Briefe an Eugen (V) Die Gewaltfrage

Briefe an Eugen, (V) Die Gewaltfrage

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(Zeichen 2.268 )

Pdf Notwendige Vorbemerkung Projekt Arthur

Hallo Eugen,

heute wieder nur ein Text, den ich grade wiedergefunden habe. Er stammt aus dem Film »Projekt Arthur« (1978) von der Medienwerkstatt Freiburg. Ausgedacht und gesprochen hat ihn Karl Heinz Roth.

Die Gewaltfrage

Notwendige Vorbemerkung. Karl Heinz Roth:

„Ich glaube, es gibt ein doppeltes Trauma bei den sozialrevolutionären und kommunistischen Arbeitern.

Das erste Trauma liegt meiner Meinung nach darin begründet, daß sie die Frage nicht beantworten können, wieso eine Arbeiterklasse oder die Fraktion einer Arbeiterklasse die immerhin über 300 000 Mitglieder 1932 hatte, so bruchlos und so kompromisslos zerstört werden konnte ohne das dabei die letzte Form des Arbeiterwiderstands in dieser Situation, nämlich der bewaffnete Kampf, organisiert wurde.

Das ist eines der ganz großen Tabus in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Und ich stehe dazu, daß dieses Tabu aufgebrochen werden muß.

Um nicht missverstanden zu werden. Es gab einen ganz breiten Widerstand der Arbeiterbewegung, auch der sozialistischen Arbeiterbewegung 33 /34 .

Das Problem besteht darin, daß sie sich für verteilte Flugblätter haben aufhängen lassen. Und nicht dafür, daß sie sich bewaffnet haben. Das ist ein ernstes Problem. Das ist keine — das ist nicht dahergeholt. Das Problem existiert real.

Und ich glaube, diese mangelnde Erfahrung von kompromissloser Kampfbereitschaft ist das Problem der Schwellenangst von revolutionärer Gewalt. Das ist ein Problem der deutschen Arbeiterbewegung.

Zumindest seit den dreißiger Jahren. Und dieses Problem hat dazu geführt, daß im Sommer 45 als die Möglichkeit bestand, die Kontinuität zu durchbrechen, die Chance nicht genutzt wurde.

Und es ist völlig klar, innerhalb weniger Monate ist der alte Repressionsapparat nicht etwa restauriert worden, sondern der hat einfach weitergemacht. Und das ist also das Problem.

Die mangelnde Härte gegenüber dem Klassenfeind, der hoch organisiert war, der ein außerordentlich hochentwickeltes System der Präventiven Konterrevolution in der Nazidiktatur entwickelt hat, ist nur anzugehen durch die entschiedenste Form des Kampfes und das ist in diesem Fall die Liquidierung von Spitzeln, das ist in diesem Fall, der bewaffnete Angriff auf Denunziationssyteme, das ist in diesem Fall der Angriff auf das Spitzelsystem in den Betrieben.

Das ist nicht passiert. Stattdessen wurden Flugblätter verteilt. Es wurden massenhaft Tausende, Zigtausende von revolutionär gesinnten Arbeitern umgebracht. Hunderttausend Kommunisten wurden von den Nazis liquidiert. Und wieviel Nazis haben die Kommunisten liquidiert? Vor 45?

Hallo Eugen. dein Einwand ist nicht ohne. 80 Millionen Einwohner, 6 Milionen Arbeitslose und nur 300 Tausend revolutinaere Arbeiter. Das ist natuerlich ganz schoen, aber sehr wenig. muß den Film noch gucken, ob K. H. R. wirklich 300 Tausend sagt. Danke fuer den Hinweis, J.

Zeichnung Helga Bachmann

Ein Gedanke zu „Briefe an Eugen (V) Die Gewaltfrage“

  1. Den emotionalen Reflex – zu denken: „Wenn die Revolutionäre schon gefoltert und umgebracht werden, dann hätten sie dafür doch wenigstens vorher so viele Faschisten wie möglich erschiessen sollen“ kann ich nachfühlen, – aber 300 000 gegen die Interessen der Wirtschaft und des Kapitals und diesen Propagandaapparat der Nazis – da sehe ich kaum eine Chance. Vor allem aber ist mir die Denke zu primitiv (eben so primitiv, wie es die Nazis überwiegend waren): wenn es mir gelingt, alle Gegner totzuhauen, dann hat der Kommunismus oder was auch immer gesiegt.
    Ich habe die Ausführungen zur Entstehung des Films auf dem Blatt des Internationalen Forums zur Aufführung des Films gelesen: Demnach ist es noch nicht einmal möglich, in einem Film (!) verschiedene Meinungen und Standpunkte nebeneinander existieren zu lassen – die „Revolutionäre“ ziehen ihre Beiträge zurück … mir graust, wenn die auch noch schießen.

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