„Wer die Macht hat, hat das Recht“ Ein Brief aus Lübeck
Auszug aus einem der Briefe, die Leopold Gonser (Kinopächter der Stadthallen Lichtspiele in Lübeck, zusammen mit Ernst Robert und Wilhelm Markmann) am
14. August 1933 (Lübeck) an den Verband der Norddeutschen Lichtspieltheaterbesitzer in Hamburg schrieb.
(Exkurs: Leopold Gonser (1877-1953) war (zusammen mit Ernst Robert und Wilhelm Markmann) Pächter der Stadthallen Lichtspiele ab 1929. (Nachfolger von Jeremias (genannt James) Henschel aus Hamburg). Die Hansestadt Lübeck war damals (vermutlich) Eigentümer des Gebäudes, was aus der Tatsache geschlossen wird, daß Leopold Gonser im August 1933 auch Briefe an die Hansestadt Lübeck geschickt haben soll, die allerdings in der Veröffentlichung nicht abgedruckt sind. (Kinos in Lübeck)
Stadthallen-Lichtspiele 14. August 1933
An den
Verband Norddeutscher Lichtspieltheaterbesitzer e. V.
Hamburg 36
Neue Rabenstrasse 27/30
Seitdem wir zu Beginn der Tonfilmära im Januar 1930 den ersten Ufavertrag geschlossen haben, und im guten Glauben die hohen Garantiesummen bewilligten, weil der Tonfilm für uns, wie für alle Kollegen ein Neuland war, sind wir dem Ausbeutungssystem des Grosskap(i)tals der Hugenbergschen Ufa recht und wehrlos ausgeliefert.
Rechtlos, weil die Verträge nur Rechte für die Ufa enthielten, während wir nur die Pflichten zu erfüllen hatten. Wehrlos, weil in dem marxistischen Zeitalter niemand wagte, den Mittelstand gegen die grosskapitalistischen Ausbeutungen zu schützen, nach dem alles vernichteten Wahlspruch:
„Wer das Geld hat, hat die Macht und das Recht“.
Wir und mit uns der Mittelstand wären allmählig von dem Grosskapital vernichtet worden, wenn nicht in allerletzter Minute, unser aller Retter, unser herrlicher Volkskanzler Adolf Hitler, seine Weltanschauung: „Dass die Deutschen über Geld und Besitz zu reiferen „Idealen zurückfinden“ zum Gemeingut jedes nationalsozialistisch fühlenden Menschen gemacht hätte. Und diese Worte unseres Kanzlers geben mir den Mut in meiner verzweifelten Lage mich hilfesuchend an meine Führer zu wenden, bevor ich von zwei grosskapitalistischen Konzernen zermalmt werde.
Ich will versuchen, meine Bitte so kurz wie möglich zu formulieren: Von den am 15. Januar 1930 geschlossenen Ufatonfilmen ( . . . ) haben nur zwei, „Der blaue Engel“ und „Liebeswalzer“ die Garantie bei 40 % und 45 % der Leihmiete überschritten, während der ganze Rest sie nicht erreicht hat. Für synkronisierte (?) Filme wie: „Wenn Du einmal Dein Herz verschenkst“ und „Der weisse Teufel“ mussten wir RM 3500,– und RM 4000,– im voraus bezahlen.
Das sind Summen, die wir kaum in der Spielwoche eingenommen hatten. Als Stummfilme, ohne Tonuntermalung würden solche Filme kaum mehr als RM 500,– gekostet haben. Wir sind natürlich dadurch in eine gewisse Hörigkeit der Ufa gekommen, weil wir zu so hohen Preisen einige Filme einfach nicht terminieren konnten, denn diese gewaltigen Garantiesummen, sowie die großen Zahlungen für die neue Tonfilmapparatur hatten unsere Reserven schnell aufgezehrt. Daher konnte uns die Ufa für den zweiten Abschluss am 28. August 1930 über 17 weitere Filme ( . . . ) ihre Preise einfach diktieren ( . . . ).
Weil wir aber noch mit der Abnahme einiger sehr teurer Ufa Filme im Rückstand waren, die wir lediglich aus dem Grunde nicht zu teminieren wagten, weil die Garantiesummen uns unerschwinglich hoch vorkamen, gab die Ufa uns schließlich auf unser Bitten die halbe Produktion. Leider erhielt der kapitalkräftige Mestkonzern die bessere Hälfte, mit „Kongress“ und „Montecarlobomben“. Natürlich wurden uns die Preise einfach diktiert, weil wir der Ufa schuldeten, aber Mest konnte ohne Garantiesummen in Lübeck spielen, das waren Vorteile, die nur einige große Konzerne bei den Verleihern genossen, wodurch sie uns kleinen Theaterbesitzern natürlich im Vorteil waren.
Wieder hat nur einer von diesen 13. Filmen ( . . . ) die Garantiesumme überschritten. Das war der „Yorckfilm“ sämtliche anderen sind weit darunter geblieben.
Nun kam die Abschlusszeit des Jahres 1932 heran. Die Ufa hatte mit Mest in Lübeck, trotz seiner großen Macht als Konzerntheater, schlechte Erfahrungen gemacht. Wir hatten mit unserer schwächeren Hälfte mehr abgeliefert als Mest mit den grossen Kanonen der besseren Hälfte. Anscheinend war es deswegen zwischen der Ufa und Mest zu Meinungsverschiedenheiten gekommen, denn man zwang uns jetzt schier die ganze grosse Produktion 1932/33 allein zu spielen.
( . . . ).
Nun ist es in Fachkreisen bekannt, dass die letzte Ufaproduktion nicht das gebracht hat, was man von ihr erwartet hatte. Es sind viele Versager darunter, die absolut nicht den Publikumsgeschmack getroffen haben. ( . . . ).
Als wir den ersten Ufafilm der neuen Produktion im vergangen Jahre im September einsetzten, hatten wir ein Bankguthaben von über RM 11000 ( . . . ) Nach dem Abspielen des 16. Ufafilmes hatten wir nur noch RM 31,–auf der Bank laut einliegendem Tagesauszug ( . . . ). Diesen Verlust haben wir zu größten Teil durch die zu hohen Garantiesummen bei der Ufa erlitten.
Wiederholt haben wir gebeten uns diese zu ermässigen, weil sie einfach nicht herauszuholen waren. Wie haben der Ufa einliegende amtliche Statistik ( . . . ) eingeschickt, aus der klipp und klar hervorgeht, dass Lübeck die bei weitem schlechteste Grossstadt für den Kinobesuch ist.
Niemals hat man darauf reagiert. Aber wegen der Uneinigkeit der Lübecker Kinobesitzer kümmert sich hier niemad, um die weit grössere Not bei uns. Im Gegenteil, es ist dem grossen Mestkonzern sehr recht, wenn das nicht an die grosse Glocke des Verbande kommt, Konzerne lieben die Verbände ja nicht, weil dort Gemeinnutz vor Eigennutz geht, während bei den Konzernen das Gegenteil noch der Fall ist.
Konzerninhaber stehen der neuen, grossen Bewegung verständnislos und fremd gegenüber. Sie lassen irgend einen kleinen Geschäftsführer Parteimitglied werden und meinen damit genug getan zu haben.
Der Mestkonzern verdient ja in Magdeburg und an anderen Plätzen, wo er das Monopol hat, genug Geld und kann es daher so lange aushalten in Lübeck Geld zu verlieren, bis alle kleinen Theaterbesitzer von Haus und Hof müssen, damit er kostenlos ihre Theater überschlucken kann, wie es nun einmal Sitte der Grosskonzerne ist.
Wodurch ist denn die Ufa zu ihren vielen Theatern im Reich gekommen?! Sobald ein Großkonzern in einer Stadt das Monopol hat, dann beginnt die Zeit für ihn, das Geld einzuscheffeln, dann diktiert er den kleinen Verleihern und dem Publikum die Preise. So war es, so ist es teilweise noch, aber das muss aufhören, wenn der Mittelstand in unserer Sparte nicht zu Grunde gehen soll.
Und nun gibt ausgerechnet in diesem Jahre die Ufa Ihre ganze Produktion an Mest, wodurch diese beiden Grosskonzerne uns zu Grund richten wollen. ( . . . )
Die Ufa verlangt von uns ( . . . ) , dass wir die noch abzunehmenden Filme, im ganzen 16, aus alten und neuen Produktionen schnell terminieren. Das ist doch unmöglich. Wie können wir diese alten Ufafilme spielen, wenn die Mest Theater alle drei in den nächsten Tagen schon mit den ersten Filmen der neuen Produktion herauskommen, die sicher besser sein werden, als die ganzen Ufafilme der letzten, missglückten Produktion. ( . . . ).
Es ist jedem Fachmann bekannt, dass wir überhaupt keine Besucher trotz geschickester Reklame in unser Theater locken können, wenn wir alte und drei Mesttheater neue Filme spielen würden. Das wäre einfach unser Zusammenbruch. Ausserdem verlangt die Ufa noch die Zahlung von ca. RM 6.000 von uns, für Garantiesummen. Der letzten Filme, die uns gegen 60 % des Abschlusspreises ausgeliefert wurden. ( . . . )
Wir sind das einzige Theater gewesen, das in marxistischer Zeit gewagt hat die vaterländischen Filme zu spielen, die jedem nationalgesinnten Deutschen Erbauung gaben. Jetzt natürlich haben alle anderen Theaterbesitzer auch mit einem Male ihr patriotisch schlagendes Herz entdeckt, nachdem sie keine Anfeindungen vom Volksboten, die ich mir wiederholt gefallen lassen mußte, zu befürchten haben. ( . . . )
Nur, wenn wir die halbe neue Produktion erhalten, ist uns auch die Möglichkeit gegeben, alte Filme zwischendurch zu zeigen, die noch zu spielen sind.
Wenn sich die Ufa nicht auf eine dieser beiden Möglichkeiten einlässt ( . . . .), dann müssen wir unser Theater schliessen ( . . . ) aber wir geben unsere Hoffnung nicht auf, dass im dritten Reich die Grosskapitalisten ihr Unwesen zum Schaden des Mittelstands weiter treiben können, sondern wie hoffen zuversichtlichst, dass uns unser Führer nicht untergehen lässt, sondern uns helfen wird.
Heil Hitler
Stadthallen Lichtspiele (Lübeck)
Gonser