arno Streit: “Also ich war circa 14 Jahre Direktor bei der Columbia . . . Columbia Pictures of Brazil . . . für Minas Gerais . . . später war ich Direktor bei der United Artists . . . auch für Minas Gerais . . . weil sie mir ein größeres Gehalt geboten hatten . . . und daraufhin bin ich dann . . . in eine Firma . . . zu einer Firma gegangen, die brasilianische Filme vertrieben hat . . . Sie sind zu mir gekommen und haben mich gebeten, die Sache zu übernehmen, was ich auch getan hab . . . weil ich dort etwas mehr verdient habe . . . ich bin immer nach . . . ich war immer ein guter Rechner . . . so ist es mir auch diesmal passiert. . . Frage: (an Carl Heinz Streit) Sie waren in der gleichen Zeit auch bei der Konkurrenzfirma . . . sie haben sich doch wahrscheinlich mit ihrem Bruder immer um die Kinotermine streiten müssen, wer nun die besten Kinotermine bekommen hat . . . Carl Heinz Streit: Nein . . . der Hauptkunde hier in Belo Horizonte . . . Hilde Streit (über den LKW Lärm . . . Jetzt gehts los, jetzt kommen die alle zurück. Dies ist hier an sich ruhiger, denn dahinten wohnen die armen Leute, die haben alle keine Autos . . . ” Carl Heinz Streit: ”Nein wir haben uns immer sehr gut verstanden und der Hauptkunde hier in Belo Horizonte war die Cineteatro Minas Gerais, der Hauptinhaber ist ein gewisser Luciano . . . gewesen, der vor kurzem . . . vor vier Wochen gestorben ist . . . ist der . . . einer der reichsten Männer der Welt . . . der Welt nicht, von Brasilien. . . man schätzt ihn auf über drei Billionen Dollar . . . die er hinterlassen hat . . . aber er hat auch . . . man sagt ihm nach . . . er hätte noch dreissig uneheliche Kinder . . . Hilde Streit: ”Die streiten sich nun alle mit den ehelichen”. Carl Heinz Streit: ”Ja ja . . . ehelichen sind zwei Kinder und eine . . . ein angenommenes Kind . . . also drei haben das Hauptrecht, die kriegen schon den . . . die . . . Departe . . . ” Hilde Streit: “Teil den Teil der Mutter, die vor drei Jahren ungefähr gestorben ist . . . ” Frage: (zu Carl Heinz Streit) Können sie noch mal sagen, bei welcher Firma sie im Verleih tätig waren. Carl Heinz Streit: “Bei der Universal Pictures . . . die hat hier gehiessen Universal Film SA . . . da war der Konzern von Carl Laemmle. Carl Laemmle war . . . die Universal Pictures in den Staaten die ausserdem das größte Atelier in Los Angeles haben . . . ich glaub, sie haben das selbst gesehen, das Atelier . . . es war das größte der ganzen Welt . . . ” Rolf Arno Streit: “Also bei den Filmfirmen war das so das jedes Jahr eine neue Produktion herauskam. Bei der Columbia waren es meistens so etwa fünfzig Filme, die die Filmtheaterbesitzer . . . haben abnehmen müssen. Es wurde dann zur Hauptsache mit Festpreisen gemacht und immer zweidrei Filme prozentual vermietet. Das heisst die Filmfirma war beteiligt an dem Umsatz der Theater mit fünfzig . . . sogar sechzig Prozent . . . oder ein Film wie zum Beispiel ich komm nicht mehr auf den Namen . . . auf jeden Fall Großfilme (Hundegebell) wurden auch vermietet bis zu siebzig Prozent. Das war natürlich Wucherei, aber die Leute konnten nicht anders, sie mußten es machen . . . da hat da . . . zu diesem Zweck haben wir Fiskale geschickt . . . Fiskale . . . die Übersetzung sind . . . Schrecker ? Hilde Streit: Fiskale ist auf der ganzen Welt . . . ist das richtig . . . nein Kontrolleure . . . Kontrolleure das ist es . . . die haben mit einer Zahluhr die Zahl der Besucher feststellen . . . und das war immer ne sehr unangenehme Sache, denn die . . . naja ich will darüber lieber nicht sprechen . . . es hat keinen Zweck . . . auf jeden Fall haben die Kompanien sehr gut verdient, sowohl an den Filmen, die zu Festpreisen vermietet wurden oder eben prozentual . . . das war unser Hauptberuf . . . die Festpreise festzusetzen . . . denn es gab Kinos . . . die hatten fünfhundert Plätze und wenig Einwohner und im Gegensatz zu anderen großen . . . die hatten eben viel mehr Besucher . . . und da wurden die Festpreise natürlich viel höher . . . gemacht . . . Haben sie sonst noch irgendwelche Fragen zu stellen? Frage: Ja, wie viele Kinos im Bereich waren. Rolf Arno Streit: “Es waren wohl . . . nicht Kinos . . . Plätze meinen sie . . . also Städte . . . Städte ja . . . das waren so annähernd hundert Städte, die wir von Minas Gerais . . . bearbeiten mußten . Carl Heinz Streit: “Ich glaub es waren mehr sogar”. Hilde Streit: ”Hunderzwei.” Carl Heinz Streit: “Es waren so hundertundsechzig meiner Ansicht nach“. Frage: Und wieviel Kinos gab es so in jeder Stadt? Kann man das so . . . Carl Heinz Streit: In den kleinen Städten ein Kino.  Rolf Arno Streit: “Wenn es zwei gab, dann wurde uns . . . viel . . . das sehr erleichtert . . . denn wenn der eine nicht zahlen wollte, dann ist man zum anderen gegangen und der hat dann überboten und der hat dann die Filme bekommen. Frage: Kann man sagen, daß es ungefähr zwei bis dreihundert Kinos . . . Carl Heinz Streit:” . . . In Minas Gerais? viel mehr . . . ”Rolf Arno Streit: “Sogar in . . . nur in Belo Horizonte gab es so annähernd . . . Carl Heinz Streit: “zwanzig . . . ”Rolf Arno Streit:” . . . zwanzig bis fünfundzwanzig Kinos . . . das ist Minas Gerais der zweitgrößte Staat von Brasilien . . . ich möchte sagen . . . das es so groß war . . . so groß ist wie Deutschland . . . Hilde Streit: “Größer . . . ” Carl Heinz Streit: “Ich glaube noch größer”. Frage: Die Bundesrepublik hat heute noch . . . ich glaube noch 3100 Kinos . . . wieviel? dreitausendeinhundert . . . in Deutschland? . . . Ja jetzt . . . in der Bundesrepublik. Rolf Arno Streit: ”Ja also ich kann es nicht genau sagen, wieviel es hier gibt, aber sicherlich nicht dreitausend . . . aber vielleicht sogar dreivierhundert . . . ich weiß es nicht genau, die wir zu bearbeiten hatten, ich sprech nicht von Brasilien sondern von nur vom Staate Minas Gerais . . . ” Frage: Sie sind nach dem Kriege 1952 wieder nach Deutschland gekommen um die Wiedergutmachung durchzusetzen. Können sie da mal nen bißchen was erzählen, wie das so passiert ist alles . .

Rolf Arno Streit: “Nein ich bin das erste Mal nach Deutschland gefahren . . . geflogen . . . 1949 . . . um die Wiedergutmachung zu regulieren . . . und hab mit Romahn und Schümann ein Abkommen getroffen, das Sass . . . Urich-Sass, also die Erben Urich-Sass . . . ein Drittel von allem was vorhanden war . . . auch was sie nachher an . . . an Wohnungen gekauft haben oder . . . gebaut haben . . . und ein Drittel Hugo Streit . . . die Familie und ein Drittel Romahn und Schümann zusammen. Das war eine aussergerichtliche Einigung . . . wenn sie das nicht gemacht hätten, dann wäre ich natürlich zu Gerichtsjustiz gegangen und hätte vielleicht mehr vielleicht weniger erfahren . . . aber es war ein günstiges Abkommen für beide Teile. Denn die Romahn und Schümann haben sich meinem Vater gegenüber bei der Ausreise . . . bei seiner Auswanderung anständig gezeigt . . . sie haben ihm Zuwendungen gemacht . . . die sie nicht nötig gehabt hätten . . . und da hat mein Vater zu mir gesagt . . . wenn du rüber fährst und die Sache in Ordnung bringst . . . berücksichtige dass . . . dass sie anständig gewesen sind . . . was ich auch getan habe . . . wir hätten natürlich alles haben können . . . übernehmen können . . . aber es war schon richtig so . . . (LKW Geräusch) . . . hinzukam, daß niemand von unseren Familien wieder nach Deutschland zurück gehen wollte, um die . . . um das Unternehmen zu führen . . . deshalb hab ich das so gemacht und das war auch im Einverständnis mit meinem Vater und meinen . . . den Urich-Saß Erben geschehen. Frage. Sie haben dann auch für den Manfred Hirschel noch ein Telefongespräch mit der Klara Esslen geführt über das Waterloo Theater . . . Können sie darüber noch mal was erzählen? Rolf Arno Streit: “Ja das Waterloo Theater gehörte irgendwie Manfred Hirschel . . . der ist verheiratet gewesen mit meiner Tante . . . der Schwester meines Vaters . . . und der bat mich als ich rüberging auch mal mit der Frau Esslen, die das Kino irgendwie bekommen hatte, wie weiss ich heute nicht mehr und mich mit der zu unterhalten zwecks Wiedergutmachung und diese Frau ist mir unverschämt gekommen und da hab ich das dann meinem Onkel geschrieben, dass ich leider für ihn nichts tun kann, denn ich hab genug mit meinen Sachen zu tun und außerdem ist sie unverschämt gewesen . . . hat mir gesagt . . . vorgelogen . . . Sachen, die ich nicht glaubte und mein Onkel, der hat später selbst die Sache durchgeführt und hat auch eine Entschädigung bekommen . . . Wie die gewesen ist, weiß ich nicht . . . ” Frage: Wenn sie heute beide an Deutschland denken . . . was . . . welche Gefühle haben sie da? Rolf Arno Streit: “Es war einmal sehr schön . . . sehr schön . . . wir sind in Deutschland geboren worden, waren Deutsche und obwohl schon in früheren Zeiten . . . ein Antis . . . ein gewisser Antisemitismus herrschte   . . . aber als dann die Nazis kamen . . . nicht wahr..und dann der Durchbruch des Antisemitismus gewesen ist . . . da war . . . da waren wir froh als wir draußen waren. Carl Heinz Streit: „Das was geschehen ist, das kann man nicht mehr vergessen. War zuviel und deswegen sind die meisten auch nicht wieder zurückgegangen nach Deutschland. Hilde Streit: „Nein, ich glaub, sehr wenige zurück gegangen nach Deutschland.“ Carl Heinz Streit: “Sehr wenige” Rolf Arno Streit: “Sehr wenig Leute . . . Juden sind zurückgegangen nach Deutschland. Einige, die nichts hier werden konnten sind zurückgegangen um dort Stellung zu bekommen . . . was vielleicht auch möglich gewesen war, aber die meisten sind hier geblieben, weil sie hier ihre zweite Heimat gefunden haben . . . . Hilde Streit: ”Wir sind zum Beispiel eine der wenigen, die überhaupt noch Deutsche geblieben sind, die anderen sind alle keine Deutschen mehr. Fast alle. Von unseren Bekannten bist du wir und Einsturz aus . . . ” Rolf Arno Streit: “ . . . naja aber es gibt natürlich diverse Deutsche, die wir nicht kennen, die auch Deutsche geblieben sind . . . also deutsche Juden . . . sind Deutsche geblieben. Aber wenig. Wir haben das Recht, das brasilianische Recht erworben durch unsere Anwesenheit von über fünfzig Jahren hier und wir haben ausserdem noch die Möglichkeit nach Deutschland zu reisen . . . ohne Visum und so weiter . . . Carl Heinz Streit: “Wir haben ausserdem brasilianische Kinder . . . ich persönlich bin mit einer Brasilianerin verheiratet . . . wir haben so gut wie die selben Rechte (lauter LKW) eines Brasilianers Frager: Bitte noch mal ohne LKW Carl Heinz Streit: ”Wo wo soll ich anfangen?” Hilde Streit: ”Das du ne brasilianische Frau hast . . . ne Carl Heinz Streit: ”Außerdem haben wir brasilianische Kinder und ich persönlich bin mit einer Brasilianerin verheiratet und dadurch haben wir die selben Rechte wie ein Brasilianer. Nur das wir nicht Präsident der Republica werden können . . . Präsident von Brasilien . . . Hilde Streit: “Man kann auch kein Briefträger werden. Irgend etwas kann man nicht werden, was sehr wichtig ist. Rolf Arno Streit: ”Auf jeden Fall haben wir sehr viel mit durchgemacht, besonders deswegen . . . besonders in den Jahren als meine Eltern noch nicht hier waren. Es wurde ja immer schlimmer und schlimmer und mein Vater wurde gehetzt von der Gestapo und hat sich geflüchtet auf Landstrassen und auch auf Böden von Freunden . . . Boden heisst das da oben . . . ganz oben . . . da hat er geschlafen . . . er hatte einen Bekannten bei der Gestapo war, der ihm gut gesonnen war und der hat ihm immer berichtet, wenn er weggehen müßte, denn es kam eine . . . Nazi . . . Nazi Razzia und die wollten ihn abholen . . . da ist er gottseidank . . . dem ist er gottseidank entgangen eben durch diesen Bekannten bei der Gestapo . . . wenn ich den Namen wüßte würde ich ihn sagen, um ihm nochmal zu danken für alles . . . das was er für meinen Vater getan hat . . . er wird aber gar nicht mehr leben . . . und dadurch hat mein Vater sich gerettet vor dem Konzentrationslager. Ja “(Autogeräusche) Hilde Streit: “Sonst ist es eigentlich leiser hier”. Frage: Sonst hört man es vielleicht nicht so, wenn man nicht darauf achtet. Hilde Streit: “Dann finde ich es immer leiser als bei uns”. Carl Heinz Streit: “Bei uns hinten hört man überhaupt nichts “ (Warum sind wir da damals nicht hingegangen?) Frage. Wie oft waren sie jetzt nach dem Kriege in Deutschland? Rolf Arno Streit: “Ich war nach dem Kriege sieben oder achtmal in Deutschland, fünfmal wegen der Wiedergutmachungsgeschichten und Hilde Streit: Wie oft waren wir da . . . Rolf Arno Streit: Das darfst du ja nicht sagen. Hilde Streit: „Warum nicht?“ Rolf Arno Streit: “ . . . (lacht) und flüstert . . . weil wir noch eine Einreise haben wollen.“Hilde Streit Achso.(lacht) Rolf Arno Streit: „Bringen sie das bitte nicht mit rein.(lacht)“ Hilde Streit: „Achja wir wollen ne Einreise haben“ Frage: Es gibt doch so Einladungen auch . . . Hilde Streit: „Ne Einladung vom Senat.“ Frage: Die haben gerade dieses Jahr wieder so ein Programm aufgelegt. Hilde Streit: „Ja eben, denn fahren wir wieder hin.“ Rolf Arno Streit: „Ja ich persönlich hab geschrieben, ich war schon in Deutschland . . . und deshalb würde mir das nicht . . . beschieden . . . aber meine Frau . . . die noch nicht in Deutschland war. (Hilde Streit lacht) wird . . . da meine Frau noch nicht in Deutschland war . . . “ Hilde Streit: „Das ist doch gar nicht mehr drauf.“ Rolf Arno Streit: „Natürlich ist das drauf“ Hilde Streit: „Achja.“ Frage: Wir legen das da nicht vor. Hilde Streit: „Das wird abgeschnitten.“ Rolf Arno Streit: „Da meine Frau noch nicht in Deutschland war, hoffe ich vielleicht durch sie meine neue Einreise zu bekommen.. (lacht) ich persönlich würde so gerne meine Spesen übernehmen, wenn der Senat sie für meine Frau übernimmt“ (LKW Geräusche) Frage. Über den Spesen war der LKW drüber . . . Ich sag . . . über den Spesen war der LKW drüber . . . Rolf Arno Streit: LKW ? Frage: Lastkraftwagen . . . ich weiß nicht wie sie das Dietmar Bruns: Camioao Hilde Streit: Camiao Er spricht ja perfekt Portugisiesch. Rolf Arno Streit: „Soll ich das wiederholen?“ Hilde Streit: „Lieber nicht.“ Rolf Arno Streit: „Ist schon drauf? Ajah Haben sie sonst irgendwelche Fragen zu stelle?“ Frage: Was wir vorhin ja nicht hatten, war den Eisenstein . . . das wir darüber vielleicht noch mal reden, das der Eisenstein ja mit dem Potemkin . . . in den Schauburgen gezeigt hat und das es ja bei der Ufa mehr sone . . . nationale Ausrichtung gab . . . das man so bestimmte Filme nicht mehr gezeigt hat . . . später . . . es gab später “Im Westen nichts neues” der durfte ja bei der Ufa nicht gezeigt werden und der lief dann in den Schauburgen, wissen sie darüber irgendwas noch? Rolf Arno Streit: “Im Westen nichts neues“ war wohl einer der größten Filme, der je hergestellt wurde und ich glaube, er wurde in den Schauburgen gezeigt, aber ich kann das nicht mit Bestimmtheit behaupten . . . ich entsinne, das wir den Film gesehen haben in London . . . wir sind . . . mein Vater hatte eine Einladung bekommen nach London zur Eröffnung eines . . . des größten Theaters von London . . . ich glaub es hieß Empire Palace . . . da wurde der Film “Im Westen nichts neues” “Gone with the wind” aufgeführt Hilde Streit/ Carl Heinz Streit: „Das ist “Vom Winde verweht” Rolf Arno Streit: „Ach das ist Vom Winde verweht. Wie hieß denn der im Westen nichts neues auf Englisch?“ Frage: “All quiet at.” Carl Heinz Streit: “All quiet at the on the eastern front” . . . Hilde Streit: “Und warum durfte das nicht aufgeführt werden? Frage: Das war . . . nicht national gesonnen . . . die haben behauptet das war Gegenpropaganda. Carl Heinz Streit: Remarque Remarque. Rolf Arno Streit: “Ich glaub es war der Film, vielleicht war es auch Gone with the wind . . . ich weiss es nicht. Carl Heinz Streit: „Der kam später, den haben wir in Brasilien gesehen. Hilde Streit: „Ja den haben wir in Brasilien gesehen“ Rolf Arno Streit: „Ja also es war der Film im Westen nichts neues mit dem der . . . mit dem das neue Kino in London eröffnet wurde, da sind wir rübergefahren . . . das entsinnst du noch . . . ” Frage: Ich hab noch eine ein bißchen schwierige Frage. Wie das mit dem Antisemitismus in Deutschland los ging . . . wie ist das bei ihnen gewesen . . . ich mein mehr so das religiöse . . . war das jüdische ne Religion oder war das ne bestimmte Weltanschauung oder waren sie mehr Deutsche oder . . . Rolf Arno Streit: “Wir waren mehr Deutsche als Juden. Wir sind sehr . . . frei . . . liberal erzogen worden, aber wir waren bewußte Juden . . . wir waren wie man sagt Zweitagjuden . . . wir sind nur zweimal im Jahr in die Synagoge gegangen . . . das war zum Neujahrsfest und zum Versöhnungsfest . . . Roshoshone (Schreibweise?) war das Jahresfest und Jomkippur (Schreibweise?) war das Versöhnungsfest . . . oder ist das Versöhnungsfest das auch hier gehalten wird in Brasilien. Aber wir hatten natürlich Unannehmlichkeiten . . . in Deutschland . . . ich hatte eine ziemliche Affäre wegen eines christlichen Mädchens und . . . hatte dadurch sehr große Unannehmlichkeiten . . . (LKW Geräusche) über die ich mit nicht auslassen möchte. Auf jeden Fall . . . die Nazis waren hinter mir her und ich konnte nur durch Selbstverteidigung dem Schlimmsten entziehen . . .  Frage: Wie war das in der Familie ihres Großvaters . . . War das stärker oder weniger stark? Rolf Arno Streit: “Sie sprechen jetzt von der Religion, von der Religiösität? Meine Großmutter war eine sehr religöse Jüdin, mein Großvater nicht. Aber meine Großmutter hatte auch einen jüdischen Haushalt, es wurde dort nur koscher gegessen . . .Hilde Streit: „Haben sie erzählt mit dem Schweinefleisch? . . . “ Rolf Arno Streit: ” . . . ja und mein Großvater, der war sehr . . . sehr wenig religiös . . . und aß sehr gerne Schweinefleisch . . . das kam zweimal im Jahre vor . . . das meine Großmutter von Morgends bis Abends . . . eben an den gehobenen Feiertagen in der Synagoge gewesen ist . . . dann ist er schnell ins Restaurant gegangen und hat dort wunderbares Schweinefleisch gegessen . . . (lacht) Ja . . . Was wollen sie sonst wissen?” Wollt ihr ein bisschen stehen . . . Pause 31. 07. 1990

Rolf Arno Streit am Klavier: Aus Werbezwecken hat man einen Schlager gemacht, den Schauburg Schlager, der den Zuschauern . . . ne ich hab falsch gemacht, können wir noch mal machen?  Ich werde ihnen jetzt den Schauburg Schlager vorspielen, der aus Werbezwecken gemacht worden ist Klavier Rolf Arno Streit singt: Kinder seid vernünftig lasst die Frau durch denn sie will noch schnell mal in die Schauburg.  Klavier Ende Wiederholung Ich werde ihnen jetzt den Schauburg Schlager vorspielen, der aus Werbezwecken gemacht worden ist. Kinder seid vernünftig lasst die Frau durch, denn sie will noch schnell mal in die Schauburg Wiederholung Ich werde ihnen jetzt den Schauburg Schlager vorspielen, der aus Propagandazwecken gemacht worden ist. Kinder seid vernünftig lasst die Frau durch, denn sie will noch schnell mal in die Schauburg. Frage: Herr Streit sie hatten erzählt, als im Februar 1927 die Schauburg Millerntor eröffnet wurde da kam Henny Porten nach Hamburg, können sie das noch mal erzählen wie das war? Rolf Arno Streit: „Ja Henny Porten kam nach Hamburg um die Schauburg Millerntor zu eröffnen. Da haben wir sie abgeholt am Hauptbahnhof. Das war eine Menschenmenge unvorstellbar . . . nachher schrieben die Zeitungen, dass der Bahnhof mehr besetzt war von Menschen als bei der Ankunft von dem Reichspräsidenten Ebert. Ja und dann ist die Henny Porten . . . hat da ein paar Worte gesprochen in der Millerntor Schauburg und das war der Anfang der Schauburg.“ Frage: Wissen sie noch, wie der Film hiess in dem sie da gespielt hat? Rolf Arno Streit: Nein, das weiss ich nicht. Das weiss ich nicht. Frage: Dann sind ja auch in den Schauburgen die Filme von dem Eisenstein gezeigt worden. Können sie das noch mal erzählen? Rolf Arno Streit: „Von Eisenstein ist gezeigt worden . . . wie ich erinnere . . . der Film . . . der Film Potemkin . . . sonst wüßte ich nicht, welche Filme dort aufgeführt worden sind.“ Frage: Wollt ich noch mal nachfragen . . . es lief ja (Flugzeug) . . . es lief ja in den Schauburgen auch der erste Tonfilm . . . dieser Ton war ja nicht sehr lang. Können sie mal sagen wie das ausgehen hat? Rolf Arno Streit: “Der Film hiess “Ich küsse ihre Hand Madam” mit Harry Liedtke und Marlene Dietrich. Innerhalb des Films wurde dann das Lied gesungen . . . vom Blauen Engel ne . . . ich weiß nicht mehr genau . . . es wurde ein Lied gesungen . . . der nicht nachher wie die allgemeinen Tonfilme gespielt ist sondern durch Grammophonübertragung.“ Carl Heinz Streit: „Plattensystem Plattensystem . . . nachher kam das Optik System auf Das war der Jazzsinger mit Al Jolson.“ Frage: Wann war das? Carl Heinz Streit: „Das war gleich danach . . . ich weiss nicht mehr welches Jahr es war.“ Frage: Das war denn schon der richtige Tonfilm. Carl Heinz Streit: „Das war der richtige Tonfilm . . . der optische Tonfilm ja . . . der erste optische Tonfilm“. Frage: Das hat ja bestimmt damals auch ne Menge Geld gekostet. Wissen sie was sowas kostete . . . son Tonfilmapparatur? Carl Heinz Streit: „Die Tonfilmapparatur . . . nein das weiß ich nicht.“ Rolf Arno Streit: „Ja die waren irrsinnig teuer. Wenn . . . das war die erste Schauburg, die damit ausgerüstet . . . die . . . die Tonfilmübertragung gehabt hat.“ Carl Heinz Streit: „ Die optische.“Rolf Arno Streit: „Und dann hintereinander wurden die anderen Schauburgen auch damit . . . versehen . . . Aber wie teuer das war . . . das war ein ungeheurer . . . ungeheuer teuer . . . aber wie teuer kann ich leider nicht mehr sagen. Frage: Es gab ja lange auch einen Streit zwischen den Stummfilmleuten und den Tonfilmleuten und die Stummfilmleute haben ja immer gesagt, das wär gar keine Kunst, das wär irgendwie nur . . . irgendwas anderes. Rolf Arno Streit: „Nun naja . . . die sind mit ihrer Meinung ja nicht durch gekommen denn jetzt gibt es ja nur noch Tonfilme . . . Also das glaub ich nicht, das die damit durch gekommen sind . . . Das so etwas existiert hat, das erinner ich auch . . . aber wird naürlich sofort abgeblasen

Frage: Es gab dann noch . . . den Film ”Im Westen nichts neues” über den ersten Weltkrieg . . . ein amerikanischer Film, der in den Ufa Kinos weder synchronisiert noch gezeigt werden durfte oder sollte. Und der ist ja in den Schauburgen gelaufen . . . Können sie darüber noch mal was sagen: Rolf Arno Streit: „Ja das war ein großer Erfolg . . . aber . . . viel mehr kann ich auch nicht darüber sagen. Er wurde in den Schauburgen gespielt und das weiss ich, das erinner ich, daß mein Vater uns sagte . . . es war ein ganz großer Erfolg . . .  “ Frage: Zur Premiere waren sie . . . waren sie . . . zur Premiere des Films . . . Rolf Arno Streit: „Sicher waren wir zur Premiere des Films . . . aber Einzelheiten kann ich nicht sagen . . . denn das liegt ja schon viele . . . viele Jahre zurück“. Frage: Herr Streit . . . können sie noch mal erzählen, wie sie von Rio nach Belo Horizonte gekommen . . . wann das war.Rolf Arno Streit: „Wir sind angekommen . . . das sagte ich schon im Jahre 1936 . . . mein Bruder und ich . . . Später sind meine Eltern gekommen . . . im Jahre 1938 . . . und wie bekannt ist Rio eine der heißesten Städte der Welt . . . wir haben hier im Sommer . . . Hitze . . . bis zu über 40 Grad im Schatten . . . das konnten meine Eltern nicht vertragen . . . deshalb sind wir nach Belo Horizonte übersiedelt, welches ungefähr achthundert Meter hoch liegt und dadurch . . . einen Filter . . . ein besseres Klima hat. Ich will ihnen jetzt mal kurz mal Belo Horizonte zeigen, was wir von oben hier sehen können.Hier das ist Belo Horizonte (Die sagen immer bello).“ Frage: So sah es doch 1941 bestimmt noch nicht aus . . . das war . . . Rolf Arno Streit: Das möchte ich noch mal sagen. Belo Horizonte, als wir hierher kamen 1941 . . . hat circa hundertfünfzigtausend Einwohner . . . jetzt . . . hat Belo Horizonte etwa drei Millionen Einwohner . . . also ist größer als Hamburg . . . . . . . . . . . . Pause . . . . . . Fotoansichten Carl Heinz Streit: „Dieses Foto ist aufgenommen bei dem Fotografen Bieber, der einstmals der größte Fotograf in Hamburg war. Dies ist mein Vater, dies ist mein Bruder Rolf und dies bin ich. Wie sie sehen habe ich vergessen, das Taschentuch in die Tasche zu stecken und hab dadurch von meinem Vater eine große Tadelung bekommen . . . (Wiederholung) Das hab ich ihnen dann zugedacht. Carl Heinz Streit: „Dieses hier ist die Familie Urich-Saß . . . Mein Onkel Hermann Urich-Saß, meine Tante Hedwig Urich-Saß, meine Cousine Vera . . . schon verstorben . . . mein Vetter Horst Urich-Saß und mein Vetter Jürgen Urich-Saß . . . auch schon verstorben . . . „Wiederholung Carl Heinz Streit: „Dies ist die Familie Urich-Sass . . . Das ist meine Tante Hedwig Urich-Saß . . . schon verstorben, das ist die Tochter Vera . . . auch schon verstorben . . . mein Onkel Hermann Urich-Saß verstorben . . . Jürgen Urich-Saß . . . auch verstorben . . . der einzige überlebende der Familie ist mein Vetter Horst Urich-Saß, der in Mexiko und in den Staaten lebt.“Jetzt kommt das nächste Foto Carl Heinz Streit: „Dieses sind meine Eltern, mein Vater und meine Mutter. Beide auch schon verstorben.“ Dies sind meine Großeltern Frida Henschel und Jeremias -genannt James Henschel . . .Eins ist da noch zwischen . . . ein Kinderfoto „Dies ist mein Bruder Rolf Arno Streit und dies bin ich Carl Heinz Streit . . . das ist aufgenommen vor circa . . . 70 Jahren . . . aufgenommen vor circa 70 Jahren . . . (1990) Rolf Arno Streit und Carl Heinz Streit (ca. 1920)Da war ich sieben . . . und mein Bruder 6 Jahre alt“. Etwas älter. Rolf Arno Streit: Mein Bruder ist ja ein Jahr älter als ich . . . Der Bruder oder selbst. Rolf Arno Streit: „Jein . . . mein Bruder ist ja ein Jahr älter als ich . . . der kann ja nie jünger werden . . . Gut ja . . . „Das Bild mit dem Motorrad.Aber das ist aber so klein. Geht los. Hilde Streit: „Also ich bin einmal . . . einmal in meinem Leben Motorrad gefahren hab keine Ahnung gehabt und der hinter mir gesessen hat hat immer gesagt bremsen und dann hab ich nicht gewußt, wie zu bremsen und hab immer mehr Gas gegeben . . . Frage:  Das Foto ist in Hamburg aufgenommen?. Hilde Streit: „Ja ist in Hamburg aufgenommen worden . . . aber wo kann ich nicht mehr sagen —„Rolf Arno Streit: „Bebelallee ? Wie lange muß das her sein, Hansa Strasse?“ Rolf Arno Streit: Dieses Bild ist aufgenommen auf der Hochzeitsfeier von meiner Tante Grete und von dem Onkel Hermann . . . der ist vielleicht fünfundzwanzigsechsundzwanzig Jahre alt gewesen und meine Tante war ja in den zwanziger . . . Anfang zwanzig . . . sie war die Schwester meiner Mutter . . . ist leider beim ersten Kind verstorben . . . bei der Geburt des ersten Kindes . . . Dies hier ist mein Großvater James und meine Großmutter Frida . . . Dies hier ist mein Vater Hugo Streit . . . und meine Mutter Sophie Streit . . . Hier ist ein Familienbild der Familie Streit . . . das wurde aufgenommen in . . . soweit ich erinnere in den Schauburg Studien . . . es war ein Freund meines Vaters . . . der in den Schauburgen . . . in den Läden der Schauburgen Fotoateliers betrieb . . . Auf diesem Bild sehen sie die ganzen Brüder meines Vaters . . . hier mein Vater . . . hier ein Bruder Max ein Bruder Richard , Bruder Albert . . . ein Bruder John . . . das war der älteste . . . Frauen und die Kinder . . . hier ist die Schwester Grete Hirschel mit ihrem Mann . . . und hier ist noch Franz Traugott, der Prokurist meines Vater geworden ist . . . mit seiner Frau Bianca . . . die vor einigen Jahren mit neunundneunzig . . . Jahren gestorben ist . . . . Hier sind lauter . . . Frage: Den Manfred . . . ist der auch da drauf zu sehen . . . Manfred Hirschel . . . Ist der Manfred Hirschel auch da drauf zu sehen? Rolf Arno Streit: „Hier ist Manfred Hirschel . . . Dies hier ist ein Familienbild der Familie Streit.Und zwar wurde das aufgenommen . . . wenn ich mich nicht irre . . . zum siebzigsten Geburtstag meines Großvaters Jakob Streit . . . Hier sehen sie meine Eltern . . . mein Vater Hugo Streit und meine Mutter . . . hier bin ich . . . schlecht getroffen . . . hier ist Max . . . Richard . . . Albert . . . John . . . Bianca . . . und Grete . . . alles geborene Streits mit ihren Männern . . . hier sitzen die ganzen Kinder . . . also meine Cousinen und meine Cousins . . . hier ist mein Bruder noch zu sehen. ,, . . . Dies hier ist auf dem Eiffelturm . . . hier sitzt meine Mutter . . . mein Vater . . . mein Bruder Carl Heinz und ich . . . das sind die ersten langen Hosen . . . die wir in Paris von meinen Eltern geschenkt bekommen haben . . . das erinner ich noch . . . hier auf diesem Bild sehen sie meine Großeltern Frida Henschel und James Henschel . . . mit ihrer Tochter Bianca Henschel . . . aufgenommen in Wiesbaden . . . Die ist ein Familien . . . dies ist ein Bild meiner Eltern mit meiner Großmutter . . . “ LKW nochmal alles ? Frage: nur das letzte.Bild Rolf Arno Streit: „Dies ist das Bild meiner Eltern, mein Vater . . . meine Mutter . . . meine Großmutter Frida Henschel . . . und weitläufige Verwandte . . . im Hintergrund sehen sie unseren Cadillac Wagen . . . das war der erste Cadillac von Hamburg . . . und hatte Aufsehen erregt . . . hier ist noch zu sehen unser Chauffeur . . . .Ja das ist mein Vater . . . Auf diesem Bild sehen sie meinen Vater im Hintergrund ein Flugzeug . . . wo das gewesen ist, kann ich ihnen leider nicht mehr sagen .. . . dies sind meine Eltern Hugo Streit und Sophie Streit mit der Schauburg Zeitung . . . Jedes Kino . . . jedes Kino . . . also jede Schauburg hatte eine . . . hat eine . . . hat eine Zeitung bekommen . . . die gleichzeitig ein Programm von dem jeweiligen . . . Film . . . enthalten hat . . .  Hier sehen sie mein Vater Hugo Streit . . . und Hermann Urich-Saß . . . sein Kompagnon . . . die beiden haben die Schauburgen und den ganzen Konzern gemeinsam aufgebaut . . . Auf diesem Bild sehen sie meine Großeltern Frida und James Henschel . . . mein Vater . . . Hugo Streit und meine Mutter Sophie Streit . . . am Europäischen . . . vor dem Europäischen Hof in Baden Baden . . . Auf diesem Bild sehen sie unser Haus in der Rothenbaumchaussee . . . im Vordergrund stehen . . . steht die Familie . . . und hier ist der Cadillac . . . noch einmal richtig zu sehen . . . .Dies ist ein Bild aufgenommen in Rio de Janeiro . . . da sind wir soweit erinnerlich nach Petropolis raufgefahren . . . dies ist meine Frau und dies bin ich . . . Rolf . . . auf diesem Bild sehen sie mein Hochzeitsbild mit meiner Frau . . . die in Holland in Haag . . . gefeiert wurde . . . weil ich seinerzeit nicht mehr nach Deutschland zurückkehren konnte . . . ohne Gefahr zu laufen ins Konzentrationslager zu . . . zu kommen. Da haben wir bei meiner Tante, die damals in Holland lebte . . . Bianca . . . unsere Hochzeit gefeiert . . . Zu der Hochzeit sind die ganzen Verwandten . . . auch meine Großeltern . . . James und Frida . . . auch meine Eltern und die Eltern meiner Frau herübergekommen . . . Tja . . . dies ist ein kleines Bild in Monte Carlo aufgenommen . . . ich ersehe daraus nur . . . mein Großvater James und meine Großmutter Frida . . .  ein Moment . . . Alte Postkarte Cap Norte Dies ist ein Bild von der Cap Norte . . . das Schwesternschiff von der Cap Polonio . . . mit dem wir . . . meine Frau und ich nach der Hochzeit wieder zurückgefahren sind nach Rio . . . zurück bin nur ich gefahren . . . meine Frau habe ich aber mitgenommen . . . Hilde Streit: Dankeschön (lacht) . . . . . . Dies war auch ein Bild . . . hier ist der Betrüger drauf . . . das will ich gar nicht zeigen . . . Frage: Das ist auch von der Überfahrt. Rolf Arno Streit:“ . . . das ist auch der Betrüger drauf.“ Frage: Dann machen wir die Zwischenstation in Portugal noch. Rolf Arno Streit: Was ist das denn . . . Frage: Portugal. Rolf Arno Streit: „In Lissabon Sierra Campus . . . 1937 . . . Auf diesem Bild . . . soll ich anfangen . . . Auf diesem Bild sehen sie meine Großeltern Streit Jakob und Trude . . . .(Strassenbahngeräusche) . . . Auf diesem Bild sehen sie meine Eltern auf der Cap Polonio . . . sie besuchten uns zu jener Zeit in Rio . . . sie besuchten uns im Jahre 1937 . . . nein das kann nicht sein . . . sie sind damals aus Amerika zurück gekommen . . . ich entsinne das nicht mehr ganz genau. . . Hier sehen sie meine Eltern Hugo und Sophie Streit mit den Eltern meines Vaters Trude und Jakob Streit . . . mein Bruder Carl Heinz und ich als der jüngere . . . auf dem Bild erscheine ich der Höhe wegen als der ältere . . . aber in Wirklichkeit bin in der jüngere   . . . hier auf diesem Bild sehen sie meinen Bruder mit seiner Amme . . . das bin ich . . . da . . . da arische Musiker nicht mehr für Juden spielen durften . . . spielen durften haben wir eine jüdische Kapelle gegründet . . . . den Namen Catus . . . ich war der Kapellmeister . . . dies sind alles jüdische Musiker . . . wir spielten sehr viel auf jüdischen Festen . . . privater Natur und auch . . . entsinne ich ein Henry Jones Logenball . . . Henry Jones Logenball . . . Hernry Jones Loge war eine jüddische Loge und die hat dann jedes Jahr ein großes Fest gegeben auf dem wir gespielt haben . . .  Frage: Buenos Aires steht da hinten drauf. Rolf Arno Streit: Buenos Aires . . . die haben gar nichts mit uns zu tun . . . : Ja dann sind wir durch. Frage. Das ist auch schon Buenos Aires Rolf Arno Streit: „Nein das ist Travemünde. Travemünde . . . Ah ja . . . (Hundegebell im Hintergrund) Rolf Arno Streit: „Auf diesem Bild sehen sie wie die Menschen früher am Strand angezogen waren. Dieses Bild zeigt den Strand von Travemünde. Mein Vater im Badeanzug meine Mutter in der Badeho . . . anzug. Mein Onkel . . . alle gut gekleidet . . . hier bin ich und hier ist mein Bruder Carl Heinz Das ist 19 . . . und etwa 1913 gewesen . . . so ging man an den Strand . . . ne eben nicht . . . ich hab mich geirrt . . . es waren keine Badeanzüge . . . es waren Anzüge mit steifen Kragen . . . Eckenkragen . . . meine Mutter in einem eleganten Sommerkleid . . . mit Hut und die Amme hier mit dicken Brüsten zu sehen. Frage: Und das andere Foto . . . können wir das noch sehen?Rolf Arno Streit: „Hier sehen sie wiederum am Strand von Travemünde die ganze Familie in ihren besten Kleidungsstücken . . . „Frage. Da waren laute Kinder, wollen wir das noch mal haben ja einmal Rolf Arno Streit: „Auf diesem Bild sehen sie die ganze Familie wie sie damals vor circa achtzig Jahren am Strand von Travemünde . . . erschienen.“ Hilde Streit: „Jetzt wenn sie in Rio sehen . . . wie die Leute da schwimmen . . . „Frage: Ich glaube, das genügt auch. Ist es alles schön Herr Kameramann? Brasilianisch wird jetzt geredet. Die Fragen stellte Jens Meyer, Kamera hat Dietmar Bruns gemacht

Das Interview mit Rolf Arno Streit, Hilde Streit und Carl Heinz Streit fand am 30. und 31. Juli 1990 in Belo Horizonte, Brasilien statt. Rolf Arno und Carl Heinz Streit sind die beiden Söhne des Kinobesitzerehepaars  Sophie (geb. Henschel)  und Hugo Streit, der zusammen mit seinem Kompagnon Hermann Urich Sass den Henschel Film und Theaterkonzern leitete und besaß. Das Unternehmen wurde in der Nazizeit enteignet (arisiert  nannten die deutschen Nazis das Verfahren). Die Nutzniesser hießen Paul Romahn und Gustav Schümann, ehemalige Angestellte des Henschel Film und Theaterkonzerns.

Interview Jens Meyer

Anmerkung 2017. Der Mann, der  Carl Heinz Streit in Brasilien sofort angestellt hat, war Al Szekler (in dieser Schreibweise). *Al Szekler war Direktor der Firma Universal Film SA Brasilien. Jens Meyer 2020

Belo Horizonte 31. Juli 1990. Von links nach rechts: Carl Heinz Streit, Rolf Arno Streit und seine Ehefrau Hildegard Käthe Streit, geb. Sochaczewer, geb. am 9. August 1913, gest. 1993. Foto Jens Meyer

Belo Horizonte Brasilien 1990
Hilde Streit Carl Heinz Streit
Hildegard Käthe Streit, geb. Sochaczewer. geb. 9. August 1913 in Hamburg. Gest. 1993 in Belo Horizonte (Brasilien). Rolf Arno Streit. geb. 26. August 1911 in Hamburg. gest.15. Februar 1993. In Belo Horizonte. (Brasilien)
Tier
Carl Heinz Streit 1990

Schauburg Hamburg Hbf Januar 1936

Schauburg1936Der Film „Anna Karenina“ startete in Deutschland am 31. Januar 1936. Da war das Schauburg Kino am Hamburger Hbf schon >arisiert<, wie die deutschen Nazis und ihre Nutzniesser diese Enteignung damals genannt haben. Nutzniesser in diesem Fall Paul Romahn und Gustav Schümann. Beide Mitglieder der SA und der NSDAP. Der eine ist schon seit 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP.Tieresehendichan3

Gar nicht teuer: Britische Brandbomben von Hans Brunswig 4.Mai 1942

BritischeBRandbombeZuschauerraum4.5.1942…“Fast genau auf den Tag 100 Jahre nach jenem großen Brand von Hamburg (Anmerkung: Der Feuerwehrmann Hans Brunswig meint den Brand, der in der Nacht vom 5. Mai 1842 in der Hamburger Deichstrasse ausgebrochen war) versuchte die RAF in der Nacht zum 4. Mai 1942 durch Abwurf einer bislang noch nicht eingesetzten großen Menge von rund 3.500 Brandbomben entsprechend der neuen Angriffstaktik Hamburg erneut in Brand zu setzen. Die Zahl der Sprengbomben war dagegen mit insgesamt 30, darunter sechs Minenbomben, relativ gering. Die Bevölkerung hatte 77 Tote zu beklagen und damit zum ersten Male wieder erhebliche Verluste.  Zur Brandbekämpfung mussten aber 60 Löschzüge und zahlreiche Sonderfahrzeuge eingesetzt werden. Von den bemerkenswerten Brandstellen ist das Großfeuer im >Trichter Gebäude< Reeperbahn 1(eins) zu erwähnen. Etwa 20 (Zwanzig) Stab Brandbomben durchschlugen das Dach der zu einer Betriebs-Luftschutzgemeinschaft gehörenden Betriebe >Ballhaus Trichter<, >Cafe Rheinterassen< und >Lichtspielhaus Schauburg St. Pauli<. Die Brandbomben blieben zum Teil im Gebälk hängen und setzten vor allem die Ränge der Schauburg St. Pauli in Brand. Das Kino wurde ganz zerstört. Der Schaden betrug über eine halbe Million RM.“ (Hans Brunswig, Feuersturm, Motor Buch Verlag Stuttgart, 6. Auflage 1983,  Seite 131). Den Schadensbetrag hat Hans Brunswig aus dem Buch „Hamburg und seine Bauten“ abgeschrieben. (Seite 358). Dort ist die Bausumme und auch der Architekt Carl Winand genannt. Die Bauzeit (1926) ist mit vier Monaten angegeben. Da der Feuerwehrmann Hans Brunswig keinen Preis für die „billigste Abwurfmunition“ nennt, lässt sich nicht ermitteln, wieviel die 20 Brandstäbe die Briten in der Anschaffung und Verteilung gekostet haben. Nur dann liesse sich reimen „Um einen Wert von 500.000,00 RM zu zerstören, bedarf es nur 20 x X =  Y.“ Ein Rätsel, das für eine Weile vielleicht ungelöst bleibt. Da der Vertrag (für die Pachtung des Grundstückes) mit der Stadt eine langjährige Nutzung vorsah, bleibt nur das Rätsel, warum die beiden arischen SA Männer  (Gustav Schümann und Paul Romahn) das Kino nicht wieder aufgebaut haben. Schließlich war der Krieg erst ein paar Jahre später zu Ende. Auf Seite 133 schreibt der Feuerwehrmann Hans Brunswig noch: „Der Versuch, einen zweiten >Großen Brand von Hamburg< auszulösen, ist der RAF zweifellos mißlungen – der >Jubiläumsbrand< fand nicht statt!“ (Hans Brunswig, Feuersturm über Hamburg, Motorbuch Verlag Stuttgart, 6. Auflage 1983, Seite 133.). Anmerkung Nr. 34 im selben Buch: „Folgende Zeiten sind >amtlich< bekannt geworden: Erster Bombenabwurf 00.35, Luftgefahr15: 00.45, Fliegeralarm: 1.03, Luftgefahr vorbei: 03.02, Entwarnung: 3.05“. In dem Buch gibt es sogar eine Statistik der Luftangriffe für die Jahre 1940-1945. Seite 448 – 457)

Sir Arthur Harris Chef der Britischen Bombergeschwader

Auf der Suche nach Henschel 15 / 18 Seiten Recherchen 1989 und einen Text von der Stolpersteinverlegung

PDF Fritz Kuhnert UFA Auszug aus Bericht 15 Seiten

PDF Auf der Suche nach Henschel 15 SeitenManuskript

Abschrift:

A U F   D E R   S U C H E   N A C H   H E N S C H E L

Vielleicht ist die Geschichte ganz einfach erklärbar. Vielleicht einfach so: DIE BANKEN KÜNDIGEN DIE KREDITE. Das Unternehmen wird zahlungsunfähig und muss Konkurs anmelden. Ein Konkurrent hatte seine Hand im Spiel, der Markt sollte bereinigt werden. Oder so: Henschel ist Jude und die Nazis ARISIEREN die Firma. Einer mit “deutschem oder artverwandten Blut“ bekommt einen Kredit und erwirbt die Firma fürn “Appel und Ei“. Der Name Henschel verschwindet. Keiner erinnert sich noch heute gerne an die “freundschaftliche Arisierung“, wie der Enteignungsvorgang von den Nazis genannt wurde. Mancher “deutsche“ Bäckermeister, mancher “deutsche“ Schlachtermeister kam auf diese Weise an einen eigenen Betrieb.

Oder so: Das Unternehmen musste mit der Einführung des Tonfilmes so große Mengen Geldes in die neuen Tonfilmgeräte stecken, dass die Firma Tobis oder die Firma Siemens Klangfilm die Großtheater übernommen haben, als die fälligen Raten nicht rechtzeitig bezahlt wurden. Oder so: Die Firma zeigte zu viele “antideutsche Filme“, die noch von den den Nazis “unabhängigen“ Filmverleihe wurden gezwungen, das Unternehmen Henschel nicht mehr zu beliefern. Begonnen hat alles mit einem anderen Konzern, der heute die Kinostruktur weitgehend beherrscht. Ein vertikaler Konzern, sagen die Filmwissenschaftler. Von diesem Konzern weiß keiner so recht, welche Ziele denn außer Geldverdienen noch verfolgt werden. Und über den es keine Öffentlichkeit gibt. Und das aus verschiedenen Gründen: Das Publikum ist an den Besitzverhältnissen der Abspielstellen nicht interessiert, der Konzernbesitzer hat die Printmedien im festen Griff über die Anzeigenabteilungen. Keine Zeile gegen die großen Anzeigenkunden. Geld ist eben immer noch die beste Waffe. Auch die Bank der deutschen Filmwirtschaft, genannt Filmförderungsanstalt will sich seinem Zugriff nicht entziehen. Mit den Zinssätzen kann keine andere Bank in Konkurrenz treten. Das vollzieht sich nach Recht und Gesetz, soll der Hebung der Filmkultur auf breiter Grundlage dienen und arbeitet doch nur nach dem alten Bibelspruch: “Wer hat, dem wird gegeben…“. Doch gibt es auch Widersprüche. Nicht immer lassen sich Redakteure ihre Texte von der Anzeigenabteilung diktieren. Manchmal bringen sie noch schnell 90 Zeilen irgendwo unter, weil sie doch in Wut geraten sind. Und das will etwas bedeuten. Schließlich setzen sie einen gut bezahlten Arbeitsplatz aufs Spiel. Am nächsten Tag ist das Geschrei jedenfalls groß über die veröffentlichte Wahrheit. In der Folgezeit interessieren sich dann nur noch die Juristen mit ihrer Gebührenordnung, die sich nach dem Streitwert richtet, für die 90 Zeilen über den Konzern. Bei der Finanzstärke des Kinokonzerns bleibt ein solcher Prozess eben nicht aus. Dann geht es durch 2 Instanzen, Streitwert 1.5 Millionen (DM). Würde dieser Betrag pro Druckzeile umgelegt, dann würde das pro Zeile 17.000,00 DM geben. Kein schlechtes Zeilenhonorar. Nach dem Prozess sind dann alle schlauer, insbesondere die, die für ein viel geringeres Zeilenhonorar arbeiten. Für den fehlenden Mut, sich mit den Großen anzulegen gibt es allerlei Rationalisierungen. Ausrutscher passieren in Zukunft nicht mehr, es wird jeden Monat neu lamentiert und an der Oberfläche gekratzt. Grundsätzliches wird besser nicht erörtert und das Publikum interessiert sich sowieso nicht für die Zusammenhänge. Die schamlose Ausbeutung des Filmpublikums ist im “mutigen“ Zeitungsdeutschland keine Zeile wert. Das verweist auf die Geschichte und die Zusammenhänge. Auch damals “im Dritten“ konnte nur gewählt werden zwischen “Keine Veröffentlichung – kein Auskommen“ und “Kopf an der Garderobe abgeben – aber dafür gut leben“. Auch hier wieder die Rationalisierungen für den fehlenden Mut. Die Geschichte vom Mc. Donalds für die Augen.

Der Schirmherr des deutschen Films (Foto in Agfacolor) legt fest, was ein deutscher Film ist: “Deutsche Filme sollen künftig nur von Deutschen hergestellt werden. Deutsch aber ist, wer deutscher Abstammung, deutschen oder artverwandten Blutes ist. Seitdem können allein Filme als deutsche Filme anerkannt werden, die von einer d e u t s c h e n Gesellschaft in d e u t s c h e n Ateliers mit d e u t s c h e r Idee, d e u t s c h e m Autor, d e u t s c h e n Komponisten und d e u t s c h e n Filmschaffenden hergestellt sind. Durch jene Begriffsbestimmung des deutschen Films wird es möglich, in verhältnismäßig kurzer Zeit die jüdischen Einflüsse in der Produktion, dem Verleihgeschäft wie dem Filmtheaterwesen auszumerzen.“ J.G.

Kein Deutscher mehr

Am 28. Januar 1935 wird im Reichsanzeiger veröffentlicht, daß Ernst Lubitsch die deutsche Staatsbürgerschaft verloren hat.

IST HENSCHEL AUSGEMERZT WORDEN?

Wenn ich noch heute Hautreizungen bei dem Wort “deutscher Film“ bekomme, wen wundert das eigentlich?

Doch Abschaffung des Kinos durch Filmtheaterkonzerne? Durch Mc. Donalds für die Augen? Seit wie vielen Jahren ? Die Zusammenarbeit von Phantasie und Kapital hat “Sein oder Nichtsein“ hervorgebracht. Widersprüche. Was wenn Henschel sein Geld aus den Filmtheatern abgezogen hat, weil er im Waffengeschäft höhere Rendite erwartete und schließlich auch belohnt wurde mit dem zweiten Weltkrieg? Weitsichtiger Mann vielleicht? Der schon ahnte, dass 1943 durch Fliegerbomben 90 % seiner Kinos zerstört werden würden? Fakten sind gefragt. Der Vater: Im Dezember 1905 eröffnet James Henschel das “Helios Theater“ in der Großen Bergstr. 11-15 in Altona (Preussen). Das Theater hat 500 Sitzplätze. Henschel “kam von der Konfektion“ (wie Lubitsch). 1918 verkauft er seine Häuser und seine Firma Monopol Film Verleih an die neugegründete UFA (und andere Kinobesitzer) und “zieht sich ins Privatleben“ zurück. 1919 ist das Sturmjahr der Kommunalisierungsbewegung der Filmtheater. Im Badischen Landtag ebenso wie in Frankfurt a. M., Halle, München und anderen Orten fordert man staatlicher- oder städtischerseits die Kommunalisierung der Kinobetriebe. In München kam es dabei im September bis Dezember 1919 zu einem Kinostreik, denn der Stadtmagistrat forderte bis zur Durchführung der Kommunalisierung eine hundertprozentige Lustbarkeitssteuer. Am 11. November 1919 geht von der UFA eine ausführliche wohlbegründete Stellungnahme in der Angelegenheit an das Reichswirtschaftsministerium. Sie schließt mit dem nachdrücklichen Hinweis, dass bei einer Kommunalisierung der Theater schwere Gefahren für den Fortbestand unserer Gesellschaft und damit eine Gefährdung der Reichsbeteiligung bei unserer Gesellschaft drohen. Am 15. April 1920 stellt die Unabhängige Sozialdemokratie einen Antrag auf Kommunalisierung der Lichtspielhäuser. Er wird vom Reichstag abgelehnt. Ein Antrag der Linken auf Sozialisierung der Filmbetriebe wurde 1919 vom Reichstag als nicht zulässig an die Länder verwiesen.“

Henschels Schwiegersöhne Hermann Urich Saß und Hugo Streit beginnen 1919 mit dem Neuaufbau eines norddeutschen Kino Konzerns. (Henschel Film- und Theater Konzern OHG). Das “APOLLO THEATER“ in Hamburg Hammerbrook, Süderstrasse 56 mit 456 Sitzplätzen, das “CITY THEATER“ Steindamm 9 mit 550 Sitzplätzen, die “SCHAUBURG AM HAUPTBAHNHOF“, Mönckebergstr. 8, mit 883 Sitzplätzen, die “SCHAUBURG UHLENHORST“, Winterhuder Weg 106, mit 680 Sitzplätzen werden von ihnen gepachtet. 1926 (noch vor Beginn der Tonfilmzeit) beginnen sie mit dem Neubau riesiger Lichtspielpaläste. Im Februar 1927 wird die “SCHAUBURG AM MILLERNTOR“, Reeperbahn 1 / Ecke Circusweg mit 1156 Sitzplätzen eröffnet. Architekt ist Carl Winand. Ein Restaurant für 500 Gäste wird ebenfalls errichtet. Bauzeit 4 Monate. Baukosten etwa 500.000,– RM. “Ein geräumiger Vorraum führt zur Empfangshalle. Von hier aus ist der Zuschauerraum zu betreten. Breit angelegte Treppen führen zum Ranggeschoß. Notausgänge in genügender Anzahl nach dem Cirkusweg. Zu beiden Seiten der Bühnenwand ist eine Oskalyd Orgel mit Fernwerk von der Firma Furtwängler & Hammer aus Hannover eingebaut. Die Bühnenwand zeigt vor der Bildfläche einen Raum für Vorspiele.“

Und eine Korrektur aus der Festschrift die “im Februar 1927 unseren Besuchern überreicht wird“ der Herr heißt nicht Hermann Ulrich Saß, sondern Hermann Urich Saß. Ist deswegen sein späteres Verschwinden nicht bemerkt worden? Die Schwiegersöhne müssen mit Geld gut ein(ge)deckt sein, denn von nun an geht es Schlag auf Schlag: Im September 1928 kommt die “SCHAUBURG HAMMERBROOK“, Süderstrasse 73, mit 1450 Plätzen dazu. Architekt Georg Koyen. “1924 wurde auf dem Platz Süderstrasse von privater Seite eine Markthalle errichte, die aber nicht bestehen konnte. Am 16. September 1928 wird das Kino nach gründlichem Umbau eröffnet.“ Es folgen 1928 die “SCHAUBURG BARMBECK“, Denhaide 91-95 mit 1100 Sitzplätzen, 1929 die “SCHAUBURG WANDSBEK“, Hamburger Strasse 7, mit 1100 Sitzplätzen. Weitere Theaterneubauten 1929 sind: die “SCHAUBURG NORD“, Fuhlsbüttler Str. 165, mit 975 Plätzen und die “SCHAUBURG HAMM“, Hammer Landstr. 6-8, mit 1520 Sitzplätzen. Der “HENSCHEL FILM UND THEATERKONZERN“ wie er jetzt genannt wird, mit Sitz in Hamburg 36, Dammtorstr. 27 (direkt zwischen OBERSCHULBEHÖRDE UND STADTTHEATER-heute “Staatsoper“) pachtet bis Ende 1929 weitere Theater: das “BURG THEATER“ in Hamburg Rothenburgsort, Billhörner Röhrendamm 79-83 mit 410 Sitzplätzen und 1930 übernimmt Firma Henschel aus das ehemalige “Gründungs Kino“ des James Henschel “HELIOS THEATER“ in der Großen Bergstrasse 11-15 und wandelt es in die “SCHAUBURG ALTONA“ mit 500 Sitzplätzen um.  Damit verfügt das Unternehmen Henschel 1930 über 12 Filmtheater mit insgesamt 10.731 Sitzplätzen. Auch hier drängen sich Vergleiche zur Gegenwart auf. 1988 also 58 Jahre später hat der “Ramschladen“ Kino Besitzer (Hanseatisches Oberlandesgericht 6. Mai 1982) ebenso viele Sitzplätze in Hamburger Kinos. Henschel spielte in seinen Kinos die unabhängige Ware: Die neuen Filme von Chaplin, die “Russenfilme“ von Eisenstein, Vertov, Dowschenko (“ARSENAL“-nebenbei nach diesem Film von Dowschenko sind auch in Hamburg zwei Kinos benannt, aber noch nie dort gezeigt worden). Doch sicher auch die gängige Durchschnittsware. Doch andere Filme als in der Firma des “Geheimen Finanzrates Hugenberg“ der UFA. Dieser Konzern eröffnet sein neues Großkino im “DEUTSCHLANDHAUS“ Valentinskamp / Ecke Dammtorstrasse (Architekten Block und Hochfeld) mit 2600 Plätzen am 21.12.1929 mit dem deutschen Film von Leni Riefenstahl und Arnold Fank: “DIE WEISSE HÖLLE VOM PIZ PALÜ“ einem Film eben jener Dame die bei dem “Schirmherr des deutschen Films Josef Goebbels“ mit dem “Triumph des Willens“ (1934) so große Erfolge erringen konnte. Zur Eröffnung waren die 2600 Plätze des “UFA PALAST“ mit Vertretern des Senats, der Bürgerschaft und der Behörden besetzt. Unter der Regie von Hugenberg und Klitzsch (der gleichzeitig Vorsitzender der SPIO war) hielt die UFA die vermeintliche “deutsche“ Tradition hoch.“ Ähnliche Gründe bestimmen die UFA, keine Werbefilme linksgerichteter Zeitungen in den UFA Theatern zuzulassen, und 1929 lehnt man ab, für den amerikanischen Film “IM WESTEN NICHTS NEUES“ Atelierraum zur Synchronisation oder gar Theater zur Vorführung zu Verfügung zu stellen . . . Aus der gleichen Haltung heraus fasst man den Entschluss,  dass die UFA künftig keine sowjetrussischen Filme mehr für ihre Theater mietet . . . man wahrte unbedingte Zurückhaltung, wenn ausländische Bestrebungen sich gegen das d e u t s c h e Ansehen wandte oder von weltanschaulich untragbar erscheinenden Tendenzen geleitet wurden.“ Stattdessen wird dist“. er Reinertrag des Filmes “DER WELTKRIEG“ (1927) . . .der Erstaufführung zum Besten der Hindenburg Spende überwiesen“. Auch hier drängen sich Vergleiche auf. 1937 übernehmen die Nazis die Aktienmehrheit der UFA und gründen zur “Verwirklichung nationalsozialistischer Ziele“ den UFI Konzern. Nach der Kapitulation des Dritten Reiches werden beide Unternehmen von der Besatzungsmacht erneut zusammengefasst. Kurz darauf wird die UFA “Reprivatisiert“ und die UFI kraft Gesetzes aufgelöst. Die UFA (privat) entsteht neu in Gestalt zweier Teilgesellschaften der “UNIVERSUM FILM AG“ und der “UFA THEATER AG“. 1964 übernimmt die “Bertelsmann-Gruppe“. 1971 wird der Verkauf an Riech vorbereitet. Am 1. Januar 1972 übernimmt Riech die zum Verkauf gestellten Aktien mit einem Nominalbetrag von 12,5 Millionen DM. Über den Verkaufspreis liegen keine exakten Zahlen vor. Die Fachpresse spricht von 30-40 Millionen DM. Kurz gefasst die Geschichte der UFA: General Ludendorf – Hugenberg – Goebbels – Bertelsmann – Riech. Eine Kette von Namen. Die Firma Henschel ist nicht dabei. Bleibt Fakt: Die Firma „Henschel Film- und Theaterkonzern KG“ hat ein Kapital von 300.000,– RM. 1933 im Jahre der Machtübergabe wird eine Gesellschaft mit 20.000,– RM gegründet. Die Firma trägt den Namen: “SCHAUBURG LICHTSPIELBETRIEBSGESELLSCHAFT mit beschränkter Haftung“: Geschäftsführer Paul Romahn, Hamburg Bergedorf, Karolinenstr. 10 und Gustav Schümann, Oberaltenallee 22. P1040974MöllersKamp10kleinWohnhaus von Paul Romahn (1933) in Bergedorf, Karolinenstrasse 10 (Heute Möllers Kamp 10)

Foto Mai 2018 Foto Jens Meyer By-nc-sa_colorNilpferdeinauge

Prokurist: Robert Stauffenberg, Dannerallee 22, Bank: Commpribank. Diese Gesellschaft übernimmt 1934 mit 20.000.– RM (Kapital) 11 von 12 Filmtheatern der Firma „Henschel Film- und Theaterkonzern KG“. In den Adressverzeichnissen der Filmwirtschaft wird die Firma Henschel von nun an (1934) als „Henschel Film- und Theaterkonzern KG“ mit der neuen Anschrift: Spitaler Str. 12 geführt. Drei Jahre später (1937) taucht in eben den gleichen Adressverzeichnissen eine “J. HENSCHEL GMBH“ in Hamburg 36 mit einem Kapital von 300.000,– RM auf. Geschäftsführer der GmbH: Paul Lehmann, Alexander Grau, Max Stüdemann, Rudolf Schmidt. Als Bank wird angegeben: DEDIBANK. Welche Geschäfte da noch geführt werden? Wo doch alle Kinos verkauft oder verpachtet sind? Doch der Eintrag im Filmtheateradressbuch taucht auch 1939 noch auf: Ein Jahr später (1940) wird die Bank der J.Henschel GmbH gewechselt. Von nun an ist es die “DEUTSCHE BANK“. Auch die andere Gesellschaft, die “SCHAUBURG LICHTSPIELTHEATER GMBH ROMAHN UND SCHÜMANN“, wie sie sich 1941 nennt, wechselt zur Commerzbank. Eine neue zusätzliche Prokuristin wird eingestellt: Gretel Dubbert, Roßberg 5. Der eine Geschäftsführer Gustav Schümann zieht in die Goßlerstr. 84 in Wandsbek. 5 Jahre nach Beendigung des zweiten Weltkriegs (1950) gibt es im Adressverzeichnis keine J.HENSCHEL GMBH mehr. Die “Lichtspieltheatergesellschaft Romahn und Schümann hat (1950) eine neue Anschrift: Hamburg 21, Adolphstr. 22. (Heute 2018 Herbert Weichmann Strasse 22)P1050011HerbertWeichmannstrassekleinWohnhaus von Paul Romahn und Gustav Schümann in der Adolphstrasse 22 (1951) (Heute: Herbert Weichmannstrasse 22)By-nc-sa_colorNilpferdzweiaugen

Foto (Mai 2018) Jens Meyer

Zurzeit keine weiteren Spuren aufzufinden. Bei meinen Recherchen gerate ich an den alten Judenfriedhof in Altona. Heute liegt er verlassen zwischen Königsstrasse und Nobistor unweit des ehemaligen “HELIOS FILMTHEATERS“ des James Henschel. Die meisten “SCHAUBURGEN“ wurden von amerikanischen und englischen Bomberpiloten beseitigt. Nur eine Schauburg ist noch übrig: Die “SCHAUBURG UHLENHORST“ im feineren Stadtviertel gelegen. Alle anderen 11 Kinos in Barmbek, Hamm, Hammerbrook, Altona, St. Pauli und Wandsbek sind zerstört. Auch die Schauburg gegenüber des Judenfriedhofes existiert nicht mehr. Eine Mauer aus Klinkerstein und ein verschlossenes Gartentor. Kein Hinweis, keine Tafel, kein Name weist darauf hin, was sich hinter dieser Mauer befindet. Aber zwischen vielen Bäumen, die wohl erst nach dem Krieg gepflanzt wurden, stehen Grabsteine in jüdischer Manier. Einige Grabplatten sind dicht nebeneinander in die Erde eingelegt. Auch im Falk Plan kein Hinweis auf den Judenfriedhof, wo doch jedes öffentliche Klo, jede Post und jede noch so kleine Pup-Firma “lagerichtig“ eingetragen sind. Dagegen ein Stadtplan von 1914. Zwischen Großer Bergstrasse (dieser Teil der Großen Bergstrasse heißt heute Nobistor) und Königstrasse ein Isrealitischer Friedhof mit einer Teilung. Auf der Seite der Großen Bergstrasse die deutschen Juden, auf der kleinen Ecke zwischen Blücherstrasse und Königstrasse der Teil des Friedhofs für die portugiesischen Juden. Dort liegen die großen Steine nebeneinander in der Erde. Portugiesische Juden? Warum die Heimlichkeit? Wem gehört das Grundstück? Ein “wertvolles“ wie sich Altonaer Bezirkspolitiker gerne ausdrücken. Ein gleich großen Grundstück wie das auf dem bis 1943 eine Garnison und ein Lazarett standen, das 55 Jahre brach lag und nun doch so schnell bebaut werden soll, als käme es bei 55 Jahren auf ein paar Monate an. Und das nach Auskunft der FDP Altona doch zu wertvoll für einen Park oder einen Spielplatz ist. Da muss schon richtig Geld verdient werden. Doch selbst wenn sich auf diesem jüdische Friedhof ein Zugang finden liesse: Die meisten Juden, denen die Deutschen und Artverwandten das Eigentum und das Leben nahmen, sind sicher nicht auf Friedhöfen beerdigt worden. Die “Gnade der späten Geburt“. Es gibt in der Branche noch einige, die von früher berichten könnten. Der Theaterleiter des Streits Herr Franke (Einfügung 2017: Oswald Franke geb. 10. November 1914), zwar Angestellter des Riech Konzerns hilft weiter: Der Gustav Schümann hat ja lange bei dem Henschel Konzern gearbeitet. Er hat einen Sohn, den Tim Schümann, seine Firma Schümann und Haberland hat auch lange die Barke in der Mönckebergstrasse betrieben, vielleicht weiß der was. “Ich war solange im Krieg und als ich wieder kam war ja alles zerstört“. Doch kann ich ihn offen fragen, wie der Vater zu der Kinokette des Henschel Konzerns mit 20.000,– RM Kapital gekommen ist? Und wenn ich frage, wird er eine ehrliche Antwort geben? Ich rufe an. Doch auch er weiß am Telefon wenig über den Verbleib des Henschel Konzerns zu sagen. Ein Zweig der Familie lebt in Brasilien, ein anderer in Mexiko. Das ist die einzige Ausbeute am Telefon. Soll ich den Sohn des mutmaßlichen Arisierers genauer fragen, ohne dass ich selbst aus anderer Quelle genauere Informationen besitze? Vor der Reise nach Brasilien müssen doch auch hier Informationsquelllen sein, die noch nicht verschüttet sind. Vielleicht wurde Wiedergutmachung beantragt und gewährt. Und wenn nicht? In Altona gibt es noch einen alten Kinobesitzer Herrn Timmermann (Hugo Timmermann), er betrieb ein Kino in der Thedestraße 68 (bis 1945 Bürgerstraße). In den 50iger wurde die gesamte Häuserzeile abgerissen, damit eine “Asbesthalle“ (die Aula der Gesamtschule Bruno Tesch) entstehen konnte. (Anmerkung 2017: Die Bruno Tesch Gesamtschule wurde inzwischen auch abgerissen. An gleicher Stelle wurde eine neue Gesamtschule gebaut, die auch einen anderen Namen erhielt. Statt eines Kommunisten wurde die Schule nach einer in Hamburg unbekannten SPD Genossin benannt: Louise Schröder). Herr Timmermann ist jetzt 83 Jahre alt und bekommt schon alles durcheinander. Er will jetzt auch nicht mehr über die Vergangenheit sprechen, aber früher soll er ein gebildeter Mann gewesen sein. Doch was soll ich jetzt mit seinen Informationen, auf die man sich nicht mehr verlassen kann. Auch Meta Schultrich vom “OLYMPIA PALAST“ in der Bachstraße “die mit den Erdbebenfilmen“ ist verstorben. Und die Jüngeren wie Robert Naht haben erst nach dem Kriege in der Branche als Vorführer angefangen. Doch von Riech Kinos hält er nichts.“Was dieser Mann mit den Kinos gemacht hat, ist wirklich eine Schweinerei“. Die Kinder der Bruno Tesch Gesamtschule wären ganz glücklich, wenn statt der Aula mit Asbest noch das alte Kino stehen würde. Aber auch ihnen hat niemand etwas über das Grundstück der Schule und das Kino erzählt. Die Einsicht ins Handelsregister erscheint als möglicher Weg. Doch die normale Unternehmensform für Filmtheaterbetriebe ist in der Regel nicht die eintragungspflichtige Kapitalgesellschaft. Und die Rechtsform des Henschel Konzerns zum Gründungszeitzpunkt durch Hermann Urich-Saß und Hugo Streit ist unklar.DER DEUTSCHE FILM“ Mitteilungsblatt der 1933 gegründeten Reichsfilmkammer, herausgegeben von Dr. Fritz Hippler, der heute noch zufrieden von seiner guten Pension lebt, liegt in der Bücherei der Landesbildstelle Hamburg in seiner vollständigen Ausgabe zwischen 1933 und 1941 vor. Es ist nicht einfach festzustellen, ob die Monatszeitschrift aus Berlin später nicht mehr erschienen ist oder nur nicht mehr bezogen wurde. Die vorliegenden Ausgaben enttäuschen mich. Sie entsprechen nicht dem Bild der Reichsfilmkammer, das ich mir gemacht habe. Ausgesprochen modern und relativ neutral. Kaum Angriffe gegen Juden oder jüdische Firmen. Jedenfalls keine Hinweise auf “Arisierung von Filmtheaterbetrieben“ wie die Enteignung von den Nazis damals genannt wurde. Wie viele “deutsche“ Bäckermeister sind damals auflegale“ Weise in den Besitz einer Bäckerei gekommen? In der Geschichte findet sich nur das ganz “Große“: Die Enteignung der Kaufhäuser, der Fabriken, der Reedereien. Auch die Alliierten untersuchen in den OMGUS Berichten nur die großen Geldschiebereien. Vom Henschel Konzern auch hier keine Spur. Mir fällt die Demonstration durch das ehemalige „Judenviertel“ in Hamburg Harvestehude wieder ein und die Nachdenklichkeit, die mich damals beim Gang durchs Villenviertel beschlichen hat. Die großen Häuser, die teuren Grundstücke und wie leicht es den Nazis gewesen sein muss, die Juden als die “Blutsauger“ des Volkes hinzustellen, mit deren Ausrottung alle sozialen Ungerechtigkeiten zu beseitigen wären. Und auch der Gedanke, dass die hier lebenden Juden wahrscheinlich gar nicht in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten gelandet sind, sondern in Nord- und Südamerika. Vernichtet wurden doch wohl die armen Juden. Wie der Bombenhagel, der auf Hammerbrook und Altona aber nicht auf Harvestehude und Blankenese niedergegangen ist. Das “Kellerloch am Hauptbahnhof“ sein Besitzer hat es “Kino Center am Hauptbahnhof“ genannt, sieht heute noch genauso aus, wie es Wolf Donner es 1975 in seinem 90 Zeilen Wutausbruch (in der Zeit) beschrieben hat. Die Zuschauer lassen es sich gefallen, dass Bilder nur halb zu sehen sind, dass Versorgungsleitungen die Sicht behindern, dass in der einen Schachtel der Ton von der anderen Schachtel zu hören ist. Sie sind wie der Feuerwehrmann, der diese Räume abgenommen hat. Warum er überall beide Augen zugedrückt hat, waren überall Blaue (100 Mark Scheine) verteilt? Wer will im Falle eines Brandes verantworten, wenn aus dem Kellerloch nur noch wenige lebend herauskommen? Dem Publikum ist es scheints egal, wie und auf welche Weise ihnen die Ware geboten wird. Auch die Besitzverhältnisse interessieren niemand, wo die Kohle hingeht, die sie an der Kasse abdrücken müssen. Die Fassade des “UFA-PALASTES“ (vom ursprünglichen “LESSING THEATER“ keine Spur) wird renoviert. “Nun warten wir doch erst einmal ab, was der Riech das vorhat. Wir haben schon genug auf ihm herumgehauen“. sagt der Szene Filmredakteur, der niemanden etwas zuleide tun will.

NOSTALGIE

Die Filmgeschichte besteht aus Produktionsfirmen, aus Regisseuren, aus Schauspielern, Kameraleuten, Filmarchitekten, Drehbuchschreibern und großen Verleihfirmen. Für die Händler, die die Ware an das Publikum bringen interessiert sich die Filmgeschichte nicht. Und wenn Filme über Kinobesitzer entstanden sind, dann haben sie mit der Realität wenig zu tun: Interessant sind nur abseitige oder nostalgische Personen und Geschichten: Die Dorfkinobesitzerin, die nach dem verlorenen Kriege das Kino wieder renoviert hat, selbst Kohlen klauen gegangen ist, damits im Kino warm wurde, das gibt einen Film. Die anderen sind keine Zeile und kein Bild wert. Doch sie sind der eigentliche Motor des Geschehens. Sie bestimmen letztendlich, ob sich ein Film realisieren kann. Und dies geschieht erst, wenn der Film gezeigt wird, egal wo. Und diese Struktur der Besitzverhältnisse bestimmt letztlich auch, welche Filme an die Öffentlichkeit gelangen und welche nicht. 1930 jedenfalls ist die Zeit des Gemüsehändlers, der seinen Laden zum Kino umbaut, längst vorbei. Mit der Einführung des Tonfilmes kommen Banken und Elektrokapital im Kino zum Zuge. Sie können die hohen Investitionen bezahlen, die durch Einführung des Siemens Klangfilmsystems notwendig geworden sind. Sollte es das sein, was den Henschel Konzern 1934 verschwinden lässt? Ein anderer Kino Konzern, der auch Produktionsfirmen hatte: der “EMELKA KONZERN“ verschwinden 1932 auf diese Weise, geht pleite und wird in der BAVARIA FILM mit Unterbrechungen bis heute fortgeführt. Aber Henschel? Heinz Riech wird 1922 in Ostpreußen geboren. (Am 5. Juli 1922 in Adlig Kermuschienen in Ostpreussen, gest. am 11. Januar 1992). Dort soll er Großhandelskaufmann und landwirtschaftlicher Inspektor gelernt haben. Nach der Flucht vor der Roten Armee eröffnet er 1945 in Hiltrup im Münsterland sein erstes Kino. Rührende Geschichten werden von der Ehefrau erzählt, die noch in der Nacht vor der Eröffnung mit der Nähmaschine an dem Vorhang näht. 1952 hat er bereits drei weitere Kinos: Die “FILMBÜHNE ALBERSLOH“, in der Trensteinfurther Str., die “FILMBÜHNEWOLBECK“, in der Bahnhofstr. 227, die “RÖMERLICHTSPIELE“ in Gemmendorf, Albersloher Weg. Gewiß ein Kinounternehmer der ersten Stunde. Mit dreissig Jahren bereits vier Kinos. Heute mit 66 Jahren (andere wären da längst im Vorruhestand) besitzt er knapp vierhundert Kinos und verfügt durch seine Stellung in den Großstädten über weitere 200 Kinos, die von ihm abhängig sind. Die kleinen Kinobesitzer hören es nicht gern, denn “abhängig“ hört sich nicht gut an. Hamburg und Frankfurt gehören ihm ganz, hier kann er entscheiden, welcher Film in welchem Kino wie lange laufen soll. In Berlin teilt er sich den Kuchen mit einem anderen, ob immer freundschaftlich   – Geschäft ist eben Geschäft – bleibt zu fragen. Auch scheinbar unsinnige Anmietungen wie das “Studio am Pferdemarkt“ in der Bernstorffstr. in Altona, oder das “Cinema“ in der Bundesallee in Berlin machen unter dem Gesichtspunkt der Marktbeherrschung einen Sinn. Und auch wenn der Szene Redakteur Schröder (Nicolaus Schröder) nur Rachefeldzüge zwischen Riech und dem neuen Konkurrenten Flebbe erkennen kann, dahinter verbirgt sich doch das geschäftliche Kalkül. Der neue – Hans Joachim Flebbe aus Hannover – muß sich jedenfalls beeilen, will er denn genauso groß werden wie Riech, hat er doch erst knapp 90 Kinos. Doch hinter diesen Kämpfen um Marktanteile scheint es ein Gesetz zu geben das so ähnlich funktioniert wie beim Kampf der Lebensmittelketten. Zunächst ist es so: DIE GROSSEN FILMVERLEIHER BELIEFERN NUR DIE GROSSEN FILMTHEATERBESITZER MIT ATTRAKTIVEN SPRICH “KASSENSTARKEN“ FILMEN. Alle anderen Kinobesitzer kommen erst dran, wenn die Ware von den Großen schon völlig “ausgelutscht“ ist. Gemäß dem Brecht Zitat: “Wenn du nicht untergehen willst, musst du dich wehren, das wirst du doch verstehen.“ – wehrt sich der kleine Kinobesitzer auf Marktwirtschaftart – die einzige, die ihm zur Verfügung steht. Er muss versuchen, anderen Filmtheaterbetrieben lukrative Filme abzujagen, und so schnell wie möglich das Imperium mit anderen Kinos zu vergrößern. Je mehr Kinos, desto mächtiger ist der Kinobesitzer gegenüber den Verleihen. Desto größer der Umsatz, desto leichter ist die Übernahme weiterer Kinos. Und damit weitere Auswahlvielfalt. Was zunächst ein Ziel mit auch kulturellem Inhalt ist, wird ab einer bestimmten Betriebsgröße nebensächlich. Dann geht es nur noch um die Einspielergebnisse. Inzwischen hat er selbst für die Umstellung des Publikums gesorgt: Es sind die KIDS zwischen 12 und 19 Jahren. Eine Umstellung bei der jetzigen Betriebsgröße auf eine andere Besuchergruppe, denen das Kino schon lange abgewöhnt wurde, kostet viel Geld. Also lässt er es. Schließlich kommt es zur nächsten Phase: Der Konzern wird unübersichtlich. Fehlinvestitionen bleiben nicht aus. Der Konzern geht pleite und wird von dem nächsten Neueinsteiger mit neuen Ideen übernommen. Dafür gibt es im Nachkriegsdeutschland eine Reihe von Beispielen in Verleih – und Filmtheaterbereich: Die Firma Atlas des Jungunternehmers Eckelkamp, er investierte aufgrund guter Geschäftsergebnisse (z.B. Bergmann “Das Schweigen“) in die Produktionen, die eine große Summe Geldes für lange Zeit banden (z.B. Tati: “Traffic“ und Kawalerovicz “Pharao“) und der ehrgeizige Aufbau eines 16 mm Verleihs für nichtgewerbliche Zwecke. Das Unternehmen muß Konkurs anmelden und die Auswertung der Filme wurde von verschiedenen Auffanggesellschaften übernommen. Auch die “NEUE FILMKUNST WALTER KIRCHNER“ hat in den 60iger Jahren Unsummen in den Aufkauf und Ausbau der “Lupe Kinos“ gesteckt. Wohl auch in der Erwartung, dass die Geschäftslage des eigenen Filmverleihs mit gleicher “Filmkunststaffel“ immer so weiter geführt werden könne. Die Neuanschaffung von Filmen wurde aus Kostengründen zurückgestellt. Kaum setzte die “Filmkunstflaute“ ein, konnten die aufgenommenen Kredite nicht mehr zurückgezahlt werden. Das Unternehmen meldete Konkurs an, musste eine Reihe von Lupe Kinos (bis auf 2 Kinos in München und Köln) verkaufen und konnte die Lizenzen von gut gehenden Titeln wie z. B. “Sein oder Nichtsein“ von Ernst Lubitsch nicht mehr verlängern. (Flebbe mit Impuls Film griff zu). Auch hier wieder eine Auffanggesellschaft: Die Lupe GmbH. Und der Henschel Konzern? Wird der Film darauf eine Antwort finden? Das weiß ich heute noch nicht. Ich habe das Gefühl, ich stehe erst am Anfang der Recherche und der Zuschauer wird alles Mögliche erfahren aber nicht unbedingt über das Schicksal des Henschel Konzerns der Schwiegersöhne des James Henschel aus der Textilbranche. Vielleicht ist die Geschichte ganz einfach erklärbar. Vielleicht einfach so: DIE BANKEN KÜNDIGEN DIE KREDITE. Das Unternehmen wird zahlungsunfähig und muß Konkurs anmelden. Ein Konkurrent hatte seine Hand im Spiel, der Markt sollte bereinigt werden. Oder so: Henschel ist Jude und die Nazis ARISIEREN die Firma. Einer mit “deutschem oder artverwandten Blut“ bekommt einen Kredit und erwirbt die Firma fürn Appel und n Ei. Der Name Henschel verschwindet: Keiner erinnert sich heute noch gerne an die “freundschaftliche Arisierung“, wie der Enteignungsvorgang von den Nazis genannt wurde. Mancher “deutsche“ Bäckermeister, mancher “deutsche“ Schlachtermeister kam auf diese Weise zu einem eigenen Betrieb. Warum nicht auch ein Filmtheaterbesitzer?

Hamburg, d. 16. April 1989 Otto Meyer

Ps: Eltern machen das manchmal, dass sie ihren Kindern mehrere Vornamen verpassen. Vermutlich damit das Kind überhaupt irgend was erbt, wenn sie nicht mehr sind. Mir haben sie drei gegeben. Und die müssen ja für irgend was gut sein.

(Folgt eine Kalkulation für einen Film auf U-Matic High Band). Bei der Durchsicht und Abschrift dieses Textes aus dem Jahr 1989 fällt mir auf, dass sich wenig sachliche Fehler in meinen Recherchen und Vermutungen befinden, die in diesem Text verarbeitet sind. Immerhin ist der Text jetzt schon 28 Jahre alt und fast alle Vermutungen haben sich bestätigt. Insbesondere die Beraubung und Ausplünderung der Hamburger Jüdischen Kinobesitzer. Insbesondere die, die damals Kinder und Jugendliche waren und von mir befragt wurden, als ich knapp 40 und sie 76 Jahre alt waren. Meist hatten sie als Kinder keine Kenntnis davon, dass sie Juden waren, weil sie sehr freiheitlich erzogen wurden. Die Religion kam ganz zuletzt. Überraschend ist, dass sich alle Deutschen bereichert haben, egal ob sie mit den Ansichten der Nazis übereinstimmten oder nicht. Auch das Waterloo Theater und das Thalia Kino wurde jüdischen Kinobesitzern „weggenommen“. Hamburg, d. 6. November 2017  Jens Meyer

Foto vom Thalia Kino Grindelallee 116 in Hamburg von Marc Lissauer. Das  Foto ist nach dem 17. Oktober 1928 entstanden. Das erkennt man an dem angezeigten Film mit Ossi Oswalda „Das Haus ohne Männer“, dessen Start war am 17. Oktober 1928. Mark (Hermann) Lissauer ist zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre alt. (geb. am 18. März 1923. Seine Mutter Pauline (Paula) Lissauer flieht zusammen mit ihrem Sohn am 18. März 1937 aus Deutschland nach Rotterdam. Hermann ist gerade 14 Jahre alt geworden. Pauline stirbt 1989. Mark Lissauer stirbt am 28. Februar 2016 in Elwood in Australien. Frida und Jeremias Henschel waren seine „dritten Großeltern“. In einer Mail schreibt Mark Lisssauer aus Australien: „Frida sass an der Kino Kasse und fuhr abends zusammen mit James Henschel und der Waschbalje voll mit 10 Pfennigstücken per Droschke nach Hause. Vor dem Belle Kino gab es auch eine elektrische Strassenbahn, die sie manchmal benutzten.“ThaliaKino1

By-nc-sa_colornilpferd_tumbBelleAllianceBallsaal1908Anmerkung 2018: Die Bildunterschrift ist eine Falschmeldung (um 1908). Bereits am 1. Januar 1906 war hier das Unternehmen: VORFÜHRUNG LEBENDER PHOTOGRAPHIEN“ in den ehemaligen Ballsaal eingebaut. Das Buch mit diesem Bild und diesem Text erschien im Christians Verlag.

Stolpersteine Reeperbahn 1 Ecke Zirkusweg

Text vom 24. Oktober 2017

Hier werden heute zwei Stolpersteine für den jüdischen Kinounternehmer Hermann Urich Sass verlegt.

Hermann Urich Sass hat sich am 27. Januar 1933 das Leben genommen. Er wurde am 30. Januar 1933 auf dem jüdischen Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf beerdigt. Der Selbstmord wurde lange Zeit verschwiegen.

Während meiner Studienzeit von 1970 bis 1974 an der dffb hielt ich mich auch oft in der Bibliothek der Film- und Fernsehakademie auf. Dort gab es die »Reichskinoadressbücher«, sauber geordnet nach Jahren, Städten und Verleihbezirken. Im Bezirk Hamburg/Norddeutschland fiel mir ein Unternehmen auf, das sich »Henschel Film- und Theaterkonzern« nannte und im Laufe der Jahre 1934 bis 1938 erst den Besitzer und dann auch noch den Namen wechselte. Weitergehende Literatur über den »Henschel Film- und Theaterkonzern« fand ich nicht. Verwundert war ich über die Bautätigkeit dieses Konzerns und die Größe der Kinos. Sie waren im Krieg alle zerstört worden. Dann hab ich die Sache vergessen.

Erst 1987 habe ich den Faden wieder aufgenommen. Es muss doch herauszubekommen sein, warum so viele Kinos zwischen 1933 und 1938 den Besitzer gewechselt haben, dachte ich, und machte mich über die Mikrofilme her, von denen ich wusste, dass sie in der Bibliothek der dffb zu finden waren. Es sollten Recherchen für einen Dokumentarfilm werden. Vielleicht verbarg sich hinter dem Verschwinden eine spannende Geschichte, die bisher niemand beachtet hatte.

Ich weiß nicht, ob jemand schon mal längere Zeit vor einem Mikrofilm-Lesegerät verbracht hat. Es ist langweilig, mühselig und in der Sache ermüdend. Besonders dann, wenn man eigentlich nicht weiß, was man sucht. So ging es mir auch, und ich wollte die Sache schon aufgeben. Aus der systematischen Suche von Januar bis Dezember wechselte ich in den Modus der unsystematischen Suche nach bestimmten Tagen in bestimmten Jahren. Also machte ich mich auf die Suche nach den Tagen, die man uns im Geschichtsunterricht als wichtig beigebracht hatte: die Ermordung des Thronfolgers, Kriegserklärung, erster Weltkrieg, Kapitulation, Flucht des Kaisers nach Belgien, Aufstand der Matrosen, schwarzer Freitag, Inflation, Hamburger Aufstand und der Tag der „Machtergreifung“, wie ich diesen Tag damals ebenfalls nannte. (Der Hamburger Aufstand wurde im Unterricht meist vergessen).

In der Lichtbild-Bühne (LBB) fand ich dann die Meldung:

Am 27. Januar 1933 verstarb in Hamburg der Kinounternehmer Hermann Urich Sass und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Hamburg Ohlsdorf am 30. Januar 1933 um 15.00 Uhr beerdigt.“

Das Grab in Ohlsdorf war mit Hilfe des Friedhofswärters schnell gefunden. Anders als andere Religionen, die nur 25 Jahre ihre Steine stehen lassen, sollen die Gräber der Juden dort bis zum jüngsten Tag stehen. Der Friedhofswärter bemerkte die goldene Schrift auf dem Stein und kommentierte trocken: „Da hat er ja die ganze Scheiße nicht mehr miterleben müssen.“ Dem konnte ich zustimmen und war noch neugieriger als vorher. Ich dachte bei mir: Ein klug gewähltes Todesdatum. Ohne dieses Datum hätte ich weder das Eine noch das Andere erfahren. Der Grabstein war gut erhalten, und es sah so aus, als wenn jemand für diese Grabpflege bezahlen würde. Die erste Spur auf der Suche nach glaubwürdigen Zeugen.

Auf 15 Schreibmaschinenseiten notierte ich meine Recherchen und meine Vermutungen über den „Henschel Film- und Theaterkonzern“ und gab dieses Manuskript bei der Friedhofsverwaltung des Jüdischen Friedhofes Ohlsdorf ab mit der Bitte, dieses Manuskript an diejenigen weiterzureichen, die für die Grabpflege bezahlten. Und habe gewartet. Nach drei Wochen erhielt ich Antwort. Aus Belo Horizonte in Brasilien. Aus Beverly Hills in den USA. Aus Mexico City. In den Briefen schrieben der Sohn von Hermann Urich Sass – Horst Urich Sass – und die Söhne von Hugo Streit – Rolf Arno Streit und Carl Heinz Streit.

Der Henschel Film- und Theaterkonzern war eine Firma, die ihren Vätern Hermann Urich Sass und Hugo Streit gehört hatte. Auch ihre Großeltern waren schon Kinobesitzer gewesen. Jeremias Henschel und seine Frau Frida haben das Gewerbe angefangen.

In der Zwischenzeit war es mir gelungen, das Filmbüro Hamburg auf meine Entdeckung aufmerksam zu machen. Für ein Filmprojekt stellten sie 80.000 DM zur Verfügung. Eingetroffen in Belo Horizonte und Beverly Hills war die erste Frage der Emigranten: „Warum dauert das so lange, dass mal einer aus Deutschland kommt und fragt, wo die Kinobesitzer von damals geblieben sind?“ Ich hatte keine Antwort. Selbst kannte ich nur unglaubwürdige Zeugen zu Hauf.

Der Ordnung halber habe ich bestimmte Schubladen in meinem Kopf für ihre Abfälle bereitgestellt. Einen hatten wir mal vor dem Mikrofon, vor das er gar nicht wollte. Doch während wir sein Fotoalbum filmten, das er von seinem Vater geschenkt bekommen hatte mit der Widmung “Zur Erinnerung an die alten guten Zeiten“, hatten wir doch glatt vergessen, das eingebaute Mikrofon an der Kamera abzustellen. So konnten wir seinen Lügen von damals auch noch Jahrzehnte später lauschen.

Die Darstellung der Geschichte der deutschen Kinobesitzer, die erst 1933 zu solchen wurden, ist fast immer gleich. Da wird davon geschwafelt, der Vater, der Großvater habe das Kino einem Menschen abgekauft und habe es dann seinem Sohn oder seiner Tochter vererbt. Diese Geschichte wird immer wiederholt und ist ebenso falsch wie verlogen.

Einer hatte während der Nazizeit auch andere, amerikanische Filme gezeigt. Nach dem Krieg war er der einzige Kinobesitzer in Hamburg, der nicht Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen gewesen war. Lange nach seinem Tod fand ich dann heraus: Auch er hatte “sein Kino” einem Juden weggenommen. Dieser hatte überlebt und forderte nach dem Krieg sein Eigentum zurück. Aber die deutsche Justiz war nicht auf Seiten der beraubten Juden. Ein “Obernazi”, der in Hamburg maßgeblich die Enteignung der jüdischen Kinobesitzer vorangetrieben hatte, trat gar als Zeuge der “Beklagten” auf und wurde nicht direkt im Gerichtssaal verhaftet, was eigentlich hätte passieren müssen. Am Ende haben sie Manfred Hirschel ein Almosen für sein Waterloo-Kino gegeben

(5.000,00 DM). Sie haben es „Vergleich“ genannt.

Billy Wilder hat 1942 den Film „Der Major und das Mädchen“ gemacht. Er kam am 16. September 1942 in die amerikanischen Kinos. Bei uns kam er nicht in die Kinos. Man konnte ihn zum ersten Mal am 7. Januar 1972 im deutschen Fernsehen bewundern. Der Film spielt im New York von 1942. In einem Vorspanntitel ist zu lesen: “Im Jahr 1626 kauften die Holländer den Indianern New York ab. Im Jahr 1942 war kein Indianer mehr da, der dies bedauern konnte.“

Dieser Satz passt auch auf die Situation in Deutschland im Jahre 1945.

Als Billy Wilder als Offizier der amerikanischen Armee nach Deutschland zurückkehrte, war seine erste Tätigkeit, einen Dokumentarfilm aus den Aufnahmen zu machen, die amerikanische Kameramänner in den deutschen Konzentrationslagern gemacht hatten. Den Film „Todesmühlen“ wollte keiner sehen. Nicht zu vergleichen mit den Zuschauerzahlen, die Veit Harlans Film „Jud Süß“ ein paar Jahre zuvor erzielt hatte. Ein Bestseller, obwohl es dieses Wort damals noch nicht gab.

Befragt, ob man in Oberammergau 1947 die Passionsspiele aufführen dürfe, äußerte sich Billy Wilder so:

Wir hatten nur ein bißchen recherchiert. Da war eins ganz klar geworden: Das Ensemble, ob Römer, ob Juden oder Jünger hatte natürlich so gut wie ausschließlich aus Nazis bestanden. Und am schlimmsten war derjenige, der den Jesus spielen sollte: Anton Lang war in der Waffen-SS gewesen. Durfte er den Jesus spielen? Ich habe meinem Kollegen damals die folgende Antwort diktiert: Sie dürfen spielen, aber nur unter einer Bedingung: dass Sie richtige Nägel benutzen.”

Vielleicht wäre es mit Hilfe solcher Drohungen schneller gelungen, die Täter dingfest zu machen und zu bestrafen. Und der Prozess der Aufarbeitung wäre nicht so unvollständig geblieben. Selbst heute, vierundachtzig Jahre später, suchen wir immer noch nach den Tätern. Nur damit so etwas hergestellt werden kann, das man Gerechtigkeit nennen könnte.

Vor knapp dreißig Jahren habe ich dem Sohn von Hermann Urich, Horst Urich Sass, versprochen, dass ich über den Selbstmord seines Vaters so lange schweige, bis er selber und seine Gattin Ciedra Urich Sass verstorben sind. Ciedra Urich Sass ist 2016 in Beverly Hills gestorben.

Aus den umfangreichen Unterlagen des späteren Staatskonzerns UFA kann man die Beweggründe des Selbstmordes von Hermann Urich Sass genau herauslesen.

Die Herren der UFA wussten bei den Verhandlungen von 1930 bis 1933 mit dem Henschel Film- und Theaterkonzern genau, das die Zeit für sie arbeitete und sie nur ein wenig Geduld haben müssten, bis ihnen der Henschel-Konzern in die Hände fallen würde. Das Material, das uns heute von der UFA vorliegt, belegt dies. Damals waren diese internen Berichte der UFA den Verhandlungspartnern aus Hamburg sicher nicht bekannt. Ich vermute, es gehört eine besondere Gabe dazu, bestimmte Entwicklungen in der Gesellschaft vorauszusehen. Hermann Urich Sass verfügte offenbar über diese besondere Gabe.

Wer die Geschichte von Jeremias und seiner Frau Frida Henschel untersucht, wird zu ähnlichen Erkenntnissen kommen. Selbst die Enkelkinder, denen es nicht komisch war, dass sie drei oder mehr Omas und Opas hatten, verfügten offensichtlich über die Gabe, bestimmte Entwicklungen zu erahnen. Oft haben sie ihre Omas, die in den Kinos an der Kasse saßen, besucht, um selbst von den Bildern zu naschen, die dort präsentiert wurden. Und manchmal sind sie mit ihnen nach dem Kino nach Hause gefahren. An die Waschbalje voller Münzen und an die Straßenbahnen haben sie noch Erinnerungen. Alles ist schon mehr als siebzig Jahre her. Auch an die heimlichen Besuche der Tanzlokale, die ihren Eltern gehörten und die man doch erst im Alter von achtzehn Jahren betreten durfte, haben sie noch Erinnerungen. »Faun« am Gänsemarkt war so ein Tanzlokal, im Haus des Kinos Lessing-Theater.

Einer von ihnen ist letztes Jahr verstorben. (Am 28. Februar 2016). In Australien. Geboren in Hamburg als Hermann Lissauer. In Australien nahm er einen neuen Vornamen an. Von nun an hieß er Mark. Von ihm stammt das Foto vom Thalia Kino, das ihn auf dem Balkon im vierten Stock in der Grindelallee 116 zeigt. Unten war das Kino seiner Oma, die Ranette Salfeld hieß und der das Thalia Kino gehörte – auch ein Haus mit einem Kino, das einer deutschen Jüdin weggenommen wurde.

Jens Meyer

Hamburg, 24. Mai 2018

Fundstück: Fritz Kuhnert  (21. November 2020)

In dem Buch von Jürgen Spiker: Film und Kapital – Der Weg der deutschen Filmwirtschaft zum nationalsozialistischen Einheitskonzern, (Verlag Volker Spiess 1975, Berlin: ISBN 3-920889-045) gibt es auf Seite 296 einen Hinweis auf Fritz Kuhnert (Vorstandsmitglied der UFA):

KUHNERT, Fritz (geb. 24.5. 18901 – 3.3. 1951) (12).

Seit 28.4.1919 bei der UFA, ab 1928 Leitung der Revisionsabteilung. Ab November1932 stellvertretendes, ab 1.11.1937 ordentliches Vorstandsmitglied mit Zuständigkeit für Finanzen, Buchhaltung, Steuern usw.. Nebenher in der Geschäftsführung zahlreicher Tochtergesellschaften der UFA AG.

Zeichnung Helga Bachmann

Korrekturen zur Magisterarbeit von Jan Johannsen

Jens Meyer (3. Mai 2017)

Hallo Felix Seifert, die Fehler der Magisterarbeit von Jan Johannsen habe ich damals mal zusammengestellt. Hier habe ich sie Dir noch mal aufgeschrieben. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten:

PDF Die Fehler der Magisterarbeit

Seite 3, Zeile 4: Die Tafel hängt dort seit 1. Mai 1991. Die Ausstellung fand erst 1992 statt.

Seite 6, Zeile 3: nicht 1992 sondern 1994. Reinhold Sögtrop hatte mit den Interviews nichts zu tun.

Seite 6, Zeile 5: Die Einschätzung, die Jan Johannsen liefert ist falsch.

Seite 4, Zeile 4: von unten. Geschichtsstudenten müssen vermutlich den feststehenden Begriff für ihre Magisterarbeit wählen. Aber nach den Fakten, die wir in den Akten fotografiert haben, hatte das nichts mit „Wiedergutmachung“ zu tun. Es ist geradezu eine Verhöhnung der Opfer. Insofern gehört dieser Begriff genauso in Anführungszeichen wie „Sonderbehandlung“ und „Arisierung“.

Seite 11, Zeile 15: Die Formulierung falsch „überschrieb seine Hälfte im März 1918″ richtig muss es heißen „bei Gründung der GmbH“. Ebenfalls falsch: „und investierte seinen Gewinn“ richtig: „einen Teil seiner Erlöse“.

Seite 12, Anmerkung 38: Historiker sind sich einig: Das statistische Jahrbuch von 1934 ist keine seriöse Quelle mehr und sollte deshalb auch nicht verwendet werden. (auch Anmerkung 39/40)

Seite 16, Zeile 7: Inzwischen wissen wir und können es auch schreiben. Es war keine Machtübernahme sondern eine Machtübergabe.

Seite 24, vorletzte Zeile: “Könnte“ ist falsch. Es handelt sich um die Capitol Lichtspiele in Kiel am Dreieckplatz.

Seite 26, Dritte Zeile von oben: . . . da gehört dringend der Satz dran:“ . . . ohne jemals vor Gericht zu stehen.“

Seite 47, Zeile 7 : Hermann Urich-Sass nahm sich am 27. Januar 1933 das Leben. (Nicht am 30. Januar). Am 30. Januar 1933 wurde er beerdigt. Und Hitler wurde zum Reichskanzler ernannt. (Wäre das nicht passiert, dann hätte ich nie herausgefunden, dass es sich um jüdische Kinobesitzer handelt, die enteignet wurden.).

Seite 47, Zeile 12: Es sind hier beide Begriffe: verkauft und ausgewandert falsch. Die Verkäufer haben kein Geld bekommen und mussten aus Deutschland fliehen. Zeile 13: Es waren nicht sieben, sondern elf (11) Schauburgen zerstört. Es war nur noch ein Kino übrig von den Kinos, die Hermann Urich-Sass und Hugo Streit 1933 betrieben hatten. Auch der folgende Satz ist falsch, weil die „ehemaligen Inhaber“ tot waren. Lediglich die Henschel Tochter Bianca Kahn geb. Henschel erstritt vor der „Wiedergutmachungskammer des Landgerichts Hamburg“ die Rückgabe einiger enteigneter Grundstücke (mit zerstörten Häusern). Eine „Wiedergutmachung für erfahrenes Leid“ haben sie nicht erfahren. Ich weiß gar nicht wo Jan Johannsen diesen Satz her hat.

Seite 53, Zeile 9: Hier wird ein falscher Zusammenhang konstruiert. Die James Henschel GmbH hatte mit den Henschels oder den Schauburgen nichts mehr zu tun (Seit Gründung der GmbH). Zeile 18: Hier hat Jan Johannsen ganz daneben gehauen. Er hat Rolf Arno Streit nicht kennengelernt und kann somit die Glaubwürdigkeit des Zeugen schlecht anzweifeln. Für mich war Rolf Arno Streit der erste Mensch, der nicht gelogen hat, wie die anderen alle.

Seite 54, Zeile 6: Hier werden Täter und Opfer gegenübergestellt, was vielleicht Geschichtsstudenten machen müssen, wenn sie gute Noten haben wollen. Hans Struckmeyer war ein ganz übler Nazi und es ist kein Wunder, dass er andere Erinnerungen als die Opfer hat. Auch der SA Mann Paul Romahn hat andere Erinnerungen.

Seite 55, Zeile 21-26 Was Jan Johannsen hier geritten hat, weiß ich nicht. Aus den Unterlagen geht zwar hervor, daß Geld geflossen ist, allerdings nicht an diejenigen, denen es zugestanden hätte. Die Sätze sind zu streichen.

Seite 57, Was Jan Johannsen da geritten hat, weiß ich auch nicht. Ab . . . „Er musste auf Druck der . . . dass sie anständig gewesen (S. 58 erster Absatz) ist komplett zu streichen. Da sind verschiedene Falschinformationen verarbeitet. Zum Verständnis ist wichtig: Paul Romahn und Gustav Schümann waren beide selbst in hoher Position in der Reichsfilmkammer, deren Mitglieder sie waren. Das Zitat aus meinem Interview ist aus dem Zusammenhang gerissen und soll bei Jan Johannsen belegen, daß es sich um gute Menschen handelte. Das hatte Rolf Arno Streit nicht gemeint. Er hat nur gemeint, daß diese beiden Täter niemanden selbst totgeschlagen haben, wie es die anderen SA Männer gemacht haben. Zeile 15: Jan Johannsen hat die SA Mitgliedschaft „vergessen“. (Aber vielleicht wusste er damals auch noch nicht, weil wir ziemlich üble Unterlagen erst bei den Grundstückspapieren Zirkusweg gefunden haben)

Seite 77, Zeile 12: ist komplett zu streichen. Die Aussagen von Klara Esslen und Heinz B. Heisig nach dem Kriege sind unglaubwürdig. Täter und Opfer sind eben nicht gleich.

Seite 91, letzte Zeile: Der Begriff „verkauft“ hat hier nichts zu suchen.

Seite 92, Zeile 12: Hier irrt Jan Johannsen. Wenn von einem 5 geschossigen Haus nur noch zwei da sind, dann hat das Haus den Krieg nicht „vergleichsweise gut überstanden“. (Oder man müsste schreiben, was der Vergleich ist)

Seite 106, Die Gesprächsprotokolle der Videointerviews sind sämtlich von mir. „Im Besitz des Verfassers“ hört sich etwas merkwürdig an, wo uns doch Jan an anderer Stelle den Unterschied von Besitz und Betrieb erklärt hatte.

3. Mai 2017 Jens Meyer (Korrekturen 24. September 2021)

Henschel / Urich Sass / Streit Bericht von Simone Heller + Martin Klingner

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By-nc-sa_color Foto Henning Scholz 2010

Jüdischer Friedhof in Hamburg Ohlsdorf

Bericht von Simone Heller Rechtsanwältin und Martin Klingner Rechtsanwalt, Hamburg Bericht über das Ergebnis unserer Recherchen

 

PDF Bericht Simone Heller Rea + Martin Klingner

I. Auftrag

Bei unseren Recherchen hatten wir uns auf zwei Fragen konzentriert, nämlich 1. ob noch Ansprüche auf Entschädigung für die „Arisierung“, d.h. den Zwangsverkauf des Unternehmens „Henschel Film & Theater-Konzern“ unter Wert bestehen könnten und 2. ob noch Ansprüche auf Entschädigung für Grundstücke der Familien Urich-Sass und Henschel, die diese vor ihrer Flucht aus Deutschland in den Jahren  . . .  besaßen bestehen könnten. „Henschel / Urich Sass / Streit Bericht von Simone Heller + Martin Klingner“ weiterlesen

Vortrag für StudentInnen über den Henschel Film- und Theaterkonzern

pdf Vortrag für Studentinnen

Vortrag vom 28. Mai 2008 Auf der Suche nach dem Henschel Film und Theaterkonzern Manuskript für einen Redebeitrag vor StudentInnen der Geschichte. Als Marei B. mich von ihrer Gruppe angerufen und mit mir diesen Termin ausgemacht hat, war eine ihrer Fragen, wie ich denn auf die Spur dieser jüdischen Kinobesitzer gekommen bin? Leider muss ich da etwas ausholen. Zunächst einmal, ich bin 1946 geboren und gehöre damit zu der Generation, die von ihren Eltern keine oder falsche Antworten bekommen hat, was denn da in ihrem Beisein von 1933 – 1945 passiert ist. Unsere Generation war es gewohnt, keine Antworten auf unsere Fragen zu bekommen, bzw. in der Regel wurden wir angelogen, sowohl im allgemeinen, als auch im persönlichen. Ich war also geübt im „Angelogen Werden“.

Gleichwohl war das (auch später) immer die Generation, die Europa in Schutt und Asche gelegt hatte und sich bei meiner Generation darüber beschwerte, wenn bei einer Demonstration ein paar Fensterscheiben bei Banken kaputt gingen. Das war der Boden. Wie nun Kinos? Schon als Junge interessierte ich mich für Kino. Später brach ich ein Ingenieur Studium (bei der Ingenieur Schule für Produktions- und Verfahrenstechnik) nach drei Semestern ab und bewarb mich an der Filmakademie in Berlin (dffb).

Wir wollten Filme machen, um dieses Land aufzuwecken. Die Wahrheit zutage fördern und die Verhältnisse zu ändern, von denen wir behaupteten, dass die alten Nazis noch immer die Politik bestimmten und die (ihre) Verbrechen versteckten. Als kleiner Junge (10 Jahre) war ich stets der Meinung, dass die Kommunisten den Krieg begonnen hätten. Kein Wunder also, dass sie in dem Deutschland, in dem ich langsam größer wurde, verachtet wurden und verboten waren. Erst viel später erfuhr ich, dass es die Konservativen in Verbindung mit den Nazis waren, die den zweiten Weltkrieg begonnen hatten. So viel zur Ausgangslage.

1976 war ich mit dem Studium an der Akademie (dffb) fertig und begann mich nach einer Berufsperspektive umzusehen. Fernsehen und Film. Ein Abfallprodukt des Studiums war die Beschäftigung mit der Geschichte des Kinos. Ein Bereich, weitgehend unerforscht. Filmgeschichte besteht aus Schauspielern, berühmten Filmen, manchmal kommen die Namen von Regisseuren dazu, selten die Kameramänner und die Tonleute. Aber niemals tauchen Kinobesitzer auf. Sie sind das Unwichtigste in der Filmgeschichte überhaupt, obwohl sie doch den Filmen erst die Chance geben, das sie das Licht der Welt erblicken. Irgendwann fielen mir dann, in der gut sortierten Bibliothek der dffb, die Reichskinoadressbücher in die Hände. Das Reichs Kino Adressbuch 1934. Eine Reihe von Kinos kannte ich, viele gab es nicht mehr.

Oft waren Straßen umbenannt worden. Merkwürdig war auch, dass zwischen 1933 und 1938 viele Kinos den Besitzer gewechselt hatten. Die Sache begann mich zu interessieren. Ich habe es damals so probiert, wie sie auch heute eine solche Sache vermutlich beginnen würden. Ich bin in die Kinos gegangen und habe gefragt.

Und es kam nur Schrott dabei heraus. Ja – aber man wisse nicht. Die Zuschauer schon gleich gar nicht. Nun, das ist nicht weiter verwunderlich, habe ich mir damals gesagt. Fragen sie mal heute einen, wem das Cinemaxx gehört, oder das Streits Kino. Nur wenige wissen es. Und für den Besuch eines Kinos ist das auch nicht wichtig. Doch auch die Beschäftigten hatten keine Kenntnisse.

Ja, sie wären ja im Krieg gewesen und haben gar nichts mitbekommen. Die alte Leier. Wegsehen, Lügen. Ich gab dann die Befragung von Zeitzeugen auf und sah mir stattdessen die Reichskinoadressbücher an. Da gab es einen „Henschel Film und Theater Konzern“, eine Firma mit zwölf Kinos, die sich im Laufe der Jahre von einer OHG in eine KG verwandelte und dann in einer Schauburg GmbH endete.

Mir begegneten die Namen Urich Sass und Streit. Später Romahn und Schümann. In der Filmakademie in Berlin gab es die Mikrofilme von zwei Tageszeitungen (6 x mal in der Woche), die sich ausschließlich mit Film beschäftigten. (In Hamburg gab es damals diese Mikrofilme nicht).

Die „Lichtbildbühne“ und den „Kinematograph“. Der Kinematograph gehörte dem Medienzar Hugenberg, das wusste ich, die Lichtbildbühne war weitgehend unabhängig. Also machte ich mich ran. An das Studium der Lichtbildbühne. Sechs mal die Woche, 52 Wochen und eine Menge Seiten. Nach drei Wochen war ich immer noch nicht weiter.

Eigentlich wusste ich auch gar nicht, was ich suchte. Ich wollte schon aufgeben, denn so viel Zeit hatte ich auch nicht. Das Stipendium war ausgelaufen. Also beschränkte ich mich auf historische Daten. Der 30. Januar 1933 war ein solches historisches Datum. An diesem Tag hatte der konservative Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Die Nazis nannten das später und heute auch noch, Machtergreifung. (Das stimmte nicht, wie ich heute weiß – 2014). Genau an diesem Tag wurde einer der beiden Kinobesitzer des Henschel Film und Theater Konzerns, Hermann Urich Sass im jüdischen Teil des Hamburger Friedhofs Ohlsdorf beerdigt.

Ich wechselte die Mikro Filme gegen die Grabplatten aus und suchte vor Ort. Und fand den Grabstein dieses Herrn. Ohne diese Zeitungsnotiz mit der Beerdigung auf dem Jüdischen Friedhof wären weiter alles nur Vermutungen gewesen. Das Grab wurde gepflegt und nach Landesbrauch kann die Pflege nicht ohne Geld erfolgen, also musste es Jemanden geben, der für die Grabpflege dieses Jüdischen Grabes bezahlte. Ich schrieb ein 19- seitiges Manuskript, in denen ich die wenigen Vermutungen über den Verbleib des Henschel Film und Theaterkonzerns unterbrachte. husass Foto Henning ScholzBy-nc-sa_color

IMG_3013-300x199Ich gab mein Manuskript in Hamburg in der Fruchtallee bei der Jüdischen Gemeinde ab und bat diese, das Manuskript an die Leute weiterzuleiten, die für die Grabkosten von Hermann Urich Sass aufkamen. Und ich hatte Glück, nach drei Monaten bekam ich Antwort aus Mexiko und aus Brasilien. Dorthin waren die entkommen, deren Väter damals dieser Kino Konzern gehörte. Es stellte sich heraus, ich hatte nicht schlecht vermutet. Die jüdischen Besitzer waren enteignet worden. Einige von ihnen waren der Deutschen Mordmaschine entkommen. Das Thema, so stellte sich heraus, war öffentlich-rechtlich nicht interessant.

Da ich beim Hamburger Filmbüro als Störenfried schon mehrfach aufgefallen war, stellte ich einen Antrag und benutzte dazu nicht meinen Rufnamen, sondern einen der beiden anderen, den mir meine Eltern mangels anderer Schätze vermacht hatten.

Und Otto Meyer hatte Glück, sein Antrag wurde mit 80 TDM gefördert. Zusammen mit dem Kameramann Dietmar Bruns fuhr ich nach Amerika (Nord und Süd) und wir befragten die Zeitzeugen. Sie haben mich gefragt, wie ich vor zwanzig Jahren darauf gekommen bin, nach diesen jüdischen Kinobesitzern zu suchen. Ich weiß es nicht. Aber als ich diese gefunden hatte, die Söhne und Töchter jener Kinobesitzer, da haben diese mir die gleiche Frage gestellt. Allerdings mit einem Zusatz. Wieso hat das so lange gedauert?

Und das ist wirklich die Frage, wieso hat es sechzig Jahre gedauert, dass sich jemand gefragt hat, wo sind die geblieben? Die Mörder von damals laufen ja noch alle frei rum. (Inzwischen nicht mehr, weil viele verstorben sind 2014). Mehrere Generationen hatten teilgenommen. Am Ende hatten sich alle Täter zu Mitläufern erklärt. Wer lange genug Krimis liest, weiß, was das große Problem des Mörders und der Mörderin ist. Das Verstecken der Leiche, insbesondere der Kopf macht Schwierigkeiten. Wir sind immer noch auf der Suche nach dem perfekten Mord und der wird mit den neuen technischen Möglichkeiten immer unmöglicher.

Anders dagegen ist es, wenn sich ganze Völker auf vielfältige Weise an diesem Mord beteiligen. Sich dann die Beute teilen und die Leichen verbrennen. Dann wird die Sache schon viel einfacher für jede/n einzelne/n MörderIn. Dann halten sie alle zusammen. Und wenn es dann noch um Leute geht, die man normalerweise nicht wahr nimmt, weil sie selbst in einem Teil des Unternehmens arbeiten, das man als Kunde nicht wahrnimmt, dann verschwinden diese Menschen fast spurlos. Oder kennen sie den Menschen, der für die Cinemaxxe die Filme aussucht? Oder gar jenen, der vor einigen Jahren noch als Besitzer jener Kinos fungiert hat?

Natürlich nicht. Manchmal begegnet ihnen die Kassiererin, manchmal der Vorführer, aber schon der Buchhalter ist dem Publikum, also uns, nicht bekannt. Eine weitere Tatsache kommt auch aus den Krimis. Verstecken lässt sich etwas am besten, wenn es mit einer anderen Sache, möglichst der gleichen Sache, zusammen liegt. Also Fleisch am besten bei Fleisch und Papier bei Papier verstecken. Diese Erkenntnisse haben eine weite Verbreitung. Wenn man also Papier nicht mehr rechtzeitig vernichten kann, dann versteckt man es besten bei anderem Papier und erfindet Vorschriften, nach denen es nicht gelesen und veröffentlicht werden darf.

Im Falle der jüdischen Mitbürger brauchte man keine Ängste zu haben. Alles gut in Archiven versteckt und erst in 50 Jahren zugänglich. Das wird bei uns Datenschutz genannt, ist aber doch nur Täterschutz. Sehr wirksam. Und natürlich: völlig absichtslos. Die Opfer, die noch lebten, waren froh, dass sie noch lebten und wollten auch nicht daran erinnert werden, wie das damals war, als man ihnen mit dem Tod drohte und die anderen vernichtet worden.

Die Filmindustrie bildet für den Teil, der sich vor der Kamera abbildet, eine kleine Ausnahme. Das Schicksal der Schauspieler war schnell aufgeklärt. Die meisten waren, so sie es konnten, geflohen, einige waren umgebracht worden und man erfuhr von ihrem Leidensweg, aber alle, die hinter der Kamera waren, mit Ausnahme vielleicht des Regisseurs und des Kameramannes waren dem Publikum nicht interessant genug, um nach ihnen zu suchen. In dieser Reihenfolge belegen Kinobesitzer den letzten Platz.

Kurz: Als ich 1987 anfing, nach den Kinobesitzern zu suchen, hatte noch niemand vor mir gesucht und deshalb natürlich auch nichts gefunden. Ich hatte am Anfang schon berichtet, dass ich als Jahrgang 1946 schon daran gewöhnt war, für den fraglichen Zeitraum von 1933 – 1945 angelogen zu werden. Schon als ganz kleiner Junge mit sechs oder sieben Jahren hatte ich den Eindruck, dass etwas ganz Schreckliches in dieser Zeit passiert war.

Dass niemand sagen konnte, wie es passiert war und niemand von denen, die um mich herum waren, war an dem Schrecklichen beteiligt, bis auf meinen Onkel (genannt Onkel Otto, genauer Dr. Otto Averdieck, Rechtsanwalt). Ein überzeugter Nazi. Ich erinnere mich nicht mehr, ob er seiner Sache noch so sicher war. Damals. Aber auf jeden Fall war er der einzige, der die Augen offen hatte, der zugab, dabei gewesen zu sein. Der von Beruf Jurist war. Das war der einzige. Im besten Falle bekam man keine Antworten, wenn man Fragen stellte und wenn man Antworten bekam, dann stellte sich später heraus, dass man angelogen worden war.

Damit bin ich aufgewachsen. Ich habe schon berichtet, dass ich als Kind der Meinung war, die Kommunisten wären Schuld an diesem großen Unglück mit den zwei verlorenen Kriegen und allem was dazu gehört. Ich fand es als Kind deshalb auch richtig, dass die Partei von diesen bösen Menschen verboten war. Erst später kam ich drauf, dass die, die immer so für Ruhe und Ordnung sprechen, die Konservativen, für diese Kriege verantwortlich waren und dass im Gegensatz dazu es grade die Kommunisten waren, die diese Kriege nicht wollten. Das gehört natürlich dazu.

Die KPD ist heute noch verboten, die NPD nicht. Um zu den Kinos zurückzukehren. Ich habe inzwischen eine große Menge an Wissen angehäuft über die Enteignung dieser Kinos, aber es gibt kaum Neugier danach.

Vor einigen Jahren gab es zwei Autoren, die ein sog. “Hamburger Kinobuch” vorbereitet und dann auch veröffentlicht hatten. Bei der Vorbereitung dieses Buches hatte ich beide kennengelernt und ihnen auch sämtliche Fakten, die ich zu jener Zeit wußte, zur Verfügung gestellt.

Sie haben von diesem Wissen keinen Gebrauch gemacht und so ein völlig unhistorisches Kinobuch vorgelegt. Ich hoffe, dass in ihrer Generation so was nicht mehr passiert. Auch natürlich in der Hoffnung, dass Wiederholungen nicht stattfinden werden.

 Ich danke fürs Zuhören.

Vom Original Manuskript übertragen am Montag, d. 2. Juni 2014

Vorgetragen am: 28. Mai 2008 in der Uni Hamburg, aber bisher nicht veröffentlicht  Foto Jens MeyerBy-nc-sa_colornilpferd_tumb04051942IMG_2712Stoperstein

pdfAbschrift-LBB-vom-27-Juli-1938

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PDF FritzKuhnertUFAAuszugausBEricht15Seiten

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Tim Schümann Hamburg (Der Sohn)

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Ein Interview, das eigentlich nicht stattgefunden hat. Der Ton wurde  zufällig aufgenommen. Vor einigen Jahren verstarb Tim Schümann. Deshalb kommt hier jetzt die Veröffentlichung des nicht gemachten Interviews. Und wäre nicht zufällig die Kamera mitgelaufen, mit denen wir das Fotoalbum von Tim Schümann abgefilmt haben, dann gäbe es diese Originaltöne (hier protokolliert) nicht. Ich nenne das Interview: Lügen aus Hamburg.

StaatsarchivRomahn&Schümann

PDF InterviewTimSchümann „Tim Schümann Hamburg (Der Sohn)“ weiterlesen

Die Geschichte von Frida und James Henschel, erzählt von den Enkelkindern – Ein Entwurf zu einem Buch

Tieresehendichan3In einem Schlund ist die Geschichte der jüdischen Kinobesitzer in Hamburg verschwunden. „Die Geschichte von Frida und James Henschel, erzählt von den Enkelkindern – Ein Entwurf zu einem Buch“ weiterlesen