Waterloo Kino – Malve Heisig – Witwe von Heinz Bernhard Heisig

pdf Protokoll Malve Heisig

Tieresehendichan3Protokoll eines Gespräches mit Malve Heisig, am Dienstag, d. 24. Januar 1989 im Haus der Jugend Mümmelmannsberg. Malve Heisig ist zu diesem Zeitpunkt 72 Jahre alt. Sie war verheiratet mit Heinz Bernhard Heisig, der 1984 gestorben ist. Geboren ist er 1900 (*). Sie hat Heinz B. Heisig 1961 geheiratet, nachdem sie ihn 1956 im Esplanade Kino kennengelernt hatte. Er war damals der Besitzer dieses Kinos. Geboren ist Heinz B. Heisig 1900.

Folgende Aufzeichnungen habe ich 1989 nach dem Gespräch angefertigt:

Malve Heisig, Keramische Unikate, Heimfelder Strasse 48, Witwe von Heinz B. Heisig, der 1984  gestorben ist. Sie ist 1989-  72 Jahre alt. Malve H. hat ihren Mann 1956 im Esplande Kino kennengelernt. 1961 haben sie geheiratet. Er ist Jahrgang 1900. Das Waterloo Theater in der Dammtorstrasse 14 wurde von James Henschel gegründet.

1919 wurde es an die Hirschel Gruppe (Juden) verkauft. Heinz B. Heisig war bei seinem Vater 1918 als Vorführer in Recklinghausen angestellt. Dann versuchte er sein Glück als Filmtheaterleiter in Liegnitz, Danzig und Tilsit. Wegen seiner Erfolge holte ihn 1923 die UFA und setzt ihn in verschiedenen Theater der Ufa in Essen, Würzburg, Worms und Berlin ein.

Anmerkung 2022: Die Norddeutsche Filmtheater KG Hirschel & Co (American Kino, Theater am Nobistor, Neues Reichstheater, Inhaberin: Frau Rosa Hirschel), wurde 1933 enteignet. Sie nennen es „Arisierung“. Die  Familie Hirschel flüchtet aus Deutschland. Nach dem Krieg verlangt Manfred Hirschel am 28. September 1949 beim „Central Claims Registry in Bad Nenndorf“ die Rückgabe seines  Waterloo Kinos. Doch die neuen Eigentümer, maßgeblich Clara Esslen und Heinz B. Heisig, wollen nichts zurückgeben. Es kommt zum Prozeß vor der sog. „Wiedergutmachungskammer“ des Hamburger Landgerichtes.

Anmerkung 2022:In einem Filmbuch, erschienen in Hamburg 2008, wird der Nutznießer einer „Arisierung“ in folgender Weise vorgestellt: „Heinz B. Heisig löste 1934 (Manfred) Hirschel als Geschäftsführer ab“. Besser kann man einen Raub nicht verharmlosen.

1930 wurde im Ufa Konzern der nationalsozialistische Druck spürbar, das Unternehmen wurde von “jüdischen Elementen gereinigt“. Heinz Bernhard Heisig ging von der Ufa weg zur Waterloo Theater Inhaberin: Frau Clara Esslen. Während der Nazi Zeit in Hamburg das einzige Kino, in dem auch Filme gezeigt werden, die sonst nicht auf der Linie der Reichsfilmkammer des Herrn Goebbels lagen. Gegenüber im Gebäude der Schulbehörde hatte die Gestapo einen ihrer Hamburger Sitze.

Malve Heisig ist verbittert, das an dem Gebäude zwar ein Hinweisschild auf den Architekten, aber kein Hinweis auf die Gestapo vorhanden ist. 1945 ist Heinz Bernhard Heisig in Hamburg der einzige Filmtheaterleiter, der für die Besatzungsbehörden noch vorzeigbar ist. Er ist der einzige Hamburger Kinobesitzer ohne NSDAP Mitgliedschaft.

Die Gunst der Stunde nutzt Heinz Bernhard Heisig: In den ehemaligen Tanzsaal des Esplanade (Hotels) baut er das Esplanade Kino ein. In Düsseldorf baut er das Residenz Theater (1943 völlig zerstört) wieder auf. Weiterhin ist er auch Mitinhaber der »Waterloo Theater GmbH« in der Dammtorstrasse 14. Kreditgeber für »Esplanade« und »Residenz« Theater: Französische Kreditgeber: »Pallas Filmverleih«.

Anmerkung 2023: Die Besitzerin Clara (Klara) Esslen u. Miteign. der Grundstücke Dammtorstr. 14/15 verpachten das »Waterloo« Kino an »MGM«. Von nun an hat es den Namen »MGM-Waterloo«. Heinz Heisig, der das Kino seit 1932 gemacht hatte, erfährt aus der Zeitung von dem neuen Pächter. Nach dem Tod von Clara Esslen (1959) übernimmt die Erbengemeinschaft, bestehend aus Eva Haass, geb. Esslen, Werner Eberhard Erlo Esslen und Günther Esslen die Grundstücke Dammtorstr. 14/15.

1963 wird das »Esplanade Kino« renoviert. Zum Teil mit Material aus dem Capitol Theater in der Hoheluftchaussee 52. Im Esplanade Theater findet die deutsche Erstaufführung des Filmes “Orphee“ von Jean Cocteau in Anwesenheit des Regisseurs statt.

Axel Springer ist während der Nazi Zeit Volontär bei Heinz B. Heisig. Im Waterloo findet die Premiere von “Sterben für Madrid“ in der Nazi Zeit statt. “Das Waterloo war son kleines Widerstandsnest.“ (Malve Heisig).

Mit dem Wechsel der offiziellen Linie ab 1955 wurde die Situation für Heinz (Heinrich) Bernhard Heisig immer schwieriger. Er wurde als Kommunist denunziert. Das Haus (Hotel) in der Esplanade wurde an den Phrix Konzern verkauft, der einige Jahre später ebenfalls in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet und an BASF verkauft wurde.

1966 erkrankte Heinz Bernhard Heisig schwer. Das Esplanade Theater kam in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Zwei Monatsmieten war Heinz Bernhard Heisig im Rückstand. Das Unternehmen war noch nicht schuldenfrei. 150.000,– DM. Er verhandelte darauf hin mit der Firma Robert Billerbeck wegen der Übernahme des Hauses.

Später verhandelte der Phrix Konzern in der gleichen Sache und wurde mit Herrn Robert Billerbeck handelseinig. Kaufpreis ist nicht bekannt. Malve Heisig schätzt die Kaufsumme auf 600.000 DM. Die ursprüngliche Besitzerin des Esplanade Hotels war Frau Lange, der gehörte auch der Reichshof, die verkaufte an den Phrix Konzern.

Baubeginn Esplanade 1947. Großes Kino mit 400 Plätzen. Fertigstellung 1948.

Zur Premiere des Films »Ehe im Schatten« mit Ilse Steppat im Waterloo Theater nach dem Kriege, vermutlich am 3.10.1947 (Start in den Westzonen) Datum ???, war auch Veit Harlan erschienen. Es hatte ihn niemand eingeladen. Heinz Bernhard Heisig verwies ihn des Theaters. Der Film von »Kurt Maetzig« wurde in der Sowjetischen Besatzungszone gedreht. (BRD und DDR wurden erst später gegründet).

Die Uraufführung des Filmes war am 3. Oktober 1947 im »FAT« »Filmtheater am Friedrichshain« (Berlin, sowjetischer Sektor) und am gleichen Tag in der Kurbel (Berlin, britischer Sektor), im Prinzenpalast Gesundbrunnen (Berlin,  französischen Sektor),im Cosima (Berlin, amerikanischen Sektor) und vielleicht auch am gleichen Tag im Waterloo Theater (Hamburg, britischen Sektor)

PS: Malve Heisig kannte die Geschichte ihres Mannes aus eigener Kenntnis erst ab 1956.

Jens Meyer (1989/2023)

Tieresehendichan3 Nachtrag 2020: Ein Leserbrief an das Hamburger Flimmern veröffentlicht im: (Hamburger Flimmern 4/98, Seite 7) Esplanade-Kino: „Ihr Artikel über das „Esplanade“- Kino hat mir gut gefallen. Durch einen Zufall habe ich 1989 die Witwe von Heinz B. Heisig, Malve Heisig, kennengelernt. Sie war damals 72 Jahre alt und hatte noch eine Menge weitere Informationen zum Lebensweg ihres Mannes erzählt, auch aus einer Zeit, in der sie noch nicht mit ihm zusammen war. Das »Waterloo-Theater« wurde in der NS-Zeit enteignet (arisiert). Es gehörte der jüdischen Firma Nordeutsche Filmtheater KG (Manfred Hirschel), die das Kino 1929 von Hugo Streit und Herman Urich Sass übernommen hatte. Neue „arisch-deutsche“ Besitzerin wurde Frau Clara Esslen, die als Witwe die beiden Grundstücke Dammtorstr. 14 und 15 von ihrem verstorbenen Ehemann Karl Friedrich Esslen geerbt hatte. Heinz Bernhard Heisig wurde als Geschäftsführer der  Neugründung: »Waterloo Theater GmbH« eingestellt. Vorher, von 1923 bis 1934, war er Theater-Direktor der UFA in Berlin (u. a. im dortigen UFA-Palast). Während der Zeit als Geschäftsführer des „Waterloo“-Theaters (1934-1945) wurde das „Waterloo“ von der UFA mit Liefersperren neuer Filme behindert, so daß Heisig gezwungen war, andere Filme zu zeigen. Das führte u. a. dazu, dass hier auch lange Zeit noch amerikanische Filme gezeigt wurden. Das führte mit dem Einmarsch der britischen Truppen fast automatisch dazu, daß er als einziger Hamburger Kinobesitzer als „unbelastet“ galt und als erster wieder eine Lizenz von den Alliierten Militärbehörden erhielt. Alle anderen Kinobesitzer standen bei Heisig Schlange, um einen »Persilschein« von ihm zu bekommen. Er muß sehr großherzig gewesen sein, was sich jedoch später nicht für ihn ausgezahlt hat. Clara Esslen, der das Grundstück gehört,  verpachtet  das Kino 1957 an  »MGM«. Das Kino bekommt den Namen »MGM-Waterloo«. Auch Herr Robert Billerbeck hat sich Bei der Übernahme des »Esplanade« Kinos nicht besonders erkenntlich gezeigt. 1966 erkrankte Heinz Bernhard  Heisig schwer, so daß er sich entschloß, das Kino zu verkaufen. Er verhandelte mit Robert Billerbeck über das »Esplanade« Kino. Zu einem Kaufvertrag zwischen Heinz Bernhard Heisig und Robert Billerbeck ist es nicht mehr gekommen. Robert Billerbeck hat das Kino von der Phrix AG, die das Gebäude 1951 ersteigert hatte, schuldenfrei übernommen. Die aufgelaufenen Kredite (rund 80.000 DM kostete allein die Umrüstung auf das CinemaScope-Format) mußten von Heinz Bernhard Heisig weiter gezahlt werden, ohne daß er von Robert Billerbeck irgendeine Summe erhielt – und das alles vor dem Hintergrund, daß er das »Esplanade« Kino« 1948 selber hatte erbauen lassen. Seine Frau, Malve Heisig, hatte seitdem die Familie mit Töpferkursen in Häusern der Jugend notdürftig über Wasser halten können und erst 1984 – kurz vor seinem Tode – waren die Schulden abbezahlt. Hier gilt, was man bei Malern und anderen Künstlern gewöhnlich schreibt: Er starb völlig verarmt. Der größte Teil seines schriftlichen Nachlasses, seine geschäftlichen sowie die privaten Korrespondenzen, ging im Laufe der Jahre leider verloren; nur ein kleiner Rest konnte von Frau Heisig über die Patriotische Gesellschaft zur Aufbewahrung an das Staatsarchiv übergeben werden.                  PDF Nachtrag Heinz Heisig

Nachtrag 2020: Leider hat sich das ursprünglich positive Bild von Heinz B. Heisig, das ich von Heinz B. Heisig zum Zeitpunkt des Interviews (Dienstag, d. 24. Januar 1989, 15.00 Uhr) mit seiner Witwe Malve Heisig hatte, im Laufe der Recherchen seit 1989 ziemlich geändert. Er war zwar von den Kinobesitzern Hamburgs einziges Nichtmitglied der NSDAP und ihrer Gliederungen aber (zusammen mit Clara Esslen) Nutzniesser der Nazi Enteignungs (Arisierung) Massnahmen. Das wird insbesondere durch die Prozessakte deutlich, in der der ehemalige Besitzer Manfred Hirschel nach dem Kriege die Rückgabe seines Eigentumes von Heinz B. Heisig und Clara Esslen verlangt hatte. Es drängt sich die Vermutung auf, dass die neuen Besitzer (seit 1938) des „Waterloo Theaters“ Clara Esslen und Heinz Bernhard Heisig darauf vertraut haben, dass die Einzelheiten im „Wiedergutmachungsprozeß“ nach dem 2. Weltkrieg nicht in die Öffentlichkeit gelangen würden. Erst die Vollmacht des Sohnes von Manfred Hirschel, Günther Harald Hirschel, hat es ermöglicht, Einsicht in die Prozessakten von damals zu bekommen. Dort stellt sich die Sache völlig anders dar. Doch am Ende lief Manfred Hirschel die Zeit davon und er hat sich mit den beiden „Arisierern“ Clara Esslen und Heinz B. Heisig verglichen.  50 TDM waren das Ergebnis. Eine geradezu lächerliche  Summe.

(*) Ps. Ob das Geburtsjahr, das Malve Heisig von ihrem Ehemann angegeben hatte (1900), weiß ich nicht. Eine andere Quelle schreibt von 1899 (31. August 1899. Staatsarchiv Hamburg, Akte Familie Heisig 622. 2. 4) Vielleicht hat er sich ein Jahr jünger gemacht? Wer weiss das schon.

Jens Meyer 2023

Dammtorhaus, (ohne Waterloo Theater) Dammtorstrasse 14 – 15 , fotografiert am 25. Mai 1989 Foto Jens Meyer
Manfred Hirschel
Leoparden küsst man nicht

Saõ Paulo

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert